Programm+Abstracts Workshop 2015

Workshop Klinische Linguistik 2015
Programm & Abstracts
30.April – 02. Mai 2015
Universitätsmedizin Mainz
Bundesverband Klinische Linguistik e.V. (BKL)
1
Programm
Donnerstag, 30.04.2015
14.00 h Vorstandssitzung (Seminarraum 2)
Supervisorentreffen, Prüfungen (Therapieraum 3)
16.00 h Tagungsbüro geöffnet
19.30 h Begrüßungsabend im Kamin, Flammkuchen-Restaurant & Bar, Kapuzinerstraße 8-10
Freitag, 01.05.2015
08.30 h Tagungsbüro geöffnet
09.00 h Begrüßung
Jürgen Konradi
Bernd Frittrang (1.Vorsitzender BKL e.V.)
Session 1: Wirksamkeitsuntersuchungen, Diagnostik
09.30 h Caterina Breitenstein, Tanja Grewe, Agnes Flöel et al.: Wirkt intensive Sprachtherapie
bei Menschen mit chronischer Aphasie nach Schlaganfall? Ergebnisse der Versorgungsstudie
10.30 h Frühstückspause
11.00 h Keynote: Sebastian Voigt-Radloff (Deutsches Cochrane Zentrum und Uniklinik Freiburg): Empfehlungen für therapiewissenschaftliche Forschungsmethoden
12.00 h Oliver Glassl: Die Pulsoximetrie im klinischen Screening des Aspirationsrisikos nach cerebrovaskulärer Hirnschädigung
12:30 h Annekatrin Lerch, Marilena Cataldo & Jürgen Konradi: Wirksamkeitsüberprüfung der F.O.T.T. in der oralen und pharyngealen Phase des Schluckens bei nicht-tracheotomierten Patienten mit neurogener Dysphagie
13.00 h Mittagspause
Session 2: Projekte, Grundlagen, Instrumente
14.00 h Frank Ostermann: Therapie bei globaler Aphasie: Bericht über mehrjährige Verläufe
14.30 h Anna Stielow & Eva Belke: Frontale und temporale Anteile bei der Wortproduktion – eine psycholinguistische Untersuchung
15.00 h Verena Sippel & Nick Miller: Aphasia and Depression: German translation, adaptation and validation of the Stroke Aphasic Depression Questionnaire 10-item Hospital version (SADQ-H10).
15:30 h Thomas Kaltenbacher: „Phonemische und visemische Bewusstheit: ein LRS- Screening für Vorschule und 1. Klasse Volksschule (Pilotprojekt)“
16.00 h Postersession und Kaffeepause
17.00 h Mitgliederversammlung des BKL e.V.
20.00 h Gesellschaftsabend im Weinhaus Michel, Jakobsbergstraße 8
2
Samstag, 02.05.2015
09.00 - 11.00 h Workshops
-
Marilena Cataldo: Dekanülierungsmanagement. Der Weg zur erfolgreichen Dekanülierung
Sabine Corsten: Der biographisch-narrative Ansatz in der auf Lebensqualität und Partizipation ausgerichteten Aphasietherapie
Hendrike Frieg: Computereinsatz in der Aphasietherapie - „Workshop im Workshop“
Thomas Brauer: LSVT‐Companion – ein Computerprogramm zur Unterstützung der Parkinsontherapie
11.00 h Brunch
Session 3: Kindersprache
11.30 h Viviane van Diedenhoven-Rasumow, Simon Friede, Kerstin Richter, Petra Jaecks:
Spontansprachanalyse bei Kindern und Jugendlichen mit Aphasie
12.00 h Tanja Fuhr, Henning Reetz, Carla Wegener: Analyse von Säuglingsschreien - Frühdiagnostik durch ‚genaues Hinhören‘?
12.30 h Bianka Wachtlin, Blanca Schäfer, Yvonne Turinsky: Phonologische Bewusstheit bei
deutschsprachigen Kindern mit bilateraler CI Versorgung - eine Pilotstudie“
13.00 h Eugen Zaretsky & Benjamin P. Lange: Über die trügerische Sicherheit der statistischen
Signifikanz, am Beispiel des Zusammenhangs zwischen Dysphonie und Sprachleistungen
deutscher Vorschulkinder.
13.30 h Verabschiedung, Ausblick, Tagungsende
Wissenschaftliche Leitung und Organisation:
Dr. Jürgen Konradi, Klinischer Linguist (BKL), Katholische Hochschule Mainz, [email protected]
Bernd Frittrang, Klinischer Linguist (BKL), 1. Vorsitzender BKL e.V., [email protected]
3
Abstracts
Vorträge
Wirkt intensive Sprachtherapie bei Menschen mit chronischer Aphasie nach Schlaganfall? Ergebnisse der Versorgungsstudie FCET2EC
Caterina Breitenstein1, Tanja Grewe2, Agnes Flöel3, Wolfram Ziegler4, Peter Martus5,
Luise Springer6+, Walter Huber6, Klaus Willmes von Hinckeldey6, Stefanie Abel6, Ralf
Glindemann4, Frank Domahs7, Frank Regenbrecht8, Klaus-Jürgen Schlenck9, Ernst de
Langen10, Roman Rocker1, Indra Hempen1 & Annette Baumgärtner1,2
Vortragende: Tanja Grewe
1 Allgemeine
Neurologie, Universitätsklinikum Münster
Gesundheit & Soziales Hochschule Fresenius, Idstein/Hamburg
3 Neurologie, Charité Universitätsmedizin Berlin
4 Klinikum Bogenhausen, München
5 Biometrie, Universität Tübingen
6 Neurolinguistik/-psychologie, Universität Aachen
7 Germanistik & Kunstwissenschaften, Philipps-Universität Marburg
8 Neurologie, Universitätsklinikum Leipzig
9 m&i Fachklinik Enzensberg
9 Reha-Zentrum Passauer Wolf, Bad Griesbach
+ verstorben im August 2011
2 Fachbereich
[email protected]
Fragestellung
Systematische Übersichtsarbeiten (Brady et al., 2012; Bhogal et al., 2003) sowie die
deutsche Leitlinie für die Rehabilitation bei Menschen mit Aphasie in Folge eines
Schlaganfalls (Ackermann, et al., 2012) empfehlen sowohl für die (sub-)akute als auch
die chronische Phase eine Intensität der Sprachtherapie von mind. fünf Zeitstunden pro
Woche über mehrere Wochen. Wegen des Fehlens multizentrischer randomisierter kontrollierter klinischer Studien mit hohen Teilnehmerzahlen wird Intensiv-Sprachtherapie
von den Kosten-/Leistungsträgern des deutschen Gesundheitswesens als nicht hinreichend evidenzbasiert gewertet. In der von der Gesellschaft für Aphasieforschung und –
behandlung (GAB) initiierten deutschlandweiten Aphasieversorgungsstudie FCET2EC
(„From controlled experimental trial to=2 everyday communication“) erfolgt international
erstmalig die Wirksamkeitsprüfung der Sprachtherapie bei Menschen mit Schlaganfall
und chronischer Aphasie auf einem hohen methodischen Niveau („class A evidence“).
4
Methode
Die Patientenrekrutierung der für drei Jahre vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) und der GAB finanziell geförderten multizentrischen Aphasieversorgungsstudie FCET2EC endete am 1. Juni 2014. Deutschlandweit nahmen 19 (teil-)stationäre und ambulante Zentren sowie n=156 Menschen mit chronischer Aphasie an der
Studie teil. Im Rahmen der Regelversorgung wurde die Hälfte der Studienteilnehmer
ambulant oder ganztägig ambulant (z.B. in Tageskliniken) therapiert, die andere Hälfte
erhielt eine stationäre Rehabilitation. Die Intensiv-Sprachtherapie beinhaltete täglich
zwei Stunden auf die individuellen sprachlichen Beeinträchtigungen abgestimmte therapeutenbegleitete Einzel- und Gruppentherapie sowie eine Stunde sprachspezifisches
Eigentraining für mindestens drei Wochen. Als Leitfaden für die intensive Therapie wurde den teilnehmenden SprachtherapeutInnen ein Therapiemanual mit einem sprachsystematischen und einem kommunikativ-pragmatischen Schwerpunkt zur Verfügung gestellt.
