Feste feiern! - Reformierte Kirche Kanton Zürich

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Feste feiern!
Warum wir unsere Feiertage haben
Herausgegeben von
Luzius Müller, Hans-Adam Ritter und Roger Thiriet
Theologischer Verlag Zürich
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Umschlaggestaltung
Designersfactory Basel
Satz
Claudia Wild, Konstanz
Druck
ROSCH-BUCH, Scheßlitz
ISBN 978-3-290-17830-7
© 2015 Theologischer Verlag Zürich
www.tvz-verlag.ch
Alle Rechte vorbehalten
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung 9
Luzius Müller
Gastpredigt zum Beginn der Kampagne «feste feiern» 12
Margot Käßmann
Advent und Weihnachten
Biblisches
Gloria in excelsis deo 24
Andrea Spingler
Besinnliches
Das grösste Geschenk ist gratis 26
Hans-Adam Ritter
Volkskundliches
Von den Kerzen am Weihnachtsbaum 28
Christine Burckhardt-Seebass
Frömmigkeitsgeschichtliches
Abel Burckhardts Weihnachtslied 30
Luzius Müller
Kolumnistisches
Baumlose Familienweihnacht 33
-minu
Kulinarisches
«Basler Brauns», «Gatoodemylängli» und «Anisbrötli» 36
Roger Thiriet
5
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Passion und Ostern
Biblisches
Musste der Gesalbte nicht solches erleiden? 40
Caroline Schröder-Field und Luzius Müller
Kunstgeschichtliches
Ecce homo 42
Johannes Stückelberger
Seelsorgerliches
Mit Johann Peter Hebel am Grabe 44
Andreas Klaiber
Persönliches
Fastenverzicht an den «scheenschte drey Dääg» 47
Florence Develey
Musikalisches
Passionskonzerte im Basler Münster 49
Helen und Frieder Liebendörfer
Farbiges
Eierfärben – ein alter Osterbrauch 51
Erika Würz und Roger Thiriet
Auffahrt und Pfingsten
Biblisches
Das lukanische Doppelwerk 56
Lukas Kundert
Vergegenwärtigendes
Die andere Wirklichkeit Philipp Roth
6
58
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Baselbieterisches
Bannumgänge und Familienausflüge 61
Peter ­Schmid
Weltbewegendes
Frieden in Gerechtigkeit 63
Benedict Schubert
Globales
Pfingsten andernorts 65
Daniel Frei
Fussballerisches
Was der Cupfinal mit Pfingsten zu tun hat 67
Martin Dürr
Literarisches
Der Pfingstspatz 70
Franz Hohler
Erntedank und Bettag
Biblisches
Beim Essen gehen uns die Augen auf 74
Luzia Sutter Rehmann
Jüdisches
Erntedank aus jüdischer Perspektive 77
David Bollag
Soziales
Die Gassenküche Basel 79
Giulietta Naef
Ökologisches
Für mehr Wahlfreiheit beim Essen 81
Nora Bertschi
7
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Rechtliches
Bettag – ein Feiertag? 83
Felix Hafner
Regierungsrätliches
Demut vor dem Amt 85
Christoph Eymann
Reformationssonntag
Biblisches
Reformation als Auftrag 90
Georg Vischer
Geschwisterliches
Tag der protestantischen Solidarität 92
Franz Christ
Waldensisches
Wider die Trägheit 94
Antonio Loprieno
(Christ-)Katholisches
Ein reformiertes Reformationsfest? 96
Michael Bangert
Vorausschauendes
Ausblick auf das Reformationsjubiläum 98
Martin Breitenfeldt
Nachwort 102
Eva Herzog
Die Autorinnen und Autoren Bildnachweis 8
105
107
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VORAUSSCHAUENDES
Ausblick auf das Reformationsjubiläum
Martin Breitenfeldt
Sie hallen bis heute nach, Luthers Hammerschläge, mit denen er
1517 seine Thesen an die Wittenberger Schlosskirchentür nagelte
und damit die Reformation anstiess. Unzählige Male in Bild und
Film dargestellt wirkt die bekannte Szene immer weiter. Ob sie
real je so stattgefunden hat, darf bezweifelt werden. Vermutlich
hat, wie damals üblich, der Büttel die Papiere des Gelehrten ausgehängt. Nicht nur dieses prominente Beispiel belegt: nicht präzise historische Fakten der Geschichte wirken auf uns, sondern
die Vergegenwärtigung und Inszenierung von Geschichten. Wenn
niemand mehr gedenkt, geht auch das Wichtigste vergessen; dieses Prinzip ist umkehrbar. Jubiläumsfeiern drücken in der Regel
mindestens ebenso viel über das Selbstverständnis der Feiernden
aus wie über das Geschehene selbst.
Das deutsche Luthertum ehrte in jedem Jahrhundert seinen
Helden Martin Luther auf eine andere Art und Weise, aber immer
gern und gross, auch heuer. Wie aber geht der nüchtern-schlichte
Schweizer Protestantismus mit den reformatorischen Akteuren
und deren Geschichten um? Seine traditionelle Aversion gegen
Bil­­
derverehrung und herausragende Leitungsfiguren macht es
ihm nicht eben einfach, ein Jubiläum zu gestalten. Dazu kommt:
Wie stark Kirche und Christentum einschliesslich ihres spezifisch reformierten Lagers dieses Land über Jahrhunderte geprägt
ha­­
ben, scheint im öffentlichen Bewusstsein momentan nur
schwach präsent. So war in den letzten zwei Jahren auch im noch
vor hundert Jahren ganz und gar reformierten Zürich zunächst
Überzeugungsarbeit für das Reformationsjubiläum zu leisten.
