Sichern Sie Ihre Kultur – Baum für Baum

FOR STMAGAZIN
Sichern Sie Ihre Kultur –
Baum für Baum
Es muss nicht gleich ein
Zaun sein, um junge Bäume
gegen Verbiss- und Fegeschäden zu schützen. Elke
Hübner-Tennhoff und Martin
Nolte* zeigen Methoden zum
Einzelbaumschutz.
Alles griffbereit: Damit
die Verfahren ergonomisch ablaufen, trägt
man Material und
Werkzeug am besten
direkt am Körper.
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*Unsere Fachleute:
Elke Hübner-Tennhoff und
Martin Nolte sind Arbeitslehrer
im Forstlichen Bildungszentrum
für Waldarbeit und Forsttechnik
im Lehr- und Versuchsforstamt
Arnsberger Wald des Landesbetriebes Wald und Holz Nordrhein-Westfalen.
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Fotos: Höner
or sechs Jahren verursachte der
Sturm Kyrill gigantische Schäden, vor allem auch im Sauerland.
Riesige Flächen müssen wiederbewaldet werden. Gleichzeitig bedrohen die
sehr hohen Schalenwildbestände die
jungen Pflanzen. Natürlich sind hier in
erster Linie die Jäger gefordert. Kurzund mittelfristig geht es aber nicht
ohne den mechanischen und teils chemischen Forstschutz. Das komplette
Gattern ganzer Bergrücken im Sauerland schließt sich aus – wegen der
schieren Größe der Flächen und wegen
der hohen Kosten.
Die Fachleute des Forstlichen Bildungszentrums für Waldarbeit und
Forsttechnik NRW in Arnsberg-Neheim haben deshalb den Einzelbaumschutz zu praxisreifen Arbeitsverfahren weiterentwickelt. Diese Schutzmaßnahmen gegen das Fegen und den
Verbiss sind auch für kleinere Flächen
im Bauernwald interessant. Wir waren
deshalb mit Elke Hübner-Tennhoff und
Martin Nolte vom Bildungszentrum im
Wald unterwegs und haben einige Verfahren ausprobiert.
Fegeschutz per Tonkin-Stab:Bei die-
sem Verfahren arbeitet man mit Stäben
(Halmen) der besonders haltbaren
Bambusart Tonkin. Die Stäbe kommen
aus Ostasien und werden vor allem im
Gartenbau eingesetzt. Für dieses Verfahren sollten sie 1,20 m lang und 10 bis
12 mm dick sein. Wenn Sie, vielleicht
zusammen mit anderen Waldbesitzern,
größere Mengen kaufen, liegt der Preis
pro Stab zwischen 7 und 11 Cent.
Das Wild nimmt eine Pflanze mit
dem hellen Tonkin-Stab wahrscheinlich als „bereits gefegt – also nicht mehr
interessant“ wahr. Deshalb ist es sehr
wichtig, dass die Stäbe 20 bis 25 cm tief
im Boden stecken und genau 3 bis 5 cm
Abstand zur Pflanze haben. Bei schrägen Stäben oder größeren bzw. engeren
Abständen nimmt das Rehwild den
Fegeschutz nicht mehr ernst. Weiterer
Vorteil am Rand: Durch die hellen Stäbe finden Sie die Pflanzen bei der Kulturpflege leichter wieder.
Damit das Verfahren auf der Fläche
effizient abläuft, trägt der Waldarbeiter
Material und Ausrüstung per Tragegurt
am Körper (z. B. Tragegurt für Pflanzarbeiten, ohne seitliche Taschen). Die
Stäbe werden dabei in einem Köcher
(ca. 55 €) an der linken Seite getragen.
Rechts am Tragegurt ist eine kleinere
Tasche für die Bindezange eingehakt.
Wichtig, vor allem auf steinigen
Böden, ist der Tonkin-Stab-Setzer
„Neheim“, den es entweder als Anbaudorn für den Neheimer Pflanzspaten
oder als Sologerät (ca. 50 €) gibt. Die
Geräte haben einen austauschbaren
Dorn, dessen Durchmesser zu den Tonkin-Stäben passt. Stiel und Dorn sind
leicht abgewinkelt, sodass der Waldarbeiter das Loch einfach und ergonomisch im passenden Abstand zur
Pflanze setzen kann.
So läuft das Verfahren ab:
1. Den Dorn im Abstand von 3 bis 5 cm
senkrecht in den Boden treten bis der
Trittsteg des Setzers auf dem Boden
aufliegt.
2. Tonkin-Stab in das Loch setzen und
eventuell mit einem Holzhammer
etwas tiefer einschlagen. Der stabile
Stab steht jetzt sehr sicher.
