www.claudia-wild.de: Feste_feiern__[Druck-PDF]/22.10.2015/Seite 3 Feste feiern! Warum wir unsere Feiertage haben Herausgegeben von Luzius Müller, Hans-Adam Ritter und Roger Thiriet Theologischer Verlag Zürich www.claudia-wild.de: Feste_feiern__[Druck-PDF]/22.10.2015/Seite 4 Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlaggestaltung Designersfactory Basel Satz Claudia Wild, Konstanz Druck ROSCH-BUCH, Scheßlitz ISBN 978-3-290-17830-7 © 2015 Theologischer Verlag Zürich www.tvz-verlag.ch Alle Rechte vorbehalten www.claudia-wild.de: Feste_feiern__[Druck-PDF]/22.10.2015/Seite 5 Inhaltsverzeichnis Einleitung 9 Luzius Müller Gastpredigt zum Beginn der Kampagne «feste feiern» 12 Margot Käßmann Advent und Weihnachten Biblisches Gloria in excelsis deo 24 Andrea Spingler Besinnliches Das grösste Geschenk ist gratis 26 Hans-Adam Ritter Volkskundliches Von den Kerzen am Weihnachtsbaum 28 Christine Burckhardt-Seebass Frömmigkeitsgeschichtliches Abel Burckhardts Weihnachtslied 30 Luzius Müller Kolumnistisches Baumlose Familienweihnacht 33 -minu Kulinarisches «Basler Brauns», «Gatoodemylängli» und «Anisbrötli» 36 Roger Thiriet 5 www.claudia-wild.de: Feste_feiern__[Druck-PDF]/22.10.2015/Seite 6 Passion und Ostern Biblisches Musste der Gesalbte nicht solches erleiden? 40 Caroline Schröder-Field und Luzius Müller Kunstgeschichtliches Ecce homo 42 Johannes Stückelberger Seelsorgerliches Mit Johann Peter Hebel am Grabe 44 Andreas Klaiber Persönliches Fastenverzicht an den «scheenschte drey Dääg» 47 Florence Develey Musikalisches Passionskonzerte im Basler Münster 49 Helen und Frieder Liebendörfer Farbiges Eierfärben – ein alter Osterbrauch 51 Erika Würz und Roger Thiriet Auffahrt und Pfingsten Biblisches Das lukanische Doppelwerk 56 Lukas Kundert Vergegenwärtigendes Die andere Wirklichkeit Philipp Roth 6 58 www.claudia-wild.de: Feste_feiern__[Druck-PDF]/22.10.2015/Seite 7 Baselbieterisches Bannumgänge und Familienausflüge 61 Peter Schmid Weltbewegendes Frieden in Gerechtigkeit 63 Benedict Schubert Globales Pfingsten andernorts 65 Daniel Frei Fussballerisches Was der Cupfinal mit Pfingsten zu tun hat 67 Martin Dürr Literarisches Der Pfingstspatz 70 Franz Hohler Erntedank und Bettag Biblisches Beim Essen gehen uns die Augen auf 74 Luzia Sutter Rehmann Jüdisches Erntedank aus jüdischer Perspektive 77 David Bollag Soziales Die Gassenküche Basel 79 Giulietta Naef Ökologisches Für mehr Wahlfreiheit beim Essen 81 Nora Bertschi 7 www.claudia-wild.de: Feste_feiern__[Druck-PDF]/22.10.2015/Seite 8 Rechtliches Bettag – ein Feiertag? 83 Felix Hafner Regierungsrätliches Demut vor dem Amt 85 Christoph Eymann Reformationssonntag Biblisches Reformation als Auftrag 90 Georg Vischer Geschwisterliches Tag der protestantischen Solidarität 92 Franz Christ Waldensisches Wider die Trägheit 94 Antonio Loprieno (Christ-)Katholisches Ein reformiertes Reformationsfest? 