Sch l ac ht hof APR MAI La g e r h a u s 16 Freizeit JAZZAHEAD! Überbordende Vielfalt Heinz Strunk Ein Elend, alles Isolation Berlin Aus den Wolken tropft die Zeit f ü r S t a d t k u l t u r HASS WUT ZORN Der Umgang mit einem schwierigen Gefühl The m a Ha l b z e i t w i s s e n Fre i z e i t Früher war mehr lametta inhalt Thema 08 Andr e Di t t m a n n lebt Musik. Seine DNA hat sich irgendwo zwischen Black Sabbath und Grunge eingependelt. Jüngst veröffentlichte seine Band Monolith mit ›Mountains‹ ihr zweites Album, ein Monster aus Stoer und Psychedelic Rock. Als Beruf gibt er an: Monokausalitätsassistent. Monolith steht für? Hass Wut Zorn 10 Warum Psychedelic Stoner Rock und kein Punk oder Indie? Weil wir den Sound der runtergestimmten Gitarren lieben und Krach bevorzugen, der vom Blues inspiriert ist. 10 Kulturelle Kurznachrichten 11 Das Seelenheil braucht laut und leise Porträt: Tanja Jahnz | Gudrun Goldmann 12 Cleo auf dem Dach | Elke Marion Weiß 13 Kommentar | Benjamin Moldenhauer Freizeit Och, muss ich mich da entscheiden? Wie beurteilst du die Bremer Musikszene im Allgemeinen? Eine Tortour voller Vergnügen … Auf verranzten Fussböden pennen und altes Toastbrot mit Zwiebelmett essen ist jetzt nicht so geil, wenn man über 16 ist und das kommt leider immer noch vor. Der Abend auf der Bühne aber entschädigt für alles! Das ist einfach das fetteste Ding auf der Welt! Egal wieviel Leute da sind, ob 12 oder 800. Wenn das Publikum abgeht, kickt das unglaublich! Jetzt musst du mir eine Frage stellen … Werden wir beim ersten Bremer Mudhoney Konzert seit 24 Jahren im Juli im Lagerhaus in der ersten Reihe stehen und zusammen ›Touch Me I’m Sick‹ gröhlen? Von meiner Seite spricht nichts dagegen. War früher mehr Lametta? Definitiv! Der letzte deutsche Lametta-Produzent Riffelmacher & Weinberger hat 2015 die Produktion eingestellt! Opa Hoppenstedt würde sich im Grabe umdrehen! Int e rv i ew: S ean - Pat r i c B r au n ist. Dazu müssen Sie kein einziges Wort der Landessprache kennen, die reicht es ja, die Nachrichten zu schauen und man hat genug Anschauungs- Sex, Drugs oder Rock’n’Roll? Tour oder Tortour? Mallorca sind, Sie werden immer sofort erkennen, ob Ihr Gegenüber wütend das weiterhilft weiß ich nicht, ist aber ein Forschungsergebnis. Im Moment Ohne jeden Zweifel Ja! Ich hab zwei Jobs: einen zum Geld verdienen und einen fürs Herz. Deine zehn alltime favourite Bands? Machen Sie sich keine Sorgen, egal ob Sie in Nigeria, in Norwegen oder auf Zeichen im Gesicht sind universell lesbar, sagen die Psychologen. Ob Ihnen Ist Musik machen für dich mehr als ein Hobby? Turbonegro, Celtic Frost, Element Of Crime, AC/DC, Slayer, Mudhoney, Black Sabbath, Led Zeppelin, Autopsy, Queens Of The Stone Age. Ein magazin macht stadtkultur Halbzeit Nach Außen für Energie, Intensität und Leidenschaft. Nach Innen für tiefschwarzen Humor, Albern sein, Muckegeilheit und Bier. Durch die Nähe zu Hamburg sehr überschaubar. Ist schon viel Geklüngel hier. Neue Acts haben es sehr schwer wahrgenommen zu werden, wenn sie nicht die richtigen Leute kennen. Es könnte sicherlich nicht schaden, sich mal etwas Neuem zuzuwenden, nicht immer nur in der eigenen Suppe zu fischen. Das täte unserer Szene sehr gut! F ü r S t a d tk u l t u r 4 Patzig, primitiv und weinerlich | Benjamin Moldenhauer 6 Wo ist die Wut im Pop? | Joschka Schmitt 7 Achtsamkeit gegen den Kontrollverlust | Lena Philipp 8 Einmal auf die Palme und zurück | Katja Wille 9 Wut im Praxistest | Heidi Diewald Andre oder wie würdest du dich noch exakter beschreiben? Über einen Fisch gestolpert und in der Wüste gelandet. Mit dem Strohhalm Blasen blubbern, rechts blinken, links abbiegen und drei Eier. editorial material. Ich meine die Damen und Herren, die um den Fortbestand des Abendlandes fürchten. Sie sind auf jeden Fall wütend, worauf, ist eine 14 Ap ril 14 Jazzahead! | Dimple Minds | Desperate Journalist | Jochen Distelmeyer | Nacht der Gitarren | Manu Dibango & Isolation Berlin | Barbara Ruscher | Sarah Kuttner | Who Killed Bruce Lee Mai: 18 Heinz Strunk | Mohammad Reza Mortazavi | Wajd | Redensart | The Baboon Show | Star Crash – Sterne im Duell | Katrin Bauerfeind | Les Yeux d’la Tête | Chico Trujillo | Dame Kulturgut Vo n L e n a S t u c k e n s c h m i d t interessante Frage, der Benjamin Moldenhauer nachgeht. Die Analyse der Pegida-Bewegung ist Stoff für unzählige Doktorarbeiten und am Ende wird herauskommen, dass es doch irgendwie damit zusammenhängt, dass man jahrzehntelang im Tal der Ahnungslosen lebte. Da bin ich mir sicher. Wer kann das schon auf sich sitzen lassen? ›Wut. Plädoyer für ein verpöntes Gefühl‹ lautet der Titel des Buches von Heidi Kastner, einer Gerichtspsychiaterin, die viel gesehen hat und dafür plädiert, diesem Gefühl Raum zu geben, weil sonst am Ende alle tot sind. Heidi Diewald hat das Buch gelesen. Eine Möglichkeit, Dampf vom Kessel zu nehmen, ist Musik zu machen. Zu den Hochzeiten des Punk brüllten einem aus jeder Box die Ungerechtigkeiten der Welt entgegen, das ist heute Übrigens: Wir sind eine offene Redaktion. Jede und jeder kann gerne mitmachen! Kontakt: [email protected] anders – auf jeden Fall leiser. Aber gibt es noch Wut in der Popmusik? Joschka Schmitt hat sich mal umgesehen. Dann gibt es in dieser Ausgabe noch ein besonderes Interview: Eine junge Frau mit Borderline-Störung hat Lena Philipp von ihrem Leben mit extremen Gefühlsschwankungen und der ständigen Angst vor Kontrollverlust erzählt. Vielen Dank dafür. G u d r u n G o ld m a n n ( C he f r e d a k te u r in ) Herausgeber Vi si t Foto: MARINA LILIENTHAL Patzig, primitiv und weinerlich THE MA 4 Über den Hass als Basisemotion Fo to : M A RIN A LILI E NT HA L der neuen Rechten Benjamin Moldenhauer ist Z-Magazin-Redakteur und schreibt als freier Autor u.a. für ›Spiegel online‹, das Wiener Filmmagazin ›Ray‹ und den ›Standard‹. Tätigkeit als Lehrbeauftragter an der Universität Bremen. Nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt kursieren wieder verstärkt Überlegungen, wie man mit der AFD und dem mit ihr eng verbandelten Wutbürgertum umgehen soll. Man dürfe in einer Demokratie, so die Ansage, diese Leute nicht verlorengeben. Verloren für den politischen Diskurs sind sie aber schon lange. Was die Bewegung zusammenhält ist ein immer offener artikulierter Hass, der jede diskursive Auseinandersetzung unmöglich macht. 5 Als es losging mit Pegida und wöchentlich immer mehr Menschen in Dresden auf die Straßen gingen, um die Heimat vor den anbrandenden Ausländerhorden zu schützen, liefen zahlreiche Kamerateams mit. Die Interviews mit den Demonstranten waren aufschlussreich, nicht im Hinblick auf das, was gesagt wurde – die hierzulande üblichen Wortblähungen wie ›kriminelle Ausländer‹, ›Abendland‹ und ›Lügenpresse‹ – interessant war die Art und Weise, in der die angeblich besorgten Bürger sich artikulierten. Den Interviewten war ihre Aufgewühltheit anzusehen: die Stimme schrill oder am Zittern, die Augen geweitet. Die Interviews hatten aufklärerischen Wert und es ist schade, dass es zuletzt kaum noch Aufnahmen von den Demonstrationen gab; schlicht, weil die besorgten Bürger vor einigen Monaten dazu übergegangen sind, Journalisten zu attackieren. Insbesondere der Auftritt einer älteren Dame war sehr klärend: ›Ich bin voller Hass! Voller Hass!‹, kreischte die Unglückliche ins Mikro und machte klar, worum es bei dem tristen Marsch eigentlich geht. Es regieren die Affekte und es manifestierte sich hier weder Wut (die als ›berechtigter Zorn‹ berechtigt wäre) noch Aggression (die, wenn sie sich gegen ein tatsächlich bedrohliches Objekt richtet, notwendig ist), es artikulierte sich der blanke Hass. Bevor man sich Gedanken macht, ob bzw. wie man auf den wieder aufbrandenden Rassismus reagiert, muss man sich klarmachen, womit man es hier zu tun hat. Wodurch unterscheidet sich Hass von verwandten Affekten? Von der Verachtung unterscheidet sich der Hass dadurch, dass dem Gehassten eine immense Wichtigkeit eingeräumt wird. Wer verachtet, schaut herab und wähnt sich souverän, der Hassende hingegen erlebt sich immer als verletzt. Hass ist immer Abwehr und die Bedrohung durch das Fremde wird als eine unmittelbar körperliche erlebt. Der Psychoanalytiker Erich Fromm hat zwischen reaktivem und charakterbedingtem Hass unterschieden. Beiden Formen gemeinsam sei das Gefühl der Ohnmacht, das ihnen vorausgeht. Der reaktive Hass meint nach Fromm eine ›Hassreaktion (…) aufgrund eines Angriffs auf mein Leben, meine Sicherheit, auf meine Ideale oder auf eine andere Person, die ich liebe oder mit der ich identifiziert bin‹. Man könnte diese Form des Hasses der besseren Trennschärfe wegen auch schlicht als Aggression fassen. Der charakterbedingte Hass ist nach Fromm losgelöst von seinem Anlass, er ist, in Form einer Feindseligkeit, die Teil der Persönlichkeit geworden ist, immer schon da: ›Im Falle des reaktiven Hasses ist es die Situation, die den Hass erzeugt; im Falle des charakterbedingten Hasses hingegen wird eine nicht-aktivierte Feindseligkeit durch die Situation aktualisiert.‹ Der Versuch, die ›Sorgen‹ dieser Leute ernstzunehmen, führt nicht weit. Die Islamisierung Dresdens beispielsweise stagniert seit geraumer Zeit bei circa 0,3 Prozent Muslimen. Vergleicht man beispielsweise die Kosten der Bankenrettung nach der letzten Finanzkrise mit denen der sogenannten Flüchtlingskrise, kann man sich über die Heftigkeit des Protests beziehungsweise über sein Ausbleiben nur wundern. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) beziffert die Kosten für die ›Integration der Flüchtlinge‹ auf 45 Milliarden Euro pro Jahr. Und die Bankenrettung? ›Auf der Kostenseite stehen in Deutschland rund 220 Milliarden Euro Bruttoschulden durch die Bad Banks als direkte Folge der Finanzkrise‹, konstatiert Jens Boysen-Hogrefe vom IfW. Das Ausbleiben jedes nennenswerten Protestes im zweiten Fall spricht dafür, dass hier wahnhafte Affekte am Werke sind. Hass benötigt überhaupt keine reale Erfahrung, er sucht sich einen Sündenbock. Er verschafft sich seinen Ausdruck losgelöst von einer Wahrnehmung, die wirklichkeitsadäquat wäre. Aurel Kolnai, einer der wenigen Philosophen, der sich systematisch mit dem Phänomen beschäftigt hat, spricht von einem ›Weltbild des Hasses‹. Der Hass sei kein Resultat dieses Weltbildes, die Kausalität läuft genau andersherum: Für dieses Weltbild ist der Hass strukturbildend. ›Der Geängstigte möchte sich retten und wäre damit zufrieden (…). Wenn aber der Haß seinen Gegenstand, statt ihn etwa aus der Berührungszone zu verbannen, verfolgt und ihm nachspürt, wenn er dessen ›Vernichtung‹ anstrebt und ihn in die Kategorie des ›Bösen‹ einreiht, so deutet das auf ein höher gespanntes metaphysisches Bewußtsein hin.‹ Und ›höher gespanntes metaphysisches Bewußtsein‹ ist in unserem Zusammenhang vor allem ein vornehmer Ausdruck für: ›Die Wirklichkeit ergibt für uns keinen Unterschied, wir entscheiden selbst, wer ausgewiesen/bestraft/vernichtet werden soll.‹ Mit materieller und/oder geistiger Armut kann man die letzte Welle nicht endgültig erklären. Mit der angeblichen ›Angst‹ des Mobs vor der Fremdenflut auch nicht. Das Gerede von ›Angst‹ und ›Besorgnis‹ verdeckt nur, was die Leute da eigentlich antreibt – Hass und der Wunsch, endlich jemanden stellvertretend für das vergeigte Leben, das man führt, zu bestrafen. Was sich hier artikuliert, ist in Deutschland nicht unbekannt. Der ›Welt‹-Autor Thomas Schmid hört, leise, aber deutlich, den Ton, der kurz vor dem Ende der Weimarer Republik die Diskussion beherrscht hat: ›Patzig, primitiv, weinerlich und das Gespräch durch putative Härte, die gleichwohl Schwäche signalisiert, unterbindend.‹ Was kann man tun, wenn reden nicht mehr hilft, damit dem ersten Akt (Weimar) nicht der bereits bekannte zweite folgt? Wer brüllend durch die Straßen zieht und verfolgten Menschen entgegenschreit, sie sollten dahin zurück wo sie herkommen, wer, wie zuletzt in Clausnitz, einen Bus mit Flüchtlingen stoppt und angesichts von vor Angst weinenden Kinder jubelt, ist für den politischen Diskurs verloren. THE MA 6 7 Joschka Schmitt Wo ist die Wut im Pop? Wut galt einmal als das antreibende Popkultur-Motiv schlechthin, ein wichtiger Motor populärer Genres wie Punk oder HipHop. Musik wurde zum Kompensator blinder Wut und Aggression in tristen, perspektivlosen Zeiten, zum Träger und Kanal gezielter Wut auf gesellschaftliche und politische Missstände. Den Lieblingsthemen der Popmusik, Liebe, Sex und Partnerschaft, standen spätestens mit Punk eine oft diffuse Unzufriedenheit gegenüber. Doch wie wütend ist die Popmusik heute, in Zeiten der politisch passiven Generation Y und des Wohlstands bei gleichzeitiger enormer sozialer Schieflage?- I n den Siebziger Jahren schwappte dieser Geist aus den USA nach England und wurde dort zur breiten Bewegung, zunächst getrieben von einem eher unpolitischem Zorn gegenüber Institutionen sowie dem Frust über die Klassengesellschaft und Perspektivlosigkeit. Bald kam die Bewegung auch hierzulande an und etablierte sich durch Bands wie Die Toten Hosen und Die Ärzte im Mainstream. Politisierte Wut war oft die treibende Kraft: Probleme benennen und Bewusstsein schaffen, das ist im Pop immer wieder gelungen. Jedoch sind die wilden Jahre des Aufruhrs mit dem Ende des Kalten Krieges, der Studentenrevolte und den späteren Hochzeiten rebellischer Jugendkulturen längst passé. Kämpfe gegen das Establishment scheinen ausgefochten und die Verhältnisse einigermaßen zurechtgerückt, die wütenden Energien sind verflogen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts dominieren in den Charts weichgespülte Coversongs ohne Haltung, Ecken und Kanten. Dabei sind es keine problemlosen Zeiten. Im Gegenteil. Missstände herrschen nah und fern, Terror und Krieg lösen Flüchtlingswanderungen aus, täglich grüßt das Elend in den Nachrichten. Düstere deutsche Geschichte wiederholt sich im Kleinen in der Nachbarschaft: hetzende Politiker, aufmarschierende Nazis, pöbelnde Mobs, Anschläge auf Flüchtlingsheime und hohe Wahlergebnisse rechter Parteien. In der Ecke der Popmusik ist es diesbezüglich ziemlich still. Foto: MARINA LILIENTH AL Ob abgestumpft, in Schockstarre oder aus Scheu, unbequem zu werden – Wut findet sich im Mainstream kaum noch. Berufswüteriche wie Die Ärzte oder Die Toten Hosen halten die Füße still. Große Teile des HipHop loten lieber Geschmacksuntiefen und die Grenzen des Zumutbaren aus, haben dabei jedoch oft wenig zu sagen. Allerdings hat gerade HipHop vereinzelt doch noch massive Wut im basslastigen Bauch. Derzeit fallen besonders K.I.Z. und Deichkind mit sozialkritischen Nummer-1-Alben auf. Auch die Antilopen Gang und Zugezogen Maskulin gehören zu den angesagten Sprachakrobaten, die ihre Wut in politischen Texten artikulieren. K.I.Z. positionieren sich klar, makaber und provokant. Im Chart-Hit ›Boom, Boom, Boom‹ rappen sie: ›Ihr Partypatrioten seid nur weniger konsequent als diese Hakenkreuz-Idioten, die gehen halt noch selber ein paar Ausländer töten, anstatt jemand zu bezahlen, um sie vom Schlauchboot zu treten‹, und fragen: ›Denkt ihr die Flüchtlinge sind in Partyboote gestiegen, mit dem großen Traum im Park mit Drogen zu dealen?‹ Die frühere Ironie der Band ist einer neuen Radikalität gewichen. K.I.Z. sind wütend, wollen den politisch verschlafenen Mittelstand wachrütteln. Deichkind wiederum bringt Slogans wie ›Refugees Welcome‹, ›Fight Racism‹ und ›Fight Sexism‹ in ausverkaufte Hallen und ins Bewusstsein vermeintlich gleichgültiger Jugendlicher. Ohnehin scheint die Statement-Bereitschaft bei LiveAuftritten größer zu sein als auf Tonträgern – gerade wenn sie im vergleichsweise freundlichen Gestus daherkommt. So setzten Gloria, Madsen, Revolverheld, Ferris MC und die Donots beim Bundesvision Song Contest 2015 vor einem Millionenpublikum Zeichen gegen Rechte und die Ablehnung von Flüchtlingen. Vielleicht sollte sich die Popkultur konsequenter aus ihrer Komfortzone wagen und der zweifellos vorhandenen Wut Luft machen, Themen in Lautsprecher und auf die Bildschirme bringen, auch auf Festivals und auf die Straße. Popmusik hat sich in ihrer Historie auch eine gesellschaftliche Verantwortung erspielt und ganze Generationen immer wieder dazu angetrieben, Dinge zu ändern, die sie wütend machten. Le n a P h i l i pp Achtsamkeit gegen den Kontrollverlust Seit Mia (Namen geändert) 13 Jahre alt ist, ist sie in Therapie. Mit 18 bekam sie die Diagnose Borderline-Persönlichkeit. Ein Leben mit diesem Störungsbild bedeutet ein Leben zwischen Extremen. Im Interview gibt sie Einblicke in ihre schwierige Gefühlswelt. was kann ich ändern?‹ Dann geht Erzähl mir etwas über Wut. Wie fühlt sich die Wut an? es immer höher. Da muss man Es ist ein innerliches Zerreißen. Ich habe die Symptomatik, anfangen mit Skills zu arbeiten, dass ich wahnsinnige Bauchschmerzen bekomme. Ich bin so zum Beispiel Sport machen, Musik angespannt, dass ich das Gefühl habe, ich platze gleich. Ich muss hören, weggehen, malen. Bei 70 das irgendwie rauslassen. Bevor ich im DBT gelernt habe damit Prozent ist die Anspannung quasi umzugehen, habe ich angefangen mich selbst zu verletzen, meine nicht mehr umkehrbar. Bei 70 Eltern und Freunde anzuschreien oder Leute zu schlagen. Ich weiß Prozent bist du quasi drüber. nicht, ob es geholfen hat. Wenn ich Leute angeschrieen habe, hat Dann passiert ein großer Knall, mich das erst einmal noch wütender gemacht und schließlich hat der Kontrollverlust. Schreien, das zu Selbstverletzungen geführt. Bei mir hat eigentlich immer Schlagen … sowas. alles in Selbstverletzungen geendet, erst dann habe ich mich Warum schaffst du es manchmal beruhigt. nicht, aus der Situation früh Was ist DBT? genug herauszukommen? DBT steht für Dialektisch-Behaviorale Therapie und wurde Weil ich es nicht früh genug speziell für Menschen mit Borderline entwickelt. Es geht dabei um gemerkt habe, all die kleinen das Erlernen von Gefühlsregulation und Achtsamkeit. Warnzeichen, die mir zeigen, Wo liegt das Problem bei der Gefühlsregulation? dass ich immer wütender werde. Das Problem bei Borderline-Erkrankungen ist, dass die Man muss bei sich bleiben und Betroffenen Schwierigkeiten damit haben, ihre Emotionen manchmal ist man das eben angemessen zu regulieren. Alle Emotionen sind wesentlich stärker nicht. Zum Beispiel bei Stress als bei anderen Leuten. Zum Beispiel wird Freude ganz, ganz – du bist bei 100 Sachen, aber stark empfunden, sodass du dann sehr schnell überreagierst und nicht mehr bei dir selbst. richtig manisch wirst – du denkst, du könntest alles schaffen. Man reguliert sich ja eigentlich Das passiert auch bei Angst, sodass du sehr schnell Panikattaunbewusst. Jeder muss sich cken bekommst. Bei Trauer fällst du erst einmal in ein riesengroregulieren, aber manche ßes schwarzes Loch – du denkst, alles sei vorbei. Oder eben auch müssen das bewusst tun. Wut – du wirst sehr schnell aggressiv, es könnte passieren, dass Welchem Gefühl steht Wut du um dich schlägst und Leute verletzt. Betroffene sind wesentlich am nächsten? angespannter, eigentlich immer. Das ist unglaublich anstrengend. Angst. Wut hat immer was Viele haben stark mit Depressionen und Aggressionen zu mit Angst zu tun. Angst, dass kämpfen – eben wegen der Probleme mit der Gefühlsregulation. einem etwas weggenommen Wenn du deine Wut mit der Wut von anderen vergleichst, wo wird. Angst, dass man alleine siehst du den Unterschied? gelassen