Mitten im Tod ist das Leben

ZUM SONNTAG
Sonntags-Zeitung · 14. Februar 2016 · Seite
3
GLAUB-WÜRDIG
Wochenspruch
Dazu ist erschienen der
Sohn Gottes, dass er die
Werke des Teufels
zerstöre.
1. Johannes 3, 8 b
V
wie Valentinstag fällt dieses
Jahr mit dem ersten Sonntag
der Passionszeit zusammen.
Ein sinnfälliger Zufall. Passion beinhaltet ja beides: Leiden und Leidenschaft.
Der Tag für Liebende scheint vor allem
für Blumenläden und Restaurants gemacht. Doch sein Namensgeber war
nicht Geschäfts-, sondern Kirchenmann: Valentin, Bischof von Terni in
Italien. Er fand am 14. Februar um das
Jahr 268 nach Christus den Märtyrertod. Valentin soll heimlich Paare getraut haben, die sonst nicht hätten heiraten können, weil sie unterschiedlichen Standes oder ihre Familien verfeindet waren. Den frisch Vermählten
soll Valentin Blumen aus seinem Garten geschenkt haben.
Denken, Dank, Gedanke
Am Ende unseres
Abendgebetes frage ich
meine Tochter, drei Jahre:
»Für wen möchtest du
noch beten?« Sonst
kommt an dieser Stelle
meist: »Für Oma und
Opa.« Doch diesmal
nicht. »Darth Vader«,
sagt sie, »der soll auch gut
schlafen.« Robert Minge, Vater
Kanzel und Kollekte
Der lateinische Name Invokavit für
den ersten Sonntag der Passionszeit bedeutet »er hat gerufen«. In Psalm 91
spricht Gott: »Er ruft mich an, darum
will ich ihn erhören.« Um teuflische
Versuchungen geht es im Evangelium,
Matthäus 4, 1-11. Jesus fastet in der
Wüste. Der Satan kommt und legt ihm
alle Reiche der Welt zu Füßen, wenn er
ihn anbetet. Jesus widersteht den Allmachtsfantasien. Jesus, ein Mensch
wie wir, der Schwäche kennt, sie aber
überwindet. So beschreibt ihn der Predigttext, Hebräer 4, 14-16. Dem Teufel
trotzt das Wochenlied mit Hilfe von
oben: »Ein feste Burg ist unser Gott«
(EG 362) oder »Ach bleib mit deiner
Gnade« (EG 347). In Hessen-Nassau ist
die Kollekte frei. Die Gemeinden in
Kurhessen-Waldeck sammeln für die
Aktion »Hoffnung für Osteuropa«.
Fotos: JLF Capture/iStock; esz
ABC des Glaubens
Eine Libelle über einer
Seerose. Sie ist aus der Larve hervorgegangen, die sie
einst war. Ein Bild für
Passion und Auferstehung.
Mitten im Tod ist das Leben
Die Passionszeit beginnt, doch schon weist Luther über die ausgefransten Ränder des Todes hinaus • Von Jeffrey Myers
E
in feste Burg ist unser Gott«. Mit
diesem Lied stimmen viele Kirchengemeinden die Passionszeit
an. Mit einem weiteren Lied Martin Luthers lässt sich der Gottesdienst zum Sonntag Invokavit hoffnungsvoll beschließen:
»Mitten wir im Leben sind mit dem Tod
umfangen.« Der Reformator nimmt Angst
und Tod ernst. Und dennoch lässt er schon
jetzt Ostern anklingen.
Ein tragischer Unfall war der Anlass, warum Luther das Lied geschrieben hat. Der
Gründungsrektor des späteren LessingGymnasiums in Frankfurt, Wilhelm Nesen, ertrinkt mit nur 32 Jahren. Nesen war
ein leidenschaftlicher Anhänger Luthers.
Er hat sich mit anderen dafür eingesetzt,
dass zum Sonntag Invokavit 1522 die erste
evangelische Predigt in der Mainstadt gehalten wurde. Mit dem Wasser aus einem
Taufbecken im Taunus begann sein Leben.
Im Wasser der Elbe vor den Toren Wittenbergs endet es viel zu früh.
Luther ist bestürzt und traurig. Wenn er
Tote auferwecken könnte, sagt er, würde
Wilhelm Nesen der erste sein. Kurz darauf
dichtet Luther »Mitten wir im Leben sind«.
