Start des Pilot-Projektes „Integration junger

Bildung fördern - Zukunft gestalten
Start des Pilot-Projektes „Integration junger Flüchtlinge“
Am 19.08.2015 hat im Jobcenter Euskirchen das erste von insgesamt drei Erstgesprächen im PilotProjekt „Integration junger Flüchtlinge“ stattgefunden, das in Kooperation zwischen dem KoBIZ, der
Agentur für Arbeit, dem Jobcenter EU-aktiv, dem Deutschen Roten Kreuz und dem
Jugendmigrationsdienst sowie dem Netzwerk von Dolmetschern an drei unterschiedlichen Standorten
(Jobcenter Euskirchen, St. Barbara-Schule Mechernich und BK Eifel in Kall) durchgeführt wird.
Zum Projekt-Hintergrund
Das Pilot-Projekt ist vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren kontinuierlich steigenden
Anzahl von Flüchtlingen, die vor politischer Verfolgung nach Deutschland fliehen und hier politisches
Asyl bzw. die Gewährung internationalen Schutzes beantragen, entstanden. Für das Jahr 2015
prognostiziert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine weitere Steigerung der Zahl
neuer Asylanträge. Bei vielen Flüchtlingen ist die Bleibewahrscheinlichkeit aufgrund der politischen
Situation in ihren Herkunftsländern hoch, sodass Fragen der Integration in Ausbildung und
Beschäftigung von Anfang an von Bedeutung sind. Zudem ist Asylsuchenden der Arbeitsmarktzugang
durch eine im November 2014 in Kraft getretene Rechtsänderung nun bereits nach drei Monaten
möglich. Somit gibt es sehr schnell Handlungsbedarf bei grundlegender allgemeinsprachlicher und
darauf aufbauender berufsbezogener Deutschförderung (Integrationskurs bzw. ESF-BAMFProgramm), der bei dieser Zielgruppe jedoch derzeit aus rechtlichen bzw. finanziellen Gründen nicht
gedeckt werden kann. Eine frühzeitige Arbeitsmarktintegration ist nicht nur ein wesentlicher Baustein
zur gesellschaftlichen Integration, sondern dient auch dazu, die Gefahr von Langzeitarbeitslosigkeit
durch langwierige Wartezeiten zu vermeiden. Auch vor dem Hintergrund aktueller
Fachkräfteengpässe in Deutschland sollte das Potential von Flüchtlingen frühzeitig erhoben und für
den Arbeitsmarkt genutzt werden. (Quelle: Bundesagentur für Arbeit)
Die Projektziele
Aus den o.g. Partnern wurden zwei multiprofessionelle Teams gebildet, die an den drei vorgesehenen
Tagen jeweils rund 12 Personen in einem Team, d.h. insgesamt rund 72 Flüchtlinge beraten sollen.
Team 1 wird gebildet von Frau Saleh-Witzler (Arbeitsagentur Euskirchen) und Herrn Weber
(Jugendmigrationsdienst Euskirchen) und Team 2 von Frau Winkler (Arbeitsagentur Euskirchen) und
Frau Fischer (DRK Integrationsagentur Euskirchen). An Tag 1 sind zudem Frau Mitterer (Jobcenter
Euskirchen) und an Tag 2 und 3 Herr Weischede (Jobcenter Euskirchen) als Unterstützung mit
eingebunden.
Ziel der Erstgespräche ist es, die sprachliche wie schulische Ausgangssituation der Flüchtlinge und
deren Berufswünsche aufzunehmen. Als Grundlage der Gespräche dient ein Profilbogen, der von den
Partnern in einfach formulierter Sprache gemeinsam entwickelt und schließlich für die Zielgruppen in
die jeweiligen Sprachen übersetzt wurde. Soweit möglich, sollen am Beratungstag zudem Zeugnisse
und Dokumente vorgelegt werden, die die schulischen und beruflichen Qualifikationen belegen
können.
Der erste Projekttag
Am ersten Projekttag kamen 10 von 20 erwarteten jungen Flüchtlingen aus Eritrea, Ghana, Guinea und
dem Irak ins Euskirchener Jobcenter, wobei diejenigen aus dem erstgenannten Land mehrheitlich
vertreten waren. Eingeladene Syrer nahmen das Gespräch nicht wahr. Im Folgenden werden vier
Flüchtlinge, deren Namen zur Wahrung der Anonymität geändert wurden, exemplarisch vorgestellt.
