Flüchtlinge in Hamburg: "Die Flächen reichen für drei Jahre –... http://www.welt.de/regionales/hamburg/article152955814/Die... 6. Mär. 2016 Diesen Artikel finden Sie online unter http://www.welt.de/152955814 04.03.16 Flüchtlinge "Die Flächen reichen für drei Jahre – und dann?" Es bewegt sich was in der Flüchtlingsstadt Hamburg: In Bergedorf klagen Anwohner, in Neugraben werden Unterkunftsplätze reduziert. Zudem fordern Architekten radikale Lösungen bei der Unterbringung. Von Philipp Woldin, Jakob Koch Erst die eindrucksvoll gewonnene Volksinitiative, 26.000 Stimmen in wenigen Tagen und nun eine Entscheidung mit Signalwirkung: Die Großunterkunft (Link: http://www.welt.de/148021450) Am Aschenland II, eine der ersten geplanten Großsiedlungen, wird nur halb so groß, statt 3000 Flüchtlingen sollen 1500 Menschen untergebracht werden, der dritte Bauabschnitt fällt weg. Der zuständige Harburger Bezirksamtsleiter Thomas Völsch sagt: "Wir haben in den letzten Wochen und Monaten viele ernsthafte und konstruktive Gespräche geführt, um die Maßnahme weiter voranzubringen und für eine richtige Entwicklung Vorsorge zu treffen. Im Mittelpunkt standen dabei immer auch die Beschlüsse der Bezirksversammlung. Eine zentrale Forderung dabei war, die Gesamtzahl der Plätze am Standort unter 3000 zu halten. Das ist jetzt gelungen. Man bewegt etwas, wenn man pragmatisch und konstruktiv arbeitet." Ist diese Entscheidung nun ein prinzipielles Umsteuern des Senats, eine direkte Reaktion auf den Erfolg der Volksinitiative, wie es mancherorts heißt? "Nein, dazu passt allein der Zeithorizont nicht", sagt der Pressesprecher der Sozialbehörde, Marcel Schweitzer. Schon am 14. Dezember führte Sozialsenatorin Melanie Leonhard, selbst Harburgerin, Gespräche mit der örtlichen Bürgerinitiative "Nein zur Politik, Ja zur Hilfe". Alternativen wurden diskutiert, wie beispielsweise die Aufteilung auf zwei Standorte: Eine Ausweichfläche am Falckenbergsweg für eine Einrichtung mit ca. 500-700 Plätzen und lediglich 2300 Menschen am Aschenland. Die Initiative lehnte diese Vorschläge ab, danach folgten weitere zähe Verhandlungen und nun die Einigung. Die zentrale Erstaufnahme in einem benachbarten Baumarkt mit bis zu 700 Bewohnern sowie die Unterkunft "Am Aschenland I" mit 450 Plätzen sollen aber bleiben. Außerdem ist eine Folgeunterbringung an der Cuxhavener Straße für 190 weitere Menschen in Betrieb. "Mehr schaffen wir nicht und wollen wir nicht!" Die Bürgerinitiative sieht die Reduzierung nur als Etappenerfolg, sie fordern weiter eine Begrenzung auf 1500 Menschen – für den gesamten Stadtteil. "Mehr schaffen wir nicht und wollen wir nicht!", schreibt ein Unterstützer auf Facebook. Nun suchen Stadt und Bezirk neue Flächen, der Bezirk selbst und der Zentrale Koordinierungsstab prüfen aktuell Flächen am Rönneburger Stieg und an der Elfenwiese. Allerdings muss der Standort nicht zwingend in Harburg liegen: Es gebe keine Vereinbarung zwischen dem Bezirk und der Sozialbehörde, die 1500 Plätze nun im Bezirk Harburg zu kompensieren, sagte Bezirksamtssprecherin Bettina Maak. Auch bei der Folgeunterkunft Mittlerer Landweg/Billwerder Gleisdreieck in Bergedorf , in der 2300 Flüchtlinge untergebracht werden sollen, gibt es Bewegung: Zwei Anwohner haben einen Antrag auf Baustopp eingereicht, das bestätigte die (Link: http://www.welt.de/152955901) Kanzlei Klemm&Partner der "Welt". Das Verwaltungsgericht muss den 105-seitigen Antrag nun prüfen, der eine aufschiebende Wirkung hätte. Vergangenen Freitag war eine Teilbaugenehmigung ergangen, am selben Tag rollten schon die Bagger auf das Grundstück. Doch was passiert eigentlich, wenn die bisher vorgesehenen Unterbringungsmöglichkeiten erschöpft sind? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer dreitägigen Veranstaltung der Hamburgischen Architektenkammer unter dem Titel "Ankunftsstadt Hamburg – aber wie?". Zahlreiche Experten diskutierten mögliche Lösungsmodelle einer langfristigen Unterbringung der Flüchtlinge in der Stadt. Dabei wurden von baulichen Ideen bis hin zu Perspektiven der gesamtstädtischen Entwicklung verschiedene Ebenen betrachtet, die für eine erfolgreiche Umsetzung erforderlich sind. Eine Gruppe unter Leitung des Architekten Carsten Venus stellte ein Modell vor, dass explizit 1 of 2 06.03.16 20:51 Flüchtlinge in Hamburg: "Die Flächen reichen für drei Jahre –... http://www.welt.de/regionales/hamburg/article152955814/Die... auf die Bedürfnisse der unmittelbar betroffenen Anwohner eingeht und zudem den Aspekt der dezentralen Unterbringung aufgreift, den auch die Volksinitiative fordert: Sie plädieren für Wohneinheiten aus Holzmodulen, die für bis zu 200 Bewohner mittels des Ausnahmeparagrafen 246 Baugesetzbuch errichtet werden. "Wir sagen bewusst, dass wir Orte damit 'besetzen', da dies einfach erforderlich ist", sagt Venus. Keine Fläche in der Stadt als tabu betrachten Der Clou: Drei Jahre nach Errichtung erfolgt mit Behörden, Anwohnern und Architekten eine Evaluation. Wurde sie in ihrem Umfeld akzeptiert? Kommen die Beteiligten zu einem positiven Fazit, setzt die zweite Stufe ein: Die Unterkunft wird erweitert – und etwa mit zusätzlichen Gemeinschaftsräumen auf die Perspektive Wohnen ausgerichtet. Kommt der Runde Tisch allerdings zu einem negativen Fazit, so die Planungen der Architektengruppe, müsste der Rückbau der Unterkunft erfolgen. "Die Schwelle, Grundstücke zu besetzen, wird so niedriger", sagt Venus. Eine weitere Gruppe Architekten hatte die Stadtentwicklung im Blick – und sie scheute nicht vor radikalen Forderungen. "Die derzeit angestrebten Flächen zur Unterbringung reichen für maximal zwei bis drei Jahre – und dann?", fragt Berthold Eckebrecht. Der Landschaftsarchitekt fordert, keine Fläche in der Stadt als tabu zu betrachten. "Können wir es uns beispielsweise noch leisten eine Messe in der City zu betreiben?", fragt Eckebrecht. Genauso habe seine Gruppe etwa den Kleinen Grasbrook und Kleingärten für die Flüchtlingsunterbringung im Blick. Weitere Forderungen der Gruppe: die Umlandkooperation zu stärken und keine Debatte mehr über die Größe von Unterkünften zu führen –"denn einige Projekte müssten noch größer werden, als bisher geplant", sagt Eckebrecht. In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Vertretern der Architektenkammer, Stadt, Rechtskanzlei und Politik waren sich die Teilnehmer einig, dass sich aus der Flüchtlingskrise auch eine Chance ergibt. Rechtsanwalt Gero Tuttlewski (Link: http://www.welt.de/146539451) betonte allerdings, dass viele Hamburger die Größe der Unterkünfte abschrecke. "Die Menschen fühlen sich bei den Entscheidungen der Stadt nicht mitgenommen", sagte Tuttlewski. Er fordert, dass die Stadt die Bürger wieder beteiligen solle. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel stimmte ihm zu, betonte allerdings die Notwendigkeit, anfangs etwa nach Polizeirecht zu bauen. "Denn zum Schluss müssen die Zahlen aufgehen – es darf niemand übrig bleiben", so Dressel. © WeltN24 GmbH 2016. 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