96 Michael Bangert Vorausschauendes Ausblick auf das Reformationsjubiläum 98 Martin Breitenfeldt Nachwort 102 Eva Herzog Die Autorinnen und Autoren Bildnachweis 8 105 107 www.claudia-wild.de: Feste_feiern__[Druck-PDF]/22.10.2015/Seite 98 VORAUSSCHAUENDES Ausblick auf das Reformationsjubiläum Martin Breitenfeldt Sie hallen bis heute nach, Luthers Hammerschläge, mit denen er 1517 seine Thesen an die Wittenberger Schlosskirchentür nagelte und damit die Reformation anstiess. Unzählige Male in Bild und Film dargestellt wirkt die bekannte Szene immer weiter. Ob sie real je so stattgefunden hat, darf bezweifelt werden. Vermutlich hat, wie damals üblich, der Büttel die Papiere des Gelehrten ausgehängt. Nicht nur dieses prominente Beispiel belegt: nicht präzise historische Fakten der Geschichte wirken auf uns, sondern die Vergegenwärtigung und Inszenierung von Geschichten. Wenn niemand mehr gedenkt, geht auch das Wichtigste vergessen; dieses Prinzip ist umkehrbar. Jubiläumsfeiern drücken in der Regel mindestens ebenso viel über das Selbstverständnis der Feiernden aus wie über das Geschehene selbst. Das deutsche Luthertum ehrte in jedem Jahrhundert seinen Helden Martin Luther auf eine andere Art und Weise, aber immer gern und gross, auch heuer. Wie aber geht der nüchtern-schlichte Schweizer Protestantismus mit den reformatorischen Akteuren und deren Geschichten um? Seine traditionelle Aversion gegen Bil derverehrung und herausragende Leitungsfiguren macht es ihm nicht eben einfach, ein Jubiläum zu gestalten. Dazu kommt: Wie stark Kirche und Christentum einschliesslich ihres spezifisch reformierten Lagers dieses Land über Jahrhunderte geprägt ha ben, scheint im öffentlichen Bewusstsein momentan nur schwach präsent. So war in den letzten zwei Jahren auch im noch vor hundert Jahren ganz und gar reformierten Zürich zunächst Überzeugungsarbeit für das Reformationsjubiläum zu leisten. Aber es handelt sich beim Thema Reformation nun einmal nicht einfach um ein kirchliches Gründungsjubiläum, das die Reformierten unter sich feiern würden. Nach über zwei Jahren sind wir heute weiter. Die Zwinglistadt akzeptierte als Erste in der Schweiz offiziell den Titel «Reformationsstadt Europas». Kanton, Stadt und reformierte Kirche sowie Zürich-Tourismus gründeten 98 Reformationssonntag www.claudia-wild.de: Feste_feiern__[Druck-PDF]/22.10.2015/Seite 99 eine gemeinsame Organisationsplattform. In dessen Grundlagendokument heisst es: Zürich ist mit Genf und Wittenberg eines der drei wichtigsten Zentren der europäischen Reformation des 16. Jahrhunderts. Diese war ein vielgestaltiger Prozess mit Licht- und Schattenseiten und hat nachhaltige globale Wirkungen gezeitigt. Die emanzipatorischen unter ihren Inhalten haben die Ideen von individueller Menschenwürde und Demokratie ebenso wie Un ternehmergeist, Wertekanon, Bildungswesen, Kultur und Mentalitäten nicht nur in Zürich, sondern in der gesamten west lichen Welt mitgeprägt. Zürich hat so, bis heute wirksam, ein Stück Freiheitsgeschichte geschrieben. Das gilt es ins Bewusstsein zu rufen, zu feiern, zu vertiefen. Die Schweizer Reformation steht den Wirkungen der von Wittenberg ausgegangenen Reformation Luthers tatsächlich in nichts nach, weder das Kirchliche betreffend noch das, was weit darüber hinaus geht. So gibt es heute mehr Reformierte als Lutheraner in der Welt. Und vor allem weil der «reformierte» (= in der Schweiz entstandene) Strang der Reformation von Anfang an demokratische Elemente in sich trug, lassen sich die Gene reformierten Gedankengutes in der DNA westlicher Politik-, Wirtschafts- und Wertesysteme einfacher