Im Mittelpunkt der Wirksamkeitsüberprüfung stand die allgemeine kommunikative Leistung der Betroffenen (gemessen anhand des ANELT; Blomert et al., 1994). Beobachtet
wurden darüber hinaus auch sprachsystematische und kommunikativ-pragmatische
Leistungsveränderungen sowie die individuelle Beurteilung der Lebensqualität.
Ergebnisse
Insgesamt nahmen 100 Männer und 56 Frauen teil, mit einem Durchschnittsalter von
53,4 (SD +/- 9.5) Jahren (Range: 23-70). Der letzte Schlaganfall lag im Mittel 45 (SD
+/- 41) Monate zurück (Range: 6-239). Der mittlere Aphasieschweregrad (Profilhöhe
des Aachener Aphasietest/AAT) lag bei 52 (SD +/- 6) Punkten (Range: 38-65) mit einer
für diese Population typischen Verteilung der Aphasiesyndrome. Die Studienergebnisse
zur Wirksamkeit der Intensiv-Sprachtherapie werden gerade für eine erste internationale wissenschaftliche Publikation aufbereitet und bei dem BKL-Workshop 2015 vorgestellt.
Schlussfolgerungen
Die Studienergebnisse leisten einen unmittelbaren Beitrag zur Entwicklung evidenzbasierter Leitlinien für die Rehabilitation von Menschen mit chronischer Aphasie in
Deutschland.
Mit Unterstützung des BMBF (Förderkennzeichen: 01GY1144).
Literatur
Ackermann, H., Baumgaertner, A., Breitenstein, C., Goldenberg, G., Huber, W., Amslinger, A., Sedlmaier, C., Schupp, W., Springer, L., Willmes-von Hinckeldey, K. & Ziegler,
W. (2012). Rehabilitation aphasischer Störungen nach Schlaganfall. In H.D.Diener & N.
Putzki (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Stuttgart: Thieme.
Bhogal, S. K., Teasell, R. & Speechley, M. (2003). Intensity of aphasia therapy, impact
on recovery. Stroke, 34, 987-993.
5
Blomert, L., Kean, M. L., Koster, C. & Schokker, J. (1994). Amsterdam Nijmegen Everday Language Test: construction, reliability and validity. Aphasiology, 8, 381-407.
Brady, M. C., Kelly, H., Godwin, J. & Enderby, P. (2012). Speech and language therapy
for aphasia following stroke. Cochrane Database of Systematic Reviews, 5, CD000425.
Die Pulsoximetrie im klinischen Screening des Aspirationsrisikos nach
cerebrovaskulärer Hirnschädigung
O. Glassl
Katholische Hochschule Mainz, Fachbereich Gesundheit & Pflege/Logopädie, Saarstraße
3, 55122 Mainz
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Langenbeckstraße 1, 55131 Mainz Kontakt: [email protected]
Hintergrund und Ziele
Die kausale Beziehung zwischen einer oropharyngealen Dysphagie nach Schlaganfall und
einer konsekutiv auftretenden Pneumonie ist vielfach bestätigt (Martino et al., 2005). Akutstationär muss daher zur Entscheidung über den Ernährungsmodus geklärt werden, wie
hoch das Aspirationsrisiko der betroffenen Patienten ist. Aufgrund einer begrenzten Validität steht gegenwärtig kein allgemein anerkanntes Screeningverfahren bereit (AWMF, 2008,
S. 7). Instrumentelle Verfahren sind weiterhin die genauesten dysphagiologischen Diagnostikmethoden. Sie sind jedoch aufwendig und bergen gesundheitliche Risiken. Eine
Verbesserung der Validität klinischer Screeningverfahren ist somit wünschenswert. Die
vorliegende Arbeit untersucht, ob die Genauigkeit des Verfahrens nach Daniels et al.
(1997), in welchem das Vorliegen von zwei aus sechs klinischen Symptomen (Aspirationsprädiktoren) auf ein Aspirationsrisiko hinweist, durch eine zusätzliche simultane pulsoximetrische SpO2-Messung erhöht werden kann.
Methode
Aus der standardisierten Dysphagiediagnostik der aufnehmenden Station wurden die Daten von 20 konsekutiv aufgenommenen Patienten mit akuter cerebrovaskulärer Hirnschädigung ausgewertet, deren neurologischer Aufnahmebefund Hinweise auf eine orofaciale
Pathologie bot und deren Allgemeinzustand eine endoskopische Schluckuntersuchung erlaubte. Entsprechend der stationären Routine wurde der Schlucktest nach Daniels et al.
(1997) sowie simultan eine pulsoximetrische SpO2-Messung durchgeführt. Das Vorliegen
eines intra- oder postdeglutitiven SpO2-Abfalls von einem zuvor bestimmten Basiswert
wurde als siebter Aspirationsprädiktor gewertet. Konnten zwei oder mehr Aspirationsprädiktoren nachgewiesen werden, wurde dies als klinisch erhöhtes Aspirationsrisiko gewertet. Während der anschließenden endoskopischen Schluckuntersuchung wurde der SpO2Verlauf ebenfalls pulsoximetrisch gemessen. Hierüber wurde beurteilt, ob bei endoskopisch gesicherter Aspiration ein SpO2-Abfall nachweisbar ist. Es wurden simultan zwei
verschiedene Pulsoximeter sowie verschiedene Berechnungsverfahren verglichen. Die
Ergebnisse der endoskopischen Untersuchung wurden zur Validierung des klinischen
Schlucktests genutzt.
6
Ergebnis
Wurden dem klinischen Schlucktest sechs Aspirationsprädiktoren mit dem Interpretationsschema nach Daniels et al. (1997) zugrunde gelegt, ergab sich bezüglich der Sensitivität,
gemessen am Ergebnis der Endoskopie, ein mit der Originalarbeit vergleichbarer Wert.
Eine geringere Spezifität ergab sich aufgrund der von der Originalarbeit abweichenden
Einschlusskriterien. Die Validität konnte durch die zusätzliche Beurteilung des SpO2-Verlaufs nicht erhöht werden. Weiterhin zeigte sich kein Zusammenhang zwischen einer endoskopisch gesicherten Aspiration und einem pulsoximetrischen SpO2-Abfall. Darüber
hinaus zeigten die Messungen verschiedener Pulsoximeter unterschiedliche Ergebnisse
bezüglich des SpO2-Verlaufs.
Schlussfolgerung
Zusammenfassend kann geschlossen werden, dass die Validität des Schlucktests von
Daniels et al. (1997) unter den in dieser Studie gegebenen Voraussetzungen durch Hinzunahme pulsoximetrischer Daten nicht verbessert werden kann. Die geringe Patientenzahl
sowie die fehlende Verblindung bei der Datenerhebung limitieren jedoch die Aussagekraft
des Ergebnisses.
Relevanz für die logopädische Praxis
Auch wenn klinische Screeningverfahren weit hinter der Genauigkeit instrumenteller Verfahren zurück bleiben, stellen sie weiterhin ein wichtiges Instrument für die Beurteilung des
Aspirationsrisikos bei Patienten mit cerebrovaskulärer Hirnschädigung dar. Fehleinschätzungen aufgrund eines klinischen Aspirationsscreenings können jedoch zu erheblichen
gesundheitlichen Risiken für Patienten sowie zu einem unpassenden Ernährungsmanagement führen. Instrumentelle Verfahren sollten der Standard in der Beurteilung von Patienten mit Dysphagie bleiben bis weitere Forschung eine präzisere klinische Beurteilung
des Aspirationsrisikos ermöglicht.
Literatur
AWMF online (2008). Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls. Leitlinien der DGN
und der DSG. [Online Dokument] URL: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/
030-046_S1_Schlaganfall_ischaemisch_Akuttherapie.pdf , [20.02.2012].
Daniels, S. K., McAdam, C. P., Brailey, K. & Foundas, A. L. (1997). Clinical Assessment of
Swallowing and Prediction of Dysphagia Severity. American Journal of Speech-Language
Pathology, 6 (4): 17-24.
Martino, R., Foley, N., Bhogal, S., Diamant, N., Speechley, M. & Teasell, R. (2005). Dysphagia after Stroke: Incidence, Diagnosis, and Pulmonary Complications. Stroke 36: 27562753.
