Mitglieder-Event 14.1.2016, CS Forum St. Peter, Zürich 6. Präventionstag der Privatwirtschaft Was «schwierige» Mitarbeiter schwierig macht Niklas Baer Inhalt Einführung Was macht die Führung psychisch Kranker «schwierig»? Potentiale Psychisch krank durch Arbeitsstress? Ersterkrankungsalter IV-Rentner nach Code 646 gemäss IVAkten Baer, Frick, Fasel (2009) 25% 20% 15% 10% 5% Figure 2.1. Most mental illness has its onset in childhood or adolescence Median age of the onset mental ill-health in the United States, 2001-03 0% 0-5 Verteilung Ersterkrankungsalter bei Personen mit psychischen Störungen, NCS-R 2001-03 Kessler et al. (2005) 5-10 10-15 15-20 Median age of onset 20-25 25-30 30-35 25th percentile 35-40 40-45 45-50 50-55 55-60 75th percentile 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Anxiety disorder Mood disorder Impulse-control disorder Substance use disorder Any mental disorder 60-65 Die meisten psychisch Kranken sind erwerbstätig … Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung, nach psychischen Gesundheitszustand und Land Severe ill-heatlh Moderate ill-heatlh No ill-health 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Switzerland Norway Australia Netherlands United StatesUnited Kingdom Sweden Denmark … haben aber Probleme bei der Arbeit OECD (2015), Fit Mind, Fit Job, OECD Publishing, Paris. Austria Belgium Einstiegsfrage Quelle: (Baer et al.), Befragung von Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Region Oberaargau (BE), 2015 (Publikation in Vorbereitung) N = 320 Führungskräfte/HR «Bitte erinnern Sie sich an eine Situation mit einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin, der oder die zumindest vorübergehend psychisch irgendwie auffällig ist/war, ungenügende Leistungen und problematisches Verhalten zeigt/e für Ihren Betrieb, Ihre Abteilung oder für Sie selbst mit Problemen (Teamklima, Produktivität, Konflikte, Zusatzbelastung für Sie als Führungskraft etc.) verbunden ist oder war.» «Ist Ihnen eine derartige Situation in den Sinn gekommen?» (n=320) "Haben Sie seit Sie in einer Führungsposition arbeiten jemals eine Schulung erhalten, wie man psychisch auffällige Mitarbeitende führen kann?" Nein 9,1% Ja 90,9% ja 28,9% nein 71,1% „Psychisch auffälliges“ Verhalten 0% 10% 20% 30% war entwertend; stritt Fehler ab, gab immer den anderen Schuld; die Stimmung schwankte sehr stark; impulsiv; inkonstant; wenig Ausdauer vergass häufig Dinge; konnte sich nicht konzentrieren; keine Eigeninitiative; verlangsamt, passiv; wirkte freudlos, desinteressiert hatte Probleme mit Autoritäten, unterlief Arbeiten/Neuerungen, war immer negativ; übernahm keine Verantwortung konnte nicht abstrahieren, war intellektuell rasch überfordert brachte Aufgaben nicht zu Ende; hat über lange Zeit unverhältnismässig viele Überstunden gemacht; wirkte ausgelaugt grosser Geltungsdrang; konnte gut reden, leistete aber nicht viel; egoistisch, nutzte andere aus; rastete bei konstruktiver Kritik aus war sehr unselbständig und anhänglich, musste sich für alles rückversichern, redselig, wirkte "klebrig" verweilte viel zu lange an einer Aufgabe, war nie zufrieden mit dem Resultat; Verhaltensweisen wirkten zwanghaft, bspw. extrem übertriebene Hygiene war ständig mit seinen Schmerzen beschäftigt (und daher in der Arbeitsleistung beeinträchtigt) hatte Angst vor harmlosen Dingen, bspw. den Lift zu benutzen; vermied selbst notwendige minimale Kontakte zu Arbeitskollegen; hatte Probleme