Veränderungen in der Fischerei

Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg
Fischereiforschungsstelle
LAZBW
bei der LVVG Aulendorf
Veränderungen in der Felchenfischerei 1990 – 2007
Der sinkende Nährstoffgehalt des Bodensee-Obersees hat auch zu Veränderungen im Verhalten
der Felchen geführt. In den Monatsberichten der baden-württembergischen staatlichen
Fischereiaufseher am Bodensee-Obersee wird unter anderem über bevorzugte Fangorte und die
Setztiefe des Schwebsatzes berichtet. Die Auswertung der Berichte aus den Jahren 1990 bis 2007
zeigt einige interessante Veränderungen, die Rückschlüsse auf das Verhalten der Fische
zulassen.
Die für den badischen und den württembergischen Teil des Bodensee-Obersees zuständigen staatlichen
Fischereiaufseher berichten monatlich über die Bodenseefischerei. In diesen Berichten werden auch die
Hauptfanggebiete und die durchschnittliche Setztiefe (Schnurlänge) der Netze im Schwebsatz für die erste und
zweite Monatshälfte angegeben. Die angegebene Schnurlänge als Maß für die Setztiefe ist ein Durchschnittswert.
Nicht alle Fischer haben in dieser Zeit in exakt der gleichen Tiefe gefischt.
Fangorte
Die Berufsfischer beginnen nach dem Ende der Felchenschonzeit ab dem 10. Januar mit dem Fang hauptsächlich
im östlichen bis mittleren Seeteil (östlich der Fährlinie Friedrichshafen – Romanshorn). Im Laufe des Jahres weitet
sich der Bereich, in dem Felchen gefangen werden können, immer weiter nach Westen aus und meist ab August
wird nahezu auf dem ganzen Obersee (zeitweise sogar auch im Überlinger See) auf Felchen gefischt.
Die zu Saisonbeginn schwerpunktmäßige Verteilung der Felchen im östlichen Seeteil veranlasst manche
badischen Berufsfischer, ihre Boote im Baggerloch Gohren bei Kressbronn zu stationieren, um von dort aus die
Netze zu setzen. Diese Berufsfischer vermeiden dadurch die sehr weite und damit sehr lang dauernde Anfahrt mit
dem Boot zu den erfolgversprechenden Fangplätzen. Sobald auch weiter westlich mehr Felchen zu fangen sind,
verlegen die badischen Berufsfischer ihre Boote wieder nach Westen in die Heimathäfen. Dieser Zeitpunkt ist somit
ein Anhaltspunkt dafür, wann die Felchen sich weiter im See verteilen.
Zogen die badischen Berufsfischer bis Ende der 1990er Jahre meist im Juli in ihre Heimathäfen um, so erfolgte
dies in den letzten Jahren bereits Mitte Juni (Abbildung 1). Im Jahr 2003 zogen die badischen Fischer schon Ende
April von Gohren in ihre Heimathäfen im westlichen Bodensee um. Allerdings lässt sich 2003 nicht mit den anderen
Jahren vergleichen, da die badischen Berufsfischer in diesem Jahr ihre Boote im Juni nochmals für einige Wochen
nach Gohren verlegten.
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Datum
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Abbildung 1: Zeitpunkt, an dem die badischen Berufsfischer aus dem östlichen Seebereich (Hafen Gohren) in ihre
Heimathäfen zurückkehrten.
Setztiefe der Schwebnetze
Nach Ende der Felchenschonzeit beginnt die Fischerei mit dem verankerten Schwebsatz ab dem 10. Januar im
östlichen bis mittleren Seeteil. Hier werden Felchen gefangen, die nach der Laichzeit in tieferen Wasserschichten
stehen. Mit Beginn des Frühjahrs und der ersten Planktonentwicklung kommen die Felchen mehr in
Oberflächennähe. Dementsprechend wird auch der verankerte Schwebsatz höher gestellt. Zum Zeitpunkt des
Einsatzes des freitreibenden Schwebsatzes ab dem 1. April stehen die Felchen nahe der Wasseroberfläche. Im
Laufe des Sommers bis zum Beginn der Schonzeit kehren die Felchen in tiefere Wasserschichten zurück. Die
Schnurlängen, durch die die jeweilige Setztiefe der Netze bestimmt wird, sind in Abbildung 2 für die Jahre 1990 bis
2007 zusammengefasst. Sie geben einen Überblick über die im Jahreslauf unterschiedliche Setztiefe der Netze
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und erlauben Rückschlüsse auf die Aufenthaltsbereiche der Felchen.
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Abbildung 2: Verwendete Schnurlänge im verankerten und freitreibenden Schwebsatz in den Jahren 1990 bis
2007.
