Flüchtlinge in Hamburg: "Die Flächen reichen für drei Jahre – und

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6. Mär. 2016
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04.03.16
Flüchtlinge
"Die Flächen reichen für drei Jahre – und dann?"
Es bewegt sich was in der Flüchtlingsstadt Hamburg: In Bergedorf klagen
Anwohner, in Neugraben werden Unterkunftsplätze reduziert. Zudem
fordern Architekten radikale Lösungen bei der Unterbringung. Von Philipp
Woldin, Jakob Koch
Erst die eindrucksvoll gewonnene Volksinitiative, 26.000 Stimmen in wenigen Tagen und nun
eine Entscheidung mit Signalwirkung: Die Großunterkunft (Link: http://www.welt.de/148021450) Am
Aschenland II, eine der ersten geplanten Großsiedlungen, wird nur halb so groß, statt 3000
Flüchtlingen sollen 1500 Menschen untergebracht werden, der dritte Bauabschnitt fällt weg.
Der zuständige Harburger Bezirksamtsleiter Thomas Völsch sagt: "Wir haben in den letzten
Wochen und Monaten viele ernsthafte und konstruktive Gespräche geführt, um die
Maßnahme weiter voranzubringen und für eine richtige Entwicklung Vorsorge zu treffen. Im
Mittelpunkt standen dabei immer auch die Beschlüsse der Bezirksversammlung. Eine
zentrale Forderung dabei war, die Gesamtzahl der Plätze am Standort unter 3000 zu halten.
Das ist jetzt gelungen. Man bewegt etwas, wenn man pragmatisch und konstruktiv arbeitet."
Ist diese Entscheidung nun ein prinzipielles Umsteuern des Senats, eine direkte Reaktion auf
den Erfolg der Volksinitiative, wie es mancherorts heißt? "Nein, dazu passt allein der
Zeithorizont nicht", sagt der Pressesprecher der Sozialbehörde, Marcel Schweitzer. Schon
am 14. Dezember führte Sozialsenatorin Melanie Leonhard, selbst Harburgerin, Gespräche
mit der örtlichen Bürgerinitiative "Nein zur Politik, Ja zur Hilfe". Alternativen wurden diskutiert,
wie beispielsweise die Aufteilung auf zwei Standorte: Eine Ausweichfläche am
Falckenbergsweg für eine Einrichtung mit ca. 500-700 Plätzen und lediglich 2300 Menschen
am Aschenland.
Die Initiative lehnte diese Vorschläge ab, danach folgten weitere zähe Verhandlungen und
nun die Einigung. Die zentrale Erstaufnahme in einem benachbarten Baumarkt mit bis zu 700
Bewohnern sowie die Unterkunft "Am Aschenland I" mit 450 Plätzen sollen aber bleiben.
Außerdem ist eine Folgeunterbringung an der Cuxhavener Straße für 190 weitere Menschen
in Betrieb.
"Mehr schaffen wir nicht und wollen wir nicht!"
Die Bürgerinitiative sieht die Reduzierung nur als Etappenerfolg, sie fordern weiter eine
Begrenzung auf 1500 Menschen – für den gesamten Stadtteil. "Mehr schaffen wir nicht und
wollen wir nicht!", schreibt ein Unterstützer auf Facebook. Nun suchen Stadt und Bezirk neue
Flächen, der Bezirk selbst und der Zentrale Koordinierungsstab prüfen aktuell Flächen am
Rönneburger Stieg und an der Elfenwiese. Allerdings muss der Standort nicht zwingend in
Harburg liegen: Es gebe keine Vereinbarung zwischen dem Bezirk und der Sozialbehörde,
die 1500 Plätze nun im Bezirk Harburg zu kompensieren, sagte Bezirksamtssprecherin
Bettina Maak.
Auch bei der Folgeunterkunft Mittlerer Landweg/Billwerder Gleisdreieck in Bergedorf
, in der 2300 Flüchtlinge untergebracht werden sollen, gibt es
Bewegung: Zwei Anwohner haben einen Antrag auf Baustopp eingereicht, das bestätigte die
(Link: http://www.welt.de/152955901)
Kanzlei Klemm&Partner der "Welt". Das Verwaltungsgericht muss den 105-seitigen Antrag
nun prüfen, der eine aufschiebende Wirkung hätte. Vergangenen Freitag war eine
Teilbaugenehmigung ergangen, am selben Tag rollten schon die Bagger auf das Grundstück.
