Die radikale Veränderung des Arbeitsbegriffs Wie ich im deutschen Jobcenter ein bedingungsloses Grundeinkommen durchsetzte und warum wir darüber umfangreich und behutsam diskutieren müssen. Eine künstlerische Aktion von Timothy Speed Man mag zunächst zweifeln. Tatsächlich kommen die Fakten in diesen Tagen still und leise, mit der verklausulierten Sprache der Juristen. Diese sind derart unfassbar, dass Achtsamkeit geboten ist. Ich selbst mag den Geschehnissen noch nicht ganz trauen. Zu oft habe ich erlebt, wie Jobcenter Gesetze einfach ignorierten. Die Behörden benutzen unaufgeregte Formulierungen, wie:„Ihrem Widerspruch wird … auf dem Verwaltungswege in vollem Umfang entsprochen.“ Wenig soll den Anschein erwecken, dass sich möglicherweise im System ein gewaltiger Riss aufgetan hat. Seit einer Woche bin ich vielleicht, es ist eine bewusst zugespitzte Vermutung um eine öffentliche Diskussion anzuregen, die erste Person in Deutschland, die eine Art bedingungsloses Grundeinkommen erhält. Vom deutschen Staat. Als britisch-österreichischer Künstler. Mitten in einer gigantischen Wirtschaftskrise mit Flüchtlingen, Menschen die sanktioniert werden und unfassbar viel Druck auf den Schultern jeder ArbeiterIn. Im Klartext erhalte ich Hartz IV ohne Bedingung, ohne Sanktionen, ohne Zwang, bis auf die Notwendigkeit nachzuweisen, dass ich völlig abgebrannt bin. Das macht mich zum lebendig gewordenen Albtraum von AfD und Horst Seehofer. Ein Ausländer, der die deutsche Regierung erfolgreich gezwungen hat, sich an die eigenen Grundwerte zu halten und das Fremde aufzuwerten, statt es abzuschieben. Ein Skandal, oder eine Chance für uns alle. Vielleicht nur darum ein Skandal, weil diese Gesellschaft vergessen hat, welch wichtige Arbeit KünstlerInnen unter schwierigsten Bedingungen leisten. Der noch erforderliche Nachweis der Bedürftigkeit, entspricht zwar nicht der klassischen Vorstellung eines bedingungslosen Grundeinkommens, aber in meinem Fall wurde auch klar gestellt, dass ich mich in meinem Handeln als Künstler keinen wirtschaftlichen Zwängen beugen muss. Ich kann so oft pleite gehen, wie ich will, und erhalte dennoch jedes Mal ein Grundeinkommen ohne weitere Forderung. Das klingt für viele unerhört. Doch es bedeutet gleichzeitig, dass ein Grundrecht auch heute noch dazu dienen kann, rücksichtslose Wirtschaftsmächte in die Schranken zu weisen. Lange habe ich überlegt, ob und wie ich angesichts des Leides der Anderen damit an die Öffentlichkeit gehen soll. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Politik Arbeitslosigkeit und Flüchtlingspoltik zunehmend gegeneinander auszuspielen versucht, anstatt anzuerkennen, das beides die selben Wurzeln hat. Die Lösungskonzepte der Wirtschaft dürfen nicht die einzigen Antworten sein. Eben jenes Weltbild, welches uns erst in diese Probleme verstrickte. Als Künstler fordere ich die großen Manager des Landes heraus, denn ich bin der Ansicht, dass meine Wirtschaftskompetenz deutlich größer ist als ihre. Vielleicht kommen die neuen, wirtschaftlichen Ansätze heute aus der Kultur und weniger von den Wirtschaftsexperten? Es ist eine freche Ankündigung. Was bedeutet das für diese Gesellschaft und wie wird die Politik mit dieser neuen Situation umgehen, dass sich nicht alle der Wirtschaft unterordnen müssen? Was für viele Wohlhabende schon immer galt. Wie geht die Regierung mit einer starken Kunst um, die wieder auf Augenhöhe zu ihr spricht. Ohne Bittsteller von unzureichenden Förderungen zu sein. Ich weiß es nicht. Es liegt an uns. Es ist ein demokratischer Prozess. Was ich durchgesetzt habe, bedeutet aber keine absolute Narrenfreiheit, sondern lediglich, dass der Wert meiner selbstbestimmten Arbeit nun im zivilgesellschaftlichen Dialog diskutiert werden muss. Die Behörde darf meine Tätigkeit, denn als KünstlerIn