7
Wirksamkeitsüberprüfung der F.O.T.T. in der oralen und pharyngealen
Phase des Schluckens bei nicht-tracheotomierten Patienten mit neurogener Dysphagie
A. Lerch1, B.Sc., M. Cataldo1, M. Sc., Dr. phil. J. Konradi1²
1Institut
für Physikalische Therapie, Prävention und Rehabilitation, Universitätsmedizin
der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland
²Katholische Hochschule Mainz, Fachbereich: Gesundheit und Pflege
Hintergrund & Intention
Ziel der Studie war es, eine Wirksamkeitsüberprüfung von Stimulation in der oralen und
pharyngealen Phase des Schluckens nach der Facio-oralen-Trakt-Therapie (F.O.T.T.)
nach Kay Coombes (vgl. Nusser-Müller-Busch, 2011) bei nicht tracheotomierten Patienten mit neurogener Dysphagie durchzuführen. Das ganzheitliche Therapieverfahren
entstand in Anlehnung an das Bobath-Konzept (vgl. Dammshäuser, 2012, 5) und wurde
von Coombes zur F.O.T.T. weiterentwickelt. Bisher liegen zur F.O.T.T. nur vereinzelt
Wirksamkeitsnachweise vor (vgl. Deutsche Gesellschaft für Neurologie 2008, 20). Hier
soll die durchgeführte Wirksamkeitsüberprüfung an der Universitätsmedizin Mainz zur
Effektivitätsmessung des Konzeptes ansetzen.
Methode & Vorgehen
Um die o.g. Wirksamkeitsüberprüfung der F.O.T.T. durchzuführen, wurde eine Interventionsstudie mit Messwiederholung an der Neurochirurgischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz durchgeführt. Gewählt wurde ein ABA-Design, wobei A die Baseline-Messung unter Normalbedingungen darstellt und B die Behandlungs- bzw. die Interventionsphase, gefolgt von einer erneuten Baseline-Messung (Follow-up), welche nach einer
fünfminütigen Pause stattfindet.
Für die Studie wurden drei Interventionen nach F.O.T.T. aus dem Bereich Nahrungsaufnahme/Mundhygiene ausgewählt, welche die orale und pharyngeale Phase des Schluckens stimulieren sollen (vgl. Nusser-Müller-Busch, 2011, 33). Gemessen wurde die
Wirksamkeit anhand des Parameters „Schluckfrequenz“. An der Studie nahmen 19
nicht tracheotomierte Patienten mit neurogener Dysphagie teil, welche sowohl über eine
klinische Untersuchung als auch über eine apparative Untersuchung (Fieberendoskopische Evaluation des Schluckens, FEES) festgestellt wurde.
Ergebnisse & Diskussion
Bzgl. des gewählten Parameters „Schluckfrequenz“, anhand dessen die Wirksamkeitsüberprüfung stattfinden sollte, zeigte sich ein signifikanter Unterschied (p=.037) zwischen dem Ausgangszustand (Baseline) und der Gesamtintervention mit einer Erhöhung der Frequenz um 66% (Cohens D=.62). Zwischen der Baseline-Messung und dem
Follow-up, sowie zwischen den einzelnen Interventionen selbst konnte zwar eine Erhöhung der Schluckfrequenz festgestellt, aber kein signifikanter Effekt gemessen werden.
Schlussfolgerung
Ziel der Studie war es, Therapieeffekte der oralen und pharyngealen Stimulation nach
dem Konzept von Coombes zu untersuchen bzw. nachzuweisen. Diese Therapieeffekte
konnten für die Gesamtstimulationsphase gefunden werden, da sich eine signifikante
8
Steigerung der Schluckfrequenz gegenüber dem Ausgangszustand zeigte. Dies bedeutet, dass sich die Therapie direkt während der Intervention positiv auf die Schluckrate
von Menschen mit neurogener Dysphagie auswirkt und dies zu einer Verbesserung des
Schluckens über motorisches Lernen führen kann (vgl. Nusser-Müller-Busch, 2011, 4).
Somit konnte ein direkter Wirksamkeitsnachweis für die drei angewandten Stimulationstechniken der F.O.T.T. gefunden werden. Um Langzeiteffekte des Therapiekonzeptes
F.O.T.T. überprüfen zu können, könnte eine ähnliche Studie wie diese hier über einen
längeren Zeitraum durchgeführt werden (Langzeitstudie), mit mehreren Messzeitpunkten.
Literaturangaben
Dammshäuser, B. (2012). Bobath-Konzept in der Pflege. Grundlagen, Problemerkennung und Praxis (2.Aufl.). München: Urban & Fischer.
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. (2008). Leitlinien der DGN 2008. Neurogene
Dysphagien. URL: http://www.dgn.org/images/stories/dgn/leitlinien/LL2008/
ll08kap_098.pdf. [25.04.13]
Nusser-Müller-Busch, R. (2011). Die Therapie des FacioBerlin, Heidelberg: Springer.
Oralen Trakts (74-106).
Therapie bei globaler Aphasie: Bericht über mehrjährige Verläufe
Frank Ostermann (Praxis für Sprachtherapie Dresden)
[email protected]
Die Verläufe von 30 Patienten mit globaler Aphasie, die z.T. über 10 Jahre in ambulanter Praxis betreut werden bzw. worden sind, wurden retrospektiv analysiert. Dabei wird
der Frage nachgegangen, ob sich diese Patientengruppe wirklich nicht wesentlich verbessert und keinen kreativen Sprachgebrauch entwickeln kann (Huber et al. 1982). Die
ambulante Sprachtherapie bietet die Chance, über langjährige Betreuung solche Entwicklungsergebnisse zu bekommen. Mit einigen Patienten konnte in meiner Praxis eine
über viele Jahre andauernde, kontinuierliche Therapie realisiert werden. Dadurch lassen sich charakteristische Entwicklungen aufzeigen.
Eine erste Patientengruppe bleibt ohne weitere Entwicklungschancen. Hier fällt auf,
dass basale diagnostische Aufgaben nicht durchgeführt werden können. Dazu gehört
die Prüfung auf Aufmerksamkeit, Wortsemantik und konzeptuelle Semantik; ähnlich wie
mit der GANBA können aktuelle Verfahren hilfreich sein (Blanken 1996; Glindemann et
al. 2002). Die meisten anderen Patienten bewältigen diese Aufgaben weitgehend fehlerfrei bzw. verbessern im Verlauf ihre Leistungsbilanz. Diese zweite, große Gruppe gewinnt überwiegend in der Verständigung, wenn in der Therapie ein „Gesprächsformat“
konsequent umgesetzt wird. Eine gezielt eingesetzte Kompensation durch die Therapeuten erleichtert den Patienten eine allmähliche Übernahme verschiedener Mittel:
Kommunikationsbuch, Gestik, Zeichnungen. Dabei lässt sich leider keine Präferenz für
ein kompensatorisches Mittel ableiten. Die Wahl bleibt sehr individuell und ist von den
Angehörigen bzw. der Umgebung abhängig. Es kann sich daraus auch eine partielle
Zufriedenheit des Patienten entwickeln. Sehr wenige erlangen über die kompensatorischen Mittel eine kommunikative Selbständigkeit (Ostermann 2014).
9
Eine kleine, dritte Gruppe von Patienten kann nach 2-3 Jahren Fortschritte in ihrem
Sprachvermögen erreichen. An 2 Patienten soll diese Entwicklung illustriert werden.
Dabei kommt der Schriftsprache eine wichtige Rolle zu. Ihre möglicherweise autonome
Stellung in der Aphasiologie ist zu diskutieren (Friederici 1984). Außerdem ist der Einfluss einer manifesten Sprechapraxie zu berücksichtigen, die sich erst nach sehr langer
Zeit auflösen lässt. Insofern lässt sich bei einigen Patienten ein aktiver Sprachgebrauch
erreichen. Die Ergebnisse unterstreichen eine gezielte und langjährige therapeutische
Therapie für Patienten mit globaler Aphasie.
Vortrag (ein zusätzliches Poster stellt die Daten vor)
Literatur
Blanken, G.: Wortbedeutung. Hofheim 1996: NAT Verlag
Friederici, A.: Neuropsychologie der Sprache. Stuttgart 1984: Kohlhammer
Glindemann, R. et al.: Bogenhausener Semantik Untersuchung. Elsevier 2002:
Urban&Fischer
Huber, W. et al.: Aphasien. In: Poeck Neuropsychologie. Stuttgart 1982: Thieme
Ostermann, F.: Gespräche mit Menschen mit globaler Aphasie. In: ders. (Hg.) Ohne
Worte. Sprachverarbeitung und Therapie bei globaler Aphasie. Köln 2014: Prolog (2.
