Die Grüne und die Schwarze

Grünes Paradies Im Garten
der Aargauer Regierungsrätin
Susanne Hochuli, 49, fühlt sich
auch Flüchtlingsfrau Marcelina
Gomes, 31, zu Hause.
Schweizer Illustrierte, 21.08.2015
Leben auf der Veranda Am Tisch
plaudert Marcelina Gomes mit
Susanne Hochuli und deren Mutter
Frieda, während sich Bruna, 9, und
Ismael, 4, zusammen mit Nachbarskindern in die Hängematte fläzen.
Die Grüne und
die Schwarze
Seit zwei Jahren wohnt bei der grünen Regierungsrätin
SUSANNE HOCHULI eine Flüchtlingsfamilie aus Angola.
Das ganze Quartier kümmert sich um die Integration von
MARCELINA GOMES und deren Kindern.
SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 55
C
TEXT PHILIPP MÄDER
FOTOS KARL-HEINZ HUG
humm,
bibibibibi!
Chumm, bibibibibi!»
Bruna, 9, und Ismael, 4,
rufen den Hühnern.
Sie wollen ihnen Salat
füttern. Und schauen, ob sie schon
Eier gelegt haben. Die Nachbarskinder rennen herbei. Und passen
auf, dass Hündin Mira, 6, keine
Hühner jagt.
Im Garten der Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli, 49,
geht es bunt zu und her. Die
Hühner sind braun und weiss,
die ­Kinder auch. Seit zwei Jahren
wohnt Familie Gomes im Haus
der grünen Politikerin. Mutter
Marcelina, 31, ist mit den Kindern aus Angola geflohen. «Mein
Mann wird dort politisch verfolgt,
die Polizei sucht ihn», erzählt
sie. Ein Pfarrer habe ihr bei der
Flucht geholfen. In der Schweiz
ist sie vorläufig aufgenommen.
«Nur Gott weiss, ob wir hier bleiben können.»
Hochuli ist seit sechs Jahren
Aargauer Regierungsrätin, zu­stän­­dig für das Asylwesen. Der Aargau
sorgt immer wieder für Schlagzeilen. In Bettwil wehren sich die
Bauern mit Traktoren g
­ egen eine
Asylunterkunft, in Aar­burg grillieren die Einwohner aus Protest,
weil ihre Gemeinde noch mehr
Asylsuchende aufnehmen muss.
Dass Hochuli in dieser angespann­
ten Stimmung eine Wohnung in
ihrem Haus an Asyl­suchende vermietet, sorgte vor zwei Jahren
ebenfalls für Kritik: «Mit dieser
PR-Aktion kassiert sie Miete, und
sie nimmt genau jene Asylsuchen­
den auf, die niemanden stören»,
meinte SVP-Grossrat Andreas
Glarner, einer der schärfsten Kritiker von Hochuli.
Im Garten von Hochulis Haus
in Reitnau AG, direkt an der
Grenze zum Kanton Luzern, ist
die Politik weit weg. Die Kinder
fläzen sich in die Hängematte,
56 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE
Frauenrunde
Susanne
Hochuli und
Marcelina
Gomes
im Garten
mit Bruna, 9,
und den
Nachbars­
mädchen
Ayana, 6, und
Shayenne, 4 (r.).
die Pferde stehen im Schatten
hinter dem Haus, die Sonnenblumen blühen. Die grosse Frage an
diesem Vormittag lautet: Wird
Marcelina Gomes die anstehende
Deutschprüfung bestehen? Zurzeit geht sie fünfmal in der Woche
zum Unterricht nach Aarau.
Die Sprache ist der erste
Schritt zur Integration. Ebenso
wichtig ist die Arbeit. Susanne
Hochuli vermietet Gomes nicht
nur die Wohnung in ihrem Haus,
sie hat sie auch angestellt. «Ich
schneide den Rasen, arbeite im
Haushalt», erzählt Gomes. «Susanne zahlt mir dafür 25 Franken
die Stunde, das ist gut.» Nach
bestandener Deutschprüfung will
Gomes noch eine weitere Stelle
suchen. Hochuli sagt: «Man muss
bei den Bauern stüpfen, dass
sie vermehrt im Land lebende
Flüchtlinge anstellen.»
Nicht nur Hochuli, auch deren
Mutter Frieda, 79, kümmert sich
um die Familie aus Angola. Bruna
geht in Reitnau in die dritte Klasse, dafür muss sie Zahlenreihen
üben. «Wie viel gibt neun mal
sieben?», fragt Frieda Hochuli.
Bruna denkt nach. Im zweiten Anlauf weiss sie die Antwort: «63!»
