Das schwarze Wasser

Das schwarze Wasser
von Roland Schimmelpfennig
Materialien zur Inszenierung von Katharina Kreuzhage
Empfohlen ab 14 Jahren
Fächer: Geschichte, Philosophie
Liebe Lehrerinnen und Lehrer,
DAS SCHWARZE WASSER entstand als Auftragsarbeit für die Frankfurter Positionen und
wurde
vom
derzeit
meistgespielten
Gegenwartsdramatiker
Roland
Schimmelpfennig
geschrieben. Roland Schimmelpfennig zieht den Leser mit seiner melodischen, dichterischen
Sprache in den Bann und schafft es relevante Themen mit einer ergreifenden Geschichte zu
verbinden. Um sowohl der besonderen Sprache Schimmelpfennigs als auch den Themen die im
Stück verarbeitet sind gerecht zu werden, haben wir für Sie eine möglichst vielfältige
Materialmappe zusammengestellt. Texte die zu Diskussion anregen, Spiele die das Verständnis
für Unterschiede in Kulturen fördern, Interviews und Auszüge vom Autor selbst und für die, die
auf den Geschmack gekommen sind, eine Liste von Sekundärliteratur zum weiteren Schmökern.
Alle versammelten Texte und Spiele, dienen Ihnen dazu, den Stoff ganz praktisch für
Schüler/innen erfahrbar zu machen. Neben der Materialmappe bieten wir auch stückbegleitende
Workshops sowie spezifische „Text und Thema“-Workshops für Gruppen oder Ihre Klasse als
ergänzendes Vermittlungsformat an. Des Weiteren ist eine Podiumsdiskussion rund um die im
Stück aufkommenden Themen, geplant – Wenn Sie Interesse haben, erreichen Sie uns per Mail
unter: [email protected]
Ihr Theaterpädagogik-Team des Theater Paderborn – Westfälische Kammerspiele GmbH
Nächste Premiere im Großen Haus: ANTIGONE von Sophokles; Premiere am 07.05.2016,
empfohlen ab 14 Jahren
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Besetzung
Marlene-Sophie Haagen
Willi Hagemeier
Beate Leclercq
Kirsten Potthoff
Stephan Weigelin
Denis Wiencke
Alexander Wilß
Carolin Wirth
Statisterie
Matthias Köster / Annette Seidel-Rohlf / Markus Weskamp
Regie
Katharina Kreuzhage
Bühne und Kostüme
Silke Pielsticker
Musikalische Einrichtung
Denis Wiencke
Tim Albrecht
Dramaturgie
Anne Vogtmann
Dramaturgische Mitarbeit
Nicki Liszta
Regieassistenz
Marie-Sophie Dudzic
Inspizienz
Robert Stark
Technischer Leiter
Klaus Herrmann
Bühnenmeister
Paul Discher
Michael Bröckling
Beleuchtungsmeister
Hermenegild Fietz
Ton & Video
Martin Zwiehoff
Requisite
Annette Seidel-Rohlf
Kristiane Szonn
Leitung Kostümabteilung
Edith Menke
Maske
Ramona Foerder
Jill Brand
Premiere: Samstag, 27.02.2016 / 19:30 Uhr im Großen Haus
Dauer: ca. 70 Minuten
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Inhalt
Zum Autor und der Entstehungsgeschichte des Stückes
Biographische Informationen zu Roland Schimmelpfennig
Seite 6
Zum Stück: Schriftliche Fragen an Roland Schimmelpfennig
von Tilman Neuffer
Seite 7 - 8
Mark Terkessidis: „Geschichte von der Giraffe und dem Elefanten.“
Seite 10
Migration – Eine Begriffliche Vorklärung
Seite 11 - 12
Ja und Nein –
Vorlesungen über Dramatik von Roland Schimmelpfennig
Seite 14
DAS SCHWARZE WASSER – theateraktiv
Zusammenstellung verschiedener Übungen
Seite 16 - 28
Sekundärmedienpool: Literatur / Filme
Impressum
Seite 29
4
„In deinen Augen liegt
der Himmel,
in den wir tauchen,
in jener Nacht
Und ohne dich,
bleibt nichts davon zurück,
Und ohne dich
wird nichts davon bleiben,
nichts als Dunkel
bleibt nichts zurück als Dunkel.“
Auszug aus Roland Schimmelpfennig: „Das schwarze Wasser“
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Zum Autor und der Entstehungsgeschichte des Stückes
DAS SCHWARZE WASSER entstand als Auftragsarbeit für das Nationaltheater Mannheim im
Rahmen der Frankfurter Positionen. Die Frankfurter Positionen sind ein interdisziplinäres Festival
mit Konzerten, Theater, Ausstellungen und Performances. In einem etwa zweijährigen Turnus
werden Künstler sowie Referenten gebeten, mit ihren neuen Arbeiten oder ihren Beiträgen bei
der begleitenden Vortragsreihe eine Positionsbestimmung zu dem sich vollziehenden
gesellschaftlichen Wandel und zu den Veränderungen in der Lebenswelt zu formulieren. Die
Frankfurter Positionen initiieren so einen kontinuierlichen kreativen Prozess mit dem Ziel, neue
Sichtweisen und soziale Phantasie zu entwickeln.
Roland Schimmelpfennig, der Autor des Stückes, geboren 1967 in Göttingen, ist der
meistgespielte Gegenwartsdramatiker Deutschlands. Er studierte, nach einem längeren
Aufenthalt als Journalist in Istanbul, Regie an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Seit
1996 arbeitet er als freier Autor, seit 2000 schreibt er Auftragsarbeiten für das Deutsche
Schauspielhaus Zürich, das Deutsche Theater Berlin, das Schauspielhaus Bochum und andere.
2010 erhielt er den Mülheimer Dramatikerpreis für sein Stück Der goldene Drache.
