Alltag: Falsche Prospekte, falsche Publizität

FACHZEITSCHRIFT FÜR
W I R T S C HA F T S R E C HT
OKTOBER 2015
10
www.ecolex.at
833 – 924
Rsp-Nr
354 – 398
Alltag: Falsche Prospekte,
falsche Publizität
Auch im Amtlichen Handel?
Delisting
Strafverfahren
Parteiantrag auf Gesetzesprüfung
Elternkarenz
Wochenentgelt, Entgeltfortzahlung
Verdeckte Ausschüttungen
Kapitalertragsteuer
Gefahr im Verzug?
Gesamtgeschäftsführung:
Gewinnentgang droht
EUROPA
Alte und neue Probleme der
Nachhaltigkeitsberichterstattung
der Offenlegung finanzieller Leisvon Unternehmen Neben
tungsindikatoren hat in den letzten Jahrzehnten auch die Offenlegung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren in der Unternehmensberichterstattung maßgeblich an Bedeutung gewonnen. Es wurde erkannt, dass diese
Indikatoren eine wichtige Rolle für die Abbildung des Unternehmenswerts einnehmen
können. Der hierauf folgende Wildwuchs an Berichtsstandards, fehlende gesetzliche bzw
konzeptionelle Grundlagen und die generellen Schwierigkeiten iVm der Abbildung sozialer
oder umweltbezogener Tatbestände im Rahmen der Rechnungslegung führen jedoch zu
Herausforderungen für die Rechnungslegungspraxis.
Anhand des Beispiels der Umweltberichterstattung
JOSEF BAUMÜLLER / FARAH MARIA FASELI-FRIEDL
A. Jüngste Regulierungen auf EU-Ebene
zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
henden Nachhaltigkeitsberichterstattung in verschiedenster Ausprägung – überwiegend auf freiwilliger
Lange Jahre war im deutschsprachigen Raum der Lagebericht das wichtigste Rechenschaftselement über
die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen. Seit
geraumer Zeit lässt sich jedoch ein zunehmender Bedeutungsgewinn der über dessen Rahmen hinausge-
Mag. (FH) Josef Baumüller ist fachlicher Mitarbeiter am Controller Institut, Wien und Tulln an der Donau. MMag. Dr. Farah Maria Faseli-Friedl
ist Bereichsleiterin Bilanzierung an der FH Wien der WKW, Institut für
Financial Management.
ecolex 2015
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EUROPA
Basis – feststellen.1) Dennoch wurde seitens der EK
Handlungsbedarf gesehen, die Weiterentwicklung
des Nachhaltigkeitsmanagements und der begleitenden Nachhaltigkeitsberichterstattung zu fördern; die
von dieser geäußerten Kritik umfasste eine noch immer geringe Zahl an Großunternehmen, die solche
Berichte veröffentlichen, sowie Bedenken hinsichtlich deren Qualität.2)
Nach zwei Entschließungen im Jahr 2013 folgte
schließlich der „Vorschlag zur Änderung der RL 78/
660/EWG und 83/349/EWG des Rates im Hinblick
auf die Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte
große Gesellschaften und Konzerne“.3) Mit dieser RL
sollten die beiden damals noch gültigen RechnungslegungsRL (78/660/EWG und 83/349/EWG) bzw die
nunmehrige neue RechnungslegungsRL (2013/34/
EU) um weiterreichende Berichtspflichten zur Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen ergänzt werden.
2014 wurde die RL 2014/95/EU von EU-Parlament
und schließlich auch vom EU-Rat mit großer Mehrheit verabschiedet; die dort enthaltenen Bestimmungen sind ab Geschäftsjahren, die nach dem 31. 12.