mit Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl verhielt sich rücksichtslos, hielt sich an keine Regeln, hat betrogen/gestohlen, zeigte nie echte Reue Quelle: Befragung von Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Region Oberaargau (BE), 2015 40% 50% 60% 70% Auswirkungen auf die Vorgesetzten Frage: «Hatten Sie wegen der Situation mit dem Mitarbeiter jemals… ? (Bitte das jeweils Zutreffende anklicken)» Ärger / Wut über sein Verhalten Gefühle von Frustration / Ohnmacht / Hilflosigkeit Konflikte mit dem Team / Ihrem Vorgesetzten Probleme mit dem Abschalten nach der Arbeit Kündigungsgedanken Mitleid und Hilfebedürfnis; das Gefühl, Sie seien seine einzige Chance Verunsicherungen, ob Sie als Führungskraft / HR überhaupt geeignet seien Schlafprobleme / Müdigkeit / Erschöpfungsgefühle juristische Probleme 0% 10% 20% 30% 40% Quelle: Befragung von Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Region Oberaargau (BE), 2015 50% 60% 70% Interventionen der Führungskräfte / HR 0% 20% 40% ich habe die Situation beobachtet und war achtsam ich habe MA persönlich unterstützt, viele Gespräche mit ihm/ihr geführt ich habe MA sehr klar und direkt auf sein Arbeitsproblem angesprochen ich habe MA geraten, professionelle Hilfe aufzusuchen ich habe MA an die Pflichten erinnert, Konsequenzen angesprochen, klare Vorgaben gemacht und diese kontrolliert ich habe an die an sich vorhandene Leistungsmotivation von MA appelliert ich habe die Tätigkeit / den Arbeitsplatz von MA an seine/ihre Probleme angepasst ich habe arbeitsrechtliche Massnahmen eingeleitet ich habe MA aufgezeigt, dass es helfen kann, sich zusammenzureissen ich habe mit MA eine Karriereplanung gemacht, um ihn/sie wieder mehr zu motivieren ich habe MA bei der IV-Stelle gemeldet Quelle: Befragung von Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Region Oberaargau (BE), 2015 60% 80% 100% Der « richtige » Zeitpunkt, Probleme anzusprechen Wenn man merkt, dass man froh ist, wenn der betreffende Mitarbeiter bei einem Meeting etc. nicht dabei ist Wenn man als Führungskraft zum erstenmal nicht gut schlafen kann wegen dieser Situation Beim ersten Mal, wenn man ein Problem wahrnimmt - auch wenn man es nicht beweisen kann Wenn man als Führungskraft zum erstenmal besondere Gefühle (Ärger, Mitleid oder Stress) gegenüber solch einem Mitarbeitenden verspürt Wenn man nach längerer Zeit das sichere Gefühl hat, das geht so einfach nicht mehr weiter Wenn man Beweise in der Hand hat: stichfeste dokumentierte Leistungseinbussen oder belegbare deutliche Verfehlungen des Mitarbeiters über längere Zeit Wenn man genügend Indizien oder Hinweise hat, dass seit längerer Zeit deutliche Verfehlungen vorliegen Wenn man die Leistungseinbussen des Mitarbeiters klar dokumentieren kann 0% 10% 20% 30% Quelle: Befragung von Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Region Oberaargau (BE).2015 40% 50% 60% Offenlegung des psychischen Problems «Hat der Mitarbeiter seine psychischen Probleme offen gelegt?» ja 28,5% nein 71,5% «Hat es MA geschadet, die Probleme offen zu legen?» «Hätte es MA geholfen, die Probleme offen zu legen?» eher ja 7,2% eher nein 27,8% eher nein 92,8% eher ja 72,2% Quelle: Befragung von Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Region Oberaargau (BE), 2015 Belastung der Arbeitskollegen Frage: «Kam es Ihres Wissens infolge der Probleme dazu, dass Mitarbeitende sich überlegt haben, selbst den Arbeitsplatz zu wechseln?» ja, mehrmals ja, einmal nein, gar nicht 15,4 17,9 66,7 Quelle: Befragung von Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Region Oberaargau (BE), 2015 «Finden Sie es angemessen, wenn von alkoholabhängigen Mitarbeitenden verlangt wird, dass sie eine medizinische Behandlung aufsuchen müssen, wenn sie im Betrieb weiter arbeiten wollen?» Ebenso angemessen bei … Alkohol (88% Ja) Depression Burnout Schizophrenie Borderline-Persönlichkeitsstörung Ängste und Zwänge Epileptische Anfälle Krebserkrankung chronische Rückenschmerzen schwere Migräne Herz-Kreislauf-Krankheiten Multiple Sklerose chronische Darmentzündung schweres Rheuma Diabetes mit Folgeschäden schwere Nikotinabhängigkeit 0 20 40 60 Prozent Quelle: Baer, Frick et al. Befragung von Führungskräften via Helsana-Trainingstool “LeadersCare” (in Vorbereitung, 2016) 80 100 Wie werden solche Probleme gelöst? Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst (47%) Arbeitsverhältnis aufgelöst (53%) 100% 80% Baer, Frick, Fasel, Wiedermann (2011), 60% N=1’055 Arbeitgeber 40% 20% 0% verschärft (4.3%) unverändert (23.2%) verbessert (28.2%) gelöst (44.2%) MA arbeitet noch bei uns MA arbeitet nicht mehr bei uns 33,2% Baer, Frick, Auerbach, Basler et al. (Publikation in Erarbeitung), N=1’236 Arbeitgeber 66,8% Würden Chefs im Nachhinein anders handeln? 0% Probleme früher ansprechen, klarere Vorgaben, enger kontrollieren Ich würde alles nochmals genau gleich machen wie damals Ich würde rascher betriebsinterne oder externe Hilfe beiziehen Ich würde so jemanden nicht mehr anstellen Arbeitsaufgaben des Mitarbeiters früher und stärker anpassen Team früher und eindeutiger über Probleme/Massnahmen informieren Rascher arbeitsrechtliche Massnahmen, Probleme von Beginn weg dokumentieren In der Probezeit kritischer hinschauen, allenfalls Konsequenzen ziehen Ich würde Mitarbeiter emotional intensiver betreuen Ich würde verlangen, dass Mitarbeiter sich in ärztliche Behandlung begibt Verlangen, dass Mitarbeiter den Arzt partiell von der Schweigepflicht entbindet, damit dieser mich arbeitsbezogen unterstützen darf Ich würde Mitarbeiter rascher bei der IV melden Achtsamer sein, Probleme nicht benennen, damit sich das von selbst wieder legt Quelle: Baer, Frick, Auerbach, Basler et al. (2016, Publikation in Erarbeitung) 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% Psychiatrische Ressourcen wären vorhanden Quelle: OECD (2014), Mental Health and Work: Switzerland. OECD Publishing. Erfahrungen mit Psychiatern generell «Haben Sie jemals die Erfahrung gemacht, dass ein behandelnder Psychiater eines/r Mitarbeitenden Sie als Führungskraft in einer solchen Situation gut unterstützt hat?» Ja 20.3% Nein 79.7% Psychiatrie Baselland, Hochschule Luzern/Soziale Arbeit, Hochschule Döpfer Köln (2015, in Erarbeitung) Was macht «schwierige» Mitarbeiter schwierig? Gesellschaft: Stigma psychischer Krankheiten Inadäquates Verständnis von «psychischer Gesundheit» Unternehmen: Mangelndes Bewusstsein für psychische Probleme Führungskräfte: Hemmungen, Probleme direkt anzusprechen, zu fordern Späte Kontaktierung externer Hilfen, Voruurteile gg Ärzten Verpasste Frühintervention Ärzte: Enges Behandlungsverständnis Unsicherheit und fehlendes Know-how bezgl. Intervention Identifikation, Vorurteile gegenüber Arbeitgebenden Mitarbeitende: krankheitsbedingt schwieriges Verhalten Beziehungsprobleme Angst vor Stigma, Verheimlichung Etc.
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