„Roland Schimmelpfennig ist der führende deutsche Dramatiker.“ (Frankfurter Rundschau)
Quelle: http://www.fischertheater.de/autor/Roland_Schimmelpfennig/14575
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Anlässlich der Uraufführung von DAS SCHWARZE WASSER am Nationaltheater Mannheim gab
Roland Schimmelpfennig Tilman Neuffer, dem zuständigen Dramaturgen des Nationaltheaters
Mannheim, ein schriftliches Interview. Dabei ging es unter anderem um die Inspiration für das
Stück, die Roland Schimmelpfennig vorrangig aus eigenen Erfahrungen bezieht. Themen der
modernen Gesellschaft, wie Migration, Integration und die Schere zwischen Arm und Reich,
werden mit einer Geschichte über eine Nacht in der durch den Zauber der Liebe, der sich allen
Gegensätzen und vorgegebenen gesellschaftlichen Strukturen entzieht, verbunden.
Zum Stück: Schriftliche Fragen an Roland Schimmelpfennig von Tilman Neuffer
Was für eine Rolle spielte für Sie beim Schreiben die Themenstellung der Frankfurter Positionen
„Brücke zwischen den Welten“?
„Brüche zwischen den Welten“ – das war der Auftrag, und ich mag (manchmal) klare
Themenstellungen. Sich mit dem Thema der „hybriden Gesellschaft“ auseinanderzusetzen,
bedeutet, erzwingt eine Auseinandersetzung mit vollkommen unterschiedlichen, scheinbar
unvereinbaren Polen unserer Gesellschaft.
Gab es darüber hinaus einen konkreten Schreibanlass, eine zugrunde liegende Geschichte?
Oder anders gefragt: Wie finden Sie Ihre Geschichten?
Die Geschichten, die ich erzähle, sind nicht immer Geschichten meiner Vergangenheit oder
Gegenwart, aber ja, es gibt, oder gab das Schwimmbad, die Roxy Bar. Es gab oder gibt die
Freunde mit „Migrationshintergrund“, aus der Türkei, aus dem Iran und aus anderen Ländern.
Ich habe beim Schreiben des Textes DAS SCHWARZE WASSER nicht auf andere Materialien
zurückgegriffen, nicht einmal auf das Internet. Mein Text montiert parallele Lebensweisen von
einheimischer angesessener Oberschicht und eingewanderter Unterschicht in einer Großstadt
wie zum Beispiel Frankfurt oder Berlin, wobei das Stück aber weder in Frankfurt noch in Berlin
spielt. Der Text bezieht sich auf klassische Ausländerviertel, (in Berlin wären dies Kreuzberg, die
Gegend um das Kottbusser Tor), die Kebab-Buden, sowie auf Vorstadtvillen (in Berlin wären das
Dahlem, Zehlendorf).
Das Stück verbindet verschiedene Handlungsstränge mit unterschiedlichen Zeitebenen. Zentral
ist die Geschichte einer „magischen Nacht“, in der Jugendliche mit unterschiedlichem
gesellschaftlichem Background verbotenerweise in ein Schwimmbad einsteigen, und in der alle
gesellschaftlichen Determinanten außer Kraft gesetzt werden. Wie wichtig ist Ihnen dieser
utopische Moment?
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Schon der Begriff „gesellschaftliche Determinanten“ löst bei mir nahezu reflexhaft einen akuten
Bedarf an Utopie aus. Die Nacht im Schwimmbad ist eine Nacht im Paradies.
Anstatt sich zu prügeln, kommen Jugendliche miteinander über den Zustand der Gesellschaft ins
Gespräch: Sie sei eine Chimaira, d.h. eine janusköpfiges Wesen, dessen zwei Köpfe, obwohl
aufeinander angewiesen, nicht zusammen kommen können. Teilen Sie diese pessimistische
Analyse?
Man braucht kein Pessimist zu sein, um zu konstatieren, dass das Thema Integration in
Deutschland, ganz vorsichtig ausgedrückt, ein Riesenproblemfeld ist. Neulich stand es gerade
wieder in der Zeitung: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Schon lange. Gott sei Dank.
Aber in den Köpfen ist Deutschland gleichzeitig alles andere als ein Einwanderungsland. Ein
Land des Nichtreinlassen und des Nichteinlassens, der Angst und des gegenseitigen
Misstrauens, des Neids und der Verachtung und der Isolation. Wir reden über Ausländer und
nicht über Einwanderer.
Eine Frau und ein Mann, Leyla und Frank, treffen sich nach 20 Jahren wieder. Einst verband sie
eine Amour fou, jetzt ist sie allein und er verheiratet. Glauben Sie, dass manche Menschen für
einander bestimmt sind?
Ja – das glaube ich. Oder so etwas Ähnliches. Bestimmung klingt nach Vorbestimmung,
Schicksal, Gott. Soweit würde ich nicht gehen. Umso trauriger ist es, wenn diese Menschen
dann nicht zusammen kommen können.
Das „narrative Theater“, dem Sie sich seit vielen Jahren verschrieben haben, lädt die Zuschauer
zu einer Phantasiereise ein: Diese Erzählweise kann Welten, Orte und Zeiten, sowie
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem Atemzug zusammenziehen. Was ist für Sie die
ideale Theatersituation?
In meiner Vorstellung ist die ideale Theatersituation die, in der man das Geräusch der fallenden
