1922-Reiseführer durch unsere Gegend

Untervazer Burgenverein Untervaz
Texte zur Dorfgeschichte
von Untervaz
1922
Reiseführer durch unsere Gegend
Email: [email protected]. Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/dorfgeschichte erhältlich. Beilagen der Jahresberichte „Anno Domini“ unter
http://www.burgenverein-untervaz.ch/annodomini.
-21922
Iwan von Tschudi
Der Tourist in der Schweiz nebst Grenzgebieten. Reisetaschenbuch von Iwan
von Tschudi. III Band Ostschweiz. Zürich 1922. Seite 430-431.
Reiseführer durch unsere Gegend
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S. 430: Landquart (Bahnrestaurant, H. Landquart, gut), 526 m., mit grosser
Reparaturwerkstätten der meterspurigen Rhätischen Bahn, die von hier
einerseits nach Davos und anderseits, erst links dann rechts der S.B.B. Linie
entlang verlaufend nach Chur (und von da weiter ins Oberland und Engadin)
führt.
Vorbei an dem ehemaligen Landsitz Russhof mit ausgedehnten
Gebäulichkeiten, der vom letzten Besitzer R. A. Planta 1895 dem Kanton
Graubünden geschenkt wurde und unter dem Namen Plantahof als
landwirtschaftliche Schule betrieben wird, weiter eine Papierfabrik mit grosser
Wasserkraft, hinten am Fuss des Valzeinerberges aus einem Wald edelster
Obstbäume hervorragend das jüngst mit grossen Kosten renovierte Schloss
Marschlins, an den vier Ecken von spitzbehelmten Rundtürmen flankiert,
Stammsitz der Familie Salis-Marschlins, eines in der neuern Bündner
Geschichte viel genannten Geschlechtes. Nahe dabei Dorf Igis, 567 m., mit
schlankem Kirchturm.
Tritt, 1210 m. Oft gebrauchter Übergang von Igis steil durch das Tobel Val
Zygera (dt. Nebeltal) nach (2¼) Valzeina.
Schlund, 1373 m. Saumpass von Igis oder Zizers, siehe unten, über den
Sturnaboden nach (3) Valzeina
Zizers (Krone, gut), 564m., alter Marktflecken, mit zwei Salis'schen
Schlössern (darin St. Johannesstift, Erholungsheim für katholische Priester)
und Turmruine Friedau. Oben hoch ob dem Eingang ins Schlund-Tobel s. oben
die Ruine Falkenstein u. die breite Pyramide der Cyprianspitze, 1778 m. Gedeckte Rheinbrücke nach dem in romantischer Abgeschiedenheit liegende
Untervaz. Oberhalb auf einem Felshügel Ruine Neuenburg. 1/2 Stunde höher
Überreste des Schlosses Rappenstein. Links die schöne Sennerei Molinära des
Bischofs von Chur mit berühmtem Costamser Wein, darob auf einem Felskopf
Trümmerreste von Ruch-Aspermont (der uralte romantische Schlossturm,
Jahrhunderte lang eine Zierde der Gegend, stürzte im April 1878 ein).
Zwischen wilden Rüfen, die es oft mit Verheerung bedrohen, thront stolz
Trimmis (rom: Termin), 648 m. 3½ Stunde oberhalb Trimmis die schöne
Fürstenalp, 1782 m, wo sich das alpine Versuchsfeld der eidg.
Samenkontrollstation von Zürich befindet (Klubisten finden dort freundliche
Aufnahme, 2 Zimmer und Heulager).
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Der Besuch der Hochwangkette ist von da bis zum Teufelskopf, 2482 m.,
schwierig. Nachher leichte, herrliche Gratwanderung über Hochwang, 2535m.,
Rotkorn, 2358 m., Fadeur, 2062 m., nach Scära, 1720m., von wo Strässchen
über Furna an die Prätigauer Linie. - Oder vom Teufelskopf östlich weiter über
Bleisstein, 2477 m., Kunkel, 2418 m., Mattlishorn, 2464m.,
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nach Fondei ob Langwies. An mehreren Orten hat man Gelegenheit, ins
Prätigau oder Schanfigg abzusteigen. - Nach Valzeina über Stams S.438.