2016 beginnen, verpflichtend anzuwenden. Sie ist
nun von den Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen. Für die weitere
Unterstützung dieser Umsetzung und der Konkretisierung der formulierten Anforderungen sind Umsetzungsworkshops geplant, auch sollen Leitlinien zu
Methodik und Inhalten der geforderten Berichterstattung veröffentlicht werden.4)
Große Unternehmen von öffentlichem Interesse,
die im Durchschnitt des Geschäftsjahrs mehr als 500
Mitarbeiter beschäftigen, haben ihren Lagebericht
fortan um eine nichtfinanzielle Erklärung zu ergänzen, in der Informationen hinsichtlich Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption
und Bestechung enthalten sind. Dies umfasst eine
Beschreibung der von der Gesellschaft in Bezug auf
diese Belange verfolgten Konzepte, der wesentlichen
Risiken sowie entsprechende nichtfinanzielle Leistungsindikatoren, die – soweit angebracht – zu ergänzen sind um „Hinweise auf im Jahresabschluss
ausgewiesene Beträge und zusätzliche Erläuterungen
dazu.“5) Entscheidend ist weiterhin die hiermit verbundene Ausnahme: „Erstellt ein Unternehmen für
dasselbe Geschäftsjahr einen gesonderten Bericht,
können die Mitgliedstaaten unabhängig davon, ob
der Bericht sich auf nationale, unionsbasierte oder
internationale Rahmenwerke stützt und davon, ob
der Bericht die (. . .) vorgeschriebenen Informationen
der nichtfinanziellen Erklärung umfasst, dieses Unternehmen von der (. . .) festgelegten Pflicht zur Abgabe der nichtfinanziellen Erklärung befreien“.6)
Notwendig sind nur solche Angaben, „die für das
Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der
Auswirkungen seiner Tätigkeit erforderlich sind“;7)
dies entspricht den in Art 19 Abs 1 RL 2013/34/
EU vorgesehenen Angaben nichtfinanzieller Leistungsindikatoren im Lagebericht, erweitert um den
– wenig konkreten – Begriff der „Auswirkungen“
der Unternehmenstätigkeit. Die ErwGr nennen Bei918
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spiele für relevante Leistungsindikatoren, zB für Umweltbelange: „Einzelheiten der aktuellen und vorhersehbaren Auswirkungen der Geschäftstätigkeit des
Unternehmens auf die Umwelt und, soweit angebracht, die Gesundheit und die Sicherheit sowie zu
der Nutzung erneuerbarer und/oder nicht erneuerbarer Energien, zu Treibhausgasemissionen, zum Wasserverbrauch und zur Luftverschmutzung“.8)
Im Rahmen der Abschlussprüfung ist lediglich zu
prüfen, ob diese nichtfinanzielle Erklärung bzw ein
gesonderter Bericht offengelegt wurde. Die Mitgliedstaaten können allerdings über die minimalen Prüfungsanforderungen hinausgehen und eine Prüfung
der nichtfinanziellen Erklärung vorschreiben.
B. Rechnungslegung über Umweltbelange in der EU und in Österreich
de lege lata in der Gegenüberstellung
1. Europarechtliche Grundlagen der
Rechnungslegung über Umweltbelange
Umweltbelange standen – als eine der beiden traditionellen Säulen des Nachhaltigkeitsverständnisses –
bereits sehr früh im Fokus der EU-Kommission.
Von zentraler Bedeutung ist die 2001 veröffentlichte
Empfehlung der EU-Kommission „zur Berücksichtigung von Umweltaspekten in Jahresabschluss und
Lagebericht von Unternehmen: Ausweis, Bewertung
und Offenlegung“.9) Diese wurde 2003 im Rahmen
der ModernisierungsRL10) aufgegriffen und führte
zu einer Erweiterung der Angabepflichten im Lagebericht, insb großer Kapitalgesellschaften, sowie im
Konzernabschluss.11) Seither umfassten die Vorgaben
in RL 78/660/EWG folgende Bestimmung: „Soweit
dies für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des
Geschäftsergebnisses oder der Lage der Gesellschaft
erforderlich ist, umfasst die Analyse die wichtigsten
finanziellen und – soweit angebracht – nichtfinanziellen Leistungsindikatoren, die für die betreffende
Geschäftstätigkeit von Bedeutung sind, einschließlich Informationen in Bezug auf Umwelt- und Arbeitnehmerbelange.“12) Während das hier verwendete Wort „einschließlich“ ein breites Spektrum an
möglichen Leistungsindikatoren eröffnet, rückt
ErwGr 9 der ModernisierungsRL primär solche zu
Umwelt- und Sozialbelange in den Fokus der Berichtspflichten.13) Auch für den Konzernlagebericht
1) Vgl statt vieler Müller/Stawinoga, Unternehmensberichterstattung:
Finanz-, Nachhaltigkeits- und integrierte Berichterstattung im Vergleich, Stbg 2013, 461.