nachweisen als die des damals vor allem fürstlich protegierten Luthertums. Dass die lutherische Reformation heuer fast überall mit ungleich grösserem Aufwand gefeiert wird als die reformiert-schweizerische, sagt also nichts über die Bedeutung der jeweiligen Bewegung aus. Es liegt am Selbstverständnis der Erben. Reformierten wird es eben aus diesem Selbstverständnis heraus nie um übertriebene Selbstinszenierung gehen. Echte Reformierte sind dankbar für die Qualitäten der eigenen Bewegung, aber sie werden diese nie laut preisen. Auch um Abgrenzung und Konkurrenz wird es ihnen nicht gehen. Sondern um wahrnehmen, begegnen, verstehen. Und genau dies kann in diesem runden Jubiläum geschehen wie nie zuvor. Denn beide konfessionellen Stränge – Lutheraner und Reformierte – können das fünfte runde Jubiläum heute gemeinsam und im Austausch begehen. Das ist nicht selbst- Reformationssonntag 99 www.claudia-wild.de: Feste_feiern__[Druck-PDF]/22.10.2015/Seite 100 verständlich. Denn lange gingen Lutheraner und Reformierte in vielen Gebieten Europas getrennte Wege. Erst 444 Jahre nach dem folgenschweren Treffen Luthers und Zwinglis in Marburg, das die beiden Konfessionen entzweite, fand man zur Kirchengemeinschaft: Die «Leuenberger Konkordie», unterzeichnet 1973 im Namen gebenden Tagungshaus bei Liestal, beendete die konfessio nelle Trennung der protestantischen Schwesterkirchen. An den Feierlichkeiten zum 500-Jahr-Jubiläum der Reformation werden zudem voraussichtlich auch Freikirchen mitwirken. Selbst Katholiken bereiten sich unterdessen auf ein Mit-«Gedenken» (wenn auch nicht Mit-«Feiern») vor. Diese ökumenische Vielfalt war noch beim 400-Jahr-Jubiläum der Reformation nicht möglich gewesen und zeichnet dieses fünfte positiv aus. Auch meine Wahlheimat Basel hat unterdessen den Titel «Re formationsstadt Europas» bekommen. Die weltoffene Stadt am Rhein hat schon seit den Tagen des «Narrenschiffes» und des Zuzugs von Erasmus ihre eigene, interessante Geschichte des epochemachenden Ereignisses Reformation geschrieben und später eine ganz eigene Farbe reformierter Kirchlichkeit hervorgebracht. Gemeinsam mit Christinnen und Christen in Zürich, Genf und weiteren Orten Europas und der Welt wird auch im Basler Reformationsjubiläum die Freude über die Wiederentdeckung des Evangeliums damals gefeiert werden. Diese Freude über das damals neu Geschenkte will aber auch hier und heute Denken und Fühlen neu öffnen für die Botschaft, aus der heraus die Kirche lebt und den Menschen dient. So geht es beim Reformationsjubiläum nur nebenbei um die Vergegenwärtigung von Vergangenem, und gar nie um Selbstinszenierung auf Kosten anderer. Wer die Reformation des 16. Jahrhunderts gar als nostalgisch-triumphalistisches Heldengedenken feiern wollte, würde ihr Anliegen verraten. Denn Reformation drängt auf notwendigen Wandel, heute wie damals. Im Kern sollte das Jubiläum Anlass sein, dass wir als Christinnen und Christen uns an der Frohen Botschaft freuen und prüfen, welche Früchte der Reformation uns heute Wegzehrung für die Zukunft sein können. In Zeiten dramatischer Veränderungen in Kirche und Gesellschaft wird «reformiertes» Reformationsjubiläum selbst ein Stück Reformation sein. 100 Reformationssonntag
© Copyright 2024 ExpyDoc