Rechts das Dorf Haldenstein mit dem neuern, noch bewohnten Schloss
Haldenstein der Familie Salis (noch im vorigen Jahrhundert eine unabhängige
Baronie) mit schönen Schnitzereien, und auf einer fast senkrechten Fels-
S. 431: wand Liechtenstein (Stammburg der Fürsten von Liechtenstein), etwas weiter
auf einem isolierten Felsen turmartige Reste des alten Schlosses Haldenstein,
im 12. Jh. erbaut (einst 7 Stockwerk hoch, mit Gewölben, Burgverlies und
Folterkammern versehen), und höher an einer Felswand die angeblichen
Überreste des Schlosses Grottenstein.
Calanda, 2808 m., 6¾ Stunden, schöner bequemer Alpweg durch Wald zur
(4¾) Calanda-Hütte S.A.C., 2080 m., in prächtiger Lage (Siehe S .437). Von
da nach Westen auf gutem Pfade unschwierig zum Haldensteiner Calanda oder
"Weibersattel", 108 m. höher als der süd-westlich von der Hütte sich
erhebende mühsamere Felsberger Calanda oder "Männersattel". Prächtige
Fernsieht (Panorama von Jenny).
Der Calanda zeigt sich rechts imponierend, in der Tiefe des Vorderrhein-Tales
Piz Tumbif (Brigelserhorn), Piz Urlaun u. Piz Tgietschen (Oberalpstock).
Links Masans und die kantonale Irrenanstalt. Schöner Anblick der
Hochwangkette. An hübschen Landsitzen vorbei zum Bahnhof von Chur.
S. 434:
Graubünden.
Mit 7184 Km. (mehr als 1/6 der Schweiz) der grösste Kanton voll
klimatischer Gegensätze. Produktiver Boden, besonders viele Alpweiden, 3852
K. (das ist 53,6 %). Mit 119'854 Einwohner. (16,7 auf den Km.) der
schwächst bevölkerte Kanton, starke italienische Einwanderung. - Reformierte
51 %, Katholiken 49%. Deutschsprachige 49 %, Rätoromanen 36 %,
Italienische Sprache 14%. Rätoromanisch sind noch: das Oberland bis hinunter
nach Ems (ausgenommen Obersaxen) mit dem romonschen Dialekt, das Gebiet
des Hinterrheins, einschliesslich Schams und Ferrera, das Oberhalbstein und
ein grosser Teil des Albulatales, das Engadin und Münstertal (ohne das
tirolerdeutsche Samnaun) mit dem ladinischen Dialekt. Im Pogebiet (Misox
und Calanca, Bergell und Puschlav) wird italienisch gesprochen.
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Die ältesten bekannten Einwohner, die Rhätier, welche in den vielen (an die
150) Tälern selbständige Volksgemeinden bildeten, lebten besonders von
Vieh- und Bienenzucht, in besseren Lagen auch von Ackerbau. Oft
unternahmen sie Raubzüge nach den fruchtbareren Gebieten von Oberitalien
und Helvetien. Nur mit Mühe gelang es den Römern, die es auf die guten
Pässe vom Comersee, Splügen, Septimer, St. Bernbardin und Julier abgesehen
hatten, sie 15 vor Chr. zu unterwerfen. Die Sprache der römischen Eroberer
vermischte sich mit der verwandten, aber älteren Sprache der einheimischen
Rhätier zum Rätoromanischen. Beim Zerfall des römischen Reichs kam
Rhätien zuerst unter die Ostgoten (493), dann unter die Franken (537). Chur,
die Bischofsstadt, war Sitz eines Zivilstatthalters oder Präses. Seit Karl dem
Grossen (806) erscheint Churrätien als ein Herzogtum (von 916 bis zum
Erlöschen der Hohenstaufen, im Jahre 1256 Alemannien einverleibt).
Allmählich entstanden aber eine Menge weltlicher und geistlicher
Herrschaften, die grösste, die des Bischofs umfasste im 14. Jh. die Stadt Chur
und die Talschaften Domleschg, Oberhalbstein, Oberengadin, Münstertal,
Puschlav, Bergell u.a. Mächtig waren auch die Herren
S. 434: von Vaz, Rhäzüns, Belmont, Sax, Werdenberg usw. Daneben erwuchs ein
freies Geschlecht in den Walserkolonien von Rheinwald, Vals, Safien,
Obersaxen, Avers, Mutten, Davos, Klosters, Langwies, Wiesen-Schmitten u.a.
Der Bischof neigte zum Hause Österreich hin. Da vereinigten sich seine
politischen Gegner (das Domkapitel. der bischöfliche Dienstadel, die Stadt
Chur und die zum "Gotteshaus" gehörenden Täler) im Jahre 1367 zum
Gotteshausbund, um die Selbständigkeit des Bistums zu schützen. 1395
entstand zu gegenseitigem Rechtsschutz (zwischen Abt und Gemeinde von
Disentis, den Herren von Rhäzüns und Sax und der Talschaft Lugnez) der
"Obere oder Graue Bund" 1424 unter dem Ahorn zu Truns erweitert. Nach
dem Tode des letzten Grafen von Toggenburg traten im Jahre 1436 die "Zehn
Gerichte", die er in der Herrschaft, im Prätigau, in Davos, Schanfigg und
Churwalden besessen hattet zum Schutz vor den Folgen einer Erbteilung
zusammen. Seit 1471 hielten diese drei Bünde gemeinsame Beratungen auf
dem Hof Vazerol bei Lenz ab, und seit 1497 verbanden sie sich mit den
Eidgenossen. 1499 erfolgte im Schwabenkrieg der ruhmvolle Sieg an der
Calven. Die Adelsburgen wurden gebrochen, 1512 das Veltlin erobert.
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Aus der wegen der Reformation eingetretenen kirchlichen Spaltung
entwickelte sich eine politische: eine österreichisch-spanische (katholische)
und eine französisch-venezianische (protestantische) Partei, wodurch fremde
Heere ins Land kamen und es aussogen. Erst Jürg Jenatsch (gest. 1639)
vermochte die Unabhängigkeit Graubündens wieder herzustellen. 1798 Abfall
des Veltlins, 1803 endgültiger Anschluss an die Eidgenossenschaft.
Graubünden verdankte im Mittelalter einen gewissen Wohlstand dem stark
blühenden u. hochentwickelten Gewerbe der Säumerei über seine Pässe,
zurückgegangen infolge des Baues der Gotthardbahn, aber ersetzt durch den
überaus regen Fremdenverkehr und durch den Bau des rhätischen
Schmalspurbahnnetzes. Musterhafte kantonale Wegmarkierung (weiss-rotweiss) über alle Pässe.
S. 437: Calanda, 2808 m. Mineralisch und botanisch interessant. 6¾ Std. von
Haldenstein über meistens vorzügliche Alpen auf schattigem schönem
Saumweg bis zum
S. 438: (4¼) Sennenstein, 1976 m., an der Haldensteiner Alp, dann über Rasen zur
Klubhütte, 2084 m. Aussicht bei Abendbeleuchtung wundervoll, besonders auf
das Parpaner Rothorn (dahinter die Oberhalbsteinergipfel), Sulzfluh und
Scesaplana. Im Zickzack teilweise über Geröll hinauf. Über Schutt und einige
Grasköpfe, dann durch ein gut gangbar gemachtes Kamin hinab und leicht zum
Gipfel. Überraschende Aussicht (Panorama v. Jenny). - Ersteigung von Vättis
mühsam, steil und zum Teil durch Legföhrengebüsch, etwas leichter von
Pfäfers über St. Margrethenberg.
Internet-Bearbeitung: K. J.
Version 06/2008
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