Seit Anfang der 1990er Jahre haben sich hinsichtlich der Setztiefen folgende Änderungen ergeben:
Januar
Von Jahr zu Jahr ist die mittlere Fangtiefe im Januar sehr unterschiedlich (Abbildung 3). In den ersten Jahren des
Berichtszeitraumes war die Schnurlänge meist im Bereich von 20 bis 25 m. Für die letzten Jahre lässt sich jedoch
eine deutliche Tendenz zu einer Fischerei mit 30 m Schnurlänge und mehr erkennen. Jahre, in denen im Januar
mit weniger als 25 m Schnurlänge gefischt wurde, traten seit 1992 nicht mehr auf. Nach den Berichten der
Fischereiaufseher variierten im Januar 2006 und 2007 die Schnurlängen sehr stark, bei einzelnen Fischern betrug
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Abbildung 3: Schnurlänge im Januar. Linie = Trend.
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sie bis zu 50 m.
April
Im Frühjahr halten sich die Felchen nahe der Oberfläche auf. Anfang der 1990er Jahre wurde der Schwebsatz in
der ersten Aprilhälfte (Ausnahme 1992) ganz nahe an der Oberfläche gesetzt, da dort die meisten Fische zu
fangen waren (Abbildung 4). Seit ungefähr 1995 nimmt die Setztiefe zu. Sie erreichte in den Jahren 2001 bis 2004
einen Wert von 3,5 bis 4 m. Die Felchen standen demnach in diesen Jahren im April deutlich tiefer als noch Anfang
der 1990er Jahre. Für die Jahre 2005 bis 2007 ist keine bevorzugte Setztiefe zu erkennen. Dies ist ein Hinweis
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darauf, dass die Fische vertikal sehr weit im See verteilt sind.
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Abbildung 4: Schnurlänge in der ersten Hälfte im April. Linie = Trend.
September
Anfang der 1990er Jahre lag die Schurlänge im September im Bereich von 10 bis 12 m (Abbildung 5). Die bisher
größte Schnurlänge von 18 m wurde in den Jahren 2002, 2004 und 2007 verwendet. Wie auch im Januar, zeigt
sich im September die Tendenz, dass die Felchen in den letzten Jahren deutlich tiefer als zu Beginn des
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Berichtszeitraumes zu fangen sind.
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Abbildung 5: Schnurlänge im September. Linie = Trend.
Fang von Felchen in 38 mm Bodennetzen
Bis Anfang der 1990er Jahre wurde nahezu ausschließlich mit Schwebnetzen im offenen See auf Felchen gefischt.
Mit Bodennetzen waren dagegen keine Felchen zu fangen, die das Schonmaß erreicht hatten. Ausnahmen
bildeten die Laichfischerei auf Gangfische sowie im Frühjahr in einzelnen Bereichen der unbeabsichtigte Beifang
kleiner Felchen in Barschnetzen. In den letzten Jahren hat sich dies jedoch geändert. In den Berichten der
Fischereiaufseher war erstmals 1996 erwähnt, dass sich zumindest in einzelnen Bereichen auch im Sommer
maßige Felchen mit 38 mm Bodennetzen fangen ließen. Es sind jedoch nur eng begrenzte Fangplätze.
Diskussion
Die vorliegenden Beobachtungen lassen auf Änderungen im Verhalten der Felchen schließen und weisen auf den
derzeitigen Wandel im See hin. Insbesondere die Artenzusammensetzung von Algen und Zooplankton hat sich
sehr stark geändert (IGKB 2007) und damit verbunden teilweise auch die Tiefenverteilung einzelner Arten. Dadurch
änderte sich die Nahrungsgrundlage der Fische. Während der Zeit des höchsten Nährstoffgehaltes im See
ernährten sich die meisten Fische von dem in großen Mengen vorhandenen Zooplankton und der Lebensraum
Freiwasser wurde aufgrund des reichen Nahrungsangebotes außer von Felchen auch von anderen Fischarten wie
Barsch, Brachsen und Rotaugen aufgesucht. In den letzten Jahren treten dagegen in den Schwebnetzen praktisch
keine Cypriniden und Barsche mehr als Beifang auf. Das ist ein Zeichen dafür, dass es derzeit nur noch für die
Felchen, die spezialisierte Planktonfresser sind, attraktiv ist, sich im offenen See auf Nahrungssuche zu begeben.
Die Felchen reagieren offensichtlich auf das veränderte Nahrungsangebot, indem sie sich gegenüber früher in
tieferen Wasserschichten aufhalten und insgesamt weiter verteilt sind. Dass die Berufsfischer ihre Netze in
größeren Tiefen auslegen, dürfte eine Folge davon sein. Auch dass die badischen Berufsfischer früher aus dem
östlichen See in ihre Heimathäfen zurückkehren, deutet darauf hin, dass sich die Felchen im Bodensee-Obersee
anders verteilen als noch vor wenigen Jahren. Ein weiterer Aspekt ist, dass Felchen im Frühsommer zeitweise
auch in Bodennähe zu fangen sind. Es ist zu vermuten, dass sich diese Felchen neue Nahrungsquellen
erschließen.
Die Ursachen und auch die Dynamik der einzelnen Veränderungen sind längst nicht alle verstanden. Die
meisten angesprochenen Veränderungen manifestierten sich erst gegen Ende der 1990er Jahre. Dies deutet
daraufhin, dass der Anpassungsprozess noch nicht abgeschlossen ist und in den nächsten Jahren weitere
Veränderungen erfolgen werden.