Stecknadel hört. In der man die Nadel fallen sieht. Oder in der man sieht, dass die Nadel gleich
fallen wird. Ob ich sie wirklich höre, sehe oder ob mir jemand auf der Bühne davon erzählt, wie
die Nadel gerade fällt, das spielt dabei keine Rolle: ich sehe und höre sie trotzdem.
Quelle: Programmheft zur Uraufführung von Roland Schimmelpfennigs „Das schwarze Wasser“ am Nationaltheater Mannheim: „Zum
Stück: Schriftliche Fragen an Roland Schimmelpfennig von Tilman Neuffer“, Originalbeitrag .
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„Wir brauchen keine toten Sprachen,
wir brauchen eine neue Sprache“
Auszug aus Roland Schimmelpfennig: „Das schwarze Wasser“
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Eine Geschichte, die im Kern einen einfachen Lösungsweg für eine Vielfältige Gesellschaft bereit
hält und gedankliches Futter bietet für eine Diskussion wie gelungene Integration im Alltag
aussehen könnte.
Geschichte von der Giraffe und dem Elefanten
Die Giraffe hat ein Haus, das auf die Bedürfnisse einer Giraffe abgestellt ist, und hat auch schon
mal einen Preis
bekommen für das
schönste Giraffen‐Haus
des
Jahres. Irgendwann sieht sie
auf der Straße den Elefanten vorbeilaufen und denkt: Ach, den kenne ich vom Elternabend, den
lade ich mal zum Kaffee ein. Dann kommt der Elefant, steht vor der Tür, die lang und schmal ist.
Man kann aber wenigstens
noch die Flügeltür öffnen, der Elefant tritt ein und danach ist er
natürlich der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. Er stößt Vitrinen um, weil er durch die
Durchgänge nicht durchpasst, will die Treppe hoch, die bricht ein, bis es der Giraffe irgendwann
so richtig reicht und sie meint: Also, wenn du jetzt vielleicht öfter hier her kommen willst, solltest
du dringend mal eine Diät machen. Und sie empfiehlt ihm als
Mittel für diese Diät das
Ballett.
Der Elefant wiederum sagt: Wenn wir beide zusammen in einem Haus
leben würden, wäre es
natürlich die Aufgabe, das Haus
umzubauen. Und das
ist der entscheidende Gedanke: Dass
man das
Haus
umbauen muss. Bezogen auf die Individuen und ihre unterschiedlichen
Hintergründe und ihre unterschiedlichen Voraussetzungen. Und das
Haus
umbauen, das
befreit einen möglicherweise davon, Integration als lästige Bürde zu sehen, sondern das
Haus
umbauen – „Mach
dein Ding!“ – ist
ja
auch
immer
eine kreative
Aufgabe.
Quelle: Mark Terkessidis: „Geschichte von der Giraffe und dem Elefanten.“ Auszug aus: M.T., Vortrag auf der Jahreskonferenz der
Dramaturgischen Gesellschaft, Freiburg Januar 2011, online
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Ein kurzer aufschlussreicher Text, der einen Einstieg bietet die Begriffe Migration und Integration
zu verstehen.
Migration – Begriffliche Vorklärung
Allgemein ist unter Migration eine längerfristige Verlagerung des Lebensmittelpunktes von
Individuen oder Gruppen zu verstehen, unabhängig davon, ob dieser Wechsel freiwillig oder
erzwungen
erfolgte.
Wohnortwechsel
Prinzipiell
innerhalb
ist
eines
zu
unterscheiden
Nationalstaates,
zwischen
und
Binnenmigration,
internationaler,
dem
d.
h.
grenzüberschreitender Migration, die im Mittelpunkt dieses Kapitels steht. Bei der Frage nach
den Migrationsmotiven wird allgemein nach Push- und Pull-Faktoren unterschieden (Han 2000:
13). Als Push-Faktoren werden Umstände bezeichnet, die im Herkunftsland ihre Ursachen haben
und Migrationsdruck entstehen lassen, wie z. B. instabile politische Verhältnisse, Krieg und
Verfolgung,
schlechte
Arbeitsmarktchancen,
widrige
Lebensbedingungen
oder
Umweltzerstörung. Pull-Faktoren hingegen haben eine Sogwirkung und stehen für die
Attraktivität
des
Aufnahmelandes,
beispielsweise
durch
gute
Arbeitsmarkt-
oder
Ausbildungschancen, ein hohes Lohnniveau, stabile politische Verhältnisse oder Religionsfreiheit.
In der Regel entstehen Migrationsprozesse nicht nur durch einzelne Faktoren, sondern durch
eine Kombination verschiedener Push- und Pull-Faktoren. Migration wurde lange Zeit als eine
Einbahnstraße angesehen, die vom Herkunftsland in das Aufnahmeland führt und nicht mehr
zurück. Doch heutzutage erleichtern die modernen Kommunikationsmedien und die gesunkenen
Reisekosten die Pflege der Beziehungen zum Herkunftsland und ermöglichen es den
Migrantinnen und Migranten, sich zwischen zwei Kulturen zu bewegen, ohne sich für eine
entscheiden zu müssen. Dadurch entstehen "transnationale Räume", d. h. Sozialräume jenseits
von Nationalgesellschaften (Pries 2008).
Integrationsverläufe
Auch bezogen auf die Integration wurde lange Zeit davon ausgegangen, dass diese nur in eine
Richtung verläuft. Den traditionellen Integrationstheorien liegt die Annahme zugrunde, dass
