Didaktische Materialien

DIDAKTISCHE TIPPS
Konzepte zum Thema Flucht, Streit und Neuanfang
Mit Unterstützung vom
Konzepte von Jule Pfeiffer-Spiekermann, Illustratorin und
Gestalterin, 2003 Gründung des Literaturprojekts Pinselfisch in
Berlin, Workshops für Kinder in Kindergarten, Schule und
Bibliothek, Fortbildungen im In- und Ausland, Lehraufträge in der
PädagogInnenausbildung, aktuell Arbeit mit unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlingen.
© 2015, Büchereiverband Österreichs (BVÖ)
Museumstraße 3/B/12, 1070 Wien
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Inhalt
Vorwort
S. 4
1. Zuhause kann überall sein
S. 5
2. Du hast angefangen! Nein, du!
S. 9
3. Die Orangen hinter der Mauer
S. 13
4. Akim rennt
S. 16
Literaturliste
S. 18
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Vorwort:
Spielen mit Literatur: Konzepte zum Thema Flucht, Streit und Neuanfang
von Jule Pfeiffer-Spiekermann
Jeden Tag kommen neue Gruppen von Flüchtlingen bei uns an. Erwachsene, Familien mit
Kindern, unbegleitete Kinder, die vor schrecklichen Kriegen und Verfolgungen geflohen sind
und hoffen, in Europa in Sicherheit zu sein.
Pinselfisch hat von jeher den Anspruch, Sprache als einen persönlichen Ausdruck zu fördern
und Menschen verschiedener Kulturen und Ethnien zusammenzubringen. Daher entwickeln
wir unsere Konzepte so, dass sie mit Literatur und Spiel eine freundliche und offene
Atmosphäre für alle Beteiligten schaffen, Sprachbarrieren überwinden und den Austausch
mit allen Sinnen fördern.
Was können Bücher und was kann ein spielerischer Umgang mit Literatur in der Arbeit mit
Flüchtlingen leisten?
Zum einen sind Geschichten als Ur-Kommunikationsform in allen Gesellschaften ein Mittel,
um Entspannung und Konzentration gleichzeitig zu fördern. Selbst eine in einer fremden
Sprache erzählte Geschichte transportiert Gefühle und Inhalte, vermittelt so beiläufig
Informationen und schafft eine zusätzliche Realitätsebene, in die der Zuhörer Einlass erhält.
Mit dem Spielen verhält es sich ähnlich: Es ist konzentriert und entspannt gleichermaßen, es
ermöglicht selbst in Not und Krisenzeiten die Inszenierung und das Erleben einer friedlichen
und vertrauten Wirklichkeit.
All diese heilsamen Aspekte wirken generell im Bereich der kreativen Literaturvermittlung.
Besonders im Umgang mit Flüchtlingen wünschen wir uns Empathie, Verständnis und
gemeinsam gemachte Erfahrungen als Grundlage für ein friedliches Miteinander.
Daher stellen wir im Folgenden Konzepte für die Umsetzung mit Kinder- und Jugendgruppen
vor. Alle Konzepte sind in verschiedenen Alters- und Gruppensituationen erprobt. Es gibt
kürzere und längere Aktionen, die jeweils als solche gekennzeichnet sind. Bei unserer
Buchauswahl haben wir uns auf die Bücher fokussiert, die für alle Teilnehmenden
gleichermaßen geeignet sind.
Das Konzept 4 wurde zuerst in den Büchereiperspektiven 03/2015 veröffentlicht und in
Kooperation mit der Internationalen Jugendbibliothek München entwickelt.