Darin beklagt er, wie schrecklich der Tod
ist. Aber das letzte Wort im Lied wie im Leben heißt Trost. Die Passionszeit beginnt.
An ihrem Ende steht Ostern. Die sieben
Wochen bis zum Fest von Jesu Auferstehung sind getragen von der Zuversicht: Leiden, das ich Gott anvertraue, ist nicht vergeblich. Selbst der Tod behält nicht das
letzte Wort. Der Leidensweg Christi lässt
hoffen, gerade da, wo unsere Augen das
Wesentliche nicht sehen können.
Der US-amerikanische Filmregisseur Cecil B. DeMille hat einmal eine merkwürdige
Erfahrung auf einem See in Neuengland
gemacht: »Ich schaute in das Wasser hinein. Dort, in einer Welt von Schlamm und
Nässe, waren lauter Wasserkäfer. Einer
krabbelte auf das Boot, streckte die Klauen
seiner Beine in die Holzteile und verstarb.
Ich ließ ihn in Ruhe und las weiter in meinem Buch. Die Sonne war heiß.«
DeMille erzählt weiter: »Circa drei Stunden später habe ich meinen Wasserkäfer
wieder angeschaut. Er war vertrocknet.
Sein Rücken riss auf. Ich schaute hin, und
aus dem Rücken des toten Käfers ging eine
neue Lebensform hervor – eine wunderschöne Libelle.« Die Libelle schwingt sich
auf und schwebt über der Wasseroberfläche. Mit ihr fliegt neues Leben in die Welt
und in die Zukunft hinein. Leben, das aus
dem Tod gekommen ist. Die anderen Wasserkäfer nehmen das nicht wahr. Sie sehen
nur eine leere Schale.
Der Tod mitten im Leben hat viele Gesichter. Einer schwimmt hinaus und
kommt nicht wieder. Eine heimtückische
Krankheit reißt von einem Tag auf den anderen aus dem Leben. Einer tut einem anderen Gewalt an. Die Passionszeit gibt der
Trauer über die vielen Tode mitten im Le-
ben einen Platz unter dem Kreuz von Jesus
Christus. Ganz vorsichtig, behutsam
macht die Passionszeit aber auch Mut, im
Glauben über die Grenzen des Todes hinauszuschauen. Ja, wir sind vom Tod umgeben. Aber mitten im Tod ist Leben. Das
ist ein anderes, neues Leben. Das ewige Leben, das vom Sieg der Liebe singt. Denn
Liebe ist stark ist wie der Tod. Viele Wasser
können die Liebe nicht auslöschen und
Ströme sie nicht ertränken (Hohes Lied
8,6). So kehrt sich der Vers um und heißt
nun: »Mitten im Tod sind wir vom Leben
umgeben.«
Jeffrey Myers ist Pfarrer
und arbeitet im
Projektbüro der Evangelischen Kirche in
Hessen und Nassau
für das Reformationsjubiläum.
MERK-WÜRDIG
Beten und Klopfen
»Betet ohne Unterlass!«, empfiehlt Paulus. Seiner Weisung folgte eine 60-Jährige eher unfreiwillig. Sie war am Abend
für ein stilles Gebet in die katholische
Augustinerkirche in Landau in der Pfalz
gekommen. Als der Pfarrer gegen 20 Uhr
die Kirche zumachte, schloss er die Frau
versehentlich ein. Ihr Sohn wunderte
sich, wie lange seine Mutter beim Beten
blieb. Schließlich machte er sich Sorgen
und auf die Suche nach ihr. Aus der Kirche hörte er Klopfgeräusche und Hilferufe. Es wurde Mitternacht, bis ein Mitarbeiter der Gemeinde die Frau aus der
Kirche befreite. Sie hatte sich im dunklen
Gotteshaus mit einer Opferkerze etwas
Licht gemacht. Nicht viel besser ging es
einer Pfarrerin aus dem Rhein-Main-Gebiet. Sie war nach einer Urnenbeisetzung
im Talar in die Trauerhalle zurückgegangen. Es war die letzte Bestattung an diesem Tag. Die Friedhofswärter schlossen
zu, ohne die Pfarrerin zu bemerken.
Nach zwei Stunden hörte ein Spaziergänger das Klopfen und Rufen der Geistlichen und holte Hilfe. »Klopfet an, so
wird euch aufgetan«, verspricht Jesus.
Das kann praktisch gemeint sein.
mv
Die Andacht zum Hören: www.evangelische-sonntagszeitung.de