Integration ein Prozess ist, in dessen Verlauf sich die Eingewanderten an die
Aufnahmegesellschaft anpassen und sich schließlich assimilieren, d. h. vollständig in der
Aufnahmegesellschaft aufgehen. Dies war jedoch nicht der Fall. Vor allem in deutschen
Großstädten veränderte sich die Bevölkerungs- und Sozialstruktur erheblich. Dabei
konzentrierten sich die Zugewanderten häufig in nur wenigen Stadtteilen oder Straßenzügen.
Anfang der 1980er-Jahre sollte mit dem Konzept der "multikulturellen Gesellschaft" die
dauerhafte Niederlassung der ausländischen Bevölkerung anerkannt und der kulturellen
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Diversifizierung Rechnung getragen werden. Nach dieser Vorstellung leben Menschen im Ideal
so zusammen, dass trotz unterschiedlicher Sprache, Abstammung oder Religion niemand
ausgegrenzt oder diskriminiert wird (Schulte 1990). Allein die Anerkennung der Multikulturalität
einer Gesellschaft überwindet jedoch keine Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt oder
Segregation in den Städten. Kritiker werfen diesem Ansatz vor, die bestehenden Konflikte zu
verschleiern, sie sehen ihn als trügerische Vision einer klinisch konfliktfreien Gesellschaft und
somit als wirklichkeitsferne Projektion eines besseren Lebens (vgl. zu dieser Diskussion
Leggewie 1993:154).Aufgrund der Konzentration ausländischer Arbeitskräfte am unteren Ende
der Arbeitsmarkthierarchie, den geringen Bildungschancen ausländischer Kinder und der
zunehmenden räumlichen und sozialen Segregation wurden Zugewanderte auch als ethnische
Minderheiten betrachtet (Heckmann 1992) bzw. im Kontext einer entstehenden städtischen
Unterklasse gesehen. Für diese Sichtweise sprach auch die sich verstärkende gesellschaftliche,
sozialstaatliche, politische und soziale Schließung.
Quelle: http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138008/begriffliche-vorklaerungen
12
„Bald wird die Sonne aufgehen,
in einer oder in zwei Stunden,
und dann wird alles anders sein.“
Auszug aus Roland Schimmelpfennig: „Das schwarze Wasser“
13
Die folgenden Texte sind Auszüge aus Roland Schimmelpfennigs 2014 veröffentlichtem Band mit
Vorlesungen seiner Saarbrücker Poetik-Dozentur für Dramatik. In den Texten wird die
Arbeitsweise von Roland Schimmelpfennig thematisiert und erklärt.
Ja und Nein – Vorlesungen über Dramatik von Roland Schimmelpfennig
1.7.
In den letzten zwanzig Jahren hat sich die deutsche Dramatik besonders in einem Punkt markant
verändert: in Bezug auf die „Rolle“. Es findet in der modernen Theater-Literatur bisweilen die
Abschaffung der Rolle statt, und daran habe und hatte auch ich meinen Anteil, denn ein Stück
wie Vorher/Nachher, oder auch Für eine bessere Welt und andere, Das fliegende Kind, Der
goldene Drache und der eben zitierte Idomeneus gehen nicht immer in traditioneller Weise mit
der Rolle, der Figur um.
ABER, und das ist ein großes ABER – die Figur ist im Grunde nicht abschaffbar. Denn: Solange
es Individuen gibt, wird es Geschichten und damit Charaktere geben – aber nicht mehr
unbedingt Rollen.
Alles andere – das Theater ohne Geschichte – ist eine oft sprach- und theorieverliebte
Sackgasse, die meist nur dann reizvolle Ausblicke gibt, wenn die Schauspieler, die keinen
Charakter zu spielen haben, so individuell sind, dass man von ihrer Kraft und ihrer Verletzlichkeit
so fasziniert ist, als habe man es mit einer Theaterfigur zu tun.
3.5.
Inzwischen wimmelt es in meinen Texten von Dingen und Inhalten, die auf dem Theater des
reinen Dialogs keine Chance hätten. Außerirdische, Monster und, und, und. Durch die
Erzählung/Beschreibung bleiben sie unsichtbar und fangen dennoch an, im Kopf des
Zuschauers zu existieren. Aus diesem Grund wird das Theater immer schneller sein als das Kino,
dessen Budgets in der Bebilderung von Dingen verpuffen, die man sich ebenso gut vorstellen,
erzählen kann.
Im Theater wird aus dem Erzähler ein Spieler. Ein Spielender. Aus dem Spielenden kann ein
Erzähler werden. Vielleicht erzählt er, dass er spielt oder andersherum. Die Grenzen verwischen.
Quelle: Roland Schimmelpfennig: „Ja und Nein, Vorlesungen über Dramatik.“ Verlag Theater der Zeit, Recherchen 107, Berlin 2014
14
„Bildung ist alles, sagt Frank,
das sagt Franks Vater immer,
der arbeitet im Innenministerium.“
Auszug aus Roland Schimmelpfennig: „Das schwarze Wasser“
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DAS SCHWARZE WASSER – theateraktiv, für Schulklassen und Gruppen ab 14 Jahren
Als Einstieg für theaterpädagogische Spiele und Übungen empfehlen wir, dass Sie mit Ihren
Schüler/innen vorher ein „Warm-Up“ machen. Das Internet kann dafür als Inspiration für eine