wird. Angst, dass Wut ist ja an sich etwas Normales. Andere Leute brauchen halt Foto: MARINA LILIENT HAL etwas nicht so passiert, wie etwas länger, bis sie wütend werden, aber bei Borderline ist das man es möchte. Ich werde so, dass du sehr schnell in den Emotionen drin bist und dann ganz schnell unsicher, wenn länger brauchst, um wieder runterzukommen. Die Auslöser greifen sich etwas ändert. Ich weiß nicht, was kommt. Dann werde ich schneller – schon Kleinigkeiten können zu Überreaktionen führen. unsicher, nervös und angespannt. Warum? Wie schaffst du es, die Therapie in dein Leben zu integrieren? Andere differenzieren mehr. Mit Borderline hörst du auf zu Es ist schwierig. Ich werde wohl auch nochmal zu einer differenzieren. Etwas ist entweder gut oder schlecht. Das Auffrischung gehen. Aber ich war schon immer ein Mensch, der mSchwarz-Weiß-Denken ist sehr stark ausgeprägt. Oft wird sich gut selbst reflektieren kann und ich habe das auch sehr früh plötzlich alles schlecht. Das hat viel mit Hass zu tun. Man fängt selbst gemerkt, dass da was nicht stimmt. Manche Borderliner schnell an Leute zu hassen, einfach weil man eine Kleinigkeit nehmen sich selbst nicht mehr richtig wahr, fühlen sich sicher in bemerkt, die einem nicht gefällt und plötzlich ist alles schlecht. ihrer Diagnose und hinterfragen nicht mehr. ›Ich kann das eh nicht Das führt auch zu Wutreaktionen. ändern. Ich darf scheiße sein, ich darf dich blöd anmachen. Ich Ab welchem Punkt ist die Wut nicht mehr umzukehren? bin Borderliner, ich kann nicht anders.‹ Ab 70 Prozent. Es gibt eine Spannungskurve. Die ist auf Menschen können sich aber ändern und Borderline ist Anspannung, Aggressionen und Wut ausgerichtet. Es gibt eine therapierbar. Wahrnehmung ist das A und O dabei. 30-Prozent-Linie, da kannst du noch überlegen ›Was stört mich, 8 9 Fo to s: MA RIN A LILIE NTH A L THE MA Ka t ja W i l l e Einmal auf die Palme und zurück Das Gefühl aufsteigender Wut kennen die meisten Menschen. Ob sie aus einem herausbricht oder man sie ›runterschluckt‹ hängt von der Situation und noch wichtiger, vom Individuum ab. Abstellen kann man sie aber nicht: Die Wut gehört zu den so genannten Basisemotionen – sieben an der Zahl, die von Paul Ekman, einem US-amerikanischen Anthropologen und Psychologen, empirisch nachgewiesen wurden. W ut steht in einer Reihe mit Freude, Ekel, Furcht, Verachtung, Überraschung und Traurigkeit. Diese Grundgefühle werden als wesentlicher Bestandteil der menschlichen Existenz angesehen. Ein anderer US-amerikanischer Psychologe, Robert Plutchik, befasste sich ebenfalls mit der Erforschung von Emotionen. Laut seiner Theorie gehört auch Akzeptanz/ Vertrauen zu den Basisemotionen, somit wären es acht. ›Wut ist eine universale Emotion‹, sagt die Bremer Diplompsychologin Berit Reiss. Eine universale Emotion sei, unabhängig von Kulturhintergrund, Erziehung und sozialem Status eines Menschen, in dessen Gesicht erkennbar. ›Typisch für den Wutausdruck ist der zusammengekniffene Mund, die runter gezogenen Augenbrauen und der starre Blick.‹ Dieser Ausdruck ist überall auf der Welt lesbar – man muss also nicht die gleiche Sprache sprechen oder zur selben Völkergruppe gehören, um zu erkennen, dass der Gegenüber wütend ist. Ähnlich verhält es sich mit Freude, Angst und Ekel: Auch diese Gefühle lassen sich universal im Gesicht des anderen ablesen. Zur Klassifikation hat Ekman 1978 das Facial Action Coding System entwickelt. Es ist ein unter Psychologen weltweit verbreitetes Kodierungsverfahren zur Beschreibung von Gesichtsausdrücken. Unterschiedlich ist, wie der Mensch mit Wut und Ärger umgeht. Lässt sich jemand schnell ›auf die Palme bringen‹, wird er als aufbrausend empfunden. Seine Wut richtet sich direkt gegen andere Menschen, Tiere oder Dinge. Einem solchen Wutanfall gehen oft andere Gefühle voraus oder damit einher: Man fühlt sich zum Beispiel missverstanden, ist enttäuscht oder traurig. Nachdem die Situation eskaliert und der Wutanfall vorüber ist, beruhigt sich der ›Wüterich‹ meist schnell wieder. In vielen Kulturen wird ein Wutausbruch als Schwäche angesehen; ein Mensch, der sich gut unter Kontrolle hat und ›cool‹ bleibt, gilt dagegen als charakterstark. Der Dalai Lama, geistiges Oberhaupt der Tibeter, begründet das so: ›Wo der Verstand aufhört, beginnt die Wut. Deshalb ist Wut ein Zeichen von Schwäche.‹ Wer sich zurückzieht und eine Auszeit von der Situation nimmt, wirkt eher deeskalierend auf seine Mitmenschen. Wie man mit Wut umgeht, wird in der Kindheit gefestigt – im späteren Leben ist es aber dennoch möglich, einen anderen Umgang mit dieser Emotion zu lernen. Wissenschaftler sind sich einig, dass es besser sei, die Wut – im kontrollierten Rahmen – loszuwerden statt sie in sich hineinzufressen. Unterdrückte Wut kann Krankheiten auslösen; das belegt beispielsweise eine zehnjährige Langzeitstudie von Forschern des Instituts für klinische Physiologie in Pisa, die bei Herzinfarktpatienten festgestellt haben, dass sich negative Gefühle wie Aggressionen, Depressionen, Feindseligkeit und Wut negativ auf das Herz auswirken. Wut ist zwar nicht angenehm, gehört aber zum Alltag. Berühmte Wutausbrüche wie die des Models Naomi Campbell, die ihrem Hausmädchen ein Telefon an den Kopf wirft oder von dem Fußballspieler Zlatan Ibrahimovic, der nach einem verlorenen Spiel in Frankreich die Nation als ›Scheißland‹ vor laufenden Kameras beschimpft, sind zu alltäglichen Situationen geworden. ›Es gibt viele verschiedene Gründe, warum jemand wütend wird‹, so Reiss. Das bedeute aber nicht, dass auch eine psychologische Störung vorliegen muss. ›Man sollte immer prüfen, was hinter einem Wutanfall steckt.‹ Für die Neigung zu extremen Wutanfällen gibt es in der Psychologie verschiedene Erklärungsansätze, die immer im Einzelfall auf den Betroffenen angewendet werden. Neben einer Verhaltenstherapie können auch regelmäßiger Sport und ein Anti-Aggressions-Training helfen. H e i d i D i e wa l d Wut im Praxistest In ihrem Buch ›Wut. Plädoyer für ein verpöntes Gefühl‹ berichtet die Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner von unterschiedlichen Formen des Phänomens Wut, die sie durch Fallbeispiele überwiegend aus dem juristischen Bereich illustriert. W ahrnehmung und adäquates Ausleben von Wut ist wichtig, so lautet das Credo und Schlussplädoyer Kastners: ›Die Wut hat viele Funktionen, vermittelt klare Grenzen, setzt Warnsignale, befreit von Spannung, die aus Kränkung entsteht, vermittelt uns selbst präzise Einsichten in unsere Schwachstellen und fordert uns auf zu Veränderung, entweder an uns selbst oder an unseren Lebensumständen, sie fordert und fördert Lebendigkeit.‹ Eingangs schildert die Autorin die weit zurückreichende und ambivalente Einschätzung dieser Emotion: Bei den antiken Philosophen ist sie umstritten, im griechischen Epos ›Ilias‹ dient sie als Motor der Handlung und im Christentum schließlich ist sie eine der Todsünden. Oft werde zwischen der individuellen Emotion Wut und dem auf größeres Unrecht zielenden Zorn unterschieden, letztlich sei diese Trennlinie jedoch nicht praktikabel, wie sich zum Beispiel an der etymologischen Herleitung der Wut vom Gott Wotan zeige, die die Wut wieder in einen göttlichen also überindividuellen Zusammenhang rücke. Es entfaltet sich aus (gerichts-)psychiatrischer Sicht ein Panoptikum der Wut. Iwan der Schreckliche dient neben aktuellen Fällen als Beispiel für Wut im Zusammenhang mit Persönlichkeitsstörungen. Das Aufwachsen in Lebensgefahr und Isolation führten bei Zar Iwan zu einer Wut-Disposition, die das Erfinden sadistischer Tötungsmethoden und den Gefallen an Massenexekutionen nach sich zogen. Zur Persönlichkeitsstörung gehört auch die Persönlichkeitsentwicklung, also im Besonderen die ›junge Wut‹. Die Zeit der Adoleszenz ist ›eine der forderndsten, die wir durchleben, in ihren Umwälzungen in körperlich-geistiger Hinsicht nur vergleichbar mit schweren Geisteskrankheiten […].‹ In dieser Zeit werde die eigene Identität in Abgrenzung zu Kernfamilie und Gesellschaft entwickelt; Defizite während dieses Prozesses drücken sich durch Dominanzverhalten oder Aggression statt Kommunikation aus. Dabei kommt es zu antisozialem Verhalten, das oft mit Beginn des Erwachsenenalters verschwindet oder sich in einer Verhaltensstörung manifestiert. Bleibt die Wut im Bauch, ist das Resultat psychosomatisch. Es gebe starke Hinweise ›auf einen Zusammenhang zwischen unterdrücktem Ärger und der verminderten Ausschüttung von Endorphinen.‹ Im passenden Fallbeispiel wird geschildert wie eine in wohlsituierten Verhältnissen lebende Hausfrau, die nach der Heirat ihre Karriere beendete, um ihrem Mann den Rücken freizuhalten, es dann aber nicht schafft, ihm bezüglich ihrer eigenen Interessen die Stirn zu bieten und als Quittung eine psychosomatische Erkrankung der Haut bekommt. Das wiederum führt dazu, dass sie ihre repräsentativen Aufgaben bei den Geschäftsterminen ihres Gatten nicht mehr erfüllen kann. Der Ehemann wendet sich von ihr ab und Liebschaften zu. Wut ist ein affekthaftes Gefühl, das sich unwillkürlich in unserem Gesichtsausdruck manifestiert: ›Wut erkennen wir weltweit an heruntergezogenen Augenbrauen, zusammengekniffenen Augen, weit geblähten Nasenflügeln und zusammengepressten Lippen.