Auflage)
Van Mourik et al. GANBA. In: Aphasiology 5(1992) 491-499
Frontale und temporale Anteile bei der Wortproduktion – eine psycholinguistische Untersuchung
Anna Stielow & Eva Belke Sprachwissenschaftliches Institut Ruhr-Universität Bochum
Universitätsstr. 150, 44801 Bochum
Vortrag
Wenn Sprecher Wörter aus dem mentalen Lexikon abrufen, müssen sie den zu einem
Konzept gehörigen Lexikoneintrag aus einer großen Zahl verschiedener möglicher Lexikoneinträge aus- wählen und morphophonologisch enkodieren. Bisher konnte nicht hinreichend geklärt werden, welche Rolle links frontale Hirnareale beim Wortabruf, insbesondere in ihrem Zusammenspiel mit links temporalen Arealen, spielen. Shao et al. (2012) zeigten, dass bei gesunden Sprechern signifikante Zusammenhänge zwischen der Schnelligkeit des Wortzugriffs (temporal) und ihren exekutiven Funktionen (frontal) bestehen. Wir
untersuchten mit Hilfe von Benennparadigmen, die eine gezielte Untersuchung der semantisch-lexikalischen und phonologischen Enkodierungsprozesse ermöglichen, ob sich
bei aphasischen Sprechern und sprachlich unbeeinträchtigten Kontrollprobanden Zusammenhänge zwischen ihren Leistungen in diesen Experimenten und ihren exekutiven Funktionen beobachten lassen und wie sich diese zwischen den Patienten und den Kontrollprobanden unterscheiden (s.a. Belke & Stielow, 2013). Hierzu wurden je 9 Sprecher pro
Gruppe hinsichtlich ihres sprachlichen Leistungsprofils, ihrer exekutiven Funktionen sowie
ihrer Benennzeiten in den Benennexperimenten untersucht. Darüber hinaus erhoben wir
die semantische und formale Wortflüssigkeit, welche sowohl semantisch-lexikalische als
auch exe- kutive Funktionen beansprucht. Es zeigt sich, dass sich aphasische Sprecher
im Vergleich zu gesunden Sprechern im Ausmaß des Zusammenspiels frontaler und temporaler Leistungen un- terscheiden. Die exekutiven Funktionen aphasischer Sprecher kor-
10
relieren deutlich stärker mit den Leistungen in den Wortflüssigkeitsaufgaben. Des Weiteren
zeigen sich unterschiedliche Zu- sammenhänge zwischen den Benennleistungen und den
exekutiven Funktionen, in Abhängigkeit vom linguistischen Kontext.
Literatur
Belke, E. & Stielow, A. (2013). Cumulative and non-cumulative semantic interference in
object naming: Evidence from blocked and continuous manipulations of semantic context.
Quarterly Journal of Experimental Psychology, 66 (11), 2135-2160.
Shao, Z.; Roelofs, A., & Meyer, A. S. (2012). Sources of individual differences in the speed
of naming objects and actions: The contribution of executive control. Quarterly Journal of
Experimental Psychology, 65, 1927-1944.
Aphasia and Depression: German translation, adaptation and validation of the Stroke Aphasic Depression Questionnaire 10-item Hospital
version (SADQ-H10)
Verena Sippel, Logopädin, MSc. [email protected]
Prof Nick Miller, Newcastle University, [email protected]
Purpose: Post-stroke depression and aphasia are common consequences of stroke.
However, there is no valid and reliable instrument in the German language to detect
post-stroke depression in people with aphasia. The Stroke Aphasic Depression Questionnaire 10-item Hospital version (SADQ-H10) is an observer-rated screening measure,
which has shown good validity and reliability in gauging depression in people with and
without aphasia. This study aimed to translate and cross-culturally adapt the instrument
into German, and validate it in a German-speaking stroke population.
Methods: The original SADQ-H10 was translated and adapted following international
guidelines. The German version (DASTI) was then validated in 104 stroke patients with
and without aphasia from hospital and community settings. For each participant DASTI
was completed by a nurse in hospital or a relative/ carer in community settings. To determine internal consistency, reliability, concurrent validity, sensitivity and specificity, and
to establish appropriate cut-off scores DASTI was compared to the Hospital Anxiety and
Depression Scale (HADS) and Visual Analogue Mood Scales (VAMS) ‘sad’-item.
Results: The DASTI correlated significantly with the HADS, VAMS ‘sad’-item and Barthel Index (p<0.01). Internal consistency was acceptable with a Cronbach’s alpha of .71.
The ROC curve analysis showed a sensitivity of 81.8% and a specificity of 75.3% with
an optimum cut-off score of 6 for the DASTI in comparison to VAMS ‘sad’-item. No clinically acceptable cut-off scores were identified in comparison to the HADS. The mean
prevalence of depression across all measures was 44.5%.
Conclusion: DASTI, the German version of the SADQ-H10, was found to be a valid
and reliable instrument to screen for low mood in stroke patients with aphasia. It can be
used in hospital and community settings from 2 weeks post-onset entailing further observation for those who were screened positive.
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Phonemische und visemische Bewusstheit: ein LRS- Screening für Vorschule und 1. Klasse Volksschule (Pilotprojekt)
Thomas Kaltenbacher
Fachbereich Linguistik & Centre for Cognitive Neuroscience, Universität Salzburg
2 The Salzburg Institute for Reading Research (SIRR), Salzburg College
Fragestellung
In der LRS- Diagnostik spielen unterschiedlichste Untersuchungen und Screenings eine
tragende Rolle für die Früherkennung und Frühförderung von phonologischen Defiziten.
Dabei kommen Phonemunterscheidungsaufgaben ebenso zum Einsatz wir Reimaufgaben,
Lautvertauschungsaufgaben sowie Laut- und Silbenersetzungsaufgaben (e.g BISC,
BAKO, H-LAD, etc.). Neben diesen Überprüfungen wurde die Fähigkeit, Viseme zu unterscheiden und zu imitieren bislang kaum in Betracht gezogen. Um die „visemische“ Bewusstheit bei Kindern zu überprüfen, wurde daher ein Verfahren entwickelt, welches die
Repräsentation von akustischen und visuellen Sprachsegmenten (Phoneme & Viseme) bei
Kindern im Vorschulalter und im ersten Volksschuljahr untersucht.
Methode
Im Zuge der Pilotierung wurden Kinder aus vier ersten Volksschulklassen mit einer Batterie aus auditiven, visuellen und audiovisuellen Stimuli (Kategorialer Laut- und MundbildTest- 1. Schulstufe – KALT-I) getestet. Die Items wurden den Kindern jeweils als inkongruente Paare via Lautsprecher, bzw. auf einem Monitor mithilfe der Lesikus ® Software präsentiert. Die Kinder mussten dabei erst entscheiden, ob die Items gleich oder verschieden
sind und wurden dann gebeten, die Items zu wiederholen. Die Testleiter – die Klassenlehrer der jeweiligen Volksschulklassen – registrierten im Programm dabei, ob die Antworten
richtig waren, bzw. ob die Wiederholungen korrekt waren.
Ziel
Ziel dieses Pilotprojekts ist es, Material für eine akustische, visuelle und audiovisuelle
Testbatterie auf seine Eignung in der Früherkennung von Legasthenikern mit einem phonologischen Defizit zu prüfen. Das Verfahren soll als Test für kategoriale Laut- und Mundbildwahrnehmung in der LRS - Früherkennung zum Einsatz kommen.
Erkenntnisse
Eine kindergerechte Überprüfung von Phonem- und Visemwahrnehmung lässt sich in etablierte Verfahren gut integrieren und durchführen. Als Individualverfahren mit einer Durchführdauer von 20- 25 Minuten verlangt diese Testung von Kindern und Lehrern jedoch einen beträchtlichen Mehraufwand neben dem Schulalltag. Zur Identifizeriung eines phonemische/ visemischen Defizits bei LRS- Risikokindern scheint das Verfahren gut geeignet,
da es auf allen drei Ebenen, akustisch, visuell und audiovisuell, Vorläuferfertigkeiten für
den Schriftspracherwerb testet.
