Strasmann´s Anatomie und Physiologie, mit ausgewählten Kapiteln Pathologie LaSpecola, Florenz Anatomie und Physiologie des Gehirns sAPP17 Gehirn PD Dr. med. Thomas J. Strasmann www.everything-virtual.org 21. Tag Neuralrohr 28. Tag sAPP17 Gehirn 2 Die Entwicklung des Gehirns beginnt sehr früh in der Embryonalzeit mit der Abfaltung des Neuralrohres vom Ektoderm. Dabei wird der Liquor-gefüllte Zentralkanal umschlossen. Vorne entwickeln sich motorische, hinten (dorsal) sensible Nervenzellen. Faltung des Neuralrohres 39. Tag sAPP17 Gehirn 3 44. Tag ZNS-Abschnitt typische Funktion Rückenmark, die Medulla spinalis Reflexsteuerung Schmerz: Schmerzausweitung Verlängertes Mark, die Medulla oblongata Steuerung von Atmung + Kreislauf Schwindel, Erbrechen Rautenhirn, das Rhombenzephalon = Pons + Cerebellum Gleichgewichts-Steuerung, Bewegungsberechnung, Diadochokinese, Muskeltonus Mittelhirn, Mesenzeph. optische u. akustische Reflexe Zwischenhirn, das Dienzephalon hormonelle Steuerung Limbisches System: Gefühle Endhirn, das Telenzephalon Bewusste Steuerung, Zentren der Sinnes-Wahrnehmung, Pläne, Absichten Während das Rückenmark weiter reift, wird das Vorderende des Neuralrohrs gefaltet und funktionelle Hirnbereiche werden sichtbar. Am mächtigsten entwickelt sich bei uns Menschen das Telenzephalon, das die Spitze des Neuralrohres unter sich verbirgt. sAPP17 Gehirn 4 Dieser Medianschnitt zeigt die funktionellen Hirnabschnitte an der rechten Hirnhälfte von medial aus betrachtet. Die Grenze zwischen Rückenmark und Medulla oblongata ist unscharf. Zerschnitten wurde auch der Balken, darüber ist Endhirn-Aussenseite. die Medulla spinalis, Rückenmark dorsal (hinten) dorsal (hinten) ventral (vorne) ventral (vorne) ventral (vorne) dorsal (hinten) sAPP17 Gehirn 5 Das Rückenmark ist Ort sehr vieler Reflexe. Fast alle Nachrichtenkabel aus dem Körper steigen im Rückenmark auf, und das Gehirn greift auf die motorischen Verschaltungen des Rückenmarkes zu, "spielt" quasi auf den Tasten des Rückenmarks. die Medulla oblongata, verlängertes Mark sAPP17 Gehirn 6 Mit der Medulla oblongata beginnt das Gehirn. Das verlängerte Mark beherbergt lebenswichtige Reflexe, die als die Formatio reticularis zusammengefasst werden. Dieses "alte Schneckenhirn" reicht bis ins Dienzephalon, bis zum Hypothalamus. das Rhombenzephalon, Rautenhirn (die Pons + das Cerebellum) sAPP17 Gehirn 7 Rhombenzephalon (auch Metenzephalon) ist wesentlich für die Bewegungssteuerung: Das Kleinhirn "lauscht" an den grossen absteigenden motorischen Bahnen und berechnet den Rechts-Links-Ausgleich, die Diadochokinese und den Muskeltonus. das Mesenzephalon, Mittelhirn sAPP17 Gehirn 8 Wie ein Fluss zieht der Aquaeductus mesencephali durchs Mittelhirn und teilt die dorsal gelegene Vier-Hügel-Platte vom vorderen, überwiegend motorischen Teil ab. Die oberen Hügel kodieren optische, die unteren Hügel akustische Reflexe. das Dienzephalon, Zwischenhirn sAPP17 Gehirn 9 Das Dienzephalon ist die Schaltzentrale der Körper-Homöostase, die der Hypothalamus steuert. Die Hypophyse als "Königin der endokrinen Drüsen" übersetzt die Steuerung in Hormone. Auch mit Hormonen regelt die Epiphyse den Tag-Nacht-Rhythmus. das Telenzephalon, Endhirn sAPP17 Gehirn 10 Das Endhirn liegt praktisch über allem darüber, wie ein Mantel (das Pallium). Rechte und linke Grosshirnhälfte sind über Kommissuren verbunden. Die grösste ist der Balken, das Corpus callosum. Die Gyri und Sulci (der sulcus) helfen bei der Orientierung. Gliederung des Endhirns sAPP17 Gehirn 11 Das Telenzephalon wird in 4 "Lappen" unterteilt, die aber miteinander und über den Balken und die Basalganglien verknüpft sind. Ein Verlust von Hirnrinde z.B. durch Ischämie oder Blutung, kann oft leider nur sehr begrenzt ausgeglichen werden. Hirnarterien sAPP17 Gehirn 12 Die Blutversorgung des Gehirns regelt dieses selbst: Kommt die Pulswelle, so öffnen sich die Hirngefässe, ist