‹ Selbst wenn wir versuchen, diesen Affekt, also unsere Mimik, zu kontrollieren, bleiben Restanzeichen unserer tatsächlichen Gefühlslage zu sehen. ›Mord im Affekt‹ ist ein landläufig bekannter Ausdruck. Kastner unterscheidet hier zwischen Delikten bei denen ›ein zu lange ignorierter Affekt eine entscheidende Rolle spielt‹ und Affektdelikten, die ganz und gar ohne vorherige Planung geschehen. Bei ersterem wird eine schwelende Wut zwar wahrgenommen, aber nicht ausgelebt. Bei Affekttaten fehlt schon die Wahrnehmung der Emotion, was im Anschluss oft zur Verdrängung des Gewaltakts und zu paradoxen Handlungen nach Entladung des Zorns führt. Beispielsweise habe ein Mann am Abendbrottisch – nach jahrelang still erduldeter Schmähung und Ausgrenzung seitens der Familie – auf Frau und Tochter eingestochen, im nächsten Augenblick seine Tat vergessen und versucht erste Hilfe zu leisten. Er hatte den aggressiven Teil seiner Gefühlswelt derart abgespalten, dass ihm auch während der Haft das eigene Handeln unerklärlich blieb. Neben den genannten Beispielen bebildert Kastner ihre Überlegungen mit zahlreichen, teilweise noch drastischeren, Fällen aus ihrem Arbeitsalltag. Bei der Leserin bleibt der Eindruck des erhobenen Zeigefingers: Nehmt eure Wut wahr und lebt sie angemessen aus, sonst sind am Ende alle tot, oder Schlimmeres. So ist das Buch zwar ein ›Plädoyer für ein verpöntes Gefühl‹, ausführliche positive Anekdoten – somit eine Entpathologisierung der Emotion, die das unterstreichen, bleiben allerdings aus. Wissenschaftliche und philosophische Erkenntnisse werden nach Bedarf und als Statements eingebracht und man wird an mancher Stelle neugierig auf genauere Ausführungen. Insgesamt liest sich das Buch – nicht zuletzt dank der literarischen Schreibweise – wie ein Krimi über ein Gefühl. halbzeitwissen F ü r S t ad t k u l t u r KöpkenstraSSe 18 Tischlerei-Museum Bremen Ganz was anderes: Verborgen in einem Souterrain in der Köpkenstraße 18 findet man das Tischlerei-Museum Bremen. ›Ein Stück deutsche und bremische Handwerksgeschichte‹, schreiben die Betreiber, wird hier ›für die Zukunft erhalten.‹ Eine Oase der Ruhe im sich weiter mit allem dazugehörigen Getöse gentrifizierendem Viertel. Öffnungszeiten unter www.tischlerei-museum-bremen.de City46 ›Rettet Raffi‹ Wer in den Achtzigerjahren in einem westdeutschen, im weitesten Sinne linksliberalen Haushalt aufgewachsen ist, ist mit den Kinderfilmen Arend Aghtes aufgewachsen. Vor allem natürlich mit dem wunderbaren ›Flussfahrt mit Huhn‹. Am 23. und 24. April läuft Agthes neuer Film ›Rettet Raffi!‹ im City46. Können wir nur wärmstens empfehlen. F r i ese Stampftanz Es ist wieder soweit: Alle paar Jahre beehrt die amerikanische Ein-Mann-Band Quintron die Friese und bringt das ansonsten eher beharrliche Bremer Publikum zum kollektiven Stampftanz. Mit dabei: der Drum-Buddy, ein mechanisch rotierender, oszillierender, lichtaktiver Prügel von einem Instrument. Donnerstag, 14. April in der Friese. Im Vorprogramm: Mik Quantius (Ex-Embryo). 11 Das Seelenheil braucht laut und leisePortrÄt Ta n ja J ah n z Die Bronchitis, mit der sie letzte Woche noch im Bett gelegen hat, merkt man ihr noch ein wenig an, aber Lutschpastillen schaffen Abhilfe, wenn der Husten sich meldet. Für Tanja Jahnz (42) gilt, was für viele Freiberufler gilt – krank sein muss man sich leisten können. Wobei es bei ihr nicht nur um das Geld geht, was sie in der Zeit nicht verdient, sondern auch um die Menschen, die abends in der Swing-Kantine den Lindy-Hop von ihr lernen wollen. Ist sie nicht da, müssen Vertretungen organisiert werden oder Kurse fallen aus, je nachdem. Es war ihr nicht in die Wiege gelegt, Tanzlehrerin zu werden, denn früher hatte sie Angst vor Gruppen zu sprechen, heute gibt sie die Rampensau, wie sie selber sagt. Früher, das war, als sie noch Informatik studierte, kurz vor der Jahrtausendwende, wo die Idee, dass jeder Haushalt einen eigenen Computer haben wird, noch als Utopie galt. Sie unterstützte als Studentin die InformatikerFeminale und gab Qualifizierungskurse für Lehrerinnen am Landesinstitut für Schule. Das ging nicht ohne Reden, also redete sie. ›Ich mach einfach, ich muddel mich da rein‹, sagt Jahnz. Und wenn sie etwas macht, denkt sie sehr schnell darüber nach, wie man das Ganze optimieren könnte. Ihr Gemuddel bei den Computerkursen war so gut, dass sie sich 2005 als Angestellte des Senators für Bildung wiederfand. Dort arbeitete sie am Konzept der Web-Punkte mit und bildete Schülerinnen und Schüler als Betreuer aus. Die Idee der Web-Punkte war, dass die Schulcomputer nachmittags von Menschen aus der Nachbarschaft genutzt werden können, um Mails zu verschicken oder ›mal zu gucken, was das Internet eigentlich ist‹. Tanja Jahnz hat sich bereits im 3. Semester mit ihrem IT-Service selbständig gemacht und neben verschiedenen Kursen immer mehr kleine Firmen und Einzelpersonen betreut. Studiert hat sie zwar weiterhin, auch alle Scheine gemacht, aber die Diplomarbeit letztendlich sausen lassen. Sie hatte bereits genug Arbeit und ihre Freizeit teilte sie zu dem Zeitpunkt bereits zwischen Tanzen und Kampfsport auf. Kamen die Impulse für ihre Interessen aus der Familie? ›Nein, ich war die erste in meiner Familie mit Abitur, mein Vater war Maschinenführer und meine Mutter Stationsversorgerin im Krankenhaus.‹ Kampfsport haben beide nicht betrieben, das kam über den Bruder einer Schulfreundin in ihr Leben – und blieb. Mit zehn Jahren fing sie mit Judo an, mit 14 Jahren unterrichtete sie bereits und war auch im Landeskader. Jiu Jitsu kam parallel dazu, später noch Shinson Hapkido, eine koreanische Kampfkunst, zu der auch Meditation, Stockkampf und asiatische Heilkunst gehören. Jahnz hat die Bremer Gruppe mit aufgebaut. Doch mit 32 Jahren ist Schluss mit dem Kampfsport, der Körper muckt und dann gibt es da ja noch die andere Leidenschaft, das Tanzen. Sie gründet 2006 die Swing-Kantine. ›Die ersten fünf Jahre habe ich fast alleine unterrichtet, denn die Leute, die ich ausgebildet habe, sind immer wieder abgesprungen‹, erzählt sie. Zwar organisiert sie heute noch das komplette Kurs- und Workshopangebot, aber das Team ist mittlerweile gewachsen und sie unterrichtet nicht mehr alleine. Angefangen hat sie übrigens ganz klassisch mit Standard- und Lateintänzen, aber ›das mache ich schon lange nicht mehr, völlig unergonomisch.‹ Auf Nachfrage erklärt sie: ›Beim Standardtanz sind das sehr hochstilisierte Bewegungen, die sind nicht gesund. Mir ist es wichtig einen ergonomischen und gleichberechtigten Tanzstil zu unterrichten.‹ Das hört man nicht in jeder Tanzschule, aber Jahnz und ihren KollegInnen ist es wichtig, dass beide Tanzpartner so tanzen, wie es zu ihnen passt. Auch die Frage, wer führt und wer folgt, wird für jedes Paar individuell geregelt. Ihr ist wichtig, dass die Paare das ganz frei ausprobieren und manche wechseln die Rollen sogar je nach Tanz. Und da sie in den Kursen die Tanzpartner auch rotieren lässt, kommt es vor, dass dann Männer mit Männern tanzen, womit sicher die wenigsten gerechnet haben, aber es ist kein Problem. Tanja Jahnz ist relativ klein und sehr durchtrainiert, wenn sie erzählt steht sie immer wieder auf, um Bewegungen vorzumachen oder um zu zeigen, wie ein Tanzpartner Zeichen geben und wie der andere darauf reagieren kann. Auch das Bouncen vom Lindy-Hop zeigt sie: ›Es ist als wenn man ein Baby auf dem Arm hat, das man beruhigen möchte. Da weiß eigentlich jeder sofort, wie die Bewegung geht. Und das Tolle ist, spätestens nach fünf Minuten sind alle im Kurs am Lächeln. Durch das Bouncen verschwindet der Stress, die Leute entspannen und es macht einfach Spaß.‹ Ihre Wochenenden sind selten frei, meist gibt es einen Workshop zu leiten oder zwecks Fortbildung selbst zu besuchen, dann organisiert sie gerade ein Tanzfestival in Kroatien und sie hat schon den nächsten Tanz parat, auf den die Bremer Szene gewartet hat: Balboa. Und da den dann wieder fast keiner kennt, unterrichtet sie erst mal alleine, bis sie wieder Leute ausgebildet hat … GU D RUN GOL D M A NN Fo to: MARINA LILIENTH AL Fo to : M A RIN A LILI E NT HA L 10 12 13 halbzeitwissen F ü r S t ad t k u l t u r Cleo auf dem Dach V o n E l k e Ma r i o n We i S S Elke Marion Weiß ist Migrantin aus dem Süden der Republik (Schwarzwälderin) und seit 2001 schriftstellerisch tätig. Die promovierte Literaturwissenschaftlerin schreibt Romane, Kurzprosa und Lyrik. Zwei Romane sind bereits erschienen: ›Triangel‹ sowie ›Die ungewisse Reise nach Samarkand‹. Ein Gedichtband ist in Vorbereitung. Davor war Elke Marion Weiß 14 Jahre an der Universität Bremen als Lehrbeauftragte für englische und amerikanische Literatur tätig. Fo to: MARINA LILIENTH AL Ja, jetzt ist es endgültig. Jetzt müssen unsere Kurzen mit dem Bus in die Stadt. Ich schaue mich um. Die tintenbeklecksten Tische sind zur Seite geschoben, die kleinen Stühle aufeinandergestapelt. An den nackten Wänden nur noch vereinzelte Reißzwecken, auf dem Linoleum Spuren von Bauschutt. Vom Nachtregen sind Schlieren auf den schmutzigen Fensterscheiben zurückgeblieben. Eine der Scheiben ist sogar kaputt. Jemand hatte noch versucht, sie mit Klebeband zuzupflastern. Als ob das wirklich helfen würde. Das wäre was für Onkel Horst gewesen. Onkel Horst war dauernd in Sorge wegen der Fenster. Wegen zerbrochener, wegen gesprungener, ja, besonders wegen offener Fenster. Bleibt ja von offenen Fenstern weg, hatte er uns Kindern eingebläut. Immer und immer wieder. Und wir hatten uns natürlich darüber lustig gemacht. Ihn sogar mit einigen schlimmen Streichen in Angst und Schrecken versetzt. Dabei war seine Sorge verständlich gewesen. Schuld daran war jener unvergessliche Tag im Sommer 1960, als der Zirkus in unser Dorf kam. Es war ein Zwergenzirkus. Klein an der Zahl, klein in der Statur, gerade klein genug für unser Kaff. Wie für uns gemacht. Heute darf man sie nicht mehr Zwerge nennen. Heute sagt man Kleinwüchsige, aber für uns Kinder waren sie eben Zwerge. Sie kamen mit drei Wohnwagen, ungefähr ein Dutzend Leute mit ausgesuchter Menagerie. Kleine Tiere, versteht sich. Ich erinnere mich an einen Ziegenbock, ein Schaf, zwei