Auch Nachbarin Nadja Tobler, 37, hat Susanne Hochuli in
das Netzwerk rund um die Fa­
milie Gomes eingebunden. Wenn
Marcelina im Deutschunterricht
ist, schaut Tobler zu den Kindern. Und nimmt sie mit in die
Badi Entfelden. «Es ist wichtig,
dass Bruna schwimmen lernt»,
sagt Hochuli. Schweizerdeutsch
spricht das Mädchen bereits, als
ob es im Aargau geboren wäre.
Doch die Integration hat ihre
Tücken. Hochuli stellt Gomes
ein Stück ihres Gartens zur Verfügung, damit sie hier Kartoffeln
und Kohl anbauen kann. Gomes’
Begeisterung allerdings hält sich
in engen Grenzen. «Das ist nicht
so mein Hobby», sagt sie. «Susanne, nächstes Jahr will ich keinen
Im Hühnerstall Bruna, 9, und ihr kleiner Bruder Ismael, 4, holen die Eier.
«Ich schneide den Rasen, arbeite
im Haushalt. Susanne zahlt mir 25 Franken
die Stunde, das ist gut»
MARCELINA GOMES, 31
eigenen Gemüsegarten mehr.»
Schliesslich hatte sie in Angola
auch keinen Garten. Sie lebte in
der Hauptstadt Luanda, nicht auf
dem Land. «Für mich ist das in
Ordnung», meint Hochuli. «Dann
haben wir mehr Platz für Blumen.» Und fügt dann doch hinzu:
«Auch wenn es mich natürlich
dünkt, es wäre günstiger, das Gemüse selbst anzubauen, als es
zu kaufen.»
Bei anderen Fragen hingegen
ist Hochuli strikt. Zum Beispiel
bei der Abfalltrennung. Gomes
lacht schon, wenn sie nur das
Thema hört: «Abfall so, Papier so,
Glas so», imitiert sie Hochuli. «Da
versteht ihr Schweizer keinen
Spass.»
Überhaupt lacht Gomes viel
und herzlich – trotz Gartenarbeit
und Abfalltrennung. Hat sie in
diesem hintersten Winkel des
Aargaus ihr persönliches Paradies gefunden? Gomes sagt: «Susanne ist ein Geschenk von Gott.»
Und: «Die Schweiz ist ein gutes
Land.» Und: «Ich will nicht zurück nach Angola.» Trotzdem
fehlen ihr die Menschen aus
ihrer Heimat, die portugiesische
Sprache. Und Gomes beobachtet
­genau, wie die Schweizerinnen
und Schweizer im Bus auf sie
­rea­gieren. «Es gibt hier Menschen,
die keine Schwarzen mögen.»
Auch Susanne Hochuli wird
nicht von allen im Aargau geliebt.
Im Gegenteil. Die Kritik der bürgerlichen Parteien an der grünen
Regierungsrätin nimmt parallel
zu den steigenden Zahlen der
Asylbewerber zu. «Frau Hochuli
muss sich ein Vorbild am Kanton
Luzern nehmen», sagt der Aargauer SVP-Präsident Thomas
Burgherr. «Und wie Luzern in
Bern Druck machen, damit weniger Asylbewerber in die Schweiz
kommen.»
Die Kritik geht nicht spurlos an
Hochuli vorbei. Sie erzählt von
ihrem Vater René Hochuli, der in
den 80er-Jahren als Präsident der
Kleinbauern-Vereinigung mas­
siven Drohungen ausgesetzt war,
einmal gar einen Kälberstrick zugeschickt erhielt, um sich damit
aufzuhängen.
1989 starb René
Umstrittener
­Hochuli an Krebs. «Ich bin überVater Wie
Tochter Susanne zeugt, dass seine Krankheit mit
heute war
der ständigen Kritik zu tun hatte»,
René Hochuli
sagt seine Tochter. «Auch wenn
in den 80erer sich nie anmerken liess, wie
Jahren Kritik
sehr sie ihn traf.»
aus­gesetzt.
Als KleinbauernSusanne Hochuli würde ebenPräsident
falls nie zugeben, wie sehr sie
lancierte er
die Kritik an ihrer Politik trifft.
mit DennerUnd doch wirkt sie heute müder
Chef Karl
als beim Amtsantritt. Wird sie
Schweri eine
bei
den Regierungsratswahlen
Volks­initiative.
2016 wieder kandidieren? «Das
entscheide ich, wenn es so weit
ist», sagt sie zögernd. Einen Vorteil hätte der Verzicht aufs Amt:
Die ehemalige Biobäuerin fände
wieder Zeit, ihr Gemüse selber
an­zubauen.
---------«Eritreer schotten sich ab» Die Warnung
von Regierungsrätin Susanne Hochuli: S. 58
SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 57
«Eritreer schotten sich ab»
Die Aargauer Regierungsrätin SUSANNE HOCHULI warnt: In manchen
Gemeinden entstehe eine Parallelgesellschaft von Eritreern. Das führe zu Problemen –
etwa in den Schulen. Und die Sozialhilfe mache Flüchtlinge lethargisch.
F
INTERVIEW PHILIPP MÄDER
FOTO KARL-HEINZ HUG
Das reicht nie. Es braucht mindestens viermal so viel Geld.
rau Hochuli, Sie erleben Lassen sich die Menschen aus
bei der Familie aus Ango­ ­Eritrea überhaupt integrieren?
la, die in Ihrem Haus lebt, Tatsächlich haben wir Probleme
wie aufwendig Integra­ mit jungen Männern, die in der
tion ist. Macht Ihnen das Schweiz alles bezahlt bekommen
keine Angst, wenn Sie an die mehr und deshalb hier im Vergleich
als 2000 Eritreer denken, die pro zu ihrem Heimatland relativ gut
Monat in die Schweiz kommen?
leben. Da müssen wir eine aktive
Doch, das macht mir Angst. Mit Mitwirkung an der Integration
dem heutigen System können wir fordern. Aber auch die Schweizediese Eritreer nicht integrieren. rinnen und Schweizer müssen
Der Bund zahlt pro Flüchtling sich stärker an der Integration
6000 Franken an die Integration. von Flüchtlingen beteiligen.
Zeltstadt
­Regierungsrätin
Hochuli bringt in
Aarau Asyl­suchende
im Zelt unter –
als erster Kanton
der Schweiz.
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Was passiert, wenn diese Integration nicht gelingt?
Sobald die Eritreer ihren Wohnsitz frei wählen können, ziehen
sie dorthin, wo bereits ihre Landsleute leben. Im Aargau ist das
­etwa Aarburg sowie Ober- und
Unterkulm. Dort entsteht eine
Parallelgesellschaft von Eritre­
ern, die sich von uns abschotten
und die man kaum erreichen
kann. Das muss besser werden.
Verstehen Sie den Unmut dort?
Ja. Für diese Gemeinden ist es
eine Belastung, wenn immer
­
mehr Eritreer zuziehen. Es gibt
dort tatsächlich Probleme. Etwa
in den Schulen, weil diese Flüchtlinge oft erst alphabetisiert und
angeleitet werden müssen, wie
wichtig Ausbildung ist. Manche
von ihnen macht die Sozialhilfe
langfristig lethargisch, verbunden mit einer Anspruchshaltung.
Wie lässt sich das ändern?
Es ist richtig, dass der Bund die
Verfahren für Asylsuchende aus
Eritrea nicht prioritär behandelt,
um nicht noch weitere Menschen
von dort anzuziehen. Trotzdem:
Eigentlich müsste die Integration
möglichst schnell beginnen – auch
mit fordernden Massnahmen. Diese Menschen müssen erst arbeitsmarktfähig werden. Denn so, wie
sie hierherkommen, finden Eritreer in der Schweiz keine Arbeit.
Luzern und Schwyz fordern, dass
Eritreer kein Asyl mehr erhalten
sollen. Was denken Sie?
Ich finde es gefährlich, wenn
diese Kantone Eritrea plötzlich
als sicheres Land bezeichnen –
nur weil die Unterbringung von
Flüchtlingen von dort grössere
Anforderungen stellt. Offenbar
hat Luzern mehr Informationen
als der Rest der Welt.
PANE RUSTICO
20
Prozent mehr
Asylsuchende
Seit Anfang
Jahr haben über
15 000 Personen
in der Schweiz
ein Asylgesuch
gestellt. Das
sind 20 Prozent
mehr als im Vorjahr. Mit knapp
6000 Gesuchen
steht Eritrea an
der Spitze.
Sind die Eritreer echte Flüchtlinge?
Mir liegen keine Informationen
vor, dass der Bund das geltende
Asylrecht nicht korrekt anwenden
würde.
Macht er das wirklich?
Er muss. Das ist mein Anspruch.
Sie scheinen nicht gerade überzeugt, dass der Bund das Gesetz
wirklich richtig umsetzt.
Ich weiss es nicht. Der Bund
macht, was er kann.
Die Aargauer SVP will Druck auf
den Bund machen, dass er die Grenzen stärker kontrolliert. Unterstützen Sie das?
Die Migration von gegenwärtig
50 Millionen Menschen können
wir so nicht aufhalten. Der Bund
muss mit den Herkunftsländern
über Rückkehrprogramme und
Entwicklungshilfe verhandeln. Mit
Eritrea ist das aber schwierig. 
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