arbeite ich ja, nicht entwerten, weil dies beispielsweise kein Geld bringt. Daraus ergibt sich keine zwingende Logik, die besagt, ich müsse was anderes tun, denn im Zweifel ist das nicht mein Problem, sondern das Problem dieser ganzen Gesellschaft, dass ich als KünstlerIn derart schlecht bezahlt werde. Dies geschieht nicht, weil Kunst keinen Wert hat, sondern weil KünstlerInnen starke Gestalter sind, die Veränderung provozieren und dort wo „Changeprozesse“ die Überhand haben, wird weniger Geld verdient, kann Wertschöpfung schlechter kontrolliert und zentralisiert werden. Gut für die Gesellschaft, aber schlecht für große Unternehmen. Der kreative Mensch wird darum in einem Job gebunden, beschränkt, eingegrenzt. Müsste ich mein Verhalten als KünstlerIn ändern, würde das die Meinungsfreiheit untergraben, was de facto heute immer öfter der Fall ist. Der ökonomische Zwang drängt fast unsere gesamten Grundfreiheiten an die Wand. Diese Entwicklung/mein Beispiel hat darum erhebliche, gesellschaftliche Bedeutung, weil nun auch das, was Sie leisten, als jemand, der oder die sich beispielsweise sozial engagiert, Kinder aufzieht, sich für die Umwelt einsetzt oder einfach versucht das Beste aus sich zu machen und dabei wirtschaftlich scheitert, den gesellschaftlichen Wert des eigenen Tuns, gegenüber dem künstlichen und scheinbar absolutistischen Status der Erwerbsarbeit, zur öffentlichen Diskussion stellen und somit selbst aufwerten können. Natürlich hat nicht jede, nicht jeder dafür die Kraft, oder die Möglichkeiten und darum kann das nicht die einzige Antwort sein. Aber es ist ein Schritt, der Solidarität erfordert. Wir müssen darüber diskutieren was Wertschöpfung wirklich ist und welche Arbeit tatsächlich im Sinne der Gesellschaft wirkt. Wir könnten dabei entdecken, dass wir es schlicht nicht wissen und auch nicht für die Zukunft festlegen dürfen. Auch kann das nicht dem angeblich „freien“ Markt überlassen werden. Der Mythos, dass nur wer einen Job hat und Geld verdient zur Gesellschaft beiträgt, ist nun schwer angeschlagen. Der Kapitalismus hat seit einer Woche keinerlei Macht über mich, solange ich mich mit 399 Euro im Monat begnüge, was ich nicht tue, weil ich zwei Kinder und Ziele im Leben habe. Dies ist keine Revolution der KünstlerInnen gegen den Rest der Gesellschaft, sondern vielmehr habe ich mir die Macht erkämpft, die jeder BürgerIn zusteht, nämlich selbstbestimmt an der Gestaltung der Welt teilnehmen zu dürfen, weil nur das eine lebenswerte Gesellschaft zur Folge hat. Dennoch ist gerade die Kunstfreiheit, ein Wert, den wir auch unabhängig von meinem Fall, um jeden Preis halten müssen, der nicht relativiert werden darf, auch nicht gegenüber anderen Grundrechten. Wir dürfen nicht zulassen, dass Grundrechte gegeneinander ausgespielt werden. Als Individuen sollten wir wirtschaftliche „Fehler“ machen dürfen, Neues riskieren und dies darf nicht dazu führen, dass man uns als Antwort darauf pauschal ein konformes Verhalten aufzwingt. Scheitern ist nicht etwas, was aus dem Markt verschwinden muss, sondern ein natürlicher Teil davon. Die Wirtschaftlichkeit darf uns nicht daran hindern Dinge zu tun, die wichtig und richtig sind, als Investition in die Zukunft. Doch genau das kehrt die Realität der letzten Jahrzehnte komplett um. Mein Handeln bedroht die Macht der Konzerne, über die arbeitende Bevölkerung und nimmt vielen die Entschuldigung, aus ökonomischen Zwängen nicht anders handeln zu können. Für die Kunstfreiheit ist mein Erfolg ein entscheidender Durchbruch. Nicht weil es die Kunstfreiheit vorher nicht gab, sondern weil sie in Deutschland viel zu wenig gegenüber staatlichen Strukturen gelebt wird. KünstlerInnen können nun, es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, als fünfte Gewalt an der Bruchstelle zwischen Staat, Individuum