Hasen, einen Esel, ein kleines schwarzes Hängebauchschwein. Und ein paar winzige Äffchen mit orangefarbenem Haar und feuerroten Popos. Am exotischsten aber – eigentlich das einzig Exotische, von den Äffchen abgesehen – war eine Schlange. Ich weiß nicht, ob es eine Giftschlange war oder nicht. Auf jeden Fall kam sie uns Kindern sehr gefährlich vor. Onkel Horst, der Rektor war, lud die Zirkusleute zu uns in die Schule ein. Und sie kamen, mit dem stinkenden Ziegenbock, einem Kaninchen und der Schlange. Ihr Geschnatter und Kreischen und Quieksen flog durch alle Stockwerke des alten Gebäudes. Unser Klassenzimmer war im zweiten Stock. Als die Zwerge ankamen, saßen wir alle stocksteif da, ehrfürchtig und gespannt. Und wir wurden nicht enttäuscht. Der eine lief auf Händen durch den Raum, und manchmal streckte er sogar eine Hand in die Luft. Der andere machte Saltos am laufenden Band, von der Tür bis zur Tafel und zurück. Der dritte, Vintoc, war ein Zauberer. Er zog die tollsten Tricks aus seinem Zylinder – meterweise Girlanden, ein buntes Blumenmeer, jede Menge Seifenblasen, und schließlich sogar eine lebendige weiße Taube. Wir klatschten Beifall, bis uns die Hände weh taten. Vintoc war natürlich entzückt, er liebte sein Publikum. Besonders, weil wir nicht genug bekommen konnten. Zugabe, Zugabe, riefen wir im Chor. Wir riefen so lange, bis er uns Writer’s corner schließlich noch seinen Spezialtrick vorführte – seinen ausgetüfteltsten und schwierigsten, wie er sagte. Den Trick mit der Schlange. ›Meine jungen Herrschaften, sehr verehrtes Publikum, darf ich vorstellen? Hier kommt Cleopatra, einst Kaiserin von Ägypten, jetzt als Schlange wiedergeboren. Sie hat den weiten Weg zurückgelegt, um euch zu unterhalten. Nun, Cleo, zeig den Kindern, was du kannst!‹ Er brachte die Schlange in Position. Sie sollte im umgestülpten Zylinder Männchen machen. Besser gesagt, sie sollte sich empor winden und zu Vintocs Flötenmusik graziös herumtänzeln. Aber Cleo wollte nicht. Cleo war widerspenstig. Sie achtete weder auf Vintocs Flötentöne noch auf seine Honigstimme, mit der er sie zu bezirzen versuchte. So sehr er sich auch mühte, sein Sirenengesang verhallte ungehört. Stattdessen schlängelte sich die eigenwillige Ägypterin in Windeseile aus dem Zylinder heraus und kroch über den Tisch hinweg auf die kleine Mona zu, die ganz vorne saß. Unnötig zu sagen, dass Mona furchtbar erschrak. Sie geriet so in Panik, dass sie aufsprang, ihren Stuhl umstieß und versuchte, unter den Tisch zu kriechen. Aber auch Cleo geriet in Panik. Sie ließ sich blitzschnell fallen und landete direkt auf Monas Nacken und wand sich um den zarten kleinen Hals. Vintoc stand wie versteinert da. Wir alle waren schockstarr. Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass Cleo keine Giftschlange war, sondern eine Würgeschlange. Sie musste ein Würger sein, so wie sie sich um Monas Hals herumrollte. So wie sie presste. So wie sie Monas Bäckchen apfelrot färbte. So wie sie Monas piepsiges Stimmchen erstickte. Es war brütend heiß an jenem Tag. Alle Fenster standen sperrangelweit offen. Tja, und das war der Ausweg für Ritter Jonathan, Klein-Monas jungen Verehrer. Jonathan warf sich auf Cleo, mit seinen sechzig, siebzig Pfund Wagemut. Ich weiß nicht, wie, aber Jonathan schaffte es. So unglaublich es klingt – er packte die Schlange, lockerte ihren Würgegriff, rannte mit ihr zum offenen Fenster und schleuderte sie hinaus. Keiner glaubt mir das. Für so eine Show braucht man übernatürliche Kräfte. Aber hier war Superman selbst am Werk. Unterhalb des Fensters war eine Dachschräge, so etwa zwei bis drei Meter abschüssiges Schieferdach. Und dort lag nun Cleo und kämpfte tapfer gegen das Gefälle an. Dort lag Cleo, als Vintoc in ein herzzerreißendes Heulen und Jammern ausbrach. Und trotz des hohen Simses, trotz seiner Zwergenstatur, trotz Onkel Horsts kläglicher Versuche, ihn zurückzuziehen, stürzte er sich hinaus und warf sich auf sie. Vintoc war zu sehr Akrobat, um sie da draußen ihrem Schicksal zu überlassen. Cleo, seine heiß geliebte Cleo, sein Augapfel. Cleo, allein auf dem Dach. Aber letzten Endes war Vintoc doch nicht Akrobat genug. B e n j a m i n M o l d e n h au e r kom men tar Eine Ansammlung von Menschen brüllt Parolen, blockiert einen Bus mit Flüchtlingen und versetzt sie in Angst. Kinder weinen, die Menge johlt. In Clausnitz konnte man vor einigen Wochen erneut beobachten, wie schnell eine Gruppe sich zur Hetzmasse transformiert, wenn sie ihre Zeit gekommen sieht. Wirklich übel aber wird es erst, wenn die Elite sich mit dem Mob verbündet. Dann entsteht ein Bedrohungspotenzial, das über die spontane Pogromstimmung hinausgeht. Erste Anzeichen machen sich bereits bemerkbar, und man möchte hoffen, dass sie die Ausnahme bleiben. Bereits im November 2015 suchte Rüdiger Safranksi, populärer Autor von zahlreichen lesenswerten Philosophenbiographien, den Anschluss an die Rhetorik von AFD und CSU: ›Wir lügen uns um die Tatsache herum, dass Europa auch eine Festung sein muss‹, die Politik habe die ›Flutung Deutschlands‹ beschlossen. Dass die Metapher von der Flut in diesem Zusammenhang zum Genre der Sexualneurose und nicht zu dem des politischen Kommentars gehört, müsste Safranski eigentlich wissen. Peter Sloterdijk sprang dem Kollegen in einem ›Cicero‹-Interview zur Seite und legte gleichfalls mit aller ihm zur Verfügung stehenden rhetorischen Wucht los: ›Die deutsche Regierung hat sich in einem Akt des Souveränitätsverzichts der Überrollung preisgegeben‹. Ach so. Allerdings müsse der Spuk bald ein Ende haben, schließlich gäbe es keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung. Was genau Sloterdijk meint und will, bleibt im Trüben, und genau diese durch Blähmetaphern hergestellte Unschärfe macht seine Rede anschlussfähig für den antidemokratischen Diskurs. Beatrix von Storch fordert die Sicherung der Grenzen, an denen dann eben auch mal Kinder erschossen würden; Sloterdijk orakelt vom ›territorialen Imperativ‹ – um dann in einer unfreiwillig komödiantischen Schlussvolte zu bemängeln, dass das Bemühen um Neutralität gering sei: ›die angestellten Meinungsäußerer werden für Sich-Gehen-Lassen bezahlt, und sie nehmen den Job an‹. Zumindest das hat er belegt. Was sie treibt, man weiß es nicht. Erfreulich wiederum, dass der ›Lügenäther‹ (Sloterdijk) vielfach adäquat reagiert hat und zwei seiner Agenten – Georg Diez (Spiegel online) und Armin Nassehi (in der ›Zeit‹) – die Argumentation sehr, sehr gründlich auseinandergenommen haben. Sloterdijk war erkennbar beleidigt, sah sich von ›Beißwut‹, ›Abweichungshass und Denunziationsbereitschaft‹ verfolgt. Manchmal ist auf die Lügenpresse eben doch noch Verlass. Frei zeit 04 20 16 14 15 freizeit 01 APR F R / / S c h l a c h t h o f Highlight des Monats April Dimple Minds Kr ank, not dead Krank, not dead? Weiß man nicht. Aber seit 30 Jahren immer noch erfolgreich im Punkgeschäft. Dimple Minds, die Bremer Metalpunk-Urgesteine, feiern Geburtstag. Natürlich bei einem bis 15 Bier im Schlachthof. Die Kesselhalle mal wieder richtig zum Kesseln bringen und alte Hits wie ›Blau auf’m Bau‹ oder neue Songs wie ›Panzerschokolade‹ schmettern. Zwar ist von der Originalbesetzung, die sich 1986 im autonomen Jugendzentrum in Huchting zusammenfand, nur noch die Hälfte übrig, aber das tut der Sache keinen Abbruch. Schließlich sind die ›Neuen‹, Drummer Stefan und Bassist Andy, auch mehr oder weniger alte Hasen und fester Bestandteil der Band. Genauso biergetränkt wie der schräge Mix aus Metal und Punk wird mit Sicherheit auch die Geburtstagssause sein. Die eindringlichen, originellen Texte laden außerdem viel mehr zum Mitgröhlen ein, als das immer wieder gleiche, ausgelutschte ›Happy Birthday‹. Also: Hebt die Bierkrüge und zelebriert den feuchtfröhlichsten Geburtstag des Jahres! Arne Helms esselhalle, 20 Uhr // Veranstalter: Koopmann Concerts // ➟K Tickets: VVK: € 18,50 (zzgl. Gebühren) Jazzah ea Clubni d! ght: Pecco 0 2 APR SA / / l a g e r h a u s Mitten ins Indiepop-Herz Billo 11. Jazzahead! ü b e r b o r d e n d e v i e l f a lt Dass der Jazz nicht tot ist, aber komisch riecht, ist eine Binsenweisheit und sie ist falsch. Das altehrwürdige Genre hat sich in den letzten Jahren als quicklebendig erwiesen. In der einen Ecke wird Gediegenes weiter ausformuliert, in der anderen, in der beispielsweise Kamasi Washington musiziert, lässt sich eine überraschende Repolitisierung beobachten. Und auch die Avantgarde von gestern klingt immer wieder überraschend – wer etwa die vor Kurzem erschienenen Master Tapes von John Coltranes ›A Love Supreme‹ hört, kann sich über eine Musik freuen, die inzwischen ein halbes Jahrhundert alt ist und vor Energie und, immer noch, Innovationskraft nur so sprüht. Auf der Jazzahead!, der europaweit wichtigsten Messe für JazzMusik, kommen jedes Jahr junge und etablierte Ensembles und Bands zusammen, um im Schlachthof und in der Halle 7 Konzerte zu spielen. Eröffnet wird die Veranstaltung mit der Swiss Night, unter anderem mit Weird Beard, einem Genregrenzen transzendierenden Quartett, dem es nicht so sehr um das perfekte Stück, sondern um das Aufblühen der einzelnen Musiker beim gemeinsamen Musizieren geht. Am selben Abend spielen Plaistow, die das konventionelle Format des Piano-Trios als Vehikel für eine Fahrt in ungekannte Gefilde nutzen. Bass, Schlagzeug und Klavier hängen sich an repetitiven Dub-Strukturen auf, die Melodiefolgen werden wunderlich. im Lag erh Sa, 23 aus . April 20.30 Uhr Saal Desperate Journalist aus London galten im Jahr 2014 als neuer Indie-Hype-Shit, ehe ihr feines Debütalbum auf dem britischen Indie-Kultlabel ›Fierce Panda‹ im Frühjahr 2015 in den internationalen Musikmedien meist lediglich wohlwollend als Randnotiz wahrgenommen wurde. Erst durch ihre fulminanten Live-Auftritte im letzten Festivalsommer (Indietracks, Primavera, Groningen …) und ihre Indie-Disco-Hitsingle ›Control‹ wendete sich das Blatt und sie wurden zurecht als einer der besten Newcomer abgefeiert. Was ihre kanadischen Vorbilder The Organ live leider nicht so recht umsetzen konnten, füllen Desperate Journalist vortrefflich aus. Postpunk, Goth Pop, Neo-New-Wave irgendwo zwischen Siouxie & The Banshees, The Organ und Lush, der mitten ins Indiepop-Herz trifft. Nun erstmalig in Deutschland live auf einer Mini-Tour, ehe im Frühsommer ihr zweites Album erscheint. 