Aufgabenblatt Logik in der philosophischen Praxis Seite 1

Aufgabenblatt Logik in der philosophischen Praxis
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Logik ist mehr als eine philosophische Spielerei. Auch soll sie Studenten nicht das Leben
schwer machen - im Gegenteil! Sie soll es ihnen leicht machen und stellt ein wichtiges
Werkzeug für die philosophische Praxis dar. Anhand eines der berühmtesten Argumente
der Philosophiegeschichte wollen wir die bislang im Kurs erlernten Fähigkeiten anwenden. Grundlage dafür stellen ausgewählte Stellen des Originaltextes dar.
Aufgabe 1: Anselm von Canterbury - Der ontologische Gottesbeweis
Hintergrund :
Im Jahre 1077 oder 1078 verfasste der in Italien geborene und häufig als Vater der Scholastik apostrophierte Philosoph und Theologe Anselm von Canterbury (1033-1101) eine
kleine Schrift, die in die Annalen der Philosophiegeschichte eingehen sollte. Unter dem
Namen Proslogion (zu dt. Anrede) enthielt sie sein heute als ontologischer Gottesbeweis
bekanntes Argument. Seine Intention war es, ganz im Sinne des Anselm’schen Leitmotives „fides quaerens intellectum“ (zu dt. sinngemäß etwa „Der Glaube sucht die Vernunft“),
die Existenz Gottes auf rein rationalem Wege darzulegen.
Argument:
P1: Gott ist „etwas, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann.“ (S.20)
P2: Zudem gilt, „dass etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann,
zumindest im Verstande ist [...]“ (S.23)
P3: Falls etwas nur im Verstande und nicht in der Realität existiert, ist es nicht das
denkbar Größte. (Vgl. S. 23) (Weil dasjenige, was auch in der Realität existierte, größer wäre.)
K: Also existiert Gott in der Realität.
a) Formalisieren sie das Argument mithilfe folgender Legende:
Dx =
b x ist das denkbar Größte.
Ev x =
b x existiert im Verstande.
Er x =
b x existiert in der Realität.
g =
b Gott
b) Testen Sie das Argument mit dem semantischen Schnelltest (U = {g, h}) und finden
Sie, falls gültig, eine Ableitung.
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Kritik :
Selbstverständlich ist dieser Beweis nicht unkommentiert geblieben und hat schwerwiegende Kritik erfahren. Ein erster Punkt stammt von einem Zeitgenossen Anselms, dem
Mönch Gaunilo: Mit gleichem Rechte ließe sich mit diesem Gedankengang die Existenz
sämtlicher idealer, bzw. ‘größvorstellbarer’ Gegenstände postulieren, so etwa die einer
perfekten Insel, die „[...] weit mehr, als man von den Inseln der Glückseligen berichtet,
unvergleichlich reich an Gütern und Prunk [...]“(S.85) ist. Eine offensichtlich absurde
Konsequenz - und so schreibt Gaunilo weiter: „[...] wenn er, so sage ich, mir hierdurch
versichern wollte, dass jene Insel in Wirklichkeit sei, so würde ich glauben, entweder er
scherze oder ich wüsste nicht, wen ich für dümmer ansehen sollte, mich, wenn ich ihm
beipflichtete, oder ihn, wenn er glaubt, mit irgendeiner Gewissheit das Wesen jener Insel
erwiesen zu haben[...].“(S.87)
Ein zweiter Ansatz von Kant stellt die Verwendung von Existenzprädikaten grundsätzlich in Frage, denn ‘Sein’ sei kein reales Prädikat, d.h. es fügt dem Begriff einer
Sache nichts hinzu, es prädiziert nicht. (Vgl. KrV,A 598f) Tatsächlich handhabt man
in der modernen Logik Existenzaussagen nicht mit Prädikaten, sondern man verwendet
Existenzquantoren, sodass sich auf den ersten Blick keine angemessene Formulierung der
Prämissen finden lässt, die nicht auf Existenzprädikaten angewiesen ist. Folgt man Kants
Urteil, steht die Existenz Gottes also nach wie vor zur Debatte.
Literatur
Anselm von Canterbury 2005; Proslogion. Stuttgart, Reclam Philipp Jun.
Kant, Immanuel 1968; Kritik der reinen Vernunft. Herausgegeben von Wilhelm
Weischedel, Frankfurt am Main, Suhrkamp.