und Wirtschaft wichtige Arbeit leisten. Nach Jahren ohne Tabus, in denen die Kunstfreiheit nutzlos erschien, kann eine KünstlerIn ihre Existenz als Alternative zum neoliberalen Weltbild positionieren, gerade weil die Wirtschaft versucht uns alle zu konformem Verhalten zu zwingen, ohne dafür, wie in meinem Fall, von konservativen Konzernlenkern bis in die Obdachlosigkeit bekämpft zu werden, während er Staat schweigend zusieht, um anschließend dem Kulturschaffenden dafür die Schuld zu geben. Wir müssen in Beziehung gehen und die Verhältnisse zwischen Wirtschaft und Kultur neu verhandeln! Die KünstlerIn ist immer eine Stellvertreterin für gesellschaftlichen Wandel. Was Künstlerinnen tun, wird nicht selten später zum gesellschaftlichen Konsens. Auch sind die großen, gesellschaftlichen Lösungswege nicht rational planbar, sondern brauchen gerade den freien Beitrag, der manchmal Unbewusstes sichtbar macht. Um diese Freiheit in der gelebten Praxis herzustellen, musste ich drei General-, drei Ober- und fünf einfache Staatsanwälte dazu motivieren das Grundgesetz gegenüber der Regierung und den Behörden durchzusetzen. Meines Wissens war es schließlich eine Berliner Oberstaatsanwältin, die dazu den Mut hatte. Man hält sich zur Stunde noch in den Details bedeckt, will nicht zu hohe Wellen schlagen. Auch das zeugt von erheblicher Respektlosigkeit gegenüber der Kunst. Angebracht wäre es unsere Arbeit nun endlich stärker in die öffentlichen Debatten zu integrieren, statt uns auszugrenzen, als seien KünstlerInnen nicht systemrelevant. Doch was genau ist passiert? Wie können auch andere KünstlerInnen dem Jobcenter die Stirn bieten? Das Jobcenter Kreuzberg hatte versucht mir, wie es mit anderen Betroffenen im ganzen Land tausende Male geschieht, eine Wiedereingliederungsvereinbarung aufzuzwingen. Also einen Vertrag, der mich von meinen Grundrechten entbindet und mir Pflichten auferlegt, um in meiner Notlage Unterstützung erwarten zu dürfen. Fördern und Fordern! Keine Hilfe ohne Gegenleistung! Mein Leben illustriert wie dümmlich diese Forderung in der Praxis häufig ist. Man tut so, als hätten die Armen nicht bereits ihr ganzes Leben viel geleistet und sie tun es noch. Ich will klarstellen, dass ich nicht bedürftig bin, weil das ein entwertender Begriff ist, der impliziert, ich müsse wem gegenüber für „Hilfe“ dankbar sein, sondern ich wurde wie viele Kulturschaffende und andere Gruppen, sowie Erwerbslose auch, strukturell enteignet. Meine Arbeit, meine ganze Identität als KünstlerIn wurde von den Unternehmen dieses Landes bewusst derart entwertet, dass ich mich nur noch arm arbeiten konnte. Viele kleine Selbstständige kennen das Phänomen. Wir sind Konkurrenz. Kultur ist ein Wirtschaftsfaktor, jedes Produkt eine kulturelle Errungenschaft und genau darum will man die Kultur möglichst nicht KünstlerInnen überlassen, die mit ihrer Kulturarbeit die Menschheit voran bringen wollen. Das wäre unkalkulierbarer Fortschritt. Eben nicht Alternativlosigkeit und Zwang. Selbst wenn der Staat mir zwanzig Jahre lang Hartz IV auszahlen würde, stünde diese Gesellschaft noch immer tief in meiner Schuld. Das trifft auf viele Kulturschaffende zu, aber auch auf andere Menschen. Die Gesellschaft will Kultur, will Kinder, will dass Menschen Fortschritt riskieren. Ich wurde vom Staat zur KünstlerIn ausgebildet und aufgefordert eine Biografie zu leben, die jede PersonalchefIn die Flucht schlägt. Ich erstattete also Strafanzeige, direkt beim Generalstaatsanwalt wegen versuchter Untergrabung eines Verfassungsgrundsatzes, nämlich der Kunstfreiheit. Ich hätte unter Hartz IV auch auf die Menschenwürde oder andere Grundrechte plädieren können, die ebenfalls in Jobcentern mit Füßen getreten werden. Aber die Kunstfreiheit ist sehr viel robuster und die Kunst hat sehr viel Erfahrung