21 b i s 2 3 APR d o b i s SA / / S c h l a c h t h o f Die Programmschiene German Jazz Expo versammelt junge deutsche Künstlerinnen und Künstler, zum Beispiel die wundervolle Saxofonistin Nicole Johänntgen, die mit ihrem Quartett Nicole Jo eingängige und tanzbare Musik spielt. Den Gitarristen Hanno Busch werden zumindest vom Sehen auch viele kennen, die mit Jazz nichts am Hut haben, er war Teil der Studiobands von Anke Engelke und Stefan Raab. Mit seinem Trio spielt er eine immens groovende Musik. Jazz und Pop verbindet Laila Biali, die bei den Overseas Night auftritt. Außerdem mit dabei: der Bassist Omer Avital, der seit 20 Jahren zu den umtriebigsten Größen der Jazz-Szene New Yorks zählt. Sehr, sehr sonnig kommt die Musik der Trompeterin Maite Hontelé daher, deren CD ›Déjame Asi‹ 2014 für den Grammy in der Kategorie ›Salsa Music‹ nominiert wurde. Die genannten Bands sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem überbordenden und stilistisch vielfältigen Festivalprogramm, es gibt ungemein viel zu entdecken. Die Konzerte finden abwechselnd im Schlachthof und der Halle 7 statt. Alle weiteren Programmschienen und Infos unter www.jazzahead.de Martin Steinert 1. 04. Swiss Night, 20 Uhr // ➟2 22. 04. German Jazz Expo, 14 Uhr Overseas Night 20 Uhr // 23. 04. European Jazz Meating, 14 Uhr und 20 Uhr Desperate Journalist Jörg Windszus ➟ etage 3, 20.30 Uhr 0 7 APR d o / / l a g e r h a u s Jochen Distelmeyer Der Mann tr aut sich was Jochen Distelmeyer befindet sich aktuell an einem brisanten Wendepunkt seiner Karriere. Als Texter von Blumfeld, immerhin der einflussreichsten deutschsprachigen Band der Neunziger, war er ein Meister der sprachlichen Miniaturen, erschuf Sätze, die sich einprägten und das komplizierte Leben auf einen aphoristischen Punkt brachten. Jetzt hat er sich mit seinem literarischem Erstling ›Otis‹ in die Welt der Romanciers, der Geschichtenerzähler geschlichen. Als Mitbegründer der Wohlfahrtsausschüsse und Aushängeschild eines Medienphänomens namens Hamburger Schule hat er dem hiesigen Musikfeuilleton gezeigt, dass es im Pop eben niemals ausschließlich um Musik, sondern immer auch um Haltung, Gesellschaft, mithin um Politik geht. Jetzt hat er mit ›Songs from the Bottom Vol. 1‹ ein Album mit Coverversionen herausgebracht, die sich mit ihren perfekt produzierten Vorlagen messen lassen müssen. Das hat Stil, beweist Haltung und ist schon deswegen irgendwie Distelmeyer. Aber lauscht selbst. Jörg Windszus ➟ Saal, 20.30 Uhr Frei zeit 16 0 9 APR SA / / l a g e r h a u s 17 Nacht der Gitarren 2 8 APR d o / / S c h l a c h t h o f Barbara Ruscher S at u r day N i g h t i n B r e m e n Ek s t a s e i s t n u r e i n e Ph a s e Wer Friday Night in San Francisco verpasst hat, kommt vielleicht an diesem Abend, 35 Jahre später und 9.000 Kilometer weiter östlich, auf seine Kosten. Brian Gore, Gitarrenpoet aus Santa Cruz, schenkt uns als Gastgeber der International Guitar Nights die Möglichkeit, live der Kommunikation zwischen Musikern und ihrem Instrument beizuwohnen. Dafür hat er eine hochkarätige Besetzung zusammengestellt. Neben dem britischen Fingerstyle-Virtuosen Mike Dawes und dem deutschen Allrounder Andre Krengel freuen wir uns auf Lulo Reinhardt, jawohl: ein Großneffe Djangos, der seine eigene Mixtur aus Gypsi, Latin und Flamenco kreiert hat. Eigenkompositionen, Klassiker und unerhörte Kadenzen, alleine, im Duett oder alle zusammen. Wer selbst Gitarre spielt, möge entweder verzückt lauschen und sich inspirieren lassen, oder aber sich frustriert zurückziehen und zuhause weiter üben. ›Bin noch im Bauch. Draußen schreit eine Frau. Will ihr sagen, mit Schreien erreiche man gar nichts. Jetzt schreit sie mich an. Heiße wohl PDA. Origineller Name.‹ Bücher über Kinder und Elternschaft gibt es dutzendweise. Die Kabarettistin Barbara Ruscher hat mit ›Fuck the Möhrchen. Ein Baby packt aus‹ eins der wenigen lesenswerten geschrieben – aus der Perspektive eines früh, allzu frühgeförderten Kindes, dem seine Eltern von Anfang an ziemlich auf die Nerven gehen. Live tourt Ruscher mit ihrem fies komischen Stand-up-Programm ›Ekstase ist nur eine Phase‹ durch die Lande. Im Vorgänger ›Panierfehler. Ein Fischstäbchen packt aus‹ ging es um Libido-Verlust, Missgeschicke, Männer, Frauen, die Unwägbarkeiten des Lebens, Topfpflanzen, kurz: Das Skandalöse der menschlichen Existenz wird von Ruscher nicht nur angstfrei benannt, sondern ausgewalzt, bis dem Publikum die Tränen kommen. Und das alles meist am Piano. Toll Klavier spielen kann Barbara Ruscher nämlich auch. Jörg Windszus ➟ Saal, 20 Uhr Martin Steinert ➟ Kesselhalle, 20 Uhr // Tickets: VVK: € 15 (zzgl. Gebühren) AK: € 18 10 APR SO / / S c h l a c h t h o f Manu Dibango & Soul Makossa Gang 2 9 APR F r / / s c h l a c h t h o f 18 0 ° M e e r ein eigenes genre Sarah Kuttner war neben Charlotte Roche eine der schnellsten und geistesgegenwärtigsten Moderatorinnen im deutschen Fernsehen. 2009 erschien ihr Romandebüt ›Mängelexemplar‹, das sich überraschend gut verkaufte und das aus gutem Grund: ›Mängelexemplar‹ beschrieb in einfachen und klärenden Formulierungen das Leben eines Menschen, der schief in die Welt gestellt wurde. Es ging um grundlose Traurigkeit und um umfassendes Nichtklarkommen. ›Wachstumsschmerz‹ erzählte dann zwei Jahre später von einem Paar, das nicht zusammenleben kann. Wieder ein präziser Text: kein großes Drama, sondern der genau beschriebene Prozess, in dem zwei Menschen sich auseinander leben und dann verlieren. Kuttner nimmt die Seelenlage ihrer Protagonisten ernst. ›Irgendwo habe ich mal gelesen, dass Liebeskummer die schlimmste seelische Belastung ist, die man, abgesehen von dem Tod eines sehr nahestehenden Menschen, haben kann‹, sagt Kuttner. ›Insofern bin ich Fan davon, auch Liebeskummer nicht zu bagatellisieren.‹ In ihrem neuen Roman ›180° Meer‹ geht es um Eltern, Kinder und Urlaub. Es soll, so munkelt man, ihr bislang bester sein. Manu Dibango kümmert sich nicht groß um stilistische Grenzen. Ursprünglich vom Jazz kommend, ist das maßgebliche Prinzip der Musik des aus Kamerun stammenden Multiinstrumentalisten die Vermischung. Da treffen zackiger Funk auf anschmiegsamen Jazz, und Akkordfolgen, die von der afrikanischen Musiktradition geprägt sind, werden mit westlichen Popklängen kombiniert. Das nennt man dann der Einfachheit halber World Music, tatsächlich aber ist Manu Dibango sein eigenes kleines Genre, mit hohem Wiedererkennungswert. Vor allem aber spielt er eine Musik, die von Lebensfreude erzählt, aber auch die dunklen Töne nicht ausspart. Auf den Platten von Serge Gainsbourg, Peter Gabriel, Sting und Youssou N’Dour, auf denen Dibango als Gastmusiker zu hören ist, sind die zugleich lakonischen wie vitalen Saxofon-Melodien sofort rauszuhören. Funktioniert zu Hause und im Club – am besten aber auf der großen Bühne. Martin Steinert esselhalle, 20 Uhr // Roots Nights, präsentiert von Funkhaus Europa // ➟K Tickets: VVK: € 25,– (zzgl. Gebühren) / AK: € 30,– 12 APR di / / l a g e r h a u s Sarah Kuttner Isolation Berlin Martin Steinert esselhalle, 20 Uhr // präsentiert vom Weser Kurier // ➟K Tickets: VVK: € 14,– (zzgl. Gebühren) / AK: € 17,– 3 0 APR sa / / s c h l a c h t h o f Who Killed Bruce Lee Aus den Wolken tropft die Zeit E n e r g e t i s c h e A u s n a hm e b a n d Isolation Berlin gelten zurecht als die Newcomer-Band des Jahres 2016 – und sind mit ›Aus den Wolken tropft die Zeit‹ zugleich bereits jetzt Anwärter auf eines der Alben des Jahres. In der bisherigen Berichterstattung wird dennoch bislang oft übersehen, welche Bandbreite das Berliner Quartett beherrscht. Ohne Widerspruch und ohne wie eine Pastiche cooler Pop-Styles zu wirken, gleiten sie musikalisch von 60s-Beat-Chansons (denke: die junge Françoise Hardy) über psychotischen Noiserock (denke: Sonic Youth, Jesus Lizard) zurück in fast volksliedhafte Balladen. Im Text streifen sie zwar im Pop gängige Themen (Liebe, Exzess, Verlust), schaffen dabei aber ebenfalls spielerisch den Dreh, so aufrichtig zu sein, dass sie nie ins Klischee oder Altbekannte abgleiten, und so humorvoll, dass sie nie naiv wirken. Ohne Frage, Who Killed Bruce Lee sind eine Ausnahmeband. Nicht, weil die Libanesen aus einem Land kommen, das immer wieder von Krisen und Unruhen heimgesucht wird, sondern weil sie eine wahnsinnige Energie an den Tag legen. Ihre wilde Mischung aus Punk, Indie und Electro bringt jeden vermeintlich leblosen Körper im Publikum wieder in Wallungen. Ihre Liveshows sind einzigartig und überzeugen nicht nur im Nahen Osten. Mittlerweile haben sie auch das Publikum im sogenannten Abendland überzeugt. Joko und Klaas luden Who Killed Bruce Lee im vergangenen Jahr in ihre Sendung Circus HalliGalli ein, wo sie ein Millionenpublikum in ihren Bann ziehen konnten. Mit ihrem ersten Album ›Distant Rendezvous‹ im Gepäck holen sie jetzt alle ab, die sie noch nicht für sich gewinnen konnten. Und wenn die Frage, die sie in ihrem Namen stellen, nicht endgültig beantwortet werden kann, eines kann man klar sagen: Wer bei einem Konzert der vier Jungs nicht mitgerissen wird, mit dem kann etwas nicht stimmen. Jörg Windszus ➟ Saal, 20.30 Uhr Arne Helms agazinkeller, 20 Uhr // präsentiert von hb-people.de // ➟M Tickets: VVK: € 10,– (zzgl. Gebühren) Frei zeit 05 20 16 18 19 freizeit 0 5 MAI DO / / S c h l a c h t h o f Highlight des Monats Mai Mohammad Reza Mortazavi P o ly p h o n i s c h e S o l o p e r c u s s i o n Die Prämisse der Musik von Mohammad Reza Mortazavi ist simpel: zwei Hände, eine Trommel. Mehr brauchte es für den deutsch-iranischen Percussionisten nicht, um eine eindrucksvolle Reihung an Elogen einzufahren. Als da unter anderem wären: ›unvergleichlich, die schnellsten Hände der Welt‹ (ZDF), ›ein Trommler der Freiheit‹ (Spiegel online), ›unglaubliche Energie‹ (NDR). Stimmt alles. Was Mortazavi mit zwei Händen aus den traditionellen persischen Instrumenten Tombak und Daf herausholt, ist tatsächlich beeindruckend – und das eben nicht nur unterm sportiven Aspekt, die Hochgeschwindigkeitsstücke sind immer durch und durch musikalisch. Und, nicht zu vergessen, immer wieder eminent politisch. 