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1. Zuhause kann überall sein
Irena Kobald & Freya Blackwood: Zuhause kann überall
sein, Knesebeck 2015
Kurzbeschreibung:
Dieses Bilderbuch ist Anfang des Jahres 2015 erschienen und thematisiert das Ankommen in
Europa nach einer Flucht aus Afrika oder Asien. Es wird aus der Sicht des geflüchteten
Mädchens berichtet; konsequent ist die kleine Ich-Erzählerin in Rot- und Orangetönen
gemalt, was ihre Besonderheit auf den ersten Blick deutlich macht. Die vorsichtigen und
suchenden Bildlinien entsprechen ihrem Vortasten in einer für sie völlig fremden,
europäischen Welt. Hier herrscht eine kühle Farbigkeit, die vermutlich den TemperaturEmpfindungen des Mädchens entspricht. Der Farbkontrast zwischen kalten und warmen
Farben zieht sich als Thema durch das ganze Buch, vom orangeroten Vorsatzpapier vorne bis
zum kühlen hellblauen Vorsatzpapier hinten. Auch der Klang der fremden Sprache, dessen
Bedeutung sich nicht erschließt, ist für das kleine Mädchen hart und abweisend und fühlt
sich an wie eine kalte Dusche. Ein kleines Mädchen auf dem Spielplatz nimmt schließlich
Kontakt zu ihr auf, die Sprachbarriere wird im Spiel und im Kontakt abgebaut, in dem das
europäische Mädchen ihrer neuen Freundin stets neue Wörter zum Spielplatz mitbringt und
ihr deren Bedeutung zeigt. Aus diesen Wörtern „webt“ sich das Mädchen eine neue,
schützende Decke. Erst nach und nach lernt sie, dass ihre Identität zwar untrennbar mit ihrer
Muttersprache verbunden ist, nicht aber automatisch verschwindet, wenn ihre
Muttersprache in ihrer Umgebung in den Hintergrund tritt ...
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Konzeptideen:
A.
Wortteppich (Dauer ca. 45 Min.):
Alter der Kinder: ab dem 4./5. Schuljahr
Vorbereitung:
Stuhlkreis, das Buch liegt in laminierten Einzelseiten (A3) vor
Material:
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Kamishibai
in Din A3 laminiertes Buch
quadratische, bunte Papiere (ggf. in kühlen Farben) (Origami Faltblätter)
dunkle Buntstifte (z.B. schwarz, blau, braun, violett)
Ablauf:
Die Kinder sitzen im Stuhlkreis und die Gruppenleitung beginnt ein Gespräch über
Flüchtlinge und Flucht. Die Kinder wissen oft eine ganze Menge darüber ...
In der anschließenden Gesprächsrunde geht es um Worte: Welches Wort ist dir zur Zeit so
wichtig, dass du es gerne jemandem mitteilen möchtest? Welches möchtest du am liebsten
verschenken? Jedes Kind sucht sich ein Origamiblatt in einer Farbe aus und schreibt heimlich
dieses Wort auf die eine Seite. Schnell umdrehen! Wenn man nun aber das Wort jemandem
schenken möchte, der die eigene Sprache gar nicht spricht und nicht verstehen kann, wie
kann man dann dieses Wort erklären? Mit Gesten, mit Zeichen und mit Zeichnen. Nun wird
also das entsprechende Wort auf die Rückseite des „Text“-Blattes gezeichnet. Das ist
vielleicht gar nicht so einfach, denn für abstrakte Begriffe muss man sich ganz schön was
einfallen lassen... Die fertigen Zeichnungen werden mit der gezeichneten Seite nach oben
auf den Boden gelegt. Reihum darf jedes Kind ein Bild aussuchen (nicht das eigene), auf dem
Boden liegend betrachten und mutmaßen, was es bedeuten könnte. Nachschauen und wenn
das Wort stimmt, Bild umdrehen, sodass die Schrift nach oben zeigt.
Zum Abschluss wird das Buch mit dem Kamishibai erzählt oder vorgelesen.
(Für Letzteres braucht man eine zweite Person, die die Bilder wechselt, während gelesen
wird. Ich empfehle Erzählen, das geht gut alleine und ist direkter!)
Künstlerisch-didaktische Anmerkung:
Schon rein optisch entsteht ein schönes Bild, wenn die quadratischen Origamipapiere in
ihrer Farbigkeit nebeneinander liegen und so einen bunten Teppich bilden. Das
zeichnerische Umsetzen von Begriffen ist nicht immer ganz leicht, besonders wenn solche
Worte wie „Glück“ oder „Zukunft“ gezeichnet werden sollen. Es funktioniert aber meist ganz
gut, wenn die Kinder versuchen, Symbole für diese abstrakten Begriffe zu finden. Die
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Präsentation mit dem Kamishibai erfordert eine Kino-Stuhlreihen-Bestuhlung, also eine
kurze Umbaupause vorm Abschluss.