Aber es handelt sich beim Thema Reformation nun einmal nicht
einfach um ein kirchliches Gründungsjubiläum, das die Reformierten unter sich feiern würden. Nach über zwei Jahren sind
wir heute weiter. Die Zwinglistadt akzeptierte als Erste in der
Schweiz offiziell den Titel «Reformationsstadt Europas». Kanton,
Stadt und reformierte Kirche sowie Zürich-Tourismus gründeten
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Reformations­sonntag
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eine gemeinsame Organisationsplattform. In dessen Grundlagendokument heisst es:
Zürich ist mit Genf und Wittenberg eines der drei wichtigsten
Zentren der europäischen Reformation des 16. Jahrhunderts.
Die­­se war ein vielgestaltiger Prozess mit Licht- und Schattenseiten und hat nachhaltige globale Wirkungen gezeitigt. Die
eman­­zipatorischen unter ihren Inhalten haben die Ideen von
in­­dividueller Menschenwürde und Demokratie ebenso wie Un­­
ternehmergeist, Wertekanon, Bildungswesen, Kultur und Mentalitäten nicht nur in Zürich, sondern in der gesamten west­
lichen Welt mitgeprägt. Zürich hat so, bis heute wirksam, ein
Stück Freiheitsgeschichte geschrieben. Das gilt es ins Bewusstsein zu rufen, zu feiern, zu vertiefen.
Die Schweizer Reformation steht den Wirkungen der von Wittenberg ausgegangenen Reformation Luthers tatsächlich in nichts
nach, weder das Kirchliche betreffend noch das, was weit darüber
hinaus geht. So gibt es heute mehr Reformierte als Lutheraner in
der Welt. Und vor allem weil der «reformierte» (= in der Schweiz
entstandene) Strang der Reformation von Anfang an demokratische
Elemente in sich trug, lassen sich die Gene reformierten Gedankengutes in der DNA westlicher Politik-, Wirtschafts- und Wertesysteme einfacher nachweisen als die des damals vor allem fürstlich
protegierten Luthertums. Dass die lutherische Reformation heuer
fast überall mit ungleich grösserem Aufwand gefeiert wird als die
reformiert-schweizerische, sagt also nichts über die Bedeutung der
jeweiligen Bewegung aus. Es liegt am Selbstverständnis der Erben.
Reformierten wird es eben aus diesem Selbstverständnis heraus
nie um übertriebene Selbstinszenierung gehen. Echte Reformierte
sind dankbar für die Qualitäten der eigenen Bewegung, aber sie
werden diese nie laut preisen. Auch um Abgrenzung und Konkurrenz wird es ihnen nicht gehen. Sondern um wahrnehmen, begegnen, verstehen. Und genau dies kann in diesem runden Jubiläum
geschehen wie nie zuvor. Denn beide konfessionellen Stränge –
Lutheraner und Reformierte – können das fünfte runde Jubiläum
heute gemeinsam und im Austausch begehen. Das ist nicht selbst-
Reformations­sonntag
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verständlich. Denn lange gingen Lutheraner und Reformierte in
vielen Gebieten Europas getrennte Wege. Erst 444 Jahre nach dem
folgenschweren Treffen Luthers und Zwinglis in Marburg, das die
beiden Konfessionen entzweite, fand man zur Kirchengemeinschaft: Die «Leuenberger Konkordie», unterzeichnet 1973 im
Namen gebenden Tagungshaus bei Liestal, beendete die konfessio­
nelle Trennung der protestantischen Schwesterkirchen. An den
Feierlichkeiten zum 500-Jahr-Jubiläum der Reformation werden
zudem voraussichtlich auch Freikirchen mitwirken. Selbst Katholiken bereiten sich unterdessen auf ein Mit-«Gedenken» (wenn
auch nicht Mit-«Feiern») vor. Diese ökumenische Vielfalt war noch
beim 400-Jahr-Jubiläum der Reformation nicht möglich gewesen
und zeichnet dieses fünfte positiv aus.
Auch meine Wahlheimat Basel hat unterdessen den Titel «Re­­
formationsstadt Europas» bekommen. Die weltoffene Stadt am
Rhein hat schon seit den Tagen des «Narrenschiffes» und des Zu­­zugs
von Erasmus ihre eigene, interessante Geschichte des epochemachenden Ereignisses Reformation geschrieben und später eine ganz
eigene Farbe reformierter Kirchlichkeit hervorgebracht. Ge­­meinsam
mit Christinnen und Christen in Zürich, Genf und weiteren Orten
Europas und der Welt wird auch im Basler Reformationsjubiläum
die Freude über die Wiederentdeckung des Evan­­geliums damals
gefeiert werden. Diese Freude über das damals neu Ge­­schenkte will
aber auch hier und heute Denken und Fühlen neu öffnen für die
Botschaft, aus der heraus die Kirche lebt und den Menschen dient.
So geht es beim Reformationsjubiläum nur nebenbei um die
Vergegenwärtigung von Vergangenem, und gar nie um Selbstinszenierung auf Kosten anderer. Wer die Reformation des 16. Jahrhunderts gar als nostalgisch-triumphalistisches Heldengedenken feiern
wollte, würde ihr Anliegen verraten. Denn Reformation drängt auf
notwendigen Wandel, heute wie damals.
Im Kern sollte das Jubiläum Anlass sein, dass wir als Christinnen und Christen uns an der Frohen Botschaft freuen und prüfen,
welche Früchte der Reformation uns heute Wegzehrung für die
Zukunft sein können. In Zeiten dramatischer Veränderungen in
Kirche und Gesellschaft wird «reformiertes» Reformationsjubiläum
selbst ein Stück Reformation sein.
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Reformations­sonntag