Bibliographie:
Brunner, M., Seibert, A., Dierks, A., Körkel, B. (1998): Heidelberger Lautdifferenzierungstest zur Überprüfung der auditiven Wahrnehmungstrennschärfe. Audiometriedisk 19, Wertingen: Westra Elektroakustik,
Jansen, H., G. Mannhaupt, H. Marx und H. Skrowronek. BISC: Bielefelder Screening zur
Früherkennung von Lese- Rechtschreibschwierigkeiten. Göttingen: Hogrefe.
12
Stock, C., P. Marx, W. Schneider. (2003): BAKO 1-4. Basiskompetenzen für Lese- Rechtschreibleistungen. Ein Test zur Erfassung der phonologischen Bewusstheit vom ersten bis
vierten Grundschuljahr. Göttingen: Beltz Test GmbH.
Spontansprachanalyse bei Kindern und Jugendlichen mit Aphasie
Van Diedenhoven-Rasumow, V., Friede, S., Richter, K., & Jaecks, P.
Inhalt
Aufgrund der hohen Alltagsrelevanz kann eine Analyse der Spontansprache viele wichtige
Erkenntnisse für die Therapie unterschiedlicher Störungsbilder hervorbringen (z.B. Jaecks
et al., 2012). Eine differenzierte Untersuchung der Spontansprache von deutschsprachigen Kindern und Jugendlichen mit Aphasie, die über die Spontansprachanalyse des AAT´s
(Huber et al. 1983) hinausgeht, fehlte jedoch bislang.
Ziel der hier vorgestellten Untersuchung ist es u.a. die Spontansprache bei Aphasie im
Kindes- und Jugendalter systematisch zu erfassen, zwei unterschiedliche Erhebungsarten
zu vergleichen und den Einfluss verschiedener Faktoren auf die Spontansprache zu untersuchen.
Methode
Für die retrospektive Untersuchung wurde die transkribierte Spontansprache von 16 Kindern und Jugendlichen mit Aphasie analysiert. Im Mittel betrug das Onsetalter der ProbandInnen 8;10 Jahre (3;01- 14;00 Jahre), das Testalter 13;02 Jahre (8;02- 18;07 Jahre) und
die Differenz zwischen Onset- und Testalter 4;06 Jahre (1;04- 7;03). Die Aphasien waren
verursacht durch Insulte (n=6), Schädel-Hirn-Traumata (n=8) oder Herpesencephalitiden
(n=2).
Die Spontansprache wurde in der St. Mauritius Therapieklinik, Meerbusch erhoben, transkribiert und bereits anhand der Kriterien des AAT´s analysiert (vgl. Friede et al., 2012). Es
gab zwei Erhebungsarten: das teilstandardisierte Interview aus dem AAT und das Beschreiben von Wimmelbildern. Die Analyse des Sprachmaterials erfolgte auf den Ebenen
Phonologie, Syntax, Morphologie und Semantik sowie in Hinblick auf Kohäsion und Informationsdichte.
Ergebnisse
In der untersuchten Stichprobe waren Wortfindungsstörungen das häufigste Symptom, gefolgt von Redefloskeln, dem Fehlen von Satzteilen sowie falschen Flexionsformen und
Funktionswörtern. Die ProbandInnen zeigten wenige Automatismen und phonematische
Fehler. Alle ProbandInnen äußerten komplexe Syntax jedoch in verschiedenem Ausmaß
und Variabilität. So zeigte ein Proband beim standardisierten Interview als komplexe Syntax ausschließliche Nebenordnung von Sätzen. Andere ProbandInnen zeigten wiederum
Neben- und Unterordnung von Sätzen. In den jeweiligen Gruppen Onsetalter, Testalter,
Differenz und Ätiologie fanden sich bei verschiedenen Variablen signifikante Gruppenunterschiede. So zeigte sich ein signifikanter Unterschied bei den Types der Inhaltswörter.
ProbandInnen mit einem Onsetalter von 6-8 bzw. 9-12 Jahren unterschieden sich signifikant von den ProbandInnen mit einem Onsetalter von unter 4 Jahren.
Diskussion/Ausblick
Einige Ergebnisse stimmen mit der Literatur überein. Die ProbandInnen zeigen bspw. viele
Wortfindungsstörungen (vgl. Möhrle & Spencer, 2007) und im Wesentlichen sind die
13
spontansprachlichen Fähigkeiten bei allen ProbandInnen nur noch leicht bis mittel eingeschränkt (vgl. Ewing-Cobbs et al., 1998).
Eine Erkenntnis dieser Untersuchung ist, dass die Ergebnisse bei deutschsprachigen ProbandInnen mit den Ergebnissen der internationalen Literatur vergleichbar sind. Die Untersuchung hat außerdem gezeigt, dass es wichtig ist bei der Spontansprache von Kindern
und Jugendlichen mit Aphasie die Syntax und Morphologie genauer zu analysieren. Auf
diesen Ebenen konnten einige Symptome z. B. durch die AAT-Analyse nur grob abgebildet
werden. Viele Studien berichten von einer Veränderung der Symptome mit zunehmendem
Alter der ProbandInnen (z.B. Reilly et al., 2004). Dieser direkte Einfluss der Altersgruppe
konnte hier nicht festgestellt werden. Die Ergebnisse bestätigen, dass das Störungsbild
der Aphasie im Kindes- und Jugendalter sehr heterogen ist und es wichtig ist, bei Diagnostik und Therapie die individuellen spontansprachlichen Leistungen zu berücksichtigen.
Literatur
Ewing-Cobbs, L., Brookshire, B., Scott, M. A., & Fletcher, J. M. (1998). Children's Narratives Following Traumatic Brain Injury: Linguistic Structure, Cohesion, and Thematic Recall. Brain & language, 61, 395–419.
Friede, S., Hußmann, K., Gröne, B., Müller, K., Willmes, K., & Huber, W. (2012). Langzeitverlauf der Aphasie bei Kindern und Jugendlichen. Sprache Stimme Gehör, 36(S 01),
e38-e39.
Huber, W., Poeck, K., Weniger, D., Willmes, K. (1983). Aachener Aphasie Test. Göttingen:
Hogrefe.
Jaecks, P., Hielscher-Fastabend, M., & Stenneken, P. (2012). Diagnosing residual aphasia
using spontaneous speech analysis. Aphasiology, 26(7), 953–970.
Möhrle, C., & Spencer, P. G. (2007). Kinder und Jugendliche mit Aphasie. Forum Logopädie, 21(6), 6-12.
Reilly, J. (2004). “Frog, where are you?” Narratives in children with specific language impairment, early focal brain injury, and Williams syndrome. Brain and Language, 88(2),
229–247.
Analyse von Säuglingsschreien- Frühdiagnostik durch „genaues Hinhören“?
Tanja Fuhr, Hochschule Fresenius, 65510 Idstein, [email protected]
Henning Reetz, Goethe Universität Frankfurt, Institut für Phonetik, 60054 Frankfurt,
[email protected]
Carla Wegener, Hochschule Fresenius, 65510 Idstein, [email protected]
Hintergrund
Verschiedene Studien zur Säuglingsschreianalyse haben bereits gezeigt, dass sich der
Säuglingsschrei von gesunden Säuglingen und von Säuglingen mit verschiedenen sich
entwickelnden Pathologien (z.B. Hörstörungen, Laryngomalazie, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten) in akustischen Merkmalen unterscheidet (Robb 2005, Etz et al. 2012). Daraus ergibt sich die Frage, ob es möglich ist, den Schrei von gesunden Säuglingen und von Säuglingen mit verschiedenen Störungsbildern ebenfalls auditiv diskriminieren zu können.
14
Methode
Die vorliegende Studie vergleicht zwei Vorgehen zur Klassifikation von Säuglingsschreien:
Die akustische Analyse der Schreie und die auditive Diskrimination der Schreie.
Ein Klassifikationsmodell (C5-Entscheidungsbaum) wurde auf 468 Schreien von Säuglingen (gesunde Säuglinge, Säuglinge mit Hörstörung, Säuglinge mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Säuglinge mit Asphyxie, Säuglinge mit Laryngomalazie und Säuglinge mit intrazerebralen Blutungen) trainiert. 162 Probanden mit unterschiedlichen Vorkenntnissen
zum Hören von Säuglingsschreien (Hebammen, Therapeuten, Eltern und Laien) wurden
ebenfalls in einem Hörtraining auf das Erkennen der verschiedenen Störungsbilder trainiert und mussten im Anschluss unbekannte Säuglingsschrei den jeweiligen Säuglingsschreigruppen zuordnen.
Unterschiede zwischen den Probandengruppen wurden mittels Varianzanalyse berechnet.