2013 veröffentlichte er die Single ›20‹, auf der eine 20-minütige Percussion-Improvisation zum Puls des iranischen Filmemachers Jafar Panahi zu hören ist. ›Entstanden ist ein solidarisches Kunstwerk zwischen einem, der nicht mehr in den Iran zurück kann und einem, der nicht mehr aus ihm herauskommt.‹ (Deutschlandfunk)‹ Martin Steinert esselhalle, 20 Uhr // Roots Nights, präsentiert von Funkhaus Europa // ➟K Tickets: VVK: € 17,– (zzgl. Gebühren) / AK: € 21,– 0 6 MAI F R / / S c h l a c h t h o f Wajd Klassische Musik aus Aleppo Heinz Strunk Ein Elend, alles In der Kneipe ›Der Goldene Handschuh‹ auf St. Pauli treffen sich die Halbtoten – gescheiterte Zuhälter, Schwerstalkoholiker, altgewordene Prostituierte. Einer der Stammgäste wird Leiche genannt, der nächste Anus. Der Suff ist in verschiedene Stufen unterteilt, Schmiersuff, Sturzsuff usw. Mittendrin in dieser Vorhölle der Serienmörder Fritz Honka, genannt Fiete. Heinz Strunk hat als erster Schriftsteller Zugang zu bislang im Staatsarchiv Hamburg unter Verschluss gehaltenen Akten zum Fall Honka erhalten. Und er hat genau recherchiert. Fritz Honka tötete in den Siebzigern im Suff vier Frauen, verteilte die Leichenteile oder bewahrte sie in seiner Wohnung auf. Vermisst hat die Frauen, Gelegenheitsprostituierte, niemand, Vermisstenanzeigen wurden nicht gestellt, und die Toten wurden nur durch Zufall entdeckt. Strunks neuer Roman dürfte einigen Lesern, die nur seinen Bestseller ›Fleisch ist mein Gemüse‹ kennen, einen Heidenschreck einjagen. Aber auch wer sich in der drastischen Literatur auskennt, kommt hier schnell an die Grenzen des Erträglichen. Das Elend wird mit einem unerschrockenen, aber immer wieder fassungslosen Blick angesichts der umfassenden und leider vollkommen plausiblen Hoffnungslosigkeit beschrieben. Dabei gelingt dem Text etwas Unvermutetes: Er erzeugt Nähe zu seinen Protagonisten und erhebt sich nicht über das, was er beschreibt. Tex Rubinowitz hat in seiner Besprechung für die ›Süddeutsche Zeitung‹ sehr schön das tiefergehende Unbehagen beschrieben, das ›Der goldene Handschuh‹ im Leser implantieren kann: ›Heinz Strunk [hat] nicht nur eine klassische Milieustudie der Verzweif- Die fünf Mitglieder des 2010 gegründeten syrischen Ensembles Wajd mussten die syrische Stadt Aleppo verlassen. 2014 trafen sie sich in Belgien wieder. In der Musik des Quintetts geht es auch um den Versuch, die eigene Tradition vor dem Vergessen zu bewahren. Wajd führen unbekannte Stücke der syrischen Musikgeschichte auf. Um schlichte Wiederholung geht es Khaled Al Hafed (Gesang und Percussion), Tarek Alsayed Yahya (Oud), Youssef Nassif (Kanun), Tammam Ramadan (Ney) und Fawaz Baker (Kontrabass) dabei nicht. Die Stücke arrangieren sie neu, der Umgang mit der Geschichte ist frei und kreativ und wird von den fünfen in Bremen auch in Workshops für jugendliche und erwachsene Geflüchtete vermittelt. Für hiesige Ohren mögen die orientalischen Tonarten ungewohnt klingen, die Haltung zur Kunst und zur eigenen Geschichte vermittelt sich auf den intensiven Live-Konzerten von Wajd trotzdem. Der Name des Ensembles bedeutet übersetzt ›übergroße Liebe‹. 2 6 MAI DO / / S c h l a c h t h o f lung abgeliefert, sondern er versucht, die Ohnmacht zu spiegeln, versucht zu zeigen, dass nicht nur, wer von unten kommt, in den meisten Fällen unten bleiben und unten untergehen muss, sondern, dass vom Handschuh auch eine magische Bedrohung nach oben ausgeht, zu wissen, dass es so etwas gibt, dass man nur einmal in die Hölle blicken muss, sozusagen als nützliche Hölle, um sich seiner eigenen vermeintlichen Unverwundbarkeit und geschützten Herkunft zu versichern.‹ Der Roman lässt immer spürbar werden, wie porös die Unverwundbarkeit – als vermeintliche – ist. Es gibt in diesem gnaden-, aber nie empathielosen Text immer wieder herzzerreißende Momente, in denen der Wunsch nach Glück in einer Welt aus Kotze, Suff und Leichengestank aufscheint. Der Erzählung vorangestellt ist ein längeres Zitat aus den Verhören des Kindermörders Jürgen Bartsch: ›In meinem ganzen Leben war ich nie auch nur eine Sekunde ungetrübt froh oder glücklich. Ich sehe mich wieder als Jungen vor dem Altar und habe die gleichen Gedanken, die gleichen Wünsche wie damals: Junge sein, Junge bleiben, viele echte Freunde haben, ein kleiner Freund aller Welt, wie Kipling es genannt hat.‹ Strunk lässt seinen innerlich verkrüppelten Figuren ein – Zitat – ›katastrophales Glücksverlangen‹, und auch dadurch unterscheidet sich ›Der goldene Handschuh‹ vom allermeisten, was ansonsten so an True-Crime-Literatur zirkuliert. Martin Steinert esselhalle, 20 Uhr // Roots Nights, präsentiert von Funkhaus Europa // ➟K Tickets: VVK: € 12,– (zzgl. Gebühren) / AK: € 15,– 0 6 MAI F R / / S c h l a c h t h o f Redensart Wie das wohl wird ›Sieh das Mädchen wie es tanzt / Sieh den Jungen wie er schwankt / weil er glaubt, dass er’s nicht kann / Schüttelt die Ängste von sich ab / und sein Bein, es wippt im Takt / und er fängt auch zu tanzen an‹. So sollte es sein, so beginnt der Song ›Wie das wohl wär‹ der Freiburger Band Redensart. Die Zeilen umschreiben sehr schön das Versprechen gitarrenlastiger Popmusik, das sie notorisch melancholischen jungen Menschen gibt. Denen also, die, wäre die Welt ein amerikanischer Highschool-Film, niemals ins Football- oder Cheerleader-Team gewählt werden. Redensart besingen euphorische Zustände, Selbstvergessenheit und den Blick zurück auf Erlebtes, meist voller angedeuteter Wehmut – aber eben ohne den nervigen Schlagercharakter, den deutsche IndieMusik in den letzten zehn Jahren mehr und mehr angenommen hat. Stattdessen gibt es mitgröhltaugliche Refrains, die weniger nach Kettcar und mehr nach (allerdings sehr gemäßigten) Pogues klingen. Läuft. Und wird vielleicht mal ganz groß. Benjamin Moldenhauer esselhalle, 20 Uhr // präsentiert von bremen vier ➟K Tickets: VVK: € 17,– (zzgl. VVK-Geb) AK € 20,– Martin Steinert agazinkeller, 20 Uhr // präsentiert von hb-people.de // ➟M Tickets: € 10,– (ermäßigt 8,–) Frei zeit 20 13 MAI fr / / l a g e r h a u s 21 The Baboon Show 2 4 MAI D i / / l a g e r h a u s Les Yeux d’la Tête D i e W e l t i s t g r ö SS e r a l s d u D a n c e f l o o r Ch a n s o n s ›The World Is Bigger Than You‹ ist das in vielerlei Hinsicht ehrgeizigste und aufwendigste Album der Band geworden und so findet man hier auch einige der besten Songs der Bandgeschichte. Vielleicht war es der Geist des Ingrid Studios in Stockholm, in dem bereits ABBA einige ihrer Alben aufnahmen, vielleicht war es die erneute Zusammenarbeit mit Pelle Gunnerfeldt, der sieben der insgesamt elf Songs des Albums produzierte, vielleicht war es aber auch einfach die Tatsache, dass die Band selbst härter und länger als zuvor an den Songs arbeitete. Neben den eigenen unverwechselbaren Stücken sticht vor allem der letzte Song des Albums ›Lost You In A Second‹ heraus. Dieser Song wurde von Bjorn Dixgard (Mando Diao) für die Band geschrieben, und er ließ es sich nicht nehmen, das Stück gemeinsam mit Sängerin Cecilia zu singen. ›Liberté Chérie‹ – treffender könnte man den Esprit und die Musik von Les Yeux d’la Tête nicht beschreiben. Das neue Album vermischt gekonnt mitreißende Melodien mit dem berüchtigten Pariser Spott. Französischer Folk, Chanson, Swing, östliche Klänge, Rock – Les Yeux d’la Tête bedienen sich wagemutig verschiedener Genres und kreuzen diese auf brillante Weise mit humorvollen und poetischen Texten. Von ›Dancefloor Chansons‹ bis hin zu bezaubernden Balladen, Les Yeux d’la Tête wissen, wie man das Publikum begeistert. Von Paris bis Berlin, von London bis Budapest, mit mehr als 500 Konzerten in nicht weniger als zehn Ländern im Gepäck, geht die Band aus Montmartre ihren ganz eigenen Weg mit viel Talent und Freigiebigkeit. Es wartet eine lebendige, aufregende Show, schier überbordend vor liberté, chérie! Jörg Windszus Jörg Windszus ➟ Saal, 20 Uhr 13 MAI fr / / l a g e r h a u s ➟ Saal, 20.30 Uhr Star Crash – Sterne im Duell 2 7 MAI F R / / S c h l a c h t h o f Chico Trujillo präsentiert von Weird Xperince K o m p r o m i s s l o s e S o mm e r m u s i k Wir geben zu: Es haben schon Leute mit Legosteinen bessere Filme gedreht, und ja, David Hasselhoffs Schauspielkünste haben im Laufe seiner Karriere auch zugenommen. Aber hey: Die amerikanisch-italienische Koproduktion ›Star Crash‹ stammt schließlich aus dem Jahr 1978 und war somit der erste Star-Wars-Ploitation-Film, lange bevor Walt Disney (›Das schwarze Loch‹) und George Lucas (›Episode I–III‹) auf den fahrenden Zug aufgesprungen sind. Immerhin ein ›Trash-Spektakel mit beneidenswerter Lässigkeit und einer auffallenden Nichtachtung von Naturgesetzen‹, wie der ›Time Out Filmguide‹ sich ausdrückt. Neben Hasselhoff und dem Genre-Superstar Caroline Munro (›Dracula jagt Mini-Mädchen‹) wartet der Film außerdem mit Christopher Plummer als Imperator auf. Ein Spaß für die ganze Familie. Chico Trujillo gibt es seit 17 Jahren, inzwischen ist die chilenische Band zu einer der weltweit bekanntesten Cumbia-Bands geworden. Los ging es in der Hafenstadt Valparaiso. Schon auf dem ersten der bislang acht Alben von Chico Trujillo war eine vielfältige Musik zu hören, die verschiedene Stile zu einem homogenen Ganzen verband: ein euphorisierender Mix aus Ska, Punk, chilenischer Folkmusik und Brass-artigen Bläsersätzen. Es ging schnell nach vorne los, nachdem die achtköpfige Band sich im Handumdrehen Lokalheldenstatus erspielt hatte, folgten Konzerte auf Festivals wie Loolaplooza und Roskilde. Mit einem nur schwer übersetzbaren Zitat aus der ›New York Times‹ gesprochen: ›Syncopation, momentum and a way of romping through pain — a party band needs them all, and Chico Trujillo has them.