Welchen Wert haben Werte? - Consulting Partners St. Gallen

A Point of View: Welchen Wert haben Werte?
In den letzten Monaten wurde ich ungewöhnHierzu ein Beispiel: Ein Unternehmen hat sich
lich oft zu Workshops zum Thema “Unternehden Wert “Innovation“ auf die Fahnen gemenskultur, Werte und Verhalten“ angefragt.
schrieben (siehe Eisberg über der WasserNoch vor einigen Jahren war dieses “softe
oberfläche). In mehreren Workshops habe ich
Thema” eher selten auf der Tagesordnung des
mit verschiedenen Führungskräfteteams den
Top Managements. Im Rahmen von StrategieTeil des Eisberges aufgebaut, der unterhalb
entwicklungsprozessen habe ich in der Verder Wasseroberfläche liegt – also die “ungegangenheit oft vergebens versucht, einen “Kulschriebenen Gesetze“ sichtbar gemacht. Zu
turcheck” zu platzieren – eine Kräftefeldanalydiesem Zweck finde ich zwei “Trigger-Fragen“
se, die untersucht, welche Denkmuster und
sehr hilfreich, um an die tief verwurzelten
Verhaltensweisen in der Organisation unterÜberzeugungen der Menschen in einer Orgastützend und welche hemmend wirken im Hinnisation heran zu kommen. Die Fragen lauten:
blick auf die angestrebten Veränderungen. Der
“Was muss ich tun, um in unserem UnternehFokus lag eindeutig auf den “hard facts”Eisbergmodell
– das
men erfolgreich zu sein und Karriere zu maThema Kultur und Werte wurde als zu
chen?“ und “Was muss ich tun, um in unserem
“schwammig“ und “nicht greifbar“ unterschätzt
Unternehmen in Ungnade zu fallen?“.
und ignoriert. Nur wenige Führungskräfte, die
ich kennenlernen durfte waren / sind sich der
Symbole & Artefakte: Architektur, Strukturen,
Macht der Unternehmenskultur wirklich beSprache, Kleidung, Stories, Rituale...
20 %
wusst. Zudem hat sich bei mir der Eindruck
sichtbar
„Offizielle“, bekundete Werte: Mission, Leitbild,
gefestigt, dass die Wahrnehmung des
Top
Standards, Unternehmenswerte...
Managements teilweise weit von der aktuellen
Unternehmensrealität entfernt ist und eine von
“Wunschvorstellungen“ geprägte Einschätzung
der derzeitig existenten Unternehmenskultur
Gelebte, „echte“ Werte: Denkhaltungen, Glaubenssätze,
„ungeschriebene Gesetze, Regeln, Normen“, Tabus...
vorliegt.
80 %
unsichtbar
vorherrschende Sichtweise
“mechanistisches” –verdeckt
wenn
Für mich hat die
etwas bedenklich
nur die Sachebene ordentlich bearbeitet wird
und klar geregelt ist, wer was bis wann macht,
dann wird sich die gewünschte Veränderung
schon einstellen. Aus meiner Erfahrung ein
grosser Irrtum! Neben der Sachebene gilt es
der psychosozialen Ebene gebührend Beachtung zu schenken. Denn Menschen sind keine
Maschinen. Sie folgen vielmehr den “ungeschriebenen Gesetzen“, die es in jeder Organisation gibt. Diese “ungeschriebenen Gesetze“
haben eine ungeheure Kraft und prägen die
Denk- und Verhaltensweisen der Führungskräfte und Mitarbeiter in einem Unternehmen.
Aufgeschrieben sind nur die “offiziellen Werte“,
die Vision, die Mission und Leitlinien für Führung und Zusammenarbeit. Klar gehört auch
das zur Unternehmenskultur. Der “Kultureisberg“ zeigt sehr gut auf, wie die Dinge zusammenhängen (vgl. Abbildung rechts).
Das, was unter der Wasseroberfläche wirkt,
wird oft unterschätzt. In diesem Zusammenhang fällt mir immer ein Zitat von Peter Drucker ein “culture eats strategy for breakfast...“.
Um Veränderungen erfolgreich umzusetzen,
muss man sich darüber im Klaren sein, welche
“ungeschriebenen Gesetzte“ existieren, die
den Menschen Orientierung geben.
Consulting Partners St. Gallen Managementberatung GmbH
Kornhausstrasse 3 | CH-9000 St. Gallen
www.sg-consultingpartners.ch
... teilweise nicht bewusst
... auf Erfahrungen beruhend
... zur Gewohnheit geworden
... emotional verankert
Interessanterweise haben sich in allen Workshops in meinem Beispiel folgende Muster
herauskristallisiert, welche die Unternehmenskultur wesentlich prägen: “nur keine Fehler
machen!“ und “Entscheidungen am besten
kollektiv treffen, damit man bei Flops nicht
alleine verantwortlich gemacht werden kann!“.
Betrachtet man diese Muster, die stark in der
Organisation wirken, dann braucht man sich
nicht wundern, dass der proklamierte Wert
“Innovation“ nicht wirklich mit Leben erfüllt
wird. Zu “Innovation“ gehört nun einmal, dass
man neue Dinge ausprobiert und ggf. auch mal
einen Fehler macht. Sich immer nur auf der
sicheren Seite bewegen wird keine Neuerungen hervorbringen. Wenn es dem Top Management wirklich ernst ist mit diesem Wert,
dann müssen hier Signale in die Organisation
gegeben werden die eindeutig (!) und konsequent in diese Richtung gehen: “Wir wollen,
dass Ihr Dinge ausprobiert und neue Wege
geht. Wir wissen, dass dabei Fehler passieren
können und wir akzeptieren das und schätzen
es, wenn Ihr euch hier einbringt...“.
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Birgit Riedel, Senior Partner
[email protected]
Tel. +41 (0) 71 – 222 80 60
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A Point of View: Welchen Wert haben Werte?
Es braucht gründlich durchdachte Interventionen, um diesen Wert wachsen und gedeihen
zu lassen.
Unternehmenskultur ist wie eine
Pflanze: man kann nicht an ihr
ziehen, damit sie schneller
wächst, aber man kann ein
geeignetes Umfeld schaffen,
damit sie “wachsen“ und “gedeihen“ kann. Durch richtig
dosierte
Sonneneinstrahlung,
Düngung und Wasserzugabe =
Kommunikation, Training, Führung, materielle
und immaterielle Anerkennung, Feedback. Und
durch Entfernen von Schädlingen, Unkraut und
Schattenquellen = konsequente Sanktionen
bei unerwünschtem Verhalten bis hin zur
Trennung.
Arbeit an der Unternehmenskultur ist kein “Kuschelkurs“ – es ist harte Arbeit und verlangt
Klarheit und Konsequenz... und es braucht
Zeit, um Werte nachhaltig zu verändern. Das
geht nicht per Knopfdruck. Die Menschen in
einer Organisation müssen lernen, dass dieser
neue Wert wirklich (!) wichtig ist – dass es
honoriert wird, wenn man sich diesbezüglich
engagiert und dass es nachteilig wird, wenn
man sich nicht daran orientiert. Aus diesem
Grund ist eine Verankerung in den unterstützenden Prozessen und Systemen unerlässlich.
Wie werden die Werte z.B. in den Führungsinstrumenten integriert? Ist das Thema “Innovation“ ein Thema in Mitarbeitergesprächen und
Teammeetings? Wird das Thema “Innovation“
in Zielvereinbarungs- und Beurteilungssystemen abgebildet und im Vergütungs- und Rewardsystem honoriert? Nur wenn eine konsequente Verankerung stattfindet, hat das
Pflänzchen “gewünschter Wert“ eine Chance
auch wirklich zu wachsen und zu gedeihen.
Die Finanzkrisen der letzten Jahre haben vor
allem die Bankenwelt (gezwungenermassen)
dazu veranlasst, über Ihre Werte und Unternehmenskultur nachzudenken. Das verloren
gegangene Vertrauen der Öffentlichkeit und
Kunden soll durch “bessere und transparentere
Werte“ wieder hergestellt werden. Werte wie
“Kundenorientierung“, “Partnerschaft“, “Nachhaltigkeit“, “Vertrauen“, “Integrität“ werden
wichtig und sollen aus dem oberen Bereich
des Kultureisberges in die Tiefen unter der
Wasseroberfläche eindringen... ein langer und
harter Weg!
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In diesem Zusammenhang hat beispielsweise
die Deutsche Bank bereits im Jahr 2012 einen
Kulturwandel angestossen, welcher die Neudefinition der Unternehmenswerte und deren
Verankerung in den Unternehmensprozessen
und Vergütungsrichtlinien umfasst.
Aus meiner Erfahrung ist es oft (leider) Leidensdruck, der Unternehmen zum Nach- und
Umdenken und der Beschäftigung mit der Unternehmenskultur und den Werten zwingt.
Unternehmen, die im Rampenlicht und in der
Kritik der Öffentlichkeit stehen, haben gar keine andere Wahl als sich mit ihren Werten und
ihrer Unternehmenskultur auseinander zu setzen. Neben der Finanzbranche ist vor allem
auch die Pharmaindustrie darum bemüht, ihre
angeschlagene Reputation zu verbessern und
sich wieder in ein besseres Licht zu stellen.
Natürlich reicht es nicht, wenn ein Unternehmen auf seiner Homepage oder in Hochglanzbroschüren seine “neuen Werte“ veröffentlicht.
Entscheidend ist es, ob es dem Unternehmen
gelingt, dass die Mitarbeiter die Werte auch
tatsächlich annehmen und leben. Verändert
sich die Unternehmenskultur nachhaltig so,
dass Kunden und Öffentlichkeit dies auch
wahrnehmen? Spürt ein Kunde und kann er
beschreiben, wie “partnerschaftlich“ sich sein
Bankberater verhält, wie “nachhaltig“ die Lösung ist, die er angeboten bekommt und wie
“integer“ die Margenpolitik ist?
Ich finde es schade, dass es oft Leidensdruck
ist, der die Unternehmen anregt, über ihre
Unternehmenskultur und Werte nachzudenken. Meine Überzeugung ist es, dass hier ein
grosses Erfolgspotenzial schlummert, welches
nur darauf wartet, gehoben zu werden.
Für mich ist die gelebte Unternehmenskultur
ein Faktor, der die Attraktivität eines Unternehmens wesentlich beeinflusst – sowohl für
(potenzielle) Mitarbeiter als auch für Kunden
und andere Stakeholder. In einer Zeit des
“Fachkräftemangels“ kann eine attraktive Unternehmenskultur ein wichtiges Entscheidungskriterium für oder gegen einen Arbeitgeber sein.
Und wie vorher schon beschrieben steuert die
Unternehmenskultur das Handeln der Führungskräfte und Mitarbeiter und wird für Kunden dadurch “sichtbar“ und “spürbar“ – z. B.
sind Innovation und Kundenorientierung Werte,
die der Kunde durch die Mitarbeiter “erleben“
kann.
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Birgit Riedel, Senior Partner
[email protected]
Tel. +41 (0) 71 – 222 80 60
Die Macht der Gewohnheit...
A Point of View: Welchen Wert haben Werte?
Unternehmenskultur kann somit im positiven
Fall ein wertvoller Wettbewerbsvorteil sein, der
für die Mitbewerber nur schwer kopierbar ist.
Allerdings kann sie auch einen Wettbewerbsnachteil darstellen, der das Unternehmen
schwächt und die strategischen Ziele nicht
erreichen lässt!
Maßnahmen, um hemmende Aspekte zu neutralisieren
Hemmende Aspekte der Unternehmenskultur
IstZustand
Meine Empfehlung an JEDES Unternehmen ist
daher ganz klar: die eigene Unternehmenskultur und die gelebten Werte kritisch reflektieren
und daran arbeiten, sich durch eine wirksame
Unternehmenskultur nachhaltig zu differenzieren.
Veränderung
ZielZustand
Unterstützende Aspekte der Unternehmenskultur
Maßnahmen, um unterstützende Aspekte zu nutzen
Über die Autorin:
Birgit Riedel ist Senior Partnerin bei Consulting
Partners St. Gallen und seit mehr als 15 Jahren als Beraterin, Trainerin und Coach aktiv.
Ihre Schwerpunkte in liegen in der Strategieentwicklung und im Veränderungsmanagement. An der Frankfurt School of Finance &
Management ist sie Referentin für die Themen
“Kultur, Werte und Verhalten”. Sie hat Betriebswirtschaft an der European Business
School in Oestrich-Winkel studiert und eine
Weiterbildung zum Coach am Institut für Systemische Studien in München absolviert.
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Birgit Riedel, Senior Partner
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