mit restriktiven Regierungen. Dieses Recht nahm ich mir nach Jahrzehnten der Kulturarbeit heraus. Das ganz ohne Anwalt, den ich mir nicht hätte leisten können. Untergrabung eines Verfassungsgrundsatzes ist ein Straftatbestand, auf den theoretisch mehrere Jahre Gefängnis stehen. Im Klartext, der Staat hat mir als KünstlerIn nicht vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe. Das ist nicht neu, aber tausende KünstlerInnen lassen sich jeden Monat von SachbearbeiterInnen belehren, demütigen und schikanieren. Sie wurden systematisch verunsichert und allein gelassen. Man hat ihnen eingeredet, ihre Arbeit habe keinerlei Wert in dieser neuen und brutalen Welt. Das muss aufhören! Denn mit jeder versuchten Einflussnahme kann sich das Jobcenter bereits strafbar machen. Sei es nun der heuchlerische Versuch mich beraten zu wollen, natürlich mit der Absicht mein Verhalten zu ändern, oder die Kritik an meiner Kunst, die der Staat nicht tätigen darf, weil dieser, um es mit den Worten des bedeutenden Kunstrechtsexperten Peter Raue zu sagen, nicht weiß, was Kunst überhaupt ist. Auch kann man mich nicht zwingen keine KünstlerIn mehr zu sein, was jeden Bewerbungszwang ad absurdum führt, da ich mich immer nur als KünstlerIn bewerbe, egal auf welchen Job. Das klingt frech, aber dahinter steckt sehr viel ernste Auseinandersetzung damit, was Arbeit bedeutet, was es braucht, wie der moderne Arbeitsbegriff sich heute verändert. Dabei ist die Orientierung an der kreativen Arbeit für mich zukunftsweisend. Viele Forscher, wie Richard Florida, weisen heute darauf hin, dass die Kreativität in Zukunft eine noch höhere Bedeutung im Prozess der Wertschöpfung erlangen wird. Ein Umdenken wird erforderlich. Die ArbeiterIn muss sich verändern! Gerade weil klassische Arbeit zunehmend von Maschinen übernommen wird. Die Durchsetzung der Kunstfreiheit gegenüber Wirtschaftsinteressen ist nicht zufällig mir gelungen, sondern meine jahrzehntelange Arbeit, die auch in akademischen Kreisen diskutiert wird, zeigt auf, weshalb unangepasstes Verhalten, weshalb der Weg der KünstlerIn heute ein Wirtschaftsförderungsprogramm ist und durchaus nützlich für die Unternehmen, die vorausschauend denken und ManagerInnen, die nicht von Gestern sind und die ArbeiterIn noch als gehorsame, brave Mitarbeiterin sehen möchten. Der Staat hinkt diesen Entwicklungen hinterher. Der Bürokratie ist Wertschöpfung verdächtig, denn man kann und soll sie nicht kontrollieren. Ich rede nicht von der Freiheit großer Konzerne gegenüber der Gesellschaft, vom Neoliberalismus, sondern von der Verhandlungsfreiheit zwischen Individuum und Wirtschaft, von jener Freiheit, die zu einer menschlicheren und kreativeren Ökonomie führen kann. Das Jobcenter muss nun darum betteln, mir helfen zu dürfen. Eine Hilfe die ich eindeutig ablehne. Denn Druck ist keine Hilfe, das Jobcenter nachweislich eine die Gesellschaft und Wirtschaft schädigende Institution. Mit einem Wirtschaftsverständnis aus dem vorigen Jahrhundert. Dies hat nicht nur die Arbeit von Inge Hannemann und Ralph Boes und vielen anderen gezeigt. Arbeitsministerin Andrea Nahles muss sich nun gut überlegen, wie sie der Öffentlichkeit erklären will, dass sie über Jahre von der Untergrabung mindestens eines Grundrechtes wusste und nichts dagegen unternommen hat. Auch die Kulturpolitikerin Grütters kam ihrer Verpflichtung nicht nach, KünstlerInnen vor der staatlichen Missachtung der Kunstfreiheit zu schützen. Dies hätte bereits bei Einführung von Hartz IV beachtet werden müssen. Die Politik hat damit den kreativen Menschen bewusst behindert und humanen Fortschritt erschwert. Ich befasste mich als Künstler zwanzig Jahre auf sehr ungewöhnliche Weise mit Wirtschaft. Wie bin ich in das alles hinein geraten, wenn sogar meine Jobvermittlerin neulich gestand, ich