Setzer für Tonkin-Stäbe als Anbauteil für
den Neheimer Pflanzspaten.
Fixieren des kleinen Baums mit einer
Bindezange.
Neheimer bei 97 bis 98 %. Allerdings
bleiben bei dem Verfahren noch Fragen
offen: Werden sich die Rehböcke künftig an die Stäbe gewöhnen und trotzdem fegen? Reicht der Fegeschutz auch,
wenn die Pflanzen größer und dichter
werden? Und wie lange sind die Stäbe
wirklich haltbar?
Manschetten gegen den Verbiss: D
ie
Nur bei 3 bis 5 cm Abstand von der
Pflanze schützt der Stab vor dem Fegen.
3. Anbinden der Pflanze mit einer Bindezange (ca. 50 €). Die Zange hat einen
integrierten Abroller plus Schneide für
ein Kunststoffband und heftet das
Band mit Metallklammern zusammen.
Der fertige Fegeschutz per TonkinStab kostet bei diesem Verfahren im
Schnitt 34 Cent pro Pflanze. Der Baum
muss zusätzlich gegen den Verbiss
geschützt werden. Die unbehandelten
Tonkin-Stäbe können in der Kultur
bleiben. Die Schutzwirkung korrekt
gesetzter Stäbe liegt in den ersten drei
Kulturjahren nach Erfahrungen der
frischen Triebe der jungen Pflanzen
stehen ganz oben auf der Speisekarte
des Schalenwilds. Besonders gefährdet
sind u. a. Weißtanne, Kirsche, Eiche
aber auch Buche oder Douglasie.
Den Fegeschutz per Tonkin-Stab
kann man bei Nadelbäumen gut mit
einer Terminaltrieb-Schutzmanschette
(TS-Manschette) ergänzen. Die Manschetten bestehen aus Kunststoff, es
gibt unterschiedliche Ausführungen. Je
nach Art und jeweiliger Abnahmemenge liegt der Preis pro Stück zwischen 13
und 20 Cent. Das Material ist UV-beständig, sodass sich die Manschetten
mehrfach verwenden lassen.
Die Manschetten werden im Herbst
per Druckverschluss direkt unterhalb
der Terminalknospe angebracht. Die
Spitzen müssen über den Trieb hinausragen. Vor allem dürfen sie nicht zu
dicht verschlossen werden, weil die
Manschetten sonst durch das Dickenwachstum der Pflanze abfallen könnten.
Wichtig ist das Umsetzen der Manschetten in den folgenden Jahren – sie
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Der Tonkin-Stab schützt nur vor dem
Fegen und nicht vor Verbiss-Schäden.
Schutzmanschetten werden direkt auf
den Terminaltrieb geklemmt.
Die Manschetten müssen nach Triebabschluss umgesetzt werden.
wachsen nicht mit nach oben. Der richtige Zeitpunkt ist der Abschluss der
Wachstumsphase im Herbst, wenn sich
der neue Trieb stabilisiert hat. Setzen Sie
die Manschette nicht zu früh um, sonst
kann sich der Trieb nach unten biegen.
Durch die farbigen Manschetten findet man die Pflanzen bei der späteren
Kulturpflege einfach wieder. Blaue
Manschetten haben einen abschreckenden Effekt auf das Wild und können in
Grenzen auch vor dem Fegen schützen.
Allerdings schützen die Manschetten
den Terminaltrieb nur außerhalb der
Vegetationszeit. Im Frühjahr wächst
der Trieb ungeschützt weiter (dann ist
allerdings auch das Äsungsangebot im
Bestand höher).
Die meisten Manschetten eignen sich
nur für immergrünes Nadelholz. Allerdings gibt es mittlerweile auch Manschetten mit verlängerten Stäben (ca.
20 Cent), die länger gegen Verbiss
schützen sollen und in Grenzen auch
für Laubbäume geeignet sind.
Es gibt auch biologische Produkte, die
tierische Proteine enthalten. Falls Ihre
Bestände zertifiziert sind, prüfen Sie vor
dem Einsatz, ob das jeweilige Mittel hier
gestattet ist.
Die Mittel müssen regelmäßig, meist
einmal pro Jahr, ausgebracht werden.
Das geht im Streich- oder meist besser
im Spritzverfahren. Achten Sie dabei
auf den auf der Packungsbeilage vorgeschriebenen Anwenderschutz. Der chemische Verbissschutz kostet pro Pflanze etwa 10 Cent pro Durchgang.
Einzelbäume ins Gewächshaus?Spe-
Chemische Repellentien verderben den
Tieren den Geschmack.