Vielzahl kleiner, auflockernder Wahrnehmungsübungen zu Körper und Stimme, dienen. Wenn
Sie dennoch Fragen dazu haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Zugänge zum Stücktext
a) Kreatives Sprechen
 Voraussetzung ist, dass der Stücktext bekannt ist
 als Heranführung gut geeignet
 fördert die Kreativität im Umgang mit dem Text
 für eine komplette Klasse gut geeignet
 benötigt wird ein größerer, freier Raum
Kreatives Sprechen
Die Gruppe wird in Subgruppen von 3 bis 5 Schülern unterteilt und jede Gruppe bekommt
denselben Textauszug aus dem Stück. Der Textauszug sollte nicht länger als 2 Seiten sein und
ein klares Ende und ein klaren Anfang haben. Vorbereitend auf die Übung werden Formen und
Techniken der Textpräsentation besprochen.
Mögliche Techniken:
Chorisches Sprechen – Pausen – Stimmvolumen – Geräusche imitieren – Gleichzeitiges
Sprechen von verschiedenen Abschnitten – Wiederholungen einbauen – Verfremdungen der
Stimme – Position der Sprecher im Raum – Emotionen vermitteln mit der Stimme…
Die Schülergruppen haben dann die Aufgabe den Text durchzulesen und sich Gedanken zu einer
kleinen Textpräsentation zu machen. Ziel der Textpräsentation ist es den Inhalt des Textauszuges
dem Publikum erfahrbar zu machen.
Nachdem alle Gruppen Ihren Textauszug präsentiert haben, kann besprochen werden welche
Techniken besonders wirksam waren. Diese Übung dient auch als Einstieg für ein Gespräch
über die besondere Sprache von Ronald Schimmelpfennig.
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Textauszüge zum „Kreativen Sprechen“
1)
Still,
wie unberührt,
das schwarze Wasser,
und auf dem Wasser liegen,
in der Nacht, die Sterne –
nah
und fern,
und still,
wie unberührt
seit ewig
und für immer.
2)
seine Frau fragt:
Was ist geschehen?
Wo warst du?
Der Mann sagt:
Ich –
Ich-,
sagt der Mann,
aber er weiß nicht,
wie er den Satz zu Ende bringen soll –
Was ist mit dir,
Du bist völlig nass Der Mann sagt:
Ich habe –
ich habe jemanden getroffen.
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3)
bevor die Schwimmer
sich schlagen,
im Wasser strampelnd,
bevor sie
gurgelnd und einander würgend untertauchen,
bis einer nicht mehr hochkommt,
kein Mond
und keine Sterne mehr auf dem Wasser,
nur noch schwarz,
nur noch Finsternis,
bevor all das geschehen kann,
sagt ein Mädchen,
oder sagt eine junge Frau,
Leyla,
das hier gehört allen
oder niemandem –
4)
ich bin der letzte Abkömmling,
flüstert Frank Leyla zwanzig Jahre früher
zu
am Rand des schwarzen Wassers,
auf dem die Sterne liegen –
nah und fern
und still
wie unberührt
seit ewig und für immer Ich bin der letzte Abkömmling,
einer langen, langen
langen Ahnenreihe
von Nachtwächtern
bis hin zurück
zu Rembrandt,
und ich bin
die Ururururururururenkelin, sagt sie,
des ersten und größten und bärtigsten
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Bademeisters
aller Zeiten,
Khair ad-Din, kurz Barbarossa,
Herr der Meere,
in meinen Adern
fließt das Wasser des Bosporus
und des Goldenen Horns,
5)
Sie küssen sich,
lieben sich,
sie tauchen
miteinander
in eine Welt
ohne Sprache,
ohne Vergangenheit
in eine Welt,
in der nichts zählt,
als die Luft in deinen Lungen,
in der nichts zählt
als die Zeit,
die dir zum Atemholen bleibt,
und dann schreibt er ihr später,
in deinen Augen liegt
der Himmel.
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Gespräche zum Inszenierungsbesuch
Steht der Theaterbesuch an, so fordern Sie Ihre Schüler/innen dazu auf, sich folgende Fragen
während der Rezeption des Stückes zu stellen.
 Inszenierungsvorbereitend: Was fällt mir bei Bühnenbild und Kostümbild auf? Wie ist die
Spielweise der SchauspielerInnen? Agieren sie naturalistisch oder eher abstrakt und
überzeichnet? Wie wurde mit dem Text umgegangen? Verstehe ich den Text? Was
spricht mich an der Inszenierung an, was nicht? Was bewegt mich an der Inszenierung
oder bewegt sie mich überhaupt?
 Inszenierungsnachbereitend:
Überprüfen
Sie
in
der
Gruppe
die
inszenierungsvorbereitenden Fragen auf ihre Inhalte. Was fällt den Schülern zu den
Fragen ein?
Übungen zu Themen des Stücks
a) Diskussionsspiel „Was wäre, wenn...?“
 Thema: Migration nach Deutschland, Auseinandersetzung mit multikultureller
Gesellschaft
 Zeit: circa 45 Minuten
 Zielgruppe: Kleingruppen von ca. 3-Jugendlichen ab 16 Jahren
 Material: Für jede Gruppe die Kärtchen „Was wäre, wenn...?“
Die Kärtchen liegen verdeckt auf dem Tisch. Ein/e MitspielerIn der/die als ModeratorIn fungiert,
nimmt einen Zettel, liest ihn laut vor und gibt ihn einer/m MitspielerIn seiner/ihrer Wahl, der die
Frage mit unterschiedlichen Einfällen beantwortet. Die Person, die die Fragen beantwortet, hat
die Wahl zwischen 3 Rollen, die sie als Interviewter einnehmen kann.
