Liebe Paten, ich bekomme sehr viele Mails und Anrufe, wie man den Flüchtlingen im Moment helfen kann. Um nicht die vielen einzelnen Mails beantworten zu müssen (Ich habe einen Verteiler mit ca. 1000 Personen), schreibe ich eine etwas längere, aber sehr informative Mail: Ich war gestern von 17 - 21 Uhr in der Messehalle, habe meine Hilfe als Dolmetscher angeboten oder wofür ich sonst noch gebraucht werden könnte. Ich wollte mir selbst ein Bild machen, damit ich die Situation besser verstehe und sachgerecht Auskunft geben kann. Ich war so überwältigt von der Situation in Halle 2 und 3, dass ich erst mal zur Seite gehen musste, um meine Tränen zu unterdrücken. Einerseits: die ca. 800-1000 Flüchtlinge, die in den beiden Hallen untergebracht sind und andererseits von der Vielzahl der Helfer...Ich habe sehr viele Bekannte getroffen, die zu 90% ehrenamtlich dort tätig sind: viele ausländische Studenten, auch ehemalige, und Doktoranden, Paten von FwF, Mitarbeiter von Einrichtungen, Migranten, die in Erfurt leben und arbeiten, Asylbewerber, die schon länger hier sind und die ihren Landsleuten helfen, José Paca, Vorsitzender des Ausländerbeirates, und, und, und... Als ca. 19 Uhr ausgerufen wurde, dass beim medizinischen Stützpunkt dringend jemand gesucht wurde, der Urdu spricht, habe ich Shifa aus Pakistan angerufen. Sie sagte mir, dass sie am Vormittag schon 2 Std. dort war, auch beim Registrieren und Packen geholfen hat. Urdu wurde zu dem Zeitpunkt nicht gebraucht. Weil sie nicht daran glaubte, dass sie auch medizinisch helfen darf, hat sie erst gar nicht danach gefragt. Ich habe mich erkundigt: sie darf (auch ohne Berufsanerkennung, z.B. verbinden, Fieber messen, Wunden versorgen,...). Man ist über JEDE Hilfe dankbar und verzichtet auf bürokratische Hürden. Sie hat über Facebook aufgerufen, dass sich ihre Landsleute in Erfurt unbedingt in der Messehalle melden sollen, vor allem als Dolmetscher, weil neben Arabisch, Urdu, Farsi und Persisch sehr gefragt sind. Zum Glück kam dann Sheila, eine 17-jährige Schülerin an der IGS (Gymnasium), die mit ihrer Familie seit etlichen Jahren in Erfurt lebt, in Afghanistan , Pakistan und Indien aufgewachsen ist, die 5 oder 6 Sprachen spricht!....Sie hatte "alle Hände" voll zu tun und hat das mit Freude und Begeisterung gemacht. Es war toll, ihr Engagement und das der vielen freiwilligen Helfer zu sehen. Alle ehrenamtlichen Helfer , die Security-Leute, DRK-Leute, "Ordnungshüter" sind sehr gut zu erkennen. Sie tragen entsprechende Kleidung, z.B. leuchtende Warnwesten, DRK: rote T-shirts, blaue Gummihandschuhe, teilweise Mundschutz usw. Die Flüchtlinge gehen mit ihren Fragen auf sie zu. Ehrenamtlich Helfer gehen aufeinander und die Verantwortlichen vor Ort zu, fragen, wo ihre Hilfe gebraucht wird, fragen, wenn sie etwas nicht verstehen, z.B. warum einige junge Männer kein Essen von Frauen annehmen, warum sich einige wenige Flüchtlinge weigern, den Bus zu verlassen usw. Auch ich habe gestern wieder sehr viel gelernt ;-). Es ist eine ruhige, saubere Atmosphäre, die ich erlebt habe. Hoffen wir, dass es so bleibt. Die Matratzen auf dem Fußboden, die Liegen, die Doppelstockbetten mit darüber hängender Wäsche, Rucksäcke und Beutel, die 300 Personen lange Schlange an der Essensausgabe mit Registrierungszettel in der Hand, aber jeder darf so viel haben, wie er möchte: Kaffee, Tee, kalte Getränke, Tomate, Gurke, Joghurt, Scheiben von Geflügelwurst, Käse, Obst, 1-5 Brötchen zum Abendbrot,..., dazwischen Fußball spielende Jugendliche, weil es draußen regnete, mal ein schreiendes Baby,....