Bei Gesprächsbeginn mit der 22-jährigen Milena K. aus Eritrea stellte sich heraus, dass sie der
Sprache Tigrinya anders als angenommen nicht mächtig ist, sondern ein Dolmetscher in Arabisch oder
Amanisch gefragt war. Spontan übernahm Herr Saleh, Ehemann von Frau Saleh-Witzler, die
Übersetzung per Telefon. Während des Gesprächs stellte sich heraus, dass die junge Frau weder lesen
noch schreiben kann und nie eine Schule besucht hat. Deutsch spricht sie kaum. Für das Team war
schnell klar, dass zunächst ein Alphabetisierungskurs notwendig ist, welchen die junge Frau als
Chance sieht.
Der 22-jährige Aman B. hat acht Jahre eine Schule in Eritrea besucht und spricht nur ein paar Worte
Deutsch. Auf Tigrinya erzählt er, dass er in seinem Heimatland als Traktorfahrer auf dem Feld
gearbeitet hat und ihm handwerkliches Arbeiten liegt. Gegenüber dem Projekt äußert der junge Mann:
„Ich freue mich sehr, dass man mit dem Projekt versucht hat, eine Beziehung zu mir aufzubauen. Ich
will nichts an Chancen verpassen.“ Nach dieser ersten Bestandaufnahme wird für ihn ein DeutschIntensivkurs an einer Euro-Schule als bestmöglicher Anschluss in den Unterlagen notiert. Aman B.
äußert den Wunsch, dass dieser Schulbesuch so früh wie möglich beginnt, damit er auch seine Frau
nach Deutschland holen kann.
Der 20-jährige Luam D. und der 22-jährige Tayo R. kommen beide aus Eritrea und haben keinen
Schulabschluss. Sie sprechen sehr wenig Deutsch. Da sie sich bereits kennen, wurde das Erstgespräch
mit beiden gemeinsam geführt.
Luam D. hat auf der Farm seiner Eltern gearbeitet. Er ist sehr schüchtern, äußert aber nachdrücklich,
dass es ihm sehr wichtig ist, einmal selbstständig Einkünfte zu erhalten. In Bezug auf mögliche
berufliche Interessen ist er sehr unsicher und kann diese nicht einschätzen.
Im Gespräch mit Tayo R. wird deutlich, dass er neben dem Beruf als Automechaniker oder Schreiner
keine beruflichen Optionen kennt. Er äußert den einfachen Wunsch, Auto fahren zu lernen.
Die beiden jungen Männer wussten nicht, warum sie zu dem Gespräch eingeladen wurden und waren
am Anfang sehr skeptisch, inwiefern sie Unterstützung erwarten konnten. Tayo R. äußert nach dem
Gespräch, dass er das Gespräch als „riesen Fortschritt“ nach den eineinhalb Jahren, die er schon in
Deutschland ist, sieht. Auch Luam D. schließt sich an, dass er sich nun „geleitet“ fühle.
Resümee und Ausblick
Als Resümee des ersten Beratungstages heben die Teams die enorme Wichtigkeit, Deutsch in einem 6monatigen Intensivkurs zu lernen, als zentrales Thema hervor. In einem nächsten Schritt sind
Schulabschlüsse nachzuholen. „Ideal ist eine Kopplung von intensiven Sprachkursen und Praktika“, so
Herr Weingarten, Leiter des Jobcenters EU-aktiv. Dass eine Aufklärung über mögliche
Ausbildungsberufe ebenso wichtig ist, gilt als weiteres allgemeines Fazit des ersten Projekttages. In
diesem Punkt sind sich auch die Dolmetscher einig; viele der Flüchtlinge zeigten sich mit den Fragen
nach Berufswünschen und Fähigkeiten überfordert, da ihnen solche Fragen noch nie gestellt wurden.
Dem allgemeinen Fazit schließt sich auch Herr Poth an und formuliert nachdrücklich die Wichtigkeit,
eine noch engere Kooperation mit Betrieben zu führen, die willig sind, Flüchtlingen in einem
Praktikum eine wichtige Chance zu geben. Letztlich steht über allem der politische Wille.
Am 7. und 9. November finden Nachtreffen statt, in welchen weitere, passgenaue Schritte für die
jungen Flüchtlinge konkretisiert werden sollen.