verwirklichte ein deutlich größeres Arbeitspensum, als sie selbst. Ja, ich bin ein Höchstleister, engagiert, in meinem Tun sehr erfolgreich und dennoch komplett blank. Leistung ist nicht alles! Was ich tue, bringt klassische Ökonomen in Erklärungsnot. Denn ich bin nicht gescheitert. Die Arbeitgeber haben dies nur noch nicht verstanden. Sehen Sie sich meine Arbeit an! Diese lässt das bisher gesagte noch weitreichender erscheinen. In den letzten Jahren habe ich versucht ein neues Rollenmodell zu leben. Nämlich jene ArbeiterIn, die ihre Integrität behält, ihrem Gewissen folgt, Widerspruch leistet, wo sie es für richtig hält und durch die eigene Selbstentfaltung und Beziehungsarbeit zum Ganzen beiträgt. Zu einem bewussteren und nachhaltigeren ökonomischen Handeln. Sie funktioniert nicht einfach nur, sondern agiert bewusst und stellt neue Bezüge her, die Grundlage für neue Marktaktivitäten. Die kritische ArbeiterIn ist eine wesentlich stärkere Kraft, als die kritische Konsumentin. Wollen wir die großen Probleme dieser Welt lösen, muss die ArbeiterIn ihr Verhalten ändern! Sie muss aufhören gehorsam und korrupt zu handeln. Es geht hier um nicht weniger, als um die ArbeiterIn von Morgen. Ich irritiere in meiner Arbeit, werfe Fragen auf, welche das klassische Wirtschaftsmodell an die Wand drängen, um die ArbeiterIn zu befreien. Ich wurde nicht als Künstler geboren. Diese Gesellschaft, die Alltagsrealität und Absurdität ließen mich erst zu jener KünstlerIn werden, die sich heute überall in die Wirtschaft einmischt, um offene Beziehungsarbeit zu erzwingen, zu inspirieren und die Verhältnisse zwischen Mensch, Individuum und Ökonomie weiter zu entwickeln. Von den großen DAX Unternehmen wurde ich radikalisiert, da sie mich als kreativen, als unangepassten Menschen nicht wollten, also leistete ich mehr und mehr, wurde nach meinen eigenen Maßstäben, besser und besser und versuchte ihnen den Wert meiner Arbeit zu beweisen. Schließlich habe ich die ArbeiterIn selbst zur KünstlerIn, zum kreativen Menschen erweitert und sie somit von den Zwängen des Arbeitsmarktes und der Macht der Arbeitgeber befreit. Zumindest in meinem Fall, als Pionierarbeit. Es ist ein Bruch, eine neue Funktion, ein Zukunftsentwurf, der nicht auf alle übertragbar ist und dies auch nicht sein muss, um den Arbeitsbegriff zu erweitern. Was ich kann, können andere erst recht. Der kreative Mensch findet immer einen Weg, Dogmen und unsinnige Einschränkungen zu überwinden. Auch das ist eine Wirtschaftskraft. Es ist Zeit Wirtschaftswachstum gegen Gestaltungskraft zu tauschen, also gegen einen Wohlstand, der auf der Frage beruht, wie viele hoch individualisierte Träume und Visionen, Bedürfnisse und Lebensziele eine Gesellschaft verwirklichen kann. Denn Wirtschaftswachstum im klassischen Sinne kann auch dann passieren, wenn ein großer Teil der Bevölkerung in Armut lebt oder sich derart der Wirtschaft angepasst hat, dass sie nur noch Wohlstand nach Selbstaufgabe erfahren kann. Das ist keine gesamtgesellschaftliche Lösung. Die gerechte Verteilung ist nur ein Versprechen, im Kapitalismus kein Naturgesetz. Das Individuum muss darum in der Breite gestärkt und aufgewertet werden. Das Individualistische muss zur Grundlage der Wirtschaft werden, damit der Wohlstand sich in der Breite verteilt. Als Kollektiv bleiben die ArbeiterInnen individuell entwertet. Sie bleiben Funktion der Industrie. Die ArbeiterIn braucht Werte einer Individualistin, um nicht ständig im Markt, im Vergleich mit anderen kollektiviert und entwertet zu werden. Das kann man nur vorleben. In „Working Economy“ habe ich dazu gerade ein Hörbuch veröffentlicht. Vor dreißig Jahren bin ich als Kind Margaret Thatcher, der Eiserne Lady des Neoliberalismus begegnet. Sie hat mich in gewisser Weise auf diesen Weg gebracht. Ein Paradoxon der