Leseprobe - henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH

Wir trauern um
Bonn Park
eine
Tür-Auf-Tür-Zu-Boulevard
Revue
von
Bonn Park
(c) henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2015. Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt.
Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufsund Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung,
Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien.
Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von:
henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH
Alte Jakobstraße 85/86
10179 Berlin
Personen
Eine Leiche
Jemand, der Bonn Park gut findet
Jemand, der Bonn Park schlecht findet
wichtige Frauen in seinem Leben (z.B. Ex-Freundin und Mutter)
die Gesellschaft
KOMMISSAR
ARZT
eine junge Bühnenbildnerin
Pressesprecher
Zettel, die mit dem Tod zu tun haben
Viele schlechte Figuren
Traueranzeige
TRAUERANZEIGE
Wir trauern um
BONN PARK (1987-2012)
Mit dem Tode von Bonn Park verliert die Welt einen weiteren Menschen, der auf
dieser Erde gelebt hat. Er hat Dinge getan, die wir alle tun, manche besser,
manche schlechter. Er nahm ganz normal Nahrung zu sich, er trank, er hat zum
Glück auch Sex gehabt, er hat auch viel geraucht frei nach dem Motto „rochste
stirbste, rochste nich, stirbste och“ und so kam es ja dann auch. Wir hoffen,
dass sein Leben danach in Ordnung ist und es ein guter Ersatz für unsere Welt
ist.
Am Tatort: Goethestraße Ecke Knesebeck, Berlin Charlottenburg.
Sonntag, kurz nach 20.15h. Polizeiaufgebot, Absperrband DO NOT CROSS THE LINE.
Blaulicht ohne Sirene, Fotografen, Leute in weißen Kitteln, Leute in braunen
Kitteln (Trenchcoats) mit Kaffeebechern in der Hand, Hassfalten auf der Stirn,
Wodkaporen auf den Wangen, bisschen Bart, viel kernig. Leiche aus Matsch auf dem
Bürgersteig.
ARZT
Er ist tot.
5
KOMMISSAR
Okay. Warum?
ARZT
Ich vermute, weil er traurig war.
KOMMISSAR
Okay. Ich bin betrunken.
ARZT
Warum?
KOMMISSAR
Ich trinke zu viel.
ARZT
Und ich bin voll neurotisch und nervig.
KOMMISSAR
Zum Glück sind wir so verschieden.
ARZT
Verdammt richtig, Johnny.
KOMMISSAR
Nenn mich nich Johnny.
ARZT
Wie dann?
6
KOMMISSAR
Jenny.
ARZT
Okay. Jenny, mein Job ist getan.
KOMMISSAR
Wir reden ganz schön viel Mist.
ARZT
Ja, der Autor ist ja auch tot und liegt vor dir.
KOMMISSAR
Wer hat dann diesen Müll hier geschrieben?
ARZT
Deine Mutter.
KOMMISSAR
Ich hab vielleicht n Alkoholproblem, aber keine Mutter!
ARZT
Gott, wer schreibt nur diesen Scheiß.
KOMMISSAR
Noch ein son Spruchding und ich flipp durch.
ARZT
Wir müssen ab jetzt unbedingt Dialoge vermeiden. Okay?
7
KOMMISSAR
Okay.
Und so kam es, dass in dieser Geschichte keine Dialoge mehr vorkamen.
Stumm, beziehungsweise mit seltsamen Geräuschen verständigen sich die beiden
darüber, was jetzt zu tun ist und warum dieser junge Mann tot ist. Der Arzt
deutet auf Selbstmord hin und der Kommissar signalisiert „Selbstmord,
wirklich?“ und der Arzt so „ja“. Und er gibt ihm drei Abschiedsbriefe, die er
gefunden hat und der Kommissar regt sich auf und ist wütend, weil er es nicht
sein verdammter Job ist, bei Selbstmorden zu ermitteln. Aber diesmal sei es was
anderes, meint der Arzt, diesmal gibt es einen Täter. Aber dann ist es kein
Selbstmord! Sagt der Kommissar, aber der Arzt nur so doch, ist es, weil der
Täter könne keine Waffen bedienen und auch hätte er keine Hände oder sonstige
Körperteile oder Dinge, mit denen er jemanden die Treppe runterstoßen könnte. Er
hat auch kein Geld in diesem Sinne, um jemanden zu bezahlen, damit dieser es für
ihn tun könnte. Er ist eine sie, in jedem Falle, denn sie ist DIE Gesellschaft
oder DIE Welt oder DIEse SCHEIß Gesellschaft, die den jungen Mann in den tot
getrieben hätten. „Fies nicht wahr?“, der Arzt ist sichtlich geknickt und man
könnte glauben, diese fiese Frau (die ja nun nicht wirklich eine Frau ist) hätte
ihm fast das selbe angetan. Der Kommissar ist verwirrt oder betrunken oder
beides, auf jeden Fall kommt er nicht so recht klar. Er nickt, dann zwinkert er,
dann schüttelt er den Kopf, dann hüpft er einmal noch, dann sagt er ö, dann
schüttelt er wieder den Kopf und geht in ein Nicken über und dann schüttet er
sich den Kaffee über den Kopf, kaut auf einem Abschiedsbrief rum und steckt sich
Kaugummis in seine Brusttasche. „Andersrum, andersrum!“ deutet der Arzt, aber
zu spät. Der Kommissar verschwindet vom Tatort (durch die Tür natürlich).
8