Eine Präsentation als Bilderbuchkino ist natürlich auch möglich.
B. Wörter verschenken (Dauer ca. 45 Min.):
Material:
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Kamishibai in Din A3
das Buch in laminierter Form
Flipchart oder großes Papier
Edding
Druckerpapier in Pastelltönen, zugeschnitten auf Din A5
Scheren in der Anzahl der Teilnehmenden
Washitape, Tesa oder andere Klebestreifen
Ablauf:
Die Kinder sitzen im Stuhlkreis und sprechen über Flüchtlinge und Flucht. In der
anschließenden Gesprächsrunde geht es um Worte: Welches Wort würdest du am liebsten
an jemanden verschenken, der ganz neu in unserem Land ist und der noch nicht viele Worte
hat? Die Vorschläge der Kinder werden auf einem großen Blatt /am Flipchart gesammelt.
Dann sucht sich jedes Kind zwei Begriffe aus. Nun wird aus jedem Din A5 Blatt die Kontur
einer bildlichen Darstellung dieses Begriffes ausgeschnitten, ohne dass das Bild vorher
gezeichnet wird. So hat jedes Kind zu seinen zwei gewählten Begriffen zwei ausgeschnittene
Abbildungen. Anschließend empfiehlt es sich, das Wort auf die Rückseite zu schreiben. Nun
verschenkt jedes Kind im Sitzkreis ein ausgeschnittenes Wort nach rechts und eines nach
links, sodass jedes Kind am Ende zwei neue Wort-Bilder hat. Eines der beiden Worte kann
Teil einer großen Wortgeschenk-Decke werden, die alle gemeinsam „weben“, indem die
ausgeschnittenen Bilder aneinander geklebt werden. Auch hier folgt die abschließende
Präsentation der Geschichte am Kamishibai.
Künstlerisch-didaktische Anmerkung:
Das Schneiden ohne Vorzeichnung ist gar nicht so einfach, es erfordert ein planvolles
Vorgehen und Abstraktionsfähigkeit. Das Verschenken und beschenkt werden nimmt die
Grundidee des Buches vorweg und fördert außerdem in diesem Falle die leichtere
„Trennung“ vom selbst gemachten Objekt, um die gemeinsame Wortdecke
zusammenzukleben. Washitape (oder Maskingtape) ist besonders geeignet, da die
Klebestreifen vorsichtig wieder entfernt werden können. Außerdem lässt sich damit farblich
ein toller Effekt erzielen, z.B. könnten die Klebestreifen alle in warmem Orange leuchten …
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C. Kurzversion Wörter verschenken (Dauer ca. 30 Min.)
Material:
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einfaches, weißes Druckerpapier, zugeschnitten auf Din A5
Buch „Zuhause kann überall sein“
Ablauf:
Die Geschichte wird vorgelesen, den Kindern werden die Bilder gezeigt. Jedes Kind überlegt
ein Wort, das es gerne verschenken möchte. Anregungen können aus dem Buch genommen
werden. Die Kontur einer bildlichen Darstellung dieses Begriffes wird aus dem Papier
ausgerissen. Jedes Kind zeigt sein ausgerissenes Wort und die anderen raten, worum es sich
handelt.
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2. Du hast angefangen! Nein, du!