Geschichte. Sie war zu einem Staatsbesuch auf einem österreichischen Bauernhof. Für sie besorgte man falsche Kühe, falsche Blumen. Alles Fake für die Kameras und dazwischen ich. Ein Nachbarkind, zur falschen Zeit am richtigen Ort. Sie reichte mir die Hand und ich wusste, dass etwas mit der Welt nicht stimmte. Sie war ein verdammter Zombie. Das ist eine witzige Geschichte, aber an diesem Tag verlor die neoliberale Weltsicht zum ersten Mal jede Macht über mich und ich wollte wissen, was hinter diesem eiskalten Clown wirklich steckt. Das war ein langer und schmerzhafter Prozess. Schließlich galt es Werte und verzerrte Begriffe zu überwinden, die auch mir anerzogen waren. Ich weiß was es bedeutet den Winter in einem Zelt zu verbringen. Die letzten Jahre bedeuteten für mich einen Ritt durch die Hölle der Armut. Doch irgendwann bestrafte ich mich nicht mehr dafür. Sondern definierte den Begriff der Arbeit und der Armut für mich ganz neu. Vor Jahren formulierte ich auf einer Bühne vor 1000 WerberInnen und Art-DirektorenInnen, dass die Werbung die Wirtschaft schädigt. Ich war gerade Vater geworden und das schien für meine Karriere in der New Economy nicht gerade hilfreich. Egal. Verantwortung bedeutete für mich, meiner eigenen Wahrnehmung zu trauen und aktiv zu werden, wo ich Unrecht sah. Man jagte mich von der Bühne. Ich sagte stotternd und tief verunsichert, man könne die Menschen nicht ewig belügen, ohne irgendwann selbst nicht mehr zu wissen, was real ist. Es kam der Börsencrash, der von Selbsttäuschungen geprägt war, doch auch ich flog überall raus. Viele Jahre des Selbstzweifels folgten. Warum nur funktionierte ich nicht mehr richtig? Ich brachte mich von nun an überall ein, nicht selten ungebeten, darum in den letzten Jahren häufig auch unbezahlt. Wenn man Dich nicht bezahlt, bist Du nichts wert. Liz Mohn, der Haupteigentümerin von RTL habe ich kürzlich in über hundert Seiten ein neues Fernsehen vorgestellt, welches die Leute nicht verdummt, sondern gesellschaftlichen Fortschritt fördern kann und einen komplett neuen und demokratischen Umgang mit der journalistischen Information bedeutet. Mohn ignoriert diese Arbeit, verweigert jedes Gespräch, weshalb ich dieses Jahr erneut Verluste machte. Ist das, was ich tue, wirklich falsch und hat die Freundin von Angela Merkel das Recht Kulturschaffende in ihrer Arbeit derart zu behindern, dass sie zum Sozialfall werden? Nur weil Systemkritik ein wenig schmerzt? Wenn wir an der Kultur nicht teilnehmen, findet sich nicht mehr statt. Wenn Konzerne schweigen, sich Diskussionen nicht stellen, weil sie diese nicht kontrollieren können, ist das ein Verbrechen an der Zivilisation. Ich traf die Entscheidung, zu einem bedingungslos individualistisch arbeitenden Menschen zu werden, weil ich gerade darin den notwendigen Fortschritt sah. Wir brauchten mehr Abweichung von der Norm, um mehr Antworten auf komplexe Fragen zu haben. Gleichzeitig konnte Wohlstand in der Breite nur durch breit gefächerte, sehr einzigartige Bedürfnisse entstehen, die lokal zu möglichst unterschiedlichen Produkten führten, was einen intensiveren Arbeitsaustausch zur Folge hätte. Unsere Welt litt an der Zentralisierung der Wertschöpfung, an der Globalisierung und Vereinheitlichung aller Märkte. Es war der Zweck des modernen Marktes genau diese Alternativlosigkeit zu bewirken, was den Markt zu einem Mittel der Macht werden ließ, nicht zu einem Werkzeug mit dem wir das Überleben der Spezies Mensch organisieren. Der Firma Red Bull drohte ich darum vor vier Jahren, vor ihrer Zentrale in Salzburg einen Stier zu töten, um mir als Individuum im Namen der Menschheit ihre Marke anzueignen. Man wird in dieser Welt nicht dafür bezahlt, das „Richtige“ zu tun, dem eigenen Gewissen zu folgen und das Beste in sich zu verwirklichen. Also tat ich es auf eigene Kosten. Als Antwort auf den Kapitalismus, der sich selbst nicht retten oder gar heilen kann. Ich habe nicht darauf gewartet, dass mir jemand ein bedingungsloses Grundeinkommen schenkt, um dann das zu tun, was ich wirklich tun will, weil das für die Gesellschaft gut ist, sondern hab einfach meine Arbeit gemacht. Eine sehr wichtige Arbeit, die niemand bezahlen wollte. Ich erhöhte die Vielfalt im Markt. Schuf Dynamik und neue Werte. Wenn die von Red Bull meinen, unsere Welt überall mit ihren Dosen und ihrer Weltsicht penetrieren zu dürfen, darf ich das als BürgerIn, als KonsumentIn, als Mensch auch. Wenn Red Bull mit mir als „KonsumentIn“ in Beziehung geht, darf auch ich diese Beziehung mitgestalten, die sonst im Markt sehr einseitig verläuft. Ich demokratisierte den Markt, oder versuchte es zumindest. Wenn der Stärkere, der darum in der Wertvorstellung des modernen Marktes, angeblich als Gewinner im Wettbewerb gewollt ist, der Stärkere angeblich den gesellschaftlichen Erfolg bringt, darum das Recht hat die Welt zu gestalten und ganze Märkte zu dominieren, die Vielfalt somit zerstört, dann kann auch ich der Stärkere sein, dann siegt zur Abwechslung mal nicht das Kapital, sondern die Kultur im Wettbewerb der Gestaltungskräfte. Man muss sie mit ihren eigenen Waffen schlagen! So schwer ist es nicht das Know-How von Medien, PR und Werbung auch mal gegen einen Konzern zu verwenden. Für eine Woche hatte ich sie bei den Eiern. Ein milliardenschweres Unternehmen. Ja, wir können diese Wirtschaft im Sinne des Menschen umbauen. Ich habe es oft getan. Indem ich den Menschen einbrachte, radikal, mit all den „Fehlern“ und ungewöhnlichen Lösungsideen. In kleinen Schritten. Sie hatten nicht die geringste Möglichkeit mich an einer kulturellen, einer öffentlichen Übernahme des Unternehmens zu hindern. Ich könnte es jederzeit wieder tun. Ich behaupte mein Red Bull hätte der Welt mehr gebracht. Ich wollte die Menschen wirklich mit der Limo wach machen. Die Grundpfeiler unserer Arbeits- und Wirtschaftswelt wollte ich knacken. Als ich dem heutigen SPD Kulturstaatssekretär Tim Renner bei einer Portion Nudeln von der Aktion erzählte, war er davon sehr angetan. Warum auch nicht. Ich machte meinen Job. Ich managde kulturelle Entwicklung. Etwas später bewarb ich mich aus Hartz IV heraus als Intendant des ZDF. Das war mal ganz im Sinne des Jobcenters. Ich konnte nachweisen, dass ich dafür die notwendige Qualifikation habe. Schließlich kann ich fast jede Tätigkeit vor und hinter der Kamera umsetzen. Ich hab angeboten den Job für 30.000 Euro im Jahr zu machen statt für die 200.000, die der jetzige Intendant erhält. Ich habe sogar Bücher über Management publiziert, die von mindestens einem bedeutenden Unternehmensberater und mehreren Universitätsprofessoren gelobt wurden und ich war lange Zeit Sprecher auf Konferenzen zum Thema Innovationsentwicklung. Die Manager klatschten, aber bezahlten mich schlecht. Meine Arbeit aufzuwerten hätte Veränderung bedeutet. Ich hätte beim ZDF sogar kostenlos „Wetten Dass?“ moderiert. Natürlich wären die Wetten andere gewesen. Wetten wir können binnen einer Woche hundert Wirtschaftssysteme entwickeln, die besser und humaner funktionieren, als das Bestehende! Obwohl ich laut Personalabteilung die originellste Bewerbung ablieferte, die es je beim ZDF gab, lehnte das Staatsfernsehen dankend ab. Der CDU Mann und Vorsitzende des Fernsehrates Ruprecht Polenz war angepisst, wollte mich loswerden, obwohl das Bundesverfassungsgericht gerade festgestellt hatte, dass mehr Vielfalt in den Strukturen dringend erforderlich sei. Warum auch Qualität und Kostenreduktion bevorzugen, wenn man hohe Bezahlung und Stillstand haben kann? Die Armen sind nicht Arm, weil sie nichts leisten, sondern weil man teilen müsste, würde man sie an der Arbeit beteiligen