Exit Beruf & leben Arbeiten im Ausland: Ein Traum, den viele Touristiker hegen. Die Wege dorthin sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie gehen. Das zeigen unsere beiden Beispiele. Susanne Regenberg Drew: Eine deutsche Reiseverkehrskauffrau, die mittlerweile im australischen Adelaide zu Hause ist. Und die Airlinerin Kimberley Long-Urbanetz: Eine Amerikanerin, die sich für ein Leben in Deutschland entschieden hat. Halb Australierin, halb Deutsche Die gelernte Reiseverkehrskauffrau susanne R egenberg Drew aus Berlin lebt und arbeitet seit 17 Jahren in Australien. mittlerweile verfügt sie über beide Staatsbürgerschaften. W er den australischen Kontinent bereist, kennt das Phänomen: Urlauber treffen in Restaurants, Cafés, Bars oder Unterkünften auf junge Deutsche, die dort arbeiten – und sei die Gegend noch so abgelegen. Seit es Work&Travel-Angebote gibt, mit deren Hilfe unternehmungs lustige Menschen unter 30 Jahren für eine bestimmte Zeit in Ländern mit res triktiven Aufenthalts- und Arbeitsbestimmungen wie Australien, USA, Kanada oder Neuseeland arbeiten und so ihre Reisekasse mit Jobs wieder aufbessern können, steigt aber nicht nur die Zahl der dort arbeitenden Europäer. Sondern auch die Zahl derer, die Deutschland ganz den Rücken kehren. Immer mehr verlieren während des ursprünglich nur als Auszeit gedachten Aufenthalts ihr Herz ans Land – oder an einen seiner Einwohner. So ähnlich war es auch bei Susanne Regenberg Drew. Die heute 44-Jährige ist im Osten Berlins groß geworden – und schon zu DDR-Zeiten leidenschaftlich gerne gereist; eben in jene Länder, die DDR-Bürger besuchen durften. Als dann 1989 die Mauer und damit die geltenden Reisebestimmungen fielen, machte die gelernte Kinderkrankenschwester ihr Hobby zum Beruf und ließ sich in diversen Hapag-Lloyd Reisebüros in Berlin zur Reiseverkehrskauffrau ausbilden. Nach ihrem Abschluss peilte sie eine Auszeit in Kanada an, landete aber 46 1997 mit Work&Travel erst einmal im südenglischen Bournemouth. Ihr Ziel: die durch ihre DDR-Vergangenheit nur begrenzt vorhandenen Englischkenntnisse polieren. Bei einem Wochenendtrip nach London schlug das Schicksal zu: In einer Backpacker-Unterkunft lernte sie Alex kennen, einen Australier. Weil dieser trotz diverser Bemühungen in Berlin beruflich nicht Fuß fassen konnte, legte Susanne ihre Unterkunft in der Dreier-Mädels-Wohngemeinschaft dort erst mal auf Eis, räumte alle Möbel in das kleinste der Zimmer – und ging mit Alex nach Australien. »Erst mal, um zu gucken«, sagt sie. Aus »erst mal« sind 17 Jahre geworden. Ihr Zimmer in Berlin hat sie schon lange aufgelöst. Und sich in Australien voll ins Arbeitsleben gestürzt. Vier Jahre arbeitete die Reiseverkehrskauffrau in Sydney bei ATS Pacific, einer Incomingagentur. 2001 heirateten Susanne und Alex, 2005 zog das Paar ins südaustralische Adelaide. Dort kam dann auch der gemeinsame Sohn Louis zur Welt. In der südaustralischen Metropole fasste Susanne schnell wieder beruflich Fuß. Sie arbeitet heute für die South Australian Tourism Commission (SATC) und organisiert Events für den touristischen Vertrieb. Australien ist schon lange ihre zweite Heimat geworden. Trotzdem denkt sie manchmal wehmütig an Deutschland. »Ich vermisse Berlin«, sagt sie. Außerdem deutsche Wälder, Wiesen und 15.5.2015 travel.one Beruf & leben Exit Nachgefragt kimberley long-urbanetz aus Kalifornien kam 1989 nach Deutschland Neugierig, weltoffen, positiv: Kimberley Long-Urbanetz hat sich schon immer für andere Länder und Kulturen begeistert. Dass sie Kalifornien verlässt, war für ihre Eltern dennoch eine Überraschung. Den ausschlaggebenden Impuls lieferte ihr letztes Studienjahr an der Universität von Kalifornien in San Diego. Sie verbrachte viel Zeit mit Kommilitonen aus Europa, die ihre Reiselust schürten. Mit dem Studienabschluss in Communications (vergleichbar mit Betriebswirtschaftslehre) und Soziologie in der Tasche reiste die 23-Jährige dann durch die Alte Welt und ließ sich 1989 in Lübeck nieder. »Meine erste Adresse in Deutschland.« Sechs Monate lang fuhr sie täglich nach Hamburg und paukte am Goethe Institut die deutsche Sprache. »Dann hatte ich kein Geld mehr.« Also, auf ins Arbeitsleben. Ihr Einstieg war wegen der noch begrenzten Sprachkenntnisse kein klassischer für eine Studienabsolventin: In der ersten Festanstellung arbeitete sie als Krawattenverkäuferin im Hamburger Kaufhof. Nach eineinhalb Jahren wechselte sie zu einem Büroserviceunternehmen. Anschließend verkaufte sie Hardware für eine Computerfirma. »Eine humbling experience«, fasst die heute als Vice President Sales and Agency Seen. »Das gibt es so in dieser Form bei uns hier ja nicht.« Und klar, Eltern und Freunde fehlen. Deshalb pflegt sie ihre Kontakte – und legt Wert darauf, dass der mittlerweile neun Jahre alte Louis einen Bezug zu Deutschland hat. Meist telefoniert sie zweimal in der Woche mit den Eltern. »Louis fachsimpelt dann mit meinem Vater über die Fußball-Bundesliga«, sagt sie und lacht. »Er kennt alle deutschen Spieler und ist bestens über die Ergebnisse informiert.« Außerdem schaut sie mit ihm deutsche Dokumentationen. Und jeden Samstag besucht er travel.one 15.5.2015 Distribution bei Hahn Air tätige Managerin ihre Anfangszeit zusammen. Sie habe gelernt, mit fast nichts zu leben – und alles zu schätzen. Mit dem Einstieg in die Touristik ging es mit der Karriere aufwärts. Bei Delta Air Lines begann sie 1996 als Account Manager Baden-Württemberg und war zum Schluss Regional Manager in Frankfurt für Deutschland, Schweiz, Österreich und andere Länder wie etwa Rumänien. Dann arbeitete sie als Geschäftsführerin Vertrieb bei einem Caterer. 2011 trat sie bei Qantas als Regional Manager an, zum Schluss war sie für Kontinentaleuropa zuständig. Nachdem der Qantas-Flug in Frankfurt eingestellt wurde, wechselte sie 2014 zu ihrem heutigen Arbeitgeber. Warum aber wollte sie unbedingt nach Deutschland? »Ich finde, Deutschland ist im Blick auf andere Kulturen weltoffener; Amerikaner beschäftigen sich mehr mit ihrem eigenen Leben und vergessen manchmal, dass es noch eine andere Welt da draußen gibt«, erläutert die 49-Jährige. Die Kalifornierin mag Vielfalt und den Blick über den Tellerrand. »Das hat mir in Amerika immer gefehlt, auch wenn es sich natürlich dort gut leben lässt und ich viele polyglotte Freunde dort habe.« Sie sei dankbar, dass sie die Kombination aus beiden Welten leben dürfe. »Ich bin wunschlos glücklich.« Fehlt ihr denn nichts aus der alten Heimat? »Doch, aber neben der Familie sind das nur kleine Dinge«, sagt sie. Etwa »echtes mexikanisches Essen«. Oder die Möglichkeit, »Dim Sum« vom Chinesen um die Ecke zu holen. In ihrer Heimatstadt San Francisco, »eine der tollsten Städte der Welt«, sei der asiatische Einfluss präsenter als in Deutschland. Und natürlich vermisse sie manchmal die Lockerheit der Amerikaner. Sie sei aber in Deutschland »extrem vielen guten Menschen begegnet«. Und hier wolle sie erst mal auch bleiben. Tanja Franke die deutsche Schule. Derzeit lebt zudem für ein halbes Jahr die Tochter einer Hamburger Freundin bei der Familie. Susanne fühlt sich wohl in Adelaide. Und trotzdem: So vor drei Jahren habe sie plötzlich Heimweh bekommen, erzählt sie. Deshalb erwog die Familie damals ernsthaft, nach Europa zu ziehen. Nach London, weil Alex nicht gut genug Deutsch spricht, um in Deutschland arbeiten zu können. »Aber dann hätte ich wieder neu anfangen müssen.« Die Familie entschied sich für Australien. Und Susanne hat diese Entscheidung nicht bereut. Denn sie schätzt vieles an ihrer neuen Heimat. »Wenn ich in Berlin bin, vermisse ich die Weite – und den blauen Himmel, der hier irgendwie immer blauer ist.« Außerdem gefällt ihr das Lebensgefühl. »Die Menschen sind zufriedener, freundlicher und toleranter.« Die Kehrseite: »Manchmal vermisse ich deutsche Ehrlichkeit«, sagt sie. »So richtig aufrichtige Diskussionen und deutliche Kritik, das machen nur meine deutschen Freunde.« Aber auch darauf muss sie nicht verzichten: »Unsere engsten Freunde hier in Adelaide stammen aus Deutschland.« Tanja Franke 47 47 47
© Copyright 2024 ExpyDoc