- all das ist nicht emotionslos anzuschauen... Etwa 2/3 der Flüchtlinge sind junge Männer, die es geschafft haben bis hierher, aber auch Frauen mit Kindern sind unter den ca. 1000 Flüchtlingen in den beiden Hallen. Alle sind sehr dankbar. Wie können Erfurter im Moment helfen? Dabei ändert sich die Situation fast stündlich (neu ankommende Flüchtlinge, mal sind zu viele Spielsachen da, am nächsten Tag fehlen sie wieder...). Nach den Auskünften, die ich von verschiedenen Personen bekommen habe: - Hotline anrufen und fragen, welche konkrete Hilfe im Moment gebraucht wird: 0361/ 400 71 16 (24 Std. lang, ist in der Messehalle) - am besten: einfach hinfahren und flexibel sein: Kartons einpacken bzw. Sachen sortieren, dolmetschen, Leute registrieren, Stellwände aufstellen, Betten beziehen, Wasser verteilen, SIMKarten installieren (Nach der Registrierung und dem medizinischen Check dürfen sie mit Security- Begleitung ins gegenüberliegende real und sich z.B. eine SIM-Karte kaufen, die sie in der Messehalle aufladen können), Kinder betreuen, mit ihnen spielen (Dabei muss man Mundschutz tragen), einfach nur mit den Flüchtlingen reden,....Sehr viele können Englisch. Übrigens: Essen darf nicht mitgebracht werden, Geld ist auch nicht erwünscht. Sachspenden dagegen sind herzlich willkommen, auch Buntstifte, Papier, Spiele für Kinder, Bälle, Federballspiele, .....Vermutlich müssen die Flüchtlinge für mehrere Wochen dort bleiben, bis sie weiter verteilt werden. Die Kinder wollen beschäftigt sein.... Alle Helfer werden am Eingang registriert, desinfiziert, erhalten eine Reg.-Nr. auf der Kleidung, werden sehr gut eingewiesen (nicht fotografieren, nicht die dortige Toiletten benutzen, nicht dort essen, beim Verlassen der Halle abmelden usw.) Für die Helfer wird in einer anderen Halle/ Cafeteria) 24 Std. lang reichlich Essen und Getränke kostenlos bereit gestellt, auch warmes Essen, Toiletten,... Am Dringendsten wird im Moment gebraucht: - transportable Kinderbetten, Kinderwagen und warme Kleidung, vor allem für Kinder, besonders Strümpfe und Socken, aber auch Bettzeug und Decken, Schuhe, denn in den Messehallen ist es ziemlich kalt/ nicht geheizt. Einige Frauen sind (hoch-)schwanger. Die Flüchtlinge kommen ja aus warmen Ländern und haben mitunter 5-6x Anlauf genommen, um über viele Länder, München usw. den Weg nach Erfurt zu schaffen.... Und täglich kommen Neue an..... Nicht alles ist im Moment perfekt. Vieles muss besser koordiniert werden. Die Behörden haben bereits Listen mit Dolmetscherbörsen, Anlaufstellen für Abgabe von Sachspenden,... Man arbeitet mit Hochtouren daran, dies öffentlich zu machen. Nicht meckern, sonder ANPACKEN / HANDELN ist angesagt: einfach zur Messehalle fahren und sehen, wofür man gebraucht wird, evtl. vorher anrufen: 0361/ 400 71 16. Es werden IMMER Helfer gesucht (von 8 - 22 Uhr, auch am Samstag und Sonntag). Ich könnte noch viel mehr schreiben, aber vielleicht helfen die konkreten Fakten, um selbst aktiv zu werden und um Auskunft zu geben, um Kollegen, Freunde, Bekannte und Verwandte zu animieren mitzumachen... Viele Grüße Petra Eweleit Projektleiterin „Fremde werden Freunde“ c/o Fachhochschule Erfurt Altonaer Str. 25 99085 Erfurt Telefon: 0361 6700-487 Telefax: 0361 6700-697 E-Mail: [email protected] Internet: www.fremde-werden-freunde.de
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