sie vorbei, so werden sie wieder etwas enger. Voraussetzung sind elastische Gefässe: Bewegen Sie sich mehr, das bremst die Arteriosklerose. Arterien, Venen, Plexus sAPP17 Gehirn 13 Arterien dringen von aussen ins Gehirn ein. Sie sind Endarterien, haben also keine Anastomosen, keine Verbindungen miteinander. Die Venen sammeln das Blut und bringen es heraus, bis in den Schädelknochen. In den Plexus entsteht der Liquor. Circulus arteriosus Willisii sAPP17 Gehirn 14 Zwei Arterien je Seite (A. carotis interna und A. vertebralis) bilden einen "Kreisverkehr" aus dem heraus sich die Hirnrinde "bedient". Kritisch ist oft die Versorgung von Pons und Kleinhirn aus der A. basilaris: Druckprobleme können eine Drop-Attack erzeugen. Schlaganfall: Ischämie sAPP17 Gehirn 15 Jeder Arterienverschluss, ob wirklich durch einen Thrombus oder einen Embolus, oder funktionell durch Druckminderung, führt in Kürze zu einem charakteristischen AusfallsBild. Je früher die Therapie einsetzt, desto grösser ist die Chance auf volle Heilung. DIE Schlaganfall-Arterie sAPP17 Gehirn 16 Wird die Arteria cerebri media verschlossen, entsteht ein typischer Ausfall der wichtigsten motorischen Bahn des Menschen, der Pyramidenbahn. Da sie in der Decussatio pyramidum unterhalb der Pons kreuzt, ist die Lähmung stets kontralateral, gegenüber. Ein typischer Schlaganfall sAPP17 Gehirn 17 Ausser der für die Feinmotorik bei Primaten essentiellen Pyramidenbahn gibt noch eine alte Bahn, die man "Extrapyramidal-motorisches System" nennt. Beim Menschen ist das EPMS nicht ausreichend. Im Gegenteil: es macht die Spastik nach Apoplex. Homunculus sAPP17 Gehirn 18 Die Pyramidenbahn ist streng somatotop aufgebaut. Allerding zeigt das primär motorische Rindenfeld ein "zerhacktes" Körperbild. Im Parietallappen zeigt das primär sensorische Rindenfeld auch einen Homunculus, der verzerrt und "auf dem Kopf" steht. Aphasie sAPP17 Gehirn 19 Bei Apoplex ist eine Aphasie typisch: Verschiedene Formen werden unterschieden. Die Brodman-Area´s sind Felder gleicher Zytoarchitektir, gleichen Baus. Blut-Hirn-Schranke sAPP17 Gehirn 20 links: 1 Neuron 2 Astrozyt 3 Oligodendrozyt 4 Blutkapillare 5 Dendriten 6 Axon 7 synaptische Buttons 8 Astrozytenfortsätze 9 Astrozytenfüsschen 10 freie Basalmambran 11 Kontakt Neuro-Astrozyt 12 Myelinscheide 13 Ranvier-Schnürring rechts: 1 Astrozyt 2 Hirnoberfläche 3 Pia mater 4 Arachnoidea 5 Bindegewebe 6 Gefässe 7 Subarachnoidalraum 8 Dura mater 9 Subduralraum 10 Subarachnoidalraum 11 Gefässe 12 Kapillaren 13 Blut-Hirn-Schranke Die Hirnarteiren sind "dicht": Alles, was aus dem Blut zu den Neuronen gelangt, ist von Astrozyten kontrolliert worden: Blood-Brain-Barrier. Sie bilden auch die Membrana limitans externa, den innersten Teil der Pia mater, einer von zwei weichen Hirnhäuten. Venöse Sinus sAPP17 Gehirn 21 Aus der Tiefe des Gehirns sammeln klappenlose Venen das Blut und bringen es an die Konvexität des Pallium - und weiter in Duplikaturen der Dura mater zur Schädelbasis und hinaus zur Vena jugularis am Hals, die das anströmende Arterienblut kühlt. Liquor cerebrospinalis Francois Magendie 1783-1855 sAPP17 Gehirn 22 Der Liquor ist eine eiweissarme klare Flüssigkeit, die in den Plexus gebildet wird und durch die Ventrikel fliessend schliesslich im 4. Ventrikel in den Subarachnoidalraum eintritt: Das Hirn schwimmt darin, Auftrieb hebt es von der Schädelbasis ab. Ein tödlicher Streifschuss… sAPP17 Gehirn 23 Ein Raumproblem im wachsenden Schädel, also etwa durch eine Stenose im Aquäductus mesencephali, führt zu Hydrocephalus. Kann der Schädel nicht nachgeben, führen Raumforderungen zur Einklemmungs-Symptomatik: dem tödlichen Verrecken. Hämatome: epidural (arteriell) und subdural (venös) Projektion der A. meningea media sAPP17 Gehirn 24 Schädelverletzungen führen häufig zur Verletzung der A. menigea media, die die Dura mit Blut versorgt. Schnell entwickelt sich ein epidurales