Ergebnisse
Das Klassifikationsmodell konnte die Störungsbilder mit einer Genauigkeit von 98,64%
anhand der akustischen Eigenschaften der Schreie korrekt zuordnen.
Die Probanden konnten die Schreie mit einer Genauigkeit von insgesamt 56.07% den
sechs Säuglingsschreigruppen zuordnen. Mit einer Genauigkeit von 87% konnten die
Probandengruppen einen Schrei als pathologisch identifizieren. Eine Varianzanalyse zeigte, dass sich die Probandengruppen in Bezug auf deren Klassifikationsgenauigkeit nicht
signifikant voneinander unterscheiden.
Schlussfolgerung
Insgesamt zeigt sich, dass Schreie anhand ihrer akustischen Eigenschaften in Bezug auf
Spezifität und Sensitivität durch computergestützte Klassifikationsverfahren genauer zugeordnet werden können, als durch auditives Diskriminieren. Allerdings ist es anhand auditiven Diskriminierens möglich, einen Schrei als pathologisch zu identifizieren.
Literatur
Goberman, A. M.; Robb, M. P. (2005). Acoustic characteristics of crying in infantile laryngomalacia. Logoped. Phoniatr. Vocol., 30 (2), 79–84.
Etz, T.; Reetz, H.; Wegener, C. (2012): A classification model for infant cries with hearing impairment and unilateral cleft lip and palate. Folia Phoniatr Logop 64 (5), 254–261.
Phonologische Bewusstheit bei deutschsprachigen Kindern mit bilateraler Cochlea Implantat Versorgung - eine Pilotstudie
Dr. Bianka Wachtlin1, Dr. Blanca Schäfer2 , Yvonne Turinsky3
1
Katholische Hochschule Mainz, Fachbereich Gesundheit und Pflege, 2 The University of
Sheffield, UK, Department of Human Communication Sciences, 3 Logopädische Praxis,
Yvonne Pawlik, Grimma
Einleitung
Seit 2009 hat jedes Kind einen Rechtsanspruch auf das Neugeborenenhörscreening, zu
spät erfasste Hörstörungen sollen so vermieden werden. Studien, die die Sprech- und
Sprachentwicklung von Kindern mit und ohne Resthörigkeit untersuchten, berichten von
15
deutlich unterschiedlichen Entwicklungsverläufen (Colletti, 2009; Schramm, Bohnert &
Keilmann, 2010) und spezifischen Defiziten in der phonologischen Bewusstheit (PhB)
(Ambrose & Eisenberg, 2012). Die Studie von Fiori, Reichmuth, Matulat, Schmidt & am
Zehnhoff-Dinnesen (2010), zeigte Defizite in der PhB bei sehr spätversorgten deutschsprachigen Kindern auf. Unser Ziel der hier präsentierten Pilotstudie war es erste Daten
zur PhB von frühversorgten deutschsprachigen Kindern mit CI zu sammeln.
Methode
In dem Pilotprojekt wurden 3 monolingual deutschsprachige Vorschulkinder (im Regelkindergarten bzw. im Sprachheilkindergarten) mit der Diagnose Resthörigkeit im Lebensalter
von 5;04-6;10 Jahren (HA: 4-5 Jahre) eingeschlossen. Es gibt keine Hinweise auf weitere
Beeinträchtigungen (z.B. neurologische Erkrankungen). Als Testmaterial wurden sechs
Untertests aus dem Test für phonologische Bewusstheitsfähigkeiten (TBP) (Fricke &
Schaefer, 2011) herangezogen. Die Untersuchung der Kinder erfolgte in Absprache mit
den Eltern zu Hause und dauerte ca. 45-60 Minuten. Die Antworten der Kinder wurden mittels Audiorecorder aufgenommen und die Ergebnisse schriftlich notiert.
Ergebnisse
Die Ergebnisprofile der Kinder zeigen deutliche Stärken und Schwächen in den einzelnen
Untertests (UT). Ein Kind erzielte in den meisten Untertests durchschnittliche Leistungen,
ein anderes in allen UT unterdurchschnittliche Werte. Es fanden sich auch bei zwei Kindern deutlich unterschiedliche Ergebnisse abhängig von der PhB-Aufgabe. Die Profile der
Kinder werden im Vortrag näher erläutert.
Diskussion
Die Vermutung liegt nahe, dass die zeitnahe Diagnosestellung und damit einhergehend
auch die Versorgung der Hörgeräte und Cochlea Implantate einen Einfluss auf die Leistungen der Kinder ausüben kann. Die Daten zeigen deutlich sehr heterogene PhB-Fähigkeiten. Um die Ursachen für diese Unterschiede zu explorieren, wären a) eine genauere
Diagnostik der rezeptiven Hörleistungen von Interesse und b) eine Erhebung des familiären, therapeutischen und pädagogischen Umfeldes.
Literatur
Ambrose, S. E., Fey, M. E. & Eisenberg, L. S. (2012). Phonological awareness and print
knowledge of preschool children with cochlear implants. Journal of Speech Language
and Hearing Research, 55 (3), 811–823.
Colletti L., (2009). Long-term follow-up of infants (4-11 months) fitted with cochlear implants. Acta Otolaryngology, 129 (4); 361-366.
Fiori, A., Reichmuth, K., Matulat, P., Schmidt, C.-M. & am Zehnhoff-Dinnesen, A. (2010).
Lesen und schreiben CI-Kinder anders? Schriftspracherwerb nach Versorgung mit
einem Cochlear implant. HNO, 58 (9); 934-946.
Fricke, S., & Schaefer, B. (2011). Test für Phonologische Bewusstheitsfähigkeiten (TPB)
(2., überarbeitete Auflage ed.). Idstein: Schulz Kirchner Verlag.
Schramm B., Bohnert A., & Keilmann A., (2010). Auditory, speech and language development in young children with cochlear implants compared with children with normal
hearing. International Journal of Pediatric Otorhinolaryngology, 74 (7); 812-819.
16
Über die trügerische Sicherheit der statistischen Signifikanz in der
klinischen Linguistik, am Beispiel des Zusammenhangs zwischen
Dysphonie und Sprachleistungen deutscher Vorschulkinder
Eugen Zaretsky, Benjamin P. Lange
Univariate und multivariate statistische Methoden sind längst zum selbstverständlichen
Bestandteil klinischer Studien geworden, darunter auch in der klinischen Linguistik. Allerdings bestehen in den meisten Studien, insbesondere in denen mit retrospektivem
Design, Grauzonen in der Auswahl und Anwendung von statistischen Verfahren sowie
Interpretations-, aber auch Manipulationsspielräume. Diese retrospektive Studie hatte
zum Ziel, anhand des Zusammenhangs zwischen permanenter Heiserkeit (Dysphonie)
und Sprachleistungen deutscher Vorschulkinder zu demonstrieren, wie man trotz Anwendung adäquater, gebräuchlicher statistischer Methoden alle drei theoretisch möglichen Hypothesen bekräftigen kann: (a) Kinder mit Dysphonie sind sprachlich signifikant
schlechter als Kinder ohne Dysphonie (vgl. St. Louis et al., 1992), (b) Kinder mit Dysphonie sind sprachlich signifikant besser, (c) es besteht keinen signifikanten Zusammenhang. Entsprechende Berechnungen wurden für drei Stichproben durchgeführt
(Gesamtgröße N = 9726), in denen hessische Vorschulkinder mit validierten, normierten
Sprachtests (AWST-R, S-ENS etc.) untersucht wurden, mit Aufgaben zum Sprachverständnis, Wortschatz, phonologischen Kurzzeitgedächtnis (Nachsprechen von Sätzen
und Kunstwörtern) sowie zur Aussprache und Grammatik. Es werden typische Stolpersteine der statistischen Auswertung thematisiert: Wahl zwischen parametrischen und
nicht-parametrischen Verfahren, Effektstärken, Variabilität der Ergebnisse in multivariaten Methoden je nach gewählten Parametern und Einstellungen, Interaktion zwischen
Definitionsfragen und statistischen Ergebnissen.
Literatur
St. Louis Kenneth O., Hansen Gregory G. R., Buch Janice L., Oliver Tonia L. Voice Deviations and Coexisting Communication Disorders. Language, Speech, and Hearing
Services in Schools, 1992, Vol. 23, 82-87.