Die Mittel lassen sich am besten mit der
Rückenspritze ausbringen.
zielle Wuchshüllen werden oft auch als
„Mini-Gewächshäuser“ bezeichnet. Die
Kunststoffhüllen bieten sich vor allem
als Schutz an, wenn Bäume einzelstamm- oder gruppenweise in Bestände
eingebracht werden sollen. Vor allem
bieten sich Laubbaumarten wie Eiche,
Elsbeere, Linde oder Ahorn an. Auch
Douglasien kommen gut in den Hüllen
klar (Seitenäste auf keinen Fall
abschneiden, sondern etwas aufwendiger in die Hülle einfädeln).
Schützen mit der Spritze: Repellenti-
en verderben dem Schalenwild den
Geschmack an den Pflanzen, sie vergrämen das Wild. Im Handel gibt es unterschiedliche Mittel zum Verbissschutz.
Teils sollen die Mittel auch eine Wirkung gegen das Fegen haben. Die Mittel
sollen optisch, z. B. über die (weiße) Farbe, geruchlich über spezielle Öle und
geschmacklich über Bitterstoffe wirken.
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Die kleinen Gewächshäuser fördern
das Höhenwachstum durch ein günstiges Mikroklima. Sie bieten Verbissund Fegeschutz und sollen auch Nager
abhalten. Zudem schützen sie den
Baum vor der Begleitvegetation wie
Brombeere oder Adlerfarn.
Wichtig: Spätestens nach vier bis fünf
Jahren, wenn der Schutzzweck entfällt
(ca. 1,30 m Höhe bei Rehwild) müssen
die Hüllen wieder entfernt werden.
Denn durch das schnelle Höhenwachstum entwickeln die Pflanzen ein
ungünstigeres BHD-Verhältnis. Sie
müssen sich jetzt stabilisieren, um später sicher zu stehen. Bleibt die Hülle zu
lange am Baum, biegen sich die dünnen
Stämmchen.
Die Wuchshüllen gibt es in unterschiedlichen Größen (Durchmesser,
Höhe) und Formen. Je nach Form und
Abnahmemenge liegen die Kosten pro
Hülle zwischen 1 und 2,50 €, die größten Varianten kosten bis zu 4 €. Wenn
Sie die Hüllen rechtzeitig entfernen,
können Sie die Minigewächshäuser
ohne Probleme mehrmals verwenden.
Wichtig ist das sichere Verankern
der Hüllen mit einem seitlichen Stab.
Viel zu oft sieht man in der Praxis
Hüllen, die vom Wind umgedrückt
wurden.
Die Profis des Bildungszentrums
empfehlen auch für die Wuchshüllen
Tonkin-Stäbe, diesmal allerdings eine
Nummer stabiler. Am besten das Werkzeug mit einem dickeren Setzdorn aus-
Wuchshüllen sind eine interessante
Lösung für kleinere Flächen.
Wichtig ist eine sichere Verankerung:
Auch das geht prima mit Tonkin-Stäben.
Die Hüllen vorsichtig von oben über den
Baum stülpen.
Sehr praktisch sind Hüllen mit integrierten Halteösen für den Stab.
statten und die Stäbe mit dem Holzhammer noch etwas weiter in den
Boden treiben. Achten Sie auf den richtigen Abstand des Haltestabs, damit
der Baum später möglichst mittig in
der Wuchshülle steht.
Praktisch sind vor allem Wuchshüllen mit integrierten Haltelaschen für
den Stab. Dann brauchen Sie keine weiteren Bänder oder Drähte um die Hüllen zu stabilisieren. Natürlich können
Sie auch Eichen- oder Akazienstäbe
verwenden, die lassen sich aber meist
nicht so einfach einsetzen wie die
Baumbusstäbe.
Kontrollieren Sie ihre Mini-Gewächshäuser regelmäßig. Schief stehende Hüllen unbedingt korrigieren.
Ein Nachteil in Schwarzwildrevieren:
In den Hüllen fühlen sich auch Mäuse
wohl. Sobald die Wildschweine das
wissen, heben sie die Hüllen auf der
Suche nach einem Imbiss gerne an.
Guido Höner
Schnell gelesen
• Hohe Wildbestände bedrohen
junge Kulturen.
• Das Gattern ist teuer. Auf klei-
nen Flächen lohnt sich der
Aufwand häufig nicht, Windwurfflächen sind oft zu groß
für einen Zaun.
• Eine interessante Alternative
ist der Einzelbaumschutz.
• Einfache Tonkin-Stäbe verhin-
dern Fegeschäden.
• Gegen Verbiss schützen
Manschetten oder chemische
Mittel.
• Wuchshüllen schützen und
sorgen wie ein Gewächshaus
für einen besseren Start.
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