magd ruschifenggen 01

Sagen aus Braz
Die Magd bei den Ruschifenggen
Im Gasthof Traube in Braz arbeitete die Magd Amrei. Von Zeit zu Zeit musste sie
in den Weiler Barbiel gehen, wo sich ein großer Kartoffelacker befand.
Eines Tages war sie wieder in Barbiel, um Kartoffeln zu holen. Sie wollte ihren Korb
schnell mit köstlichen Kartoffeln füllen, um anschließend das Mittagessen
zubereiten zu können.
Plötzlich hielt sie jedoch in ihrer
Arbeit inne und richtete sich auf,
denn vor ihr saß inmitten der
Kartoffeln eine große ekelige Kröte.
Ein Gruseln lief der Magd über den
Rücken. Sie schrie die Kröte wütend
an: „Gang, i will dr hälfa!“ Die Kröte
hüpfte sofort zur Seite in die
Kartoffelstauden. Amrei sammelte
flink die Erdäpfel ein und ging
raschen Schrittes nach Hause.
Als die Familie des Gastwirts beim Mittagessen saß und die gefüllten Schüsseln auf
dem Tisch dampften, öffnete sich plötzlich die Stubentüre. Herein schob sich die
ekelige Kröte vom Barbielacker, hüpfte dann auf die Bank, auf den Tisch und mitten
hinein zwischen Pfanne und Schüsseln.
Jedem verging der Appetit und jeder legte den Löffel beiseite. Die Kröte blähte
sich auf und verwandelte sich in einen Ruschifenggenzwerg.
Alle starrten ihn an. Da begann er zu sprechen und sagte zur Magd:
„Heute versprachst du auf dem Acker, mir zu helfen. Ich nehme
dich beim Wort. Meine Frau liegt seit Tagen krank in meiner Höhle
und du musst sie pflegen kommen. Mit Gold will ich dich belohnen.“
Hierauf verschwand der Zwerg.
Amrei erzählte den Wirtsleuten von der Begegnung auf dem Acker.
Auf keinen Fall wollte sie die kranke Ruschifenggin pflegen gehen.
Der Wirt jedoch mahnte sie, dem Zwerg zu helfen, es könnte sie sonst ein Unglück
treffen.
Zögernd ging Amrei zur Höhle der Ruschifenggen am Fuße der Felsen von Braz.
Über die großen Stufen trat sie vorsichtig und mit Herzklopfen in die Tiefe der
Höhle. Hier empfing sie der Zwerg und wies ihr die Arbeit an. Einen Blick in den
Viehstall zu tun verbot ihr der Zwerg, da sonst die Kühe rote Milch gäben.
Die Magd kochte der Zwergenfamilie, putzte die kleine düstere Wohnung, richtete
die niedlichen Bettchen, nähte, flickte Zwergenkleider und pflegte die kranke
Zwergenfrau, bis sie gesund wurde.
Die Ruschifenggenfrau bedankte sich sehr herzlich und der Ruschifenggenmann gab
ihr den Lohn: zehn Kohlenstücke. Als das Männchen der Magd die kohlschwarzen
Brocken in die Schürze schüttete, war die Magd sehr enttäuscht.
Amrei dachte, sie hätte wohl etwas Besseres als Kohlen verdient, sagte aber nichts.
So machte sie sich auf den Heimweg. Aber gleich neben der Höhle warf sie wütend
acht Brocken in die Stauden. Zwei Brocken verirrten sich in ihren Schürzensack.
Erleichtert schritt sie hinab ins Dorf. Im Gasthof Traube an der Haustür angelangt,
entdeckte sie in ihrer Schürze zwei herrlich glänzende Brocken Gold. Schnell eilte
sie mit ihrem Schatz an jene Stelle, wo sie die anderen Kohlenstücke weggeworfen
hatte. Doch nichts mehr davon war zu finden. Der Zwerg hatte das Gesuchte schon
selbst geholt.
Die Höhle der Ruschifenggenzwerge, heute noch als Ruschifenggenloch bekannt, ist
seit vielen Jahren verlassen und nur die großen Eingangsstufen wissen noch etwas
zu künden von einstigen menschlichen Bewohnern.