2) Vgl EU-Kommission, COM (2013) 207, 5.
3) EU-Kommission, COM (2013) 207.
4) Vgl Glaser, Corporate Social Responsibility (CSR): Erweiterung der
(Lage-)Berichterstattung, IRZ 2015, 55 (56).
5) RL 2014/95/EU, Art 1 Abs 1.
6) RL 2014/95/EU, Art 1 Abs 1.
7) EU-Kommission, Standpunkt, Art 19 a Abs 1.
8) RL 2014/95/EU ErwGr 7.
9) 2001/453/EG.
10) 2003/51/EG.
11) Vgl hierzu insb ErwGr 9 der EU-RL 2003/51/EG.
12) RL 78/660/EWG Art 46 Abs 1 lit b.
13) Vgl auch Egger/Samer/Bertl, UGB I14 (2014) 508.
EUROPA
folgte eine gleichsame Änderung der RL 83/349/
EWG; diese Bestimmungen wurden gleichlautend
in die RL 2013/34/EU übernommen.
Bemerkenswert an den Bestimmungen ist zunächst, dass sie durch einen hohen Grad an Vagheit
gekennzeichnet sind und entsprechenden Spielraum
für Auslegungen lassen. Weiterhin werden die geforderten Angaben durch die Ausrichtung am Maßstab
des Verständnisses „des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses oder der Lage der Gesellschaft“ stärker eingeschränkt, als dies im Rahmen von Nachhaltigkeitsberichten auf Grundlage gängiger Standards
wie jenen der GRI der Fall ist. Dies gilt umso mehr,
als auch hier für die getätigten Angaben „Hinweise
auf im Jahresabschluss ausgewiesene Beträge und zusätzliche Erläuterungen dazu“14) (soweit angebracht)
gefordert sind. Gerade entlang von Standards wie
des GRI-Leitfadens, die auf einem wesentlich breiteren Verständnis der Berichtsadressaten und -inhalte
fußen, wird oftmals die Betonung der Auswirkungen
von Umweltaspekten auf den Geschäftsverlauf nur unzureichend erfüllt sein, da eine wesentlich umfassendere Berichterstattung durch diese Standards gefordert
wird. Diese stellen damit eigentlich konzeptionell nur
bedingt geeignete Anknüpfungspunkte für die gegenwärtige EU-rechtlich geforderte Berichterstattung dar.
2. Rahmenbedingung der Rechnungslegung
über Umweltbelange in Österreich
In Österreich fanden die dargestellten Bestimmungen
im Zuge des ReLÄG 2004 Eingang ins damalige
öHGB: „Abhängig von der Größe des Unternehmens
und von der Komplexität des Geschäftsbetriebs hat
die Analyse auf die für die jeweilige Geschäftstätigkeit
wichtigsten finanziellen Leistungsindikatoren einzugehen und sie unter Bezugnahme auf die im Jahresabschluss ausgewiesenen Beträge und Angaben zu erläutern. (. . .) Für große Kapitalgesellschaften umfasst die
Analyse (. . .) auch die wichtigsten nichtfinanziellen
Leistungsindikatoren, einschließlich Informationen
über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange.“15) Diese
Formulierung geht in ihrer Strenge über die dargestellten Vorgaben der RechnungslegungsRL hinaus; außerdem könnte gefolgert werden, dass stets in wesentlichem Umfang nichtfinanzielle Leistungsindikatoren
anzugeben sind, die sich nicht auf Umwelt- oder Arbeitnehmerbelange beziehen.16) Gerade dieser Punkt ist jedoch für die Auslegung der betreffenden Gesetzesstelle
im Schrifttum umstritten.17) Bereits durch die ausdrückliche Erwähnung der Umweltbelange und unter
Bezugnahme auf die ErwGr in der den Bestimmungen
zugrunde liegenden ModernisierungsRL ist davon auszugehen, dass diesen idR die zentrale Bedeutung für die
Lageberichterstattung zukommen wird. De lege lata
versteht sich Nachhaltigkeitsberichterstattung somit
als Teil der Lageberichterstattung gleichsam als primär
auf Umwelt- und Arbeitnehmerbelange bezogen.
Ausdrücklich verwiesen wird in den Mat auf die
EU-Empfehlung zur Berücksichtigung von Umweltaspekten in Jahresabschluss und Lagebericht von Unternehmen;18) hieraus lässt sich eine Reihe von möglichen Angabepflichten ableiten, ua zur Umweltstrategie,
zu Umweltschutzprogrammen, zu Umweltschutzmaß-
nahmen, zu allgemeinen Informationen über Emissionen, Abfallentsorgung, Energieverbrauch etc.19) Auch
der Stellenwert von (möglichst mehrjährigen) Vergleichswerten findet Betonung. Die einschlägige AFRAC-Stellungnahme verweist hierzu (weniger weit gehend) auf Angaben zu Wasser- und Energieverbrauch,
Abfall und Emissionen.20) Als Leistungsindikatoren –
für die eine Quantifizierung gefordert wird –21) werden
hierfür allerdings nur wenige Kennzahlen in Frage
kommen. Festgehalten wird, dass Verweise vom Lagebericht auf nicht geprüfte Bestandteile eines Geschäftsberichts, wie zB einem Nachhaltigkeitsbericht, nicht
zulässig sind.22) Nachdem Verweise vom Lagebericht
in den (strenger geprüften) Anhang zulässig sind, kann
gefolgert werden, dass auf das Wesen und den Grad der
Materialität der Prüfung abgestellt wird und somit eine
freiwillige Prüfung entlang von Richtlinien für die
Nachhaltigkeitsberichterstattung regelmäßig nicht ausreichen wird, um solche Verweise zu gestatten.
Die berufsständischen Richtlinien zur Prüfung des
Lageberichts konkretisieren die Forderung nach einer
„ausgewogene[n] und umfassende[n], dem Umfang
und der Komplexität der Geschäftstätigkeit angemessene[n] Analyse des Geschäftsverlaufs, einschließlich
des Geschäftsergebnisses, und der Lage des Unternehmens“23) dahingehend, dass der Schwerpunkt auf der
Analyse der Ertragslage liegt, unter Berücksichtigung
von Aspekten, die für die Analyse der Vermögensund Finanzlage von Bedeutung sind.24) Wie bereits
für die Bestimmungen der RechnungslegungsRL festgehalten, ist somit nicht über Umweltbelange an sich
zu berichten, sondern nur insofern, als diese wesentlich
und von Bedeutung für die Vermögens-, Finanz- und
Ertragslage eines Unternehmens sind. Haring/Fleischer
schlagen bspw die Bezugnahme auf eine WerttreiberLogik zur Identifizierung der berichtsrelevanten Leistungsindikatoren vor.25) Eine darüber hinaus gehende
Berücksichtigung weiterer Leistungsindikatoren – unbeschadet der grds Zulässigkeit freiwilliger Angaben
im Lagebericht – könnte demgegenüber iS einer Informationsüberfrachtung im Widerspruch zu den Grundsätzen der Lageberichterstattung stehen, zB jenem der
Klarheit und Übersichtlichkeit.26) Auch lässt sich da14) RL 2003/51/EG, Art 1 Abs 14 lit a.
15) § 243 Abs 2 und 5 UGB. Vgl zum Konzernlagebericht § 267 UGB,
insb Abs 2, wo derartige Angaben unabhängig von Größenklassen gefordert sind.
16) So zB AFRAC, Stellungnahme „Lageberichterstattung gemäß §§ 243,
243 a und 267 UGB“ (2009) Tz 46.
17) Für eine weite Fassung der Angabepflichten zB Maresch/Hadl in Bertl/
Mandl, Handbuch zum RLG (2007) B.III zu § 243 UGB/2.2.1.4.;
aA Egger/Samer/Bertl, UGB I14 508 f.
18) ErläutRV 677 BlgNR 22. GP 7.
19) Vgl Egger/Samer/Bertl, UGB I14 509.
20) Vgl AFRAC, Lageberichterstattung Tz 45.
21) Vgl AFRAC, Lageberichterstattung Tz 35 ff.
22) Vgl AFRAC, Lageberichterstattung Tz 20.
23) § 243 Abs 2 UGB.
24) Vgl KFS/PG 10, 5.
25) Vgl Haring/Fleischer, Lageberichterstattung gemäß UGB – Aufbruch
zu neuen Ufern, in Seicht, Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen (2009) 223.
26) Vgl zu diesen Grundsätzen zB AFRAC, Lageberichterstattung Tz 23.
Zum deutschen Rechtsrahmen und den vom DRS vorgesehenen
Grundsätzen Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss23 (2014)
ecolex 2015
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EUROPA
raus, dass § 243 Abs 5 UGB von den „wichtigsten
nichtfinanziellen Leistungsindikatoren“ im Gleichlauf
mit den „wichtigsten finanziellen Leistungsindikatoren“ in Abs 2 spricht, das Gebot der Wesentlichkeit
für die Berichterstattung ableiten, welche auf Grundlage der Regierungsvorlage zum ReLÄG 2004 wiederum an der Relevanz der nichtfinanziellen Leistungsindikatoren „für das Verständnis von Geschäftsverlauf,
einschließlich des Geschäftsergebnisses und der Lage
des Unternehmens“27) zu bemessen ist. Dies spricht
gleichsam gegen ein zu weit gehendes Verständnis der
möglichen Berichtsinhalte. Als Orientierungshilfe für
die Berichterstattung kann die vom IÖW 2008 veröffentlichte „Leitlinie zu wesentlichen nichtfinanziellen
Leistungsindikatoren, insbesondere zu Umwelt- und
ArbeitnehmerInnenbelangen, im Lagebericht“28) herangezogen werden. Die getätigten Angaben sind durch
den Abschlussprüfer entsprechend den allg Bestimmungen zur Prüfung des Lageberichts zu prüfen, wobei
die Prüfungshandlungen insb eine Beurteilung der Eignung der ausgewählten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren oder die Prüfung der Einhaltung der Berichtsgrundsätze umfassen können.29)
C. Fazit und Ausblick
Die jüngste Regulierung auf EU-Ebene zur Nachhaltigkeitsberichterstattung scheint dazu dienlich, die
Zahl der Nachhaltigkeitsberichte zu erhöhen. Dies
gilt auch hinsichtlich der in diesen abzudeckenden
Aspekte, zB hinsichtlich der „Auswirkungen“ der Unternehmenstätigkeit, und zu veröffentlichenden Leistungsindikatoren. Auf inhaltlicher Ebene ist demgegenüber kritisch anzumerken, dass die Gefahr eine
große ist, durch diese Regulierung zu einer weiteren
Heterogenität in der Berichterstattung beizutragen;
den Unternehmen wird durch (noch) fehlenden qualitativen Mindeststandards und der Möglichkeit, einer Vielzahl an Standards hierfür zu folgen, die sich
zB bzgl Inhalt und Zielgruppen unterscheiden, ein
weiter Handlungsspielraum hinsichtlich der Berichterstellung eröffnet. Auch ist hinsichtlich der Abgrenzung der berichtsrelevanten Informationen mit Spannungen zu rechnen zwischen den Anforderungen der
RL 2014/95/EU sowie dieser Standards – zB hinsichtlich des Bezugs zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens, auf welche diese EU-RL
noch immer ihren Fokus zu legen scheint.
Somit lässt sich zwar ein politischer Wille erkennen, dem Thema der Nachhaltigkeit in Unternehmen einen größeren Stellenwert in der Unternehmensberichterstattung beizumessen. Ein schlüssiges
Konzept, in welcher Form dies erfolgen kann bzw
wie nichtfinanzielle Leistungsindikatoren sinnvoll
mit Informationen aus Finanzberichten in Einklang
zu bringen sind, scheint demgegenüber noch ausständig. Dies geht wohl zulasten der (konzeptionellen) Gesamtqualität der veröffentlichten Unternehmensberichte. Aufgrund solcher Inkonsistenzen bereits hinsichtlich der schon bestehenden (EU-rechtlichen) Normen scheint es nicht verwunderlich, dass
schon heute Kritik hinsichtlich ihrer praktischen
Umsetzung geäußert wird: „Üblich sei die Erhebung
einzelner KPI und die Inselbetrachtung von Nach920
ecolex 2015
haltigkeitsthemen. Regelmäßig werde eine jährliche
Berichterstattung ohne unterjährige Steuerung vorgenommen.“30) Die dargestellten Neuregelungen
auf EU-Ebene tragen – unbeachtet weiterführender
Fragen im Hinblick auf ihre für den Jahreswechsel
2015/2016 zu erwartenden Umsetzung ins nationale
Recht – wenig zu einer Besserung bei. Die angesprochenen Problemfelder gelten über den Rahmen der
Umweltberichterstattung hinaus gleichsam für die
Berichterstattung über Arbeitnehmerbelange und
weitere Aspekte, die sich in der nunmehr erlassenen
EU-RL wiederfinden.
Eine an Bedeutung gewinnende Herausforderung
stellt schließlich die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten dar, die nicht Bestandteil des Lageberichts
sind. Dies bietet den Unternehmen die Möglichkeit,
einen erhöhten Grad an Glaubwürdigkeit zu signalisieren; insb für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften eröffnet sich ein neuer, potenziell lukrativer Markt.31)
Abhängig vom gewählten Standard für die Berichterstattung basiert diese Prüfung auf einer mehr oder weniger freiwilligen Basis. Aufgrund der Komplexität der
Prüfung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren oder
qualitativer Aussagen in diesen Berichten steht die
Qualität der Prüfung solcher Berichte in der Kritik;
diese umfasst ua Aspekte wie die oftmals fehlende
nachhaltigkeitsspezifische Fachkompetenz von (Wirtschafts-)Prüfern oder die notwendige Begrenzung der
Prüfung;32) insb eine Prüfung nach dem weit verbreiteten GRI-Leitfaden wird als wenig aussagekräftig erachtet.33) Hier stellt sich die Gefahr des Auftretens einer
Erwartungslücke im besonderen Maße.
27)
28)
29)
30)
31)
32)
33)
924; Nowotny in Straube, UGB II3 (2011) § 243 Tz 20. Ähnlich zB
die Ergebnisse bei Müller/Stawinoga, Empirische Analyse einer integrierten Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht, IRZ 2013,
157 (160); Aschauer/Fuhrmann, Das Potenzial nichtfinanzieller Leistungsindikatoren im Lagebericht, RWZ 2009, 190 (191).
ErläutRV 677 BlgNR 22. GP 6 f.
Vgl IÖW, Leitlinie zu wesentlichen nichtfinanziellen Leistungsindikatoren, insbesondere zu Umwelt- und ArbeitnehmerInnenbelangen,
im Lagebericht (2008).
Vgl KFS/PG 10, 7.
Hillmer, Offenlegung nicht-finanzieller Informationen, KoR 2014,
280 (282).
ZB KPMG, Handbuch zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (2013)
12.
Vgl Schmitz, Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten – Diskussion
und Erkenntnisse aus der Schweiz, IRZ 2014, 161 (162 ff).
Vgl Schmitz, IRZ 2014, 165.
SCHLUSSSTRICH
Die EU verabschiedete 2014 eine neue Richtlinie
zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, die innerhalb von zwei Jahren ins nationale Recht der Mitgliedstaaten umzusetzen ist. Sie
wirft konzeptionelle Fragen auf und stellt sowohl
die von ihr betroffenen Unternehmen als auch
den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer vor neue Herausforderungen.