und man könnte sie nicht kontrollieren, würden sie diese Arbeit selbstbestimmt leisten. Paradox ist, dass man sie dafür nicht mehr bezahlen müsste, denn sie wären derart motiviert, sie täten es freiwillig. Freiwillig lässt sich die ganze Welt in ein Paradies verwandeln. Niemand jedoch könnte die Befreiung der Armen von der Armut bezahlen. Man müsste sich selbst verändern und könnte sich nicht künstlich aufwerten und einen Status behaupten. Was ich Ihnen gerade beschreibe klingt verspielt, aber glauben Sie mir, ich habe diese Pionierarbeit an der Arbeit durchgezogen, bis in den Ruin, der eigentlich kein Ruin ist. Indem Sie mich dafür nicht bezahlen, verhindern Sie Ihren eigenen Fortschritt. Das muss Ihnen nun klar werden! Was Sie an mir verachten, verachten Sie an sich selbst! Mein scheinbares Scheitern kann, richtig verstanden, die Grundlage einer besseren Ökonomie werden. Stärker, menschlicher, kreativer und interessanter. Eine, die aufzeigt, wie das unangepasste Individuum zur Wertschöpfung beiträgt. Das bedeutet für Sie mehr Freiheit. Lasst uns den Kapitalismus mit selbstbestimmter Arbeit zerstören! Mit der Erkenntnis, dass wir von der Natur und vom Grundgesetz durchaus als Abweichler gewollt sind, als Menschen, die in lebendigen Beziehungen leben, in denen wir unsere Einzigartigkeit nicht aufgeben müssen. Vielfalt ist wichtig, aber sie tut auch weh. Das ist Demokratie. Ich wollte das Wesen der Arbeit verstehen, es mir erarbeiten, nicht einfach nur machen was der Chef sagt. Das bedeutet es heute, Verantwortung zu übernehmen. Gehorsam ist out! Es braucht eine neue Form des Individualismus. Eine, die von innen heraus wächst und sich in der Beziehung zu anderen eine gemeinsame Welt erarbeitet. Ohne aber auf sich selbst zu verzichten, ohne sich zu verraten. Die Veränderung kann nicht von den Institutionen kommen. Die haben dafür nicht die Kraft, die intellektuelle Stärke oder gar den tiefen Willen. Das Individuum wirkt jedoch stets indirekt und meist zeitlich verzögert. Es schafft eine Differenz, die Bewegungsenergie ermöglicht. Institutionen jedoch wirken linear und direkt, schwächen jedoch eine Gesellschaft, weil der Einzelne Verantwortung und Gestaltungskraft an sie abgibt. Im Konsens verpufft die Dynamik und die Welt erscheint zunehmend monoton. Sie denken vielleicht, meine Arbeit würde wenig bringen, weil ich ein Individualist bin. Weil hinter mir keine Massen stehen. Sie täuschen sich. Es ist Zeit jene zu unterstützen, die anders sind als Sie! Ja, es erzeugt Krise, Auseinandersetzung und Reibung und genau das braucht es jetzt. Dazu sind Bücher entstanden, Filme, Vorträge, Experimente. Und nun entscheiden Sie, ob ich und die vielen anderen Menschen da draußen Armut verdienen! Arm bin ich nur, weil auch Sie sich diesem Fortschritt verweigern und Ressourcen zurückhalten, während ich Sie damit überflute. Der Staat kann mir nicht mehr befehlen, wie ich zu leben und zu arbeiten habe. Die Politik hat nun selbst, zumindest in einem Fall, das bedingungslose Grundeinkommen eingeführt. Nicht ich tat es. Ihnen blieb nichts anderes übrig. Meine Arbeit ist zu wichtig. Und der Arbeitsmarkt ist ein einziger Widerspruch, wie die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung. Die Fleißigen kommen nicht nach oben. Die Braven auch nicht. Werden Sie erwachsen! Wir müssen uns den Fortschritt im Dialog erarbeiten. Die Frage ist, wie wollen wir das tun? Das „Wie“ ist eine kulturelle Frage. Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? Diese Entscheidung steht der Wirtschaft nicht zu. Sie ist unser ganz persönlicher, ganz individueller Beitrag zum Ganzen. Woran arbeitest Du? Was arbeitet in Dir? Halte es nicht zurück! Du hast nur dieses Leben! Die Revolution hat längst begonnen.
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