‹ Manchmal bringt die Band Tänzerinnen und Tänzer in wüsten Verkleidungen mit auf die Bühne. Man darf gespannt sein. Kompromisslosere Sommermusik wird man diesem Monat in der Stadt nicht finden. Jörg Windszus ➟ etage 3, 20 Uhr Martin Steinert esselhalle, 20 Uhr // Roots Nights, präsentiert von Funkhaus Europa und ➟K Weser Kurier // Tickets: VVK: € 16,– (zzgl. Gebühren) / AK: € 19,– 18 MAI mi / / S c h l a c h t h o f Katrin Bauerfeind 2 8 MAI sa / / L a g e r h a u s Dame Hinten sind Rezepte drin HipHop aus Salzburg Katrin Bauerfeind hat die Gabe, unpeinlich zu moderieren. Klingt banal, ist aber in den letzten Jahren eine rares Phänomen geworden: Menschen im Fernsehen, die reden, und man hört gerne zu und fühlt sich nicht verarscht. Das Interview mit Christoph Schlingensief, in dem Bauerfeind 2008 mit dem krebskranken Künstler über das Leben und den Tod sprach, war von einer traumwandlerischen Stilsicherheit; kein falscher Ton, das ist im allgemeinen Gekreische nicht selbstverständlich. Im Schlachthof ist Katrin Bauerfeind mit ihrem neuen Buch ›Hinten sind Rezepte drin. Geschichten, die Männern nie passieren würden‹ zu Gast. Rezepte stehen nicht drin, dafür aber massig Beobachtungen über Männer und Frauen. Derartige Bücher schreiben viele, aber wenn man das von Katrin Bauerfeind liest, kann man sich die anderen sparen. ›Hinten sind Rezepte drin‹ ist lustiger und klüger als das meiste, was sonst so in diesem Jahr auf dem Buchmarkt kursiert. Mit gerade einmal 25 Jahren hat der Salzburger Rapper bereits fünf Alben veröffentlicht. Bereits das dritte, ›Jetzt wird gezockt‹, enterte die Charts. Dame ist über YouTube großgeworden, seine Songs veröffentlicht er heute auf dem eigenen Label Damestream Records – um unabhängig zu sein, wie er sagt. Mit Stücken über Games wie ›World of Warcraft‹ oder ›Call of Duty‹. Klingt für Menschen, die älter als 30 sind, eventuell abstrus, aber es funktioniert. Auf demselben Album findet sich mit ›Auf die guten alten Zeiten‹ eine Hymne auf die Fernsehserien der Neunzigerjahre. Spätestens mit dem aktuellen Album ›Lebendig begraben‹ hat sich das Themenspektrum erweitert. Die Mischung aus ohrwurmförmigen Popsong und HipHop-Track überzeugt, Dame beherrscht die verschiedenen Genres, von der gesungenen Ballade über die erzählte Geschichte bis zum klassischen Battlerap-Brett; auch wenn er ohne jede Gangsta-Attitüde auskommt. Also auch für alle die interessant, die das Härte-Getue im deutschen Hip Hop schon länger fad finden. Martin Steinert esselhalle, 20 Uhr // präsentiert vom Weser Kurier // ➟K Tickets: VVK: € 14,– (zzgl. Gebühren) / AK: € 17,– Martin Steinert ➟ Saal, 19.30 Uhr Frei zeit 22 APRIL / M AI 2 0 1 6 Projekt Stadt lagerhaus Wie sich die Zeiten ändern. Offenes Forum April Fr 01 Benaissa | Konzert | Saal 19.30 Uhr 112 Mi 06 ANGST BLEIBT. J o c h e n D i st e l m e y e r 0 07 Vermittlung Do 07 Fr 08 Sa 09 theaterSCHLACHTHOF 2016 – SEX 42 Di 12 Do 14 es brennt Identitäten Fr 15 Sa 16 dein Theater erfindet sich neu. Di 19 Mi 20 1 A k ua Na r u LICHT 29 Do 21 Fr 22 Festival s Sa 23 37 Schweizer Kanton Nummer 27 Di 26 Jeden Tag. Do 28 Fr 29 Körper Sa 30 Lokal/National/international 7 Mai Demnächst mehr! Mi 04 SPH Bandcontest| Konzert | Saal 18.30 Uhr 7 Fr 06 MACHT Sa 07 5 Mi 11 3 Do 12 4 Fr 13 Das du das selber bewegen kannst DICH nicht ohne theaterschlachthof.de Sa 14 Coffee 07 Fr 20 Di 24 Findorff Bremen kein Ende in Sicht Desperate Journalist | Konzert |etage 3, 20.30 Uhr Jazzetage | Die Session für Jazz und jazzverwandte Musik | etage 3, 21 Uhr Jochen Distelmeyer | Konzert | Saal 20.30 Uhr Weird Xperience zeigt: Turbo Kid (Can 2015) | Film | etage 3, 20 Uhr Äl Jawala | Konzert | Saal 20.30 Uhr Nacht der Gitarren | Brian Gore / Mike Dawes / Lulo Reinhardt / Andre Krengel | Saal 20 Uhr Die Efkaka-Improshow | Theater | etage 3, 20 Uhr Isolation Berlin | Konzert | Saal 20.30 Uhr Poetry Slam | Stargast: Bo Wimmer | Saal 20.30 Uhr Quichotte | Poetry | Saal 19.30 Uhr V.B.Schulze’s Bernsteinzimmer | Gründungssitzung des CSU-Landesverbandes Bremen | etage 3, 21 Uhr Wir müssen reden | taz Salon zum Thema: Ausspioniert | Saal 19 Uhr 9. Bremer HIV-Gespräch | Diskussion | etage 3, 20.30 Uhr 7. Bremer Science Slam | Stargast: Prof. Dr. Albert Baars | Saal 19.30 Uhr Frank Goosen | Lesung | Saal 19.30 Uhr Xixa | Konzert | Saal 20.30 Uhr Brachenkiste zeigt 100 Jahre Dada | Puppentheater | etage 3, 21 Uhr Locas In Love – Support: Rats | Konzert | etage 3, 20.30 Uhr jazzahead! Clubnight: PeccoBillo | Konzert | Saal 20.30 Uhr Shantel & Bucovina Club Orkestar | Konzert | Saal 20.30 Uhr U3000 | Konzert | Saal 20.30 Uhr Akua Naru | Konzert | Saal 19.30 Uhr Walpurgistanz in den Mai | Konzert und Party | LichtLuftBad 19.30 Uhr Angelika Express | Konzert | Saal 20 Uhr Tanz der Kulturen | Party| Kafé und Saal 23 Uhr Do 26 Sa 28 Jazzetage | Die Session für Jazz und jazzverwandte Musik | etage 3, 21 Uhr Die Shittlers | Konzert |Saal 20.30 Uhr Coffee | Record Release Konzert | Saal 20.30 Uhr Desert Mountain Tribe | Konzert | etage 3, 20.30 Uhr Poetry Slam | Poetry | Saal 20.30 Uhr The Baboon Show| Konzert | Saal 20 Uhr Weird Xperience zeigt: Star Crash – Sterne im Duell (IT/USA 1978) | Film | etage 3, 20 Uhr V.B.Schulze’s Bernsteinzimmer | Shocking Awful – Mit Bildern gegen das Böse in der Welt – Gäste: The Rosalyn Mansons | etage 3 21 Uhr Osman Engin| Lesung | Saal 20 Uhr Les Yeux d’la Tête | Konzert | Saal 20.30 Uhr San2 & His Soul Patrol | Konzert | Saal 20 Uhr Dame | Konzert | Saal 19.30 Uhr M o n t a g s offene Tanzgelegenheit | ab 20 Uhr Standard & Latein | ab 21.30 Uhr Tango mit dem DJane-Trio Natascha, Nina & Tango Anima Sa 02 SPH Bandcontest | Konzert |Saal 18.30 Uhr Raum ohne April / Mai 2016 schlachthof April Buk a ha ra 12 Fr 01 Dimple Minds + Gäste | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr Sa 09 Live in Bremen – Das Halbfinale So 10 Di 12 Sa 16 Do 21 Fr 22 Sa ra h Kuttner 29 Sa 23 Do 28 Fr 29 Sa 30 | Bandwettbewerb | Kesselhalle 18 Uhr Manu Dibango & Soul Makossa Gang | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr Bukahara | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr 20. Pop & JazzCHOR Festival | Konzert| Kesselhalle 19.30 Uhr Skiparty | Tanzen | Magazinkeller 22 Uhr jazzahead! – Swiss Night | Konzert mit Weird Beard, Elina Duni Quartet, Plaistow, Luca Sisera Roofer | Kesselhalle ab 20.30 Uhr jazzahead! – German Jazz Expo | Konzert mit Subtone, Nicole Jo, Hanno Busch Trio | Kesselhalle ab 14.30 Uhr jazzahead! – Overseas Night | Konzert mit Laila Biali, Omer Avital, Maite Hontelé | Kesselhalle ab 20.30 Uhr jazzahead! – European Jazz Meeting | Konzert mit Shalosh, Carlos Bica & Azul, Oddarrang | Kesselhalle ab 14.30 Uhr jazzahead! – European Jazz Meeting | Konzert mit Laura Jurd Dinosaur, Dans Dans, Minafric Orchestra + Faraualla | Kesselhalle ab 20.30 Uhr Barbara Ruscher | Comedy | Kesselhalle 20 Uhr Sarah Kuttner | Lesung | Kesselhalle 20 Uhr Who Killed Bruce Lee | Konzert |Magazinkeller 20 Uhr Mai Do 05 Mohammad Reza Mortazavi | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr Fr 06 Wajd | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr G a by Mo reno 14 Fr 13 Sa 14 Mi 18 So 22 Do 26 Fr 27 Sa 28 // i m p r e ss u m Redensart | Konzert | Magazinkeller 20 Uhr 187 Strassenbande | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr Gaby Moreno | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr Katrin Bauerfeind | Lesung | Kesselhalle 20 Uhr Schramme11 | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr Heinz Strunk | Lesung | Kesselhalle 20 Uhr Chico Trujillo | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr Afterburner | Konzert | Kesselhalle 20 Uhr Schlachthof H e r a u s g e b e r : Kulturzentrum Schlachthof, Findorffstraße 51, 28215 Bremen, Büro: Mo–Fr: 10–19 Uhr, Fon: 0421/37 7750, Fax: 3777511, zett@schlachthof-bremen. de, Kulturzentrum Lagerhaus, Schildstraße 12–19, 28203 Bremen, Telefon: 0421/701000-0, -fax: 701000-74, Z-Magazin im Internet: www.schlachthof-bremen.de R e d a k t i o n : Gudrun Goldmann (V.i.S.d.P.), Jörg Möhlenkamp, Benjamin Moldenhauer, Marlis Schuldt Ausland: Anette Harasimowitsch, Südafrika, Robert Best, Schweiz G r a f i s c h e G e s t a l t u n g : Jörg Möhlenkamp, Marlis Schuldt B e i t r ä ge : Sean-Patric Braun, Heidi Diewald, Arne Helms, Lena Philipp, Joschka Schmitt, Martin Steinert, Elke Weiß, Katja Wille, Jörg Windszus F o t o s / I l l u s t r a t i o n : Marina Lilienthal (Titel), Lena Stuckenschmidt (Kulturgut), Dennis Dirksen, Philippe Levy, Z-Magazin Michael Schiffhorst, J. 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