Übersicht: Teil 2: zentral erworbene Sprach

Übersicht: Teil 2: zentral erworbene
Sprach- & Sprechstörungen
– 2.1 Definition und Ursachen
– 2.2 Einteilung und Symptomatik:
• Aphasie
• Dysarthrophonie
• Sprechapraxie
1
Störungen von Sprache und Sprechen
Sprachentwicklungs
-störung
Redeflusstörung
Stottern
Poltern
Aphasie,
Dysarthrie,
Sprechapraxie
Erworbene zentrale
Sprachstörung
2
Übersicht
Aphasie
Völliger oder teilweiser (Dysphasie) Verlust der schon vorhandenen Fähigkeit,
sprachliche Informationen zu geben oder zu verstehen infolge eines
hirnorganischen Prozesses
Sprechapraxie
Erworbene zentralmotorische Störung des
Sprechens, Störung der Programmierung von
Sprechbewegungen
Dysarthrie
Artikulationsstörungen bei zentralen
Erkrankungen
Ursache /Definition
3
Zentrale Repräsentation der
Sprache
Die WernickeRegion:
Sprachverständnis
die Broca-Region:
Sprachproduktion.
Beide Zentren sind durch den Fasciculus longitudinalis superior (= arcuatus)
miteinander verbunden. Die Broca-Region aktiviert die Mund- und Zungenregion
des motorischen Cortex. Der Gyrus angularis koordiniert Eingänge vom visuellen,
akustischen und somatosensorischen Cortex und beeinflusst das WernickeZentrum.
4
Lokalisation der Schädigung
Dysarthrophonie
Aphasie
Sprechapraxie
Kortikale Gesichtsareale
(links- oder rechts)
Wernicke und
Broca-Zentrum
benachbarte Gebiete des
Broca-Zentrums
linksseitig: V. a.
prämotorischer Cortex
Extrapyramidalemotorisches System
Transcortikal:
frontales Operculum
Bahnsysteme
zwischen höheren
assoziativen Zentren
Verbindungen zwischen
den kortikalen
Gesichsarealen und den
Hirnnervenkernen im
Hirnstamm
Fasciculus arcuatus
Inselrinde
Marklager
Kleinhirnläsion
Definition und Ursachen
5
Häufigste Ursache
A. cerebri anterior
A. cerebri media
A. cerebri posterior
A. basilaris
A. inf. ant. cerebelli
A. vertebralis
Insult:
Mediainsult links
6
Ätiologie bei Aphasikern
Ursache der Aphasie
Häufigkeit in %
Schlaganfall
80
Schädel-Hirn-Trauma
10
Hirntumor
7
Hirnatrophie
1
Entzündliche Erkrankungen des ZNS
1
Hypoxie
1
Zahlen BRD 2010/2012: 243 000 - 260 000 Schlaganfälle, Lebenszeit-Prävalenz ca.
20%, Krankenhausletalität 9,5%, Aphasie 45% d. F. , ca. 25% auf dauernde Pflege
angewiesen Quelle: Deutsches Ärzteblatt
Definition/ Ursachen
7
Erkrankung
Auftretenshäufigkeit
dysarthrischer Störungen
Schädel-Hirn-Trauma
30 - 50% der schweren SHT
Zerebrovaskuläre Erkrankungen
15 – 30% der Überlebenden
Degenerative Stammganglienerkrankungen
M. Parkinson
M. Huntington
Steele-Richardson-Olszewski Syndrom
Multisystemdegeneration
75 - 90%
80 - 90%
ca. 75%
bis 100%
Degenerative Kleinhirnerkrankungen
Zerebelläre Ataxie
Friedreichsche Ataxie
unbekannt
100%
Entzündliche Erkrankungen
Multiple Sklerose
40 – 50%
Erkrankungen des motorischen Neurons
Amyotrophe Lateralsklerose
bis 100%
Erkrankungen des neuromuskulären Übergangs
Myasthenia gravis
<10%
Ursachen
8
Übersicht: Teil 2: zentral erworbene
Sprach- & Sprechstörungen
– 2.1 Definition und Ursachen
– 2.2 Einteilung und Symptomatik:
• Aphasie
• Dysarthrophonie
• Sprechapraxie
9
Definition:
Aphasie
- Sprachmodalitäten: Sprechen, Verstehen, Lesen,
Schreiben, Gestik
• Aphasie ist eine erworbene Störung der
Sprache in allen Modalitäten nach
vollzogenem Spracherwerb infolge einer
umschriebenen Hirnschädigung [nach Wallesch1986]
• trotz intakter Sprech- und Hörorgane
Einteilung
10
Aphasische Syndrome
4 aphasische Standardsyndrome und
Sonderformen
Standardsyndrome:
• Globale Aphasie
• Wernicke-Aphasie
• Broca-Aphasie
• Amnestische Aphasie
Sonderformen
• Leitungsaphasie
• Transkortikal-sensorische Aphasie
• Transkortikal-motorische Aphasie
• Gemischt-transkortikale Aphasie
Einteilung
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Globale Aphasie - Symptome
= schwerste Form der Aphasie
Expressive Sprache: Äußerungen fehlen ganz
oder sie sind weitestgehend unverständlich. Sie
bestehen aus:
• Sprachautomatismen (Floskeln)
• Gemisch aus: Einzelwörter unterschiedlicher
Kategorien, Silben und Lautfolgen, deren Sinn
nicht erkennbar ist
• semantische Paraphasien (Wörter die es zwar gibt, die
aber an der gebrauchten Stelle nicht passen)
Symptomatik
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Broca-Aphasie – Symptome:
Verlangsamte, unflüssige und agrammatische,
telegrammstilartige Sprache (mühsam, schwerfällig)
• Kurze Sätze, Funktionswörter fehlen
• Sprechanstrengung: Suche nach Wörtern, lange Pausen,
allgemeine Verlangsamung der Sprache
• Semantische Paraphasien (=Ersetzung eines Wortes durch ein
•
anderes mit Beziehung zum gesuchten Wort : Jacke statt Mantel)
Phonematische Paraphasien (= durch Lautverwechslung veränderte
Wörter: Bulme, statt Blume)
• Sprachverstehen ist weniger beeinträchtigt
• ggf. gekoppelt mit Dysarthrie
Symptomatik
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Wernicke-Aphasie – Symptome:
Flüssige, überschießende Sprache (hektische,
unverständliche endlose Wortfolgen)
• semantische Paraphasien & phonematische
Paraphasien
• Neologismen (Wortneuschöpfungen)
• Paragrammatismus (Ineinanderschachteln von Wörtern,
Satzteilen und Sätzen, „Satzschlangen“)
• Logorrhoe mit natürlicher Intonation
• Sprachverstehen: stark eingeschränkt
Symptomatik
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Amnestische Aphasie: Symptome:
Wortfindungsstörung: gerade sinntragende Wörter
können nicht abgerufen werden (wirkt umständlich,
redundant, gequält)
• Stocken, Satzabbrüche
• Gebrauchen von Wörtern, die nicht ganz dem
Beabsichtigtem entsprechen
• Redefloskeln („Na wie heißt das noch.“)
• Ersatzwörter („das Dings“)
• Umschreiben des Begriffs („das braucht man zum essen“)
• Sprechfluss flüssig und gut artikuliert
• Sprachverständnis normal
Symptomatik
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Dysarthrie/Dysarthrophonie
= Störungen der Steuerung und Koordination von
Sprechbewegungen (Fehlsteuerung der Muskulatur)
• mitbetroffen: Steuerung der Atmung beim
Sprechen, der Stimmgebung, der
Artikulationsbewegungen
….mit Auswirkungen auf:
• Artikulation
Aphasie ist eine
erworbene Störung
• Sprechrhythmus
der Sprache in allen
• Sprechmelodie
Modalitäten
• Qualität der Stimme
Symptomatik
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Apraxie
= Störung in der Planung von Bewegungen und
Bewegungsabfolgen
Ursachenhypothese: Störung des Zugriffs auf automatisierte
motorische Routinen
• Formen:
– Sprechapraxie
– Buccofaziale Apraxie
– Gliedmaßenapraxie
Symptomatik
Aphasie ist eine
erworbene Störung
der Sprache in allen
Modalitäten
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Nicht-aphasische zentrale
Sprachstörungen, synonym: kognitive
Dysphasie, sekundäre Aphasie
• Beruhen auf Veränderungen der kognitiven
Exekutivfunktionen, die an der Planung und
Steuerung sprach- und
kommunikationsrelevanter
Verarbeitungsprozesse beteiligt sind.
– z.B. Demenz, Vergiftungen,
Bewussteinseintrübungen
– klassische aphasische Symptome lassen sich nicht
nachweisen
Symptome
18
Übersicht: Dysphagie:
Schluckstörungen
– 3.1 Definition und Ursachen
– 3.2 Symptomatik
– 3.3 Diagnostik
– 3.4 Therapie
– 3.5 Dysphagie nach Tumorbehandlung
19
Der Schluckvorgang
1) orale Vorbereitungsphase
2) orale Phase, ca. 1 Sek.
3) pharyngeale Phase, 0,5 – 1 Sek.
4) ösophageale Phase, 8 – 20 Sek.20
Neuroanatomische Grundlagen des
Schluckens
Beteiligt sind:
• Großhirnkortex (motorischer Cortex)
• kortikobulbäre Bahnen: vom Cortex zu den
Hirnnervenkernen
• Hirnstamm:
– Schluckzentrum
– efferente Systeme zur Innervation
der Schluckmuskulatur und der
Speicheldrüsen
– afferente Systeme: oropharyngeale
und laryngeale Sensibilität und
Geschmackssinn
• Schluckmuskulatur
Definition und Ursachen
21
>> Schluckstörungen
10. Schluckstörungen
(Syn.: Dysphagie)
Definition
◦
Störung der Aufnahme, der
Zerkleinerung oder des Transports von
Nahrung/Flüssigkeiten in der oralen,
pharyngealen oder ösophagealen
Phase (einschließlich des Transports von
Speichel und Sekret)
Definition
22
>> Schluckstörungen
Klassifikation

oropharyngeal
durch funktionelle und/oder anatomische Störungen des Pharynx und
des oberen Ösophagussphinkters
Abb. 1

ösophageal
durch Erkrankungen des tubulären Ösophagus und des unteren
Ösophagussphinkters
Abb. 2

sekundär
durch systemische Erkrankungen
Abb. 3
Definition
23
Häufigkeiten neurogener Dysphagien
häufigste
Ursache
Insult (häufigste Dysphagie-Ursache)
Akutphase 50% (Aspiration 22%)
chronische Phase 25%
Parkinson-Syndrom
ca. 50%
Multisystematrophien
sehr häufig
Schweres Schädel-Hirn-Trauma
> 70% in der Frühreha-Phase
Multiple Sklerose
ca. 30-40%
Amyotrophe Lateralsklerose
Im Verlauf fast immer,
in 25% primär bulbärer Beginn, dann
regelhaft
Systemische Muskelatrophien und dystrophien
fast immer
Critical-illness-Polyneuropathie
häufig
Polymyositis, Dermatomyositis,
Einschlusskörpermyositis
> 50%
Hochbetagte, Demenz
sehr häufig
Ursachen
24
Alter, Demenz und Dysphagie
Häufigkeit
Dysphagie:
- AlzheimerDemenz: ca.
70%
- vaskuläre
Demenz: 1020%
- > 65 Lj: 10-30%
Dysphagie
Malnutrition
Muskuläre
Schwäche,
Infektionsneigung
Ursachen
25
Schlucken im Alter - Presbyphagie
• die Gewebeelastizität lässt nach
• Die Übertragungsgeschwindigkeit der Nervenfasern
wird langsamer, damit wird die
Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt und die
Bewegungen langsamer
• aufgrund arteriosklerotischer hirnorganischer
Veränderungen wird die Steuerung des
Schluckvorganges negativ beeinflusst
• trockene Schleimhäute als Medikamenten-NW und bei
geringer Flüssigkeitsausfnahme
• Zahnverlust (geringere sensible Wahrnehmung bei
Zahnprothesen)
Ursachen
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Medikamente, die eine (zumeist vorbestehende)
Dysphagie verschlimmern können
• Betablocker, Diuretika Schleimhauttrockenheit
• Benzodiazepine (Valium, Tranxilium, Dormicum) und andere zentral
sedierende Medikamente
• Aminoglykosid-Antibiotika über eine Beeinflussung der neuromuskulären Übertragung
• Kortikosteroide, Cholesterinsenker über Auslösung einer
Myopathie / Myositis
• Neuroleptika (bes. Haloperidol) und Metoclopramid (MCP) über
Dopamin-Antagonismus: Parkinson ähnliche Symptome
• Nicht steroidale Antirheumatica (Ibuprofen, Diclophenac, Aspirin)
und Bisphosphonate (Osteoporose): Schleimhautschäden des
Ösophagus (bes. ältere Patienten)
Ursachen
27
Übersicht: Dysphagie:
Schluckstörungen
– 3.1 Definition und Ursachen
– 3.2 Symptomatik
– 3.3 Diagnostik
– 3.4 Therapie
– 3.5 Dysphagie nach Tumorbehandlung
28
>> Schluckstörungen
Symptome
◦
◦
◦
◦
allgemein
Druckgefühl
Schmerzen beim Schlucken
speziell oropharyngeale Dysphagie
◦
◦
◦
◦
Schwierigkeiten bei der Einleitung des Schluckaktes
Verschlucken, Aspiration (mit Pneumonien)
 Husten, Regurgitationen
ösophageale Dysphagie
◦
◦
◦
◦
◦
Speisen „bleiben stecken“
häufiges Nachtrinken
evtl. retrosternaler Schmerz
Symptomatik
29
klinische Penetrations-/
Aspirationszeichen
Nach Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme:
• Plötzliche Veränderung der Stimmqualität:
gurgelnd oder rau
• Husten und Räuspern
• Plötzliche Atemgeräusche (Stridor, gurgelndes Geräusch),
• Atemnot
• Atemstopp, Zyanose
Symptomatik
30
>> Schluckstörungen
Komplikationen
◦ Aspiration (mit Atemnot oder
Aspirationspneumonie)
◦ Fehl- oder Unterernährung
◦ deutlicher Gewichtsverlust
◦ Exsikkose/Dehydration
◦ Appetitlosigkeit
Abb. 14: Aspirationspneumonie
(Ott_Thiemepaper)
Symptomatik
31
Übersicht: Dysphagie:
Schluckstörungen
– 3.1 Definition und Ursachen
– 3.2 Symptomatik
– 3.3 Diagnostik
– 3.4 Therapie
– 3.5 Dysphagie nach Tumorbehandlung
32
>> Schluckstörungen
Diagnostik
Ziel: Erkennen der gestörten Schluckphase und Lokalisation der
Störung
ausführliche Anamnese!
◦
klinische Untersuchung
◦
Krankheitsverlauf
bisherige Therapie
Medikamentenanamnese
Essgewohnheiten
◦
Körpergewicht!
◦
…
◦
besonderes
Augenmerk auf
◦
Motorik ◦& Sensibilität
Beurteilung der Phonation
Schutzreflextestung
◦
◦
Beurteilung
des Schluckaktes
◦
neurologischer
Status
◦
(v.a. Hirnnervenfunktion
V,VII,IX,X,XII)
◦
Diagnostik
33
>> Schluckstörungen
Instrumentelle Diagnostik
Endoskopie:
◦
◦ Endoskopie (flexibel) mit Schluckprüfung
transnasale
◦
(FEES)
◦
Röntgenbreischluck/ Video-Kinematographie
(Hochgeschwindigkeitssequenz)
Manometrie
◦
Elektromyographie: Analyse neuro- & myogener Störungen
◦
◦
Diagnostik
34
FEES: Schwere Dysphagie mit
Aspiration
35
Röntgen-Kinematographie: Barium
36
Peritrast
37
Breibolus
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Übersicht: Dysphagie:
Schluckstörungen
– 3.1 Definition und Ursachen
– 3.2 Symptomatik
– 3.3 Diagnostik
– 3.4 Therapie
– 3.5 Dysphagie nach Tumorbehandlung
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>> Schluckstörungen
Therapie
sehr variabel; je nach zu Grunde liegender Ätiologie
funktionelle Störungen

◦
◦
konservativ
funktionelle
Therapie: logopädische
Schlucktherapie
Tumoren, Divertikel, Aspiration
Ziele

chirurgisch
1) Patienten vor Aspiration schützen
2) Wiederherstellung des Transports von Nahrung in
den Magen
Therapie
40
Hilfsmittel
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Übersicht: Dysphagie:
Schluckstörungen
– 3.1 Definition und Ursachen
– 3.2 Symptomatik
– 3.3 Diagnostik
– 3.4 Therapie
– 3.5 Dysphagie nach Tumorbehandlung
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Tumorbehandlung: Folgen der
chirurgischen Therapie 2. häufigste Ursache für Dysphagien
Durch die Entfernung von Muskeln, Knorpeln und
Knochen, ggf. Zähnen kommt es zu:
• Verringerung der kontraktilen Kräfte zur
Zerkleinerung, Formung und Weiterbeförderung
des Bolus
• Schädigung peripherer Nerven
Sensibilitätsstörungen --> Paresen
• Vernarbungen und Narbenschrumpfungen im
Schlucktrakt
Die ausgeprägtesten Schluckstörungen entstehen:
- bei Fixation der Zunge am Mundboden
- Resektion des Zungengrund
- ausgedehnte Larynxteilresektionen mit/ohne Pharynxresektion
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Radiatio im oropharyngealen Bereich
• Nervenschädigung, sekundär durch
Fibrosierung der Halsweichteile
• narbige Induration von Haut und
Bindegewebe und Muskulatur (einschließlich
Ösophagussphinkter) mit Einschränkung der
Beweglichkeit aufgrund mechanischer
Behinderung („Holzhals“)
• Xerostomie durch Mukositis
nach Tumortherapie
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