1. Person mit eher nationalistischen Ansichten und Staatsvorstellungen
2. Neutrale Person
3. Asylsuchende Person, die abgeschoben werden soll oder abgeschoben wurde
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Zwischen- und Nachfragen sind ausdrücklich erwünscht. Nach dem Statement des/der
Erzählenden geben nun alle aus der Runde ihr Feedback zu den Vorschlägen. Beim Feedback
geht es nicht um Kritik, an den gespielten Rollen, sondern die aufgekommenen Themen sollen
zur Diskussion anregen und nicht auf die Person bezogen werden, die die Rollen gespielt haben.
Es sollte bei der Feedbackrunde darauf eingegangen werden, welche Klischees in die Antwort
miteingeflossen sind: In wie weit stimmen sie mit der Realität überein? Handelt es sich um reine
Vorurteile?
Wenn alle SpielerInnen an der Reihe waren, zieht der/die Erzählende dieser Runde ein neues
Kärtchen, liest es vor und gibt es weiter.
Hilfreiche Feedback-Anfänge:
– Ich fand deine Schilderung interessant, weil...
– Ich hatte das Gefühl bei deiner Schilderung, dass...
– Ich möchte kritisieren, dass...
– Mir fehlt bei deinen Einfällen...
– Als erstes fällt mir dazu ein: ...
– Mir gefiel nicht so gut, dass...
– Mich persönlich hat vor allem angesprochen...
– Sehr wichtig fand ich, dass du...
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Beispielkärtchen zu: Was wäre, wenn...?
Was wäre, wenn...
... von heute auf morgen alle
MigrantInnen Deutschland
verlassen müssten?
Was wäre, wenn...
... der Euro wieder abgeschafft
würde?
Was wäre, wenn...
... das Reisen in andere Länder
so eingeschränkt würde, dass
dies nur noch alle drei Jahre
möglich wäre?
Was wäre, wenn...
... du in ein fremdes Land
ausreisen müsstest?
Was wäre, wenn...
Was wäre, wenn...
... du Integrationsbeauftragte/r
... morgen alle Staatsgrenzen
der Bundesregierung wärst?
abgeschafft würden?
Was wäre, wenn...
Was wäre, wenn...
... alle Asylsuchenden in
... du plötzlich merken würdest,
Deutschland völlig
dass deine Umgebung sich
unproblematisch Aufnahme
abweisend und ablehnend dir
finden würden?
gegenüber verhält?
Was wäre, wenn...
Was wäre, wenn...
... aus arbeitsmarktpolitischen
... du mit jemandem, dessen
Gründen in Deutschland das
Sprache du nicht sprichst, deine
Beantragen einer Arbeitserlaubnis
Wohnung teilen müsstest?
auch für Deutsche zur Pflicht
würde?
Was wäre, wenn...
... alle Menschen der Welt nur
noch eine Sprache sprechen
würden?
Quelle: http://anderscool.de/public/documents/themenheft_WA_Endfassung.pdf
22
Was wäre, wenn...
... du von deinen Eltern für ein
Jahr auf eine Schule nach
Großbritannien geschickt
würdest?
b) Rollenspiel „Moonies meet Sunnies“
 Thema: Heimat und Identität, Sensibilisierung für kulturelle Unterschieden
 Gruppengröße: 15 – 20 Personen
Die Klasse wird in zwei Gruppen (Kulturen) geteilt. Jede erhält die Anweisungen für die eigene
Kultur (entweder Moonies oder Sunnies). Sie bekommen 10 - 15 Minuten Zeit, sich diese
Eigenschaften anzueignen.
Dann wird nacheinander jeweils die andere Kultur als „Zuschauer“ besucht. Dabei darf nur
beobachtet, nicht aber gesprochen werden. Es sollen möglichst viele kulturelle Eigenheiten
erkannt werden. Nach dem gegenseitigen Besuch, treffen sich alle zur Diskussion.
Hilfen für die Diskussion:
 Welche Kulturstandards wurden erkannt?
 Wie wurde die andere Kultur empfunden?
 Wie ist es jedem einzelnen/ jeder einzelnen Gruppe beim Vorspielen bzw.
 Beobachten ergangen?
 Welche Gefühle kamen auf? Warum kamen wohl diese Gefühle auf?
Die Kultur der Moonies
1.
Moonies begrüßen andere, indem sie sich gegenseitig die Haare raufen und fest in die
Augen sehen.
2.
Moonies stehen auf einem Bein.
3.
Moonies zeigen ihre Erheiterung, indem sie sich am Ohr zupfen, aber niemals durch
Lachen.
4.
Moonies stehen ihrem Gegenüber ständig so nahe, dass sie dessen Geruch
wahrnehmen können.
5.
Moonies deuten niemals mit der Hand auf etwas, sondern stets mit dem Kinn.
6.
Moonies sagen „ja“, indem sie mit der flachen Hand vor ihrem Gesicht hin- und
herwedeln.
7.
Moonies sagen „nein“, indem sie sich mit der Faust auf die Brust klopfen.
8.
Moonies äußern ihre Missbilligung durch ein lautes „ga-gaa“ (nach oben gehende
Betonung auf der 2. Silbe).
23
Die Kultur der Sunnies
1.
Sunnies begrüßen andere mit einer Verbeugung aus zwei Metern Entfernung.
2.
Sunnies wenden während des Sprechens das Gesicht vom Gegenüber ab und nähern
sich nur auf zwei Armlängen.
3.
Sunnies betonen bei jeder Frage das letzte Wort durch größere Lautstärke. Jede andere
Betonung wird als Beleidigung empfunden.
4.
Sunnies zeigen Freude und Erheiterung durch Umschlingen des eigenen Körpers – und
sie sind oft erheitert.
5.