David McKee: Du hast angefangen! Nein, du!,
Sauerländer 2011
Kurzbeschreibung:
Dieses Bilderbuch kann schon als Klassiker zum Thema Streit und Versöhnung bezeichnet
werden: Ein rotes und ein blaues Monster wohnen an den beiden gegenüberliegenden
Seiten eines Berges und haben sich noch nie gesehen. Aber durch ein Loch im Berg können
sie sich gegenseitig hören und miteinander sprechen. Allerdings nutzen sie diese Möglichkeit
dazu, sich zu beschimpfen und zu beleidigen und beginnen schließlich damit, sich über den
Berg, mit Steinen zu bewerfen. Die Steine werden immer größer und dabei geht schließlich
auch der Berg kaputt. Am Ende haben sie den Berg in Schutt und Asche gelegt und stehen
sich nun gegenüber. Auf einmal können sie sich sehen und nun können sie auch die
Perspektive des Anderen einnehmen. So ist es gar nicht mehr so schwer, den Anderen zu
verstehen, schade ist nur, dass der Berg dabei kaputt gegangen ist …
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Konzeptideen:
A. Wortgefecht (Dauer ca. 90 Min):
Material:
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Buch „Du hast angefangen! Nein, du!“
rote und blaue Filzstifte zum Markieren der Teilnehmenden (Punkt auf der Hand)
Din A2 großes Papier
Druckerpapier in der Anzahl der Teilnehmenden
Scheren in der Anzahl der Teilnehmenden
Wachsstifte
ggf. Wasserfarben, Wasser und Pinsel
ggf. 1 Föhn
Ablauf:
Zunächst werden die Teilnehmenden in zwei Gruppen geteilt, die Roten und die Blauen.
Wenn es eine ungerade Anzahl an Kindern gibt, wird das eine „überzählige“ Kind zum
Beobachter/ zur Beobachterin bestimmt. Es ist darauf zu achten, dass sich immer zwei
Kinder genau gegenüber stehen.
Nun bekommt jeder die Aufgabe, sich ein lustiges Schimpfwort auszudenken, „matschiger
Cornflake" oder „gammliger Käse" sind erlaubt, diffamierende oder abwertende
Bezeichnungen nicht. (Nach meiner Erfahrung weiß jedes Kind intuitiv ganz genau, welche
Ausdrücke nicht ok sind!)
Im ersten Durchgang wird nach wenigen Minuten Nachdenkzeit vereinbart, dass sich die
beiden „GegnerInnen“ nun Rücken an Rücken hinstellen. Ohne sich umzudrehen sollen sie
sich gegenseitig ihr ausgedachtes Schimpfwort an den Kopf werfen/zurufen. Und zwar alle
gleichzeitig. Das wird ganz schön laut.
Im nächsten Durchgang gehen die Kinder wie Duellanten je fünf Schritte auseinander.
Umdrehen, Startsignal abwarten, schreien! (vermutlich SEHR laut)
Im dritten Schritt gehen die Kinder bis auf Armlänge aufeinander zu. Bevor sie jetzt noch
einmal ihr Schimpfwort rüber rufen, sollen sie sich überlegen, wer genau ihnen dort
gegenüber steht. (… das ist ja der Tobias, der ist ja eigentlich ein guter Kumpel von mir…)
Dementsprechend sollen sie den Ausdruck ihres Schimpfwortes variieren. Dann rufen alle
wieder zusammen auf ein Signal hin (nicht mehr ganz so laut…)
Als Abschluss die Frage an den Beobachter/die Beobachterin bzw. an alle: Wie haben sich die
verschiedenen Schreiereien unterschieden? Was konnte man von außen beobachten? Wie
hat sich schreiben und angeschrien werden angefühlt?
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Die Kinder gehen nun aufeinander zu und schütteln sich die Hand. Sie sind im nächsten Spiel
TeampartnerInnen.
Nun wird das Buch vorgestellt (vorlesen, Bilderbuchkino, Kamishibai o.Ä.)
In der nächsten Spieleinheit werden nun jeweils ein Roter, und ein Blauer zusammen an
einen Tisch gesetzt. Sie brauchen ein Din A2 großes Blatt, zwei Din A4 große Blätter, Scheren,
Klebestifte und Wachsmalkreiden, ggf. Wasserfarbe. Wenn eine ungerade Anzahl von
Kindern anwesend ist, sollte ein/e Erwachsene/r (Lehrer/in, Bibliothekar/in) mit in die Arbeit
einsteigen. Die Mitglieder der roten Gruppe zeichnen nun jeder/jede ein individuelles rotes
Monster auf ein Din A4 Blatt, die Mitglieder der blauen Gruppe malen je ein blaues Monster.
Das Monster muss ausschneidbar sein, das ist die einzige Bedingung. Die zwei
konkurrierenden Monster werden anschließend ausgeschnitten.
