Konfirmationsgottesdienstpredigt 2015 der Real- und

Konfirmationspredigt 2015
Thema: Blind oder sehend
Text: Lukas 24,13-35
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden
Liebe Festgemeinde
Wie ist es in der „Blinden Kuh“? Die „Blinde Kuh“ ist ein Restaurant in
Zürich oder Basel, in dem Blinde servieren. Auf der Konfirmationsreise
haben wir in der „Blinden Kuh“ in Zürich das Mittagessen eingenommen.
In der „Blinden Kuh“ ist es stockdunkel. Man sieht gar nichts. Man kann
sich nur anhand der Geräusche orientieren. Man sieht nicht, was man auf
dem Teller hat. Man sieht nicht, wo das Besteck liegt. Man kann nur
abtasten, riechen und hören, was der Kellner sagt. So versucht man, seine
Spaghetti zu essen. Ich gebe zu, keine einfache Aufgabe. In einem Raum
ohne Licht sind auch die Sehenden blind.
Manchmal sind wir mit sehenden Augen blind. Wie die Emmausjünger
in der Bibel (Lukas 24,13-35). Drei Konfirmanden haben uns ihre
unglaubliche Geschichte vorgelesen. Da diskutieren zwei Menschen heiss
über Jesus, und zwar über den gestorbenen Jesus, und er ist längst neben
ihnen. Gibt es so etwas? Das ist tatsächlich geschehen in Emmaus, ca.
11 km von Jerusalem entfernt. Wer sind die beiden Wanderer? Es handelt
sich um einen ziemlich berühmten Kleopas und vermutlich seinen Sohn,
beide sind Jünger Jesu, also überzeugte Christen. Sie diskutieren
äusserst erregt und aufgewühlt. Ueber was denn? Ueber das Leben Jesu,
den Prozess, die Kreuzigung, die Berichte der Frauen über die
Auferstehung Jesu und die Beobachtungen der Jünger am leeren Grab.
Sie sind so ins Gespräch vertieft, dass sie gar nicht realisieren, wie Jesus
mit ihnen wandert. Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen, sodass
sie ihn nicht erkannten (Vers 16). Jesus geht neben ihnen her, aber sie
erkennen ihn nicht. Sie können ihn nicht identifizieren. Sie rechnen
überhaupt nicht mit seiner Auferstehung. Sie sind blind für die Tatsachen.
Sie können nicht sehen, was geschehen ist. Sie können die Ereignisse
nicht richtig deuten. Wie typisch! Wie viele diskutieren heute über Jesus,
und ob er wahrhaftig auferstanden ist. Wie viele Christen halten gar nichts
von einer leiblichen Auferstehung. Ueber sie sagt die Bibel: Sie waren wie
mit Blindheit geschlagen. Sie sind geistlich blind, obwohl sie mit ihren
leiblichen Augen sehen können. Und doch ist Jesus tatsächlich da, er geht
mit ihnen. Manchmal ist unsere Sicht begrenzt.
Doch Gottes Wort öffnet uns die inneren Augen. Die zwei Wanderer
haben immer noch nicht erkannt, wer mit ihnen wandert. Jetzt beginnt
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Jesus selbst, Fragen zu stellen (Verse 17.19.25). Die Jünger sind traurig,
weil sie nichts von der Auferstehung wissen. Sie sind blind, weil sie das
Licht der Auferstehung nicht sehen. Natürlich haben sie ein grosses
Wissen und können viele Erklärungen abgeben (Verse 18ff). Aber reicht
es denn, dass Jesus ein mächtiger Profet war (Vers 19)? Reicht es, dass
nur ein paar Leute (und Engel) sagen, Jesus lebe (Verse 22ff)? Kann man
sich auf das verlassen, was die anderen sagen? Da beginnt Jesus selbst
zu reden. Jesus hat nach der Auferstehung einen Auferstehungsleib. Er
befindet sich zwischen Auferstehung und Himmelfahrt in einer Art
Zwischenzustand. Einerseits ist er nicht mehr an Raum und Zeit
gebunden. Andererseits kann er doch wie ein irdischer Mensch handeln.
Er kann gehen, sitzen, essen und sprechen. So ergreift Jesus das Wort
und legt den Emmausjüngern die Bibel aus. Die Jünger sind wie mit
Blindheit geschlagen. Sie zweifeln, sie können nicht glauben. Sei
verstehen die Auferstehung Jesu nicht. Sie haben jegliche Hoffnung
verloren. Sie sind am Boden zerstört. Sie sind der Urtyp frommer Leute,
die keine Perspektive mehr haben.
Jetzt macht Jesus ein systematisches Bibelstudium mit ihnen. Er legt die
Schrift auf ihn, den Messias, hin aus. Musste nicht der Messias all das
erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen (Vers 26)? So öffnet er
ihnen die inneren Augen. So redet Jesus noch heute. In der Bibel und
durch die Bibel. Aber wir sind geistlich blind, wir können die
Zuverlässigkeit und Tragweite der Bibel nicht fassen, bis uns die Augen
des Herzens geöffnet werden.
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden
Liebe Gemeinde
Wir können von der Blindheit befreit werden. Unsere Augen können
sehend werden. Jesus ist tatsächlich von den Toten auferstanden. Gottes
Wort und unsere eigene Begegnung mit Jesus geben uns die letzte
Gewissheit. Wie war es denn bei den Emmausjüngern? Sie kommen nach
Hause. Sie bitten Jesus herein. Er isst tatsächlich mit ihnen. Ja, er bricht
sogar das Brot, wie er es immer getan hat. Da fällt es ihnen wie Schuppen
von den Augen. Ihre Augen werden geöffnet. Sie erkennen: Jesus lebt. Es
ist Jesus, der mit uns wanderte! Er ist es, der mit uns isst. Jetzt haben sie
keine Zweifel mehr. Jetzt können sie es glauben, dass er wahrhaftig
auferstanden ist.
Sind unsere Augen wie mit Blindheit geschlagen? Möchten wir sehen
können? Dann bitten wir Jesus, in unser Herz, in unser Leben
hereinzukommen. Dieses Gebet erhört Jesus gerne. Wir erfahren, wie er
tatsächlich da ist und wirkt. Da sehen wir plötzlich klar: Jesus lebt. Wir
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befinden uns nicht mehr in der „Blinden Kuh“. Wir sind am Licht. Wir
können uns orientieren. Wir spüren eine Riesenfreude. Sagen wir fröhlich
allen Menschen weiter: „Jesus ist wahrhaftig auferstanden. Er lebt. Er
macht blinde Augen sehend.“
Amen
7-6-2015, Madeleine Koch-Stoll, Pfrn., Adelboden
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