Hämatom. Einrisse brüchiger Venen führen langsam zum subduralen Hämatom mit zunehmender Somnolenz. Körperbild - und Neglect Syndrom sAPP17 Gehirn 25 Bei einer Rinden-nahen Blutung am Übergang von Temporal- zum Parietal-Lappen kann ein "Neglect Syndrom" ausgelöst werden: Die linke Körperseite geht (eine Weile) verloren, auch alle Sinneseindrücke und der Raum links wird nicht beachtet. Sensibilität / Phantomglieder Die Hinterstrangbahn = Nucleus gracilis + cuneatus + Leminuscus medialis 3. Neuron im Thalamus (freie Nervenendigungen) sAPP17 Gehirn 26 Vilaynur Ramachandran hat PhantomgliedWahrnehmungen erforscht und mit der „Mirror-Box“ erfolgreich behandelt. Sehr lesenswert: „Die blinde Frau, die sehen kann“ Rowohlt Ähnlich wie bei der Motorik gibt es eine schnelle motorische Bahn (Hinterstrangbahn) und ältere, multineuronale Bahnen, die im Segment kreuzen. Alle zu Bewusstsein kommenden Nachrichten passieren den Thalamus, das Tor zum Bewusstsein. Riechbahn und Limbisches System Stationen der Riechbahn: (1) Nervi olfactorii (1. Neuron in der Riechschleimhaut) (2) Bulbus olfactorius (3) Primär olfaktorische Rinde 3 6 5 4 (4) Mandelkern (Nucleus amygdaloideum) (5) Hippocampus 2 1 (6) Thalamus Thalamus: Tor zum Bewusstsein sAPP17 Gehirn 27 Die alte Riechbahn veranlasst die Riechrinde zu handeln, lange bevor der Thalamus Bescheid erhält. Der Hippocampus ist unser Weg-Finde-Tool. Der Mandelkern ist "das Tor zu den Gefühlen", wird mit jeder Handlung aktiv. Rhythmus + Reim spricht ihn an. Lernen aus: Silbernagl, Lang ""Taschenatlas der Pathophysiologie" Thieme Stuttgart sAPP17 Gehirn 28 Wissen, das wir aussprechen können, wird deklaratives Gedächtnis genannt. Was wir nur tun und zeigen können, ist prozedurales Gedächtnis. Am besten gelingt das Lernen, wenn viele "Kanäle" benutzt werden, Rhythmus, Raum, Bewegung, Bild. Demenz ≈10% sAPP17 Gehirn 29 Etwa 1% der Bevölkerung leidet an Demenz, die im Alter häufiger wird: Unter den 95 Jährigen sind etwa 50% dement. Die Fronto-temporale Demenz (= Morbus Pick) zerstört das Frontalhirn, die "Soziale Identität" und Kontroll-Instanz für Sitte + Anstand. Rechtes und linkes Gehirn sAPP17 Gehirn 30 http://www.nobelprize.org/educational/medicine/split-brain/splitbrainexp.html Nach einem Schlaganfall kann versucht werden, die zum Teil auf der anderen Hirnseite vorhandenen, oft nur rudimentären Fähigkeiten zu trainieren. Split-Brain-Patienten (bei denen der Balken zerstört wurde) zeigten: Das rechte Hirn zweifelt und warnt. Sehbahn: Was und Wo? sAPP17 Gehirn 31 Bei der Sehbahn landet, was wir rechts unten sehen, im linken Occipitalhirn, oben. Temporal wird "was", parietal wird "wo" und frontal wird "wohin" prozessiert. Die rechte Hirnhälfte ist bei Gefahr viel schneller als die sprechende linke: Sprachlose Flucht. Noch mehr Sehbahn sAPP17 Gehirn 32 "Wir sind Augentiere" (Manfred Spitzer): Unser Sehsinn ist dominant. Was wir sehen, glauben wir. Aber: Unser temporales Gesichter-Erkennungsmodul erkennt nur dann auch die Mimik richtig, wenn das Gesicht aufrecht steht: Der Baselitz-Effekt? OBE und Gottesmodul Olaf Blanke, ETH Lausanne: Experimente zur Ausserkörperlichen Selbstwahrnehmung (OBE) 2006 ff sAPP17 Gehirn 33 Ganz merkwürdig ist, dass das rechte Hirn errechnet, wo "ich" sich aufhält: Im Zweifel glaubt es dem Sehsinn. In der Nähe liegt das "Gottesmodul". Links ist an derselben Stelle das "Schutzendel-Modul". - Der Job des Gehirns ist also, uns zu beschützen! Literatur Rita Carter "Das Gehirn" Dorling-Kindersley 2014 V.S. Ramachandran „Die blinde Frau, die sehen kann – Rätselhafte Phänomene unseres Bewusstseins“ Rowohlt Verlag 2002 sAPP17 Gehirn 34 Stefan Silbernagl Agamnemnon Despopoulos "Taschenatlas der Physiologie" Thieme Stuttgart (letzte Auflage) Stefan Silbernagl Florian Lang "Taschenatlas der Pathopysiologie" Thieme Stuttgart (letzte Auflage)
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