Doch was passiert eigentlich, wenn die bisher vorgesehenen Unterbringungsmöglichkeiten
erschöpft sind? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer dreitägigen Veranstaltung der
Hamburgischen Architektenkammer unter dem Titel "Ankunftsstadt Hamburg – aber wie?".
Zahlreiche Experten diskutierten mögliche Lösungsmodelle einer langfristigen Unterbringung
der Flüchtlinge in der Stadt. Dabei wurden von baulichen Ideen bis hin zu Perspektiven der
gesamtstädtischen Entwicklung verschiedene Ebenen betrachtet, die für eine erfolgreiche
Umsetzung erforderlich sind.
Eine Gruppe unter Leitung des Architekten Carsten Venus stellte ein Modell vor, dass explizit
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auf die Bedürfnisse der unmittelbar betroffenen Anwohner eingeht und zudem den Aspekt
der dezentralen Unterbringung aufgreift, den auch die Volksinitiative fordert: Sie plädieren für
Wohneinheiten aus Holzmodulen, die für bis zu 200 Bewohner mittels des
Ausnahmeparagrafen 246 Baugesetzbuch errichtet werden. "Wir sagen bewusst, dass wir
Orte damit 'besetzen', da dies einfach erforderlich ist", sagt Venus.
Keine Fläche in der Stadt als tabu betrachten
Der Clou: Drei Jahre nach Errichtung erfolgt mit Behörden, Anwohnern und Architekten eine
Evaluation. Wurde sie in ihrem Umfeld akzeptiert? Kommen die Beteiligten zu einem
positiven Fazit, setzt die zweite Stufe ein: Die Unterkunft wird erweitert – und etwa mit
zusätzlichen Gemeinschaftsräumen auf die Perspektive Wohnen ausgerichtet. Kommt der
Runde Tisch allerdings zu einem negativen Fazit, so die Planungen der Architektengruppe,
müsste der Rückbau der Unterkunft erfolgen. "Die Schwelle, Grundstücke zu besetzen, wird
so niedriger", sagt Venus. Eine weitere Gruppe Architekten hatte die Stadtentwicklung im
Blick – und sie scheute nicht vor radikalen Forderungen. "Die derzeit angestrebten Flächen
zur Unterbringung reichen für maximal zwei bis drei Jahre – und dann?", fragt Berthold
Eckebrecht. Der Landschaftsarchitekt fordert, keine Fläche in der Stadt als tabu zu
betrachten.
"Können wir es uns beispielsweise noch leisten eine Messe in der City zu betreiben?", fragt
Eckebrecht. Genauso habe seine Gruppe etwa den Kleinen Grasbrook und Kleingärten für
die Flüchtlingsunterbringung im Blick. Weitere Forderungen der Gruppe: die
Umlandkooperation zu stärken und keine Debatte mehr über die Größe von Unterkünften zu
führen –"denn einige Projekte müssten noch größer werden, als bisher geplant", sagt
Eckebrecht.
In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Vertretern der Architektenkammer, Stadt,
Rechtskanzlei und Politik waren sich die Teilnehmer einig, dass sich aus der Flüchtlingskrise
auch eine Chance ergibt. Rechtsanwalt Gero Tuttlewski (Link: http://www.welt.de/146539451) betonte
allerdings, dass viele Hamburger die Größe der Unterkünfte abschrecke. "Die Menschen
fühlen sich bei den Entscheidungen der Stadt nicht mitgenommen", sagte Tuttlewski.
Er fordert, dass die Stadt die Bürger wieder beteiligen solle. SPD-Fraktionschef Andreas
Dressel stimmte ihm zu, betonte allerdings die Notwendigkeit, anfangs etwa nach
Polizeirecht zu bauen. "Denn zum Schluss müssen die Zahlen aufgehen – es darf niemand
übrig bleiben", so Dressel.
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