Sunnies deuten niemals mit der Hand auf etwas, sondern nur mit den Lippen.
6.
Sunnies sagen „ja“, indem sie sich mit der flachen Hand auf die Stirn klopfen.
7.
Sunnies sagen „nein“, indem sie den Kopf zurückwerfen und mit der Zunge schnalzen.
8.
Sunnies zeigen ihre Missbilligung durch versteinertes Stehenbleiben.
Quelle: http://anderscool.de/public/documents/themenheft_WA_Endfassung.pdf
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c) Ein Schritt nach vorn
 Thema: Diskriminierung, Auseinandersetzung mit Diskriminierung aufgrund von
persönlichen Merkmalen; Förderung von Empathie
 Zeit: circa 60 Minuten
 Gruppengröße: 10 – 30 Personen
 Material: Rollenkarten, ein offener Platz (Korridor, großer Raum oder Gelände im Freien),
sanfte/entspannende Musik
Durchführung
1. Schaffen Sie mit ruhiger Hintergrundmusik eine entspannte Atmosphäre. Oder bitten Sie
einfach um Ruhe.
2. Geben Sie jeder Person wahllos eine Rollenkarte, welche sie für sich behalten und
niemandem zeigen sollte.
Hinweis: Mehrere Personen können die gleiche Rollenanweisung erhalten. Für die
Reflexion ist es später interessant, wenn diese unterschiedlich weit gekommen sind.
Nachfragen, weshalb es zu solchen Unterschieden kommen kann.
3. Alle setzen sich hin (am besten auf den Boden) und lesen ihre Rollenkarte.
4. Nun bitten Sie die Teilnehmenden, sich in die Rolle hineinzuversetzen. Um ihnen dabei zu
helfen, lesen Sie einige der folgenden Fragen laut vor. Machen Sie nach jeder Frage eine
Pause, damit alle Zeit haben, sich ein Bild von sich selbst und ihrem Leben zu machen:
1) Wie war Ihre Kindheit? In was für einem Haus haben Sie gewohnt? Was für
Spiele haben Sie gespielt? Was haben Ihre Eltern gearbeitet?
2) Wie sieht Ihr Alltag heute aus? Wo treffen Sie sich mit Ihren Freund/innen? Was
machen Sie morgens, nachmittags, abends?
3) Wie sieht Ihr Lebensstil aus? Wo leben Sie? Wie viel verdienen Sie im Monat?
Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Was machen Sie in den Ferien?
4) Was finden Sie aufregend und wovor fürchten Sie sich?
5. Bitten Sie dann die Teilnehmenden, ganz still zu sein und sich nebeneinander in einer
Reihe aufzustellen (wie an einer Startlinie).
6. Erklären Sie, dass Sie nun eine Liste von Situationen und Ereignissen vorlesen werden.
Jedes Mal, wenn sie auf eine Aussage mit „Ja“ antworten können, sollen sie einen Schritt
nach vorn machen. Wenn nicht, sollen sie bleiben, wo sie sind, und sich nicht bewegen.
7. Lesen Sie die Situationen eine nach der andern vor. Machen Sie danach jedes Mal eine
Pause, damit die Teilnehmenden ihre Schritte nach vorn machen und sich umsehen
können, wie sie im Vergleich zu den anderen stehen.
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8. Am Ende sollen sich alle ihre Schlussposition vergegenwärtigen. Dann geben Sie ihnen
ein paar Minuten Zeit, aus ihrer Rolle zu schlüpfen, bevor sie im Plenum
zusammenkommen.
Rollenkarten zu „Ein Schritt nach vorn“
Sie sind eine arbeitslose, allein erziehende
Sie sind Soldat bei der Bundeswehr und
Mutter.
leisten Ihren Wehrdienst.
Sie sind die Tochter des örtlichen
Sie sind ein arabisches Mädchen
Bankdirektors. Sie studieren
muslimischen Glaubens und leben bei Ihren
Wirtschaftswissenschaften an der Universität.
strenggläubigen Eltern.
Sie sind ein behinderter junger Mann, der an
Sie sind eine 17-jährige Roma, die die
den Rollstuhl gefesselt ist.
Grundschule nicht abgeschlossen hat.
Sie sind eine Prostituierte mittleren
Sie sind ein 24-jähriger Flüchtling aus
Alters und HIV-positiv.
Afghanistan.
Sie sind ein arbeitsloser Lehrer in
Sie sind Vorsitzende einer parteipolitischen
einem Land, dessen neue Amtssprache Sie
Jugendorganisation (deren
nicht fließend beherrschen.
„Mutterpartei“ jetzt an der Macht ist).
Sie sind 22 Jahre alt und lesbisch.
Sie sind ein illegaler Einwanderer aus Mali.
Sie sind der Sohn eines chinesischen
Sie sind die Tochter des amerikanischen
Einwanderers, der einen gut gehenden
Botschafters des Landes, in dem Sie jetzt
Schnellimbiss betreibt.
leben.
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Sie waren Arbeiter in einer Schuhfabrik und
Sie sind der 19-jährige Sohn eines Bauern in
sind jetzt in Rente.
einem abgelegenen Dorf in den Bergen
Sie sind die Freundin eines jungen,
Sie sind ein obdachloser junger Mann und 27
heroinabhängigen Künstlers.
Jahre alt.
Sie sind Inhaberin einer erfolgreichen Import-
Sie sind ein Model und kommen aus Marokko.
Export-Firma.
Situationen und Ereignissen
Lesen Sie die folgenden Aussagen laut vor. Machen Sie danach jedes Mal eine Pause, damit die
Teilnehmenden ihre Schritte nach vorn machen und sich umsehen können, wie sie im Vergleich
zu den anderen stehen.