17
Seminare
Dekanülierungsmanagement - Der Weg zur erfolgreichen Dekanülierung
Marilena Cataldo, Logopädin (M.Sc.), Schwarzwald-Baar-Klinikum VillingenSchwenningen – Klinik für Neurologie, [email protected]
Innerhalb der Behandlung dysphagischer Patienten ist eine Versorgung mit geblockter Trachealkanüle auf der einen Seite überlebensnotwendig, um den Atemweg zu sichern oder die tiefen Atemwege vor eindringendem Material zu schützen.
Auf der anderen Seite sind unter anderem Sprechen und eine Nahrungsaufnahme
somit oft über einen längeren Zeitraum nicht mehr möglich. Ziel innerhalb der Versorgung dysphagischer Patienten muss es dementsprechend sein, den Patienten
über zeitweises Entblocken und der damit einhergehenden Wiederherstellung physiologischerer Atem- und Schluckfunktionen bis hin zu einer erfolgreichen Dekanülierung zu begleiten, um Sprechen und auch eine Nahrungsaufnahme wieder möglich zu machen. Beides ist elementar für die Teilhabe eines Individuums an der ihn
umgebenden Gesellschaft.
Inhalte des Workshops sind:
- Indikationen zur Tracheotomie
- Auswirkungen einer Versorgung mit Trachealkanüle
- Vorstellung unterschiedlicher Kanülenmodelle
- Der Weg vom ersten Entblocken zur erfolgreichen Dekanülierung
- Mögliche therapeutische Interventionen auf dem Weg zur Dekanülierung
- Grenzen des Entblockens und Kontraindikationen einer Dekanülierung
Der Workshop richtet sich an alle klinisch Tätigen, die in ihrem Arbeitsalltag mit
dysphagischen, trachealkanülierten Patienten konfrontiert sind. Oben genannte Inhalte des Workshops werden mit zahlreichen Fallbeispielen aus dem Kliniksalltag
ergänzt und veranschaulicht. Gerne können Sie auch eigene Erfahrungen und Fallbeispiele in die Diskussion miteinbringen. Bei Interesse: Schicken Sie mir gerne Videoaufnahmen inklusive einer kurzen Epikrise Ihres Patienten zu (spätestens bis
zum 24.04.2015), um Ihren Fall im Workshop selbst diskutieren zu können.
Der biographisch-narrative Ansatz in der auf Lebensqualität und Partizipation ausgerichteten Aphasietherapie
Prof. Dr. Sabine Corsten, Katholische Hochschule Mainz, [email protected]
Menschen mit Aphasie erfahren oft eine massive Einschränkung ihrer Lebensqualität
einhergehend mit einem veränderten Identitätsgefühl sowie Einbußen im sozial-kommunikativen Bereich. Um dem Rehabilitationsauftrag von verbesserter Teilhabe und
Lebensqualität gerecht werden zu können, ist es erforderlich, neue, sozialwissenschaftlich ausgerichtete Konzepte für die Sprachtherapie zu entwickeln.
Eine gelingende Identitätsentwicklung kann durch Methoden der Biographiearbeit gefördert werden, dafür sind wiederum biographisch-narrative Kompetenzen, die Fähig18
keit zur Selbstthematisierung im Austausch mit anderen, erforderlich. Gerade diese
sind bei Aphasie jedoch beeinträchtigt.
In dem Workshop wird zunächst der theoretische Hintergrund zur Biographiearbeit
skizziert. Anschließend wird der Ansatz „narraktiv – Narrative Kompetenzen Aktivieren“ vorgestellt, ein an die sprachlichen Fähigkeiten bei Aphasie angepasstes biographisch-narratives Vorgehen. Es wird aufgezeigt, wie die Methode für die logopädische
Einzeltherapie wie auch für moderierte Gruppengespräche nutzbar gemacht werden
kann. Kurze praktische Übungen runden den Workshop ab.
Evidenzen für die Wirksamkeit des angepassten biographisch-narrative Vorgehens
wurden bereits in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
geförderten Forschungsprojekt an der KH Mainz erhoben.
Computereinsatz in der Aphasietherapie – Workshop im Workshop
Dr. Hendrike Frieg, Hochschule für Gesundheit, Bochum, St. Mauritius Therapieklinik, Meerbusch
Nach einer aktuellen Hochrechnung des Instituts für Demoskopie Allensbach nutzten deutschlandweit gut 37 Millionen Menschen zwischen 14 und 69 Jahren täglich
oder fast täglich einen Computer (beruflich und/oder privat) und nur 1,2 Millionen
Menschen seltener als einmal in der Woche (Statista GmbH, 2014). Die Computernutzung im beruflichen und privaten Alltag stellt damit eine Aktivität dar, die auch in
der Behandlung neurologisch bedingter Sprachstörungen berücksichtigt werden
sollte. Einerseits ermöglicht eine computergestützte Aphasiebehandlung eine Erhöhung der Therapieintensität (Radermacher, 2009; Salter, Teasell, Foley & Allen,
2013) durch zusätzliches eigenständiges oder begleitetes Arbeiten an den individuellen Therapiezielen. Andererseits sollte die Wiederherstellung der sprachlichen
Fähigkeiten zur Computernutzung (digitale Partizipation; Brandenburg, Worrall, Rodriguez & Copland, 2013) auch als Therapieziel verstanden werden.
Dieser Beitrag eines „Workshop im Workshop“ stellt die in Deutschland verfügbare
Software zur computer- und appgestützten Aphasietherapie dar. Anschließend sollen mit den WorkshopteilnehmerInnen Fallbeispiele und Erfahrungen zum Einsatz
von Computern in der Aphasietherapie diskutiert werden. Dazu reichen Sie bitte
eine Kurzbeschreibung, gerne auch in Stichworten, zu Ihrem Fall oder dem Einsatz
der von Ihnen gewählten Software bis zum 15.04.2015 bei [email protected] ein*.
In der Kleingruppe kann dann z.B. diskutiert werden, ob sich der Einsatz von Computern in der Praxis bewährt, unter welchen Bedingungen Computer erfolgreich
eingesetzt werden können, bei welcher Symptomatik ihr Einsatz nur bedingt möglich ist oder welche subjektiven Erfahrungen die TeilnehmerInnen bisher gemacht
haben. Die Diskussionseinheit soll als Austauschplattform dienen, um gegenseitig
von den Erfahrungen der/des Anderen zu profitieren.
Der Inputbeitrag wird in einem zeitlichen Verhältnis von 1:2 zum Diskussionsteil
stehen (voraussichtlich 30 Minuten Input, 60 Minuten Austauschmöglichkeit).
19
Literatur:
Brandenburg, C., Worrall, L., Rodriguez, A. D. & Copland, D. (2013). Mobile computing technology and aphasia: An integrated review of accessibility and potential
uses. Aphasiology, 27(4), 444-461.
Radermacher, I. (2009). Einsatz computergestützter Verfahren in der Aphasietherapie – Medienpädagogische und therapeutische Aspekte. Sprache Stimme Gehör,
33(04), 166-171.
Salter, K., Teasell, R., Foley, N. & Allen, L. (2013). Aphasia. In R. Teasell, N. Foley,
K. Salter, M. Richardson, L. Allen, N. Hussein, S. Bhogal, J. Jutai & M. Speechley
(Hrsg.), Evidence-Based Review of Stroke Rehabilitation. http://www.ebrsr.com/evidence-review/14-aphasia
Statista GmbH. (2014). Umfrage in Deutschland zur Häufigkeit der Computernutzung 2013. Verfügbar unter:
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/168953/
umfrage/haeufigkeit-der-computernutzung [14.05.2014]
LSVT-Companion – ein Computerprogramm zur Unterstützung des
Therapeuten während der Parkinsontherapie und des Patienten während des täglichen Übens zu Hause
Thomas Brauer, LSVT Global – Representative, Germany, [email protected]
Während einer LSVT LOUD Therapie die stimmlichen Leistungen eines Parkinsonpatienten zu messen, zu dokumentieren und gleichzeitig ein angemessenes Feed-Back zu
geben, stellt eine besondere Herausforderung für LSVT-Therapeuten dar. Es verlangt
den Therapeuten zudem eine hohe Konzentration ab. Deshalb hat LSVT Global, USA,
das Computerprogramm „LSVT Companion“ entwickelt. LSVT Companion automatisiert den Messvorgang und die Dokumentation aller Therapiedaten, so dass sich der
Therapeut ganz auf den Patienten konzentrieren kann. Alle Daten werden in einer Excel Datei gespeichert und der Therapieerfolg kann so evaluiert werden. Zudem werden die wichtigsten Messergebnisse (Lautstärke, Tonhöhe, Dauer) auch in Echtzeit auf
dem Bildschirm angezeigt und können als direkte Rückmeldung an den Patienten eingesetzt werden.