Nun wird auf dem großen Papierbogen mit grüner Farbe von beiden Schülern gemeinsam ein
Berg gemalt. Dieser wird gemeinsam ausgemalt bzw. fertiggestellt. Ggf. Föhn zum Trocknen
einsetzen! Nun ordnet jeder/jede sein Monster auf der einen bzw. der anderen Seite des
Berges an. Dabei kann jedes Kind die Position seines Monsters zum anderen mitbestimmen.
Weitere kreative Ideen, wie z.B. eine gemeinsame Höhle/Haus, mehrere Verbindungsgänge
durch den Berg etc. sind willkommen. Zum Schluss können aus Papierresten noch
Sprechblasen geschnitten und die lustigen Schimpfwörter mit ins Bild gebracht werden.
Künstlerisch-didaktische Anmerkung:
Kinder belegen sich gegenseitig immer wieder mit Schimpfwörtern. Hier geht es darum,
lustige Schimpfwörter zu erfinden und bewusst zu verwenden. Natürlich lässt sich nicht
ausschließen, dass dennoch verletzende Begrifflichkeiten verwendet werden, aber das
gleichzeitige Rufen/Schreien der Beleidigung verhindert natürlich auch, dass sich jemand
persönlich getroffen fühlen kann. Das Rufen/aktive Beschimpfen aus drei verschiedenen
Positionen hilft, bewusst zu machen, wie ein unterschiedlicher Abstand zum Gegenüber die
eigene Position verändert. Es besteht auch die Möglichkeit, die jeweiligen Kinder die Rollen
tauschen zu lassen. Dazu müssen sie sich gegenseitig ihr Schimpfwort verraten…
Es geht hier auch um die Stärkung sozialer Kompetenzen.
Nach dem Gestalten von individuellen Monsterfiguren in rot und blau folgt anschließend die
gestalterische Arbeit an einem gemeinsamen Berg (Bildmittelpunkt). Diese ist mehr als nur
symbolisch: zwei KontrahentInnen, die sich eben noch „grundlos“ beschimpft haben,
gestalten jetzt ein gemeinsames Bildelement. Dazu müssen sie miteinander reden,
verhandeln, abwägen und sich durchsetzen. Wenn sie sich auf eine gemeinsame Form
geeinigt haben, geht es ums „ausmalen“ und gestalten des Berges. In meinen Workshops in
der Vergangenheit ging es dabei nicht selten um gemeinsame Wohnhöhlen…
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B. Kurzversion Monsterberg (Dauer ca. 45 Min.)
Material:
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Buch „Du hast angefangen! Nein, du!“
rote und blaue Filzstifte zum Markieren der Kinder (Punkt auf der Hand)
Din A2 großes Papier
Druckerpapier in der Anzahl der Teilnehmenden
Scheren in der Anzahl der Teilnehmenden
Wachsstifte
evtl. Wasserfarben, Wasser und Pinsel
ggf. 1 Föhn
Der erste Teil des vorangegangenen Konzeptes kann auch weggelassen werden.
In dieser kürzeren Form wird den Kindern zuerst das Buch vorgestellt. Danach wird die
Gruppe in Rote und Blaue geteilt, und der Mal-und Zeichen-Teil des Workshops umgesetzt.
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3. Die Orangen hinter der Mauer
Ulf Stark: Die Orangen hinter der Mauer. Ill. von Anna
Höglund, aus dem Schwed. von Birgitta Kicherer, Carlsen
Verlag 2014
Kurzbeschreibung:
Adham und seine Familie schauen tagtäglich auf die große, graue Mauer, die direkt neben
ihrem Haus steht. Aber es ist nicht nur irgendeine Mauer, es ist eine Grenzmauer, die zu
allem Überfluss auch noch der Grund dafür ist, dass die Familie aus ihrem alten Haus
vertrieben wurde. Adhams Schwester Sulafa ist körperlich behindert, sie hat „blöde Beine“,
wie sie selber sagt. Adham hat ihr einen Rollstuhl gebaut, mit dem er sie durch die Gegend
fahren kann. Aber Sulafa sehnt sich besonders nach dem alten Haus zurück, nach den
Orangen aus dem Garten und nach dem Lachen, was dort möglich war. So trainiert Adham
Hochsprung, um eines Tages die Mauer überspringen zu können. Aber er muss einsehen,
dass es so nicht klappen wird. Sulafa besucht vormittags oft die alte Lehrerin Khadeija in der
Nachbarschaft. Bei ihr haben die Geschwister lesen und schreiben gelernt und sie ist auch
diejenige, die Sulafa den Zugang zu Gedichten eröffnet. So entdeckt Sulafa zunehmend die
Freiheit der Gedanken und die Kraft der Sprache. Und Adham macht sich eines Tages auf den
gefährlichen Weg über die Grenze, um seiner Schwester Orangen aus dem alten Garten zu
bringen. Es gelingt und zusätzlich mit den Orangen kehrt das Lachen zurück zu den Kindern.
Vorsichtig und behutsam thematisiert dieses Kinderbuch den Israel-Palästina Konflikt und
kommt ohne Schuldzuweisungen und Bewertungen aus. Das ist angesichts der verfahrenen
Lage in dieser Region eine besondere Leistung. Sowohl der Text von Ulf Stark als auch die
Illustrationen von Anna Höglund schaffen eine unvoreingenommene, „kindliche“
Grundstimmung, die in diesem Zusammenhang sehr hilfreich und entspannend wirkt.
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Konzeptidee:
Wunschorangen (Dauer ca. 45 Min.):
© Jule Pfeiffer-Spiekermann
Material:
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Buch
kleine quadratische Notizzettel (z.B. 8 x 8 cm)
Stifte, Scheren
Zeitungspapier in ausreichender Menge
Seidenpapier in Orange
Tonpapier in Dunkelgrün
pro TN einen nicht zu dicken Nagel
Ablauf:
Die Geschichte wird vorgelesen und/oder als Bilderbuchkino präsentiert.
Anschließend bekommt jede Person einen kleinen Notizzettel und den Auftrag, einen
privaten Herzenswunsch darauf zu schreiben. Dieser Zettel wird ganz klein zusammen
gefaltet.
Nun nimmt sich jeder/jede Teilnehmende Zeitungspapier und knüllt es um den klein
gefalteten Zettel herum zusammen, sodass der Wunsch auf dem Zettel den Kern bildet. Es
werden so viele Zeitungsblätter um diesen Kern zusammengeknüllt, bis ein etwa
tennisballgroßer Ball entstanden ist. (Nicht zu fest zusammenknüllen!)
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Um diesen Ball, die „Orange“, wird nun ein ungefähr 30 x 30 cm großes Stück
orangefarbenes Seidenpapier gewickelt. Aus dem dunkelgrünen Tonpapier wird jetzt ein
Orangenblatt mit Steg ausgeschnitten. Durch den Steg wird der Nagel gebohrt. Mit dem
Nagel werden auch das Seidenpapier und der geknüllte Inhalt zusammen gehalten.
In der Mitte dieser Wunschorange befindet sich nun der individuelle Wunsch von jedem Kind
und bleibt so gut verborgen wirksam.
Künstlerisch-didaktische Anmerkung:
Diese sehr einfache Umsetzungsidee ist für alle Altersstufen geeignet. Jeder und jede hat
heimliche Wünsche, die niemand erfahren soll. In dieser Aktion geht es darum, diesen
privaten Wünschen einen sicheren Ort und gleichzeitig ein Erscheinungsbild zu geben, mit
dem der Wunsch in Erinnerung bleibt. Das hilft, damit er wahr werden kann! Die
Wunschorangen bleiben im Besitz der HerstellerInnen.
Als wir in Palästina diesen Workshop durchgeführt hatten, gab es wenige Tage darauf ein
großes Literatur-Event, das u.a. auch von Teilnehmenden unseres Workshops mitgeplant
wurde. Die Aktion mit den Wunschorangen wurde im großen Stil aufgegriffen. Das führte
dazu, dass in ganz Ramallah einen Tag lang alle Bäume zu Orangenbäumen wurden: In jedem
Baum im Stadtzentrum hingen Dutzende von Wunschorangen…
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4. Akim rennt
Claude K. Dubois: Akim rennt. Moritz Verlag 2014
Kurzbeschreibung:
Spätestens seit das Buch „Akim rennt“ 2014 den Deutschen Jugendliteraturpreis gewonnen
hat, ist die Realität von Flüchtlingen in der aktuellen Kinder -und Jugendliteratur
angekommen. In Akims Dorf scheint der Krieg weit weg. Akim spielt am Ufer des KumaFlusses friedlich mit den anderen Kindern und ihren kleinen Booten. Am späten Nachmittag
erbebt die Luft von dumpfem Lärm und Schüssen. Als der Krieg eines Nachmittags in Akims
Dorf einbricht, ist mit einem Schlag nichts mehr, wie es vorher war. Die Bewohner fliehen
aus den Trümmern ihrer Häuser und der kleine Junge wird von seiner Familie getrennt. Er
gerät in Gefangenschaft, kann erneut fliehen und findet sich schließlich in der fragilen
Sicherheit eines Flüchtlingslagers wieder.
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Konzeptidee:
Workshop mit deutschsprachigen Jugendlichen
Vorbereitung:
Stuhlkreis, das Buch liegt in laminierten Einzelseiten (A3) vor
Material:
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Kamishibai oder Bilderbuchkino
in Din A3 laminiertes Buch
Flipchart
Edding
graue, lufttrocknende Modelliermasse
Ablauf:
Obwohl dieses Bilderbuch ab sechs Jahren empfohlen ist, wird hier bewusst mit wesentlich
älteren SchülerInnen gearbeitet. Die Bilder werden auf DIN A3 vergrößert, laminiert und mit
dem Kamishibai präsentiert. Danach wird mit den Teilnehmenden eine Liste von Nomen und
Adjektiven zur Geschichte erstellt. Diese werden am Flipchart gesammelt. Aus diesem
Wortpool suchen sich die Teilnehmenden Begriffe aus und ordnen sie den ausgehängten
Bildern zu.
Dann bilden die TeilnehmerInnen einen der Begriffe mit der Modelliermasse ab. Es geht hier
nicht darum, den Bildinhalt in eine dreidimensionale Form zu bringen, sondern um eine
Umsetzung von Begriffen wie Angst, Verzweiflung, Krieg. Eine abschließende Präsentation
rundet die Veranstaltung ab. Die modellierten Skulpturen stehen bereits nach 24 Stunden
durchgetrocknet zur Abholung bereit.
Künstlerisch-didaktische Anmerkung:
Das dreidimensionale Abbilden der Begriffe bedeutet eine durchaus anspruchsvolle
Transferleistung, die jedoch unserer Erfahrung nach von den Jugendlichen fantasievoll und
begeistert erbracht wird.
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Literaturliste
1.
2.
3.
4.
Claude K. Dubois: Akim rennt, Moritz Verlag 2014
Shaun Tan: Ein neues Land, Carlsen Verlag 2015
Karin Gruß: Ein roter Schuh, Ill. von Tobias Kreitschi, Boje Verlag 2012
Franz-Joseph Huainigg; Inge Fasan: Wahid will bleiben, Ill. von Michaela Weiss,
Bibliothek der Provinz 2014
5. Ulf Stark: Die Orangen hinter der Mauer. Ill. von Anna Höglund, aus dem Schwed.
von Birgitta Kicherer, Carlsen Verlag 2014
6. David McKee: Sechs Männer, Nord-Süd 2014
7. Paula Carballeira: Der Anfang, Ill. von Sonja Danowski, Bohem Press 2014
8. Irena Kobald; Freya Blackwood: Zuhause kann überall sein, Knesebeck 2015
9. Christian Duda: Alle seine Entlein, Ill. von Julia Friese, Beltz & Gelberg 2012 (auch auf
Arabisch)
10. David McKee: Du hast angefangen! Nein, du! Sauerländer, 2011
11. Heinz Janisch: Die Brücke, Ill. von Helga Bansch, Jungbrunnen 2011
12. Kathrin Schärer: So war das! Nein so! Nein so! Atlantis 2007 (auch auf Arabisch)
13. Birte Müller: Herr Müller und Herr Meier, Neugebauer 2007
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