Sie haben nie in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten gesteckt.

Sie leben in einem bescheidenen Haus mit Telefon und Fernsehen.

Sie haben das Gefühl, dass Ihre Sprache, Religion und Kultur in der Gesellschaft, in der
Sie leben, respektiert werden.

Sie haben das Gefühl, dass Ihre Meinung über soziale und politische Fragen eine Rolle
spielt und dass man Ihnen zuhört.

Andere Menschen holen zu verschiedenen Problemen Ihren Rat ein.

Sie haben keine Angst, in eine Polizeikontrolle zu geraten.

Sie wissen, wohin Sie sich wenden können, wenn Sie Rat und Hilfe brauchen.

Sie hatten nie das Gefühl, dass Sie aufgrund Ihrer Herkunft diskriminiert werden.

Ihre sozialen und medizinischen Bedürfnisse werden ausreichend abgedeckt.

Sie können einmal im Jahr verreisen und Urlaub machen.

Sie können Freunde und Freundinnen nach Hause zum Essen einladen.

Sie haben ein interessantes Leben und sind zuversichtlich, was Ihre Zukunft betrifft.

Sie haben das Gefühl, Sie können studieren und Ihren Wunschberuf ergreifen.

Sie haben keine Angst, auf der Straße oder in den Medien belästigt oder angegriffen zu
werden.

Sie können bei nationalen und kommunalen Wahlen Ihre Stimme abgeben.
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
Sie können die wichtigsten religiösen Feste mit Ihren Verwandten, Freunden und
Freundinnen feiern.

Sie können an einem internationalen Seminar im Ausland teilnehmen.

Sie können mindestens einmal pro Woche ins Kino oder ins Theater gehen.

Sie haben keine Angst um die Zukunft Ihrer Kinder.

Sie können mindestens alle drei Monate einmal neue Sachen zum Anziehen kaufen.

Sie können sich verlieben, in wen Sie wollen.

Sie haben das Gefühl, dass Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten in der Gesellschaft, in der
Sie leben, Anerkennung finden.

Sie haben Zugang zum Internet und profitieren davon.
Quelle: http://anderscool.de/public/documents/themenheft_WA_Endfassung.pdf
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Sekundärmedienpool
Bücher
Nikolaus Frei: „Die Rückkehr der Helden. Deutsches Drama der Jahrhundertwende (19942001)“, Tübingen 2006
Stefan Tigges (Hg.): „Dramatische Transformationen: Zu gegenwärtigen Schreib- und
Aufführungsstrategien im deutschsprachigen Theater“, Bielefeld 2008
Christine Laudahn: „Zwischen Postdramatik und Dramatik: Roland Schimmelpfennigs
Raumentwürfe“, Tübingen 2012
Roland Schimmelpfennig: „Ja und Nein. Vorlesungen über Dramatik“, Berlin 2014
Essays/ Artikel
Roland Schimmelpfennig: „Wie man über Theaterstücke schreibt“
http://www.tagesspiegel.de/kultur/roland-schimmelpfennig-wie-man-ueber-theaterstueckeschreibt/1500042.html
Andreas Vierecke: „Leitkultur? Multikultur? Interkultur!“
http://www.goethe.de/lhr/prj/daz/mag/igd/de7010205.htm
Filme
Andreas Kleinert: „Die Frau von früher“, Deutschland 2013.
 eine Verfilmung des erfolgreichen Theaterstückes von Roland Schimmelpfennig
Impressum
Herausgeber Theater Paderborn – Westfälische Kammerspiele GmbH
Intendanz und Geschäftsführung Katharina Kreuzhage
Vorsitzender des Aufsichtsrates Michael Dreier
Redaktion Dramaturgie & Theaterpädagogik
Gestaltung Theaterpädagogik
Fotos Theater Paderborn / Christoph Meinschäfer
Förderer der Theater Paderborn Westfälische Kammerspiele GmbH
Stadt Paderborn / Kreis Paderborn / Ministerium für Familie, Kinder, Jugend und Sport des Landes NRW / Theaterfreunde e.V.
Quellen
Auszüge aus Roland Schimmelpfennig: „Das schwarze Wasser“, erschienen 2014 im S. Fischer Verlag. (Rechte: © 2014 S. Fischer
Verlag Frankfurt am Main)
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