Parkinsonpatienten, die bereits mit der LSVT Therapie vertraut sind, können mit einer
Home Version zu Hause auch unabhängig vom Therapeuten üben. Das Companion
hat eine Funktion, die den Patienten durch eine vollständige LSVT Sitzung führt und
über Lautsprecher individuelle Rückmeldungen gibt.
Im Workshop werden die Therapeuten – und die Patientenversion des LSVT Companions demonstriert. Gemeinsam mit einem Parkinsonpatienten werden Ausschnitte aus
der LSVT Therapie mit Unterstützung des LSVT Companions durchgeführt. Im Anschluss können die Seminarteilnehmer das Programm auch selbst erproben.
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Poster
Technikgestützte neurologische Spätrehabilitation: Wege zur Evidenzbasierung
Tobias Kalisch, Hendrike Frieg, Sascha Sommer
Hochschule für Gesundheit, Bochum
Die wissenschaftliche Studienlage zu innovativen ambulanten Versorgungskonzepten
chronischer Patienten mit neurologischen Erkrankungen ist bislang nicht ausreichend, um
wirksame Impulse für eine Verbesserung der Regelversorgung zu setzen. Ein interdisziplinäres Team aus Wissenschaftlern der Studienbereiche Logopädie und Physiotherapie der
Bochumer Hochschule für Gesundheit evaluiert daher in der Studie „Wege vorwärts“ die
Effektivität und Effizienz eines kombinierten Einsatzes von konventionellen therapeutischen Methoden und hochtechnologiegestützten Verfahren zur ambulanten Spätrehabilitation neurologischer Patienten. Es gilt hierbei nachzuweisen, ob das im AMBULANTICUM®
(Herdecke, NRW) entwickelte Behandlungskonzept zum einen die Mobilität, Selbstständigkeit und allgemeine Lebensqualität von neurologischen Patienten mit bereits chronischen Beeinträchtigungen verbessern kann und zum anderen auch unter gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten tragbar ist.
Das Behandlungskonzept richtet sich sowohl an junge Menschen mit angeborenen neurologischen Schädigungen, als auch an Erwachsene, die z. B. nach traumatischer SchädelHirn-Verletzung, Schlaganfall oder Querschnittslähmung funktional beeinträchtigt sind. Die
drei Stufen der Behandlung umfassen eine Intensivphase (ambulant, 20 Therapietage),
eine Transferphase (häuslich, 10 Wochen) und eine abschließende Manifestationsphase
(ambulant, 10 Therapietage).
Der Beitrag stellt Design und Methodik der „Wege vorwärts“-Studie vor, die sich noch bis
Juni 2015 in der Datenerhebungsphase befindet, und diskutiert die Durchführung dieses
ambulanten Versorgungskonzeptes vor dem Hintergrund der aktuellen Erkenntnisse.
Dr. Tobias Kalisch / Dr. Hendrike Frieg
Hochschule für Gesundheit, Bochum
Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften
Studienbereich Logopädie
[email protected]
[email protected]
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Therapie bei globaler Aphasie: Bericht über mehrjährige Verläufe
Frank Ostermann, Praxis für Sprachtherapie Dresden
30 Patienten mit einer globalen Aphasie konnten z.T. über 10 Jahre in ambulanter
Sprachtherapie kontinuierlich betreut werden. Aus diesen umfangreichen Erfahrungen
möchte ich einige charakteristische Entwicklungen vorstellen. Eine Patientengruppe bleibt
ohne weitere Entwicklungschancen. Eine zweite, große Gruppe gewinnt in der Verständigung, wenn in der Therapie ein „Gesprächsformat“ konsequent umgesetzt wird. Eine kleine, dritte Gruppe von Patienten kann nach 2-3 Jahren Fortschritte in ihrem Sprachvermögen erreichen. Dabei kommt der Schriftsprache eine wichtige Rolle zu. Ihre möglicherweise autonome Stellung in der Aphasiologie ist zu diskutieren.
Ein Poster stellt diese Gruppen mit ihren Ergebnissen vor.
„Telehealth im Smarthome – Teletherapie von Sprechstörungen bei Parkinson-Patienten“
B. Hoffmann, M. Scibor*, S. Steidl**, E. Noeth**, T. Schölderle ***, W. Ziegler ***, M. Keidel
Neurologische Klinik, Bezirkskrankenhaus Bayreuth; Neurozentrum Universitätsklinikum
Erlangen*; Lehrstuhl für Informatik 5 (Mustererkennung), Universität ErlangenNürnberg***, Entwicklungsgruppe Klinische Neuropsychologie (EKN), Klinikum München
Bogenhausen
Einleitung
Die zeitsynchrone Tele-Sprachtherapie bietet vor allem für den ländlichen Raum in Zukunft
neue Chancen für eine bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung der Patienten mit
Sprach- und Sprechstörungen aufgrund von neurologischen Erkrankungen. Patient und
Therapeut interagieren direkt über den Bildschirm miteinander, so dass aufwendige Wege
in ein spezialisiertes sprachtherapeutisches Zentrum erspart werden können. Parallel kann
die Therapiefrequenz deutlich erhöht werden.
Methode
Innerhalb der hier vorgestellten Studie werden Patienten mit rigid-hypokinetischen Dysarthrien, wie sie im Rahmen des Morbus Parkinson mit einer Häufigkeit von über 90 % der
Erkrankten auftreten, über eine telemedizinische Verschaltung im häuslichen Kontext mit
Sprachtherapie versorgt. Der zeit-synchrone Transfer der therapeutischen Leistung in das
Smarthome des Betroffenen über eine Internet-basierte Teletherapie ermöglicht einen interaktiven, audiovisuellen Online-Dialog.
Eine dauerhafte Verbesserung der Verständlichkeit dieser Patientengruppe kann jedoch
nur durch eine hohe Intensität der Therapie in Form von 16 Behandlungseinheiten in vier
Wochen (4 Termine/Woche á 60 Minuten) mit zusätzlichem eigenständigen Üben des Patienten erreicht werden. Mit dem LSVT (Lee-Silverman-Voice-Treatment) steht ein intensives Stimm- und Sprechtraining zur Verfügung, dessen Wirksamkeit in zahlreichen Studien
nachgewiesen wurde. Dieses Therapieprogramm konnte allerdings bisher aufgrund der
begrenzten Aufenthaltsdauern in Kliniken sowie der geringen Dichte an LSVT-Therapeuten
im ländlichen Raum nur selten effizient durchgeführt werden.
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Die technische Umsetzung der Studienbedingungen wurde in Kooperationen mit dem Zentrum für Teleneurologie des Universitätsklinikums Erlangen realisiert. Die Evaluation der
Therapieeffizienz und des Therapieverlaufs im Prä-Post-Vergleich erfolgt unter anderem
mit Unterstützung des Spracherkennungsprogramms PEAKS, Lehrstuhl für Informatik 5
(Mustererkennung), Universität Erlangen-Nürnberg (Prof. Dr.-Ing. Elmar Noeth).
Darüber hinaus wird die Auswertung seit 2014 durch das sogenannte „Münchner Akustik
Profil“ (MAP) ergänzt und erweitert. Das von der EKN (Entwicklungsgruppe Klinische Neuropsychologie, Theresa Schölderle, Prof. Dr. Wolfram Ziegler) am Klinikum München Bogenhausen entwickelte Instrument zur Telediagnostik dysarthrischer Störungen bietet klinisch arbeitenden Therapeuten akustische Analysen Im Onlineverfahren an.
Ergebnisse
Zum aktuellen Zeitpunkt konnten bisher 15 Probanden mit 240 Therapieeinheiten von je
60 Minuten betreut werden. Erste vielversprechende Ergebnisse liegen vor. So zeigten alle
Teilnehmer Veränderungen hinsichtlich verschiedener phonetischer Parameter wie Tonhaltedauer oder auch Lautstärkeentwicklung.
Mit der Berechnung der Worterkennungsrate eines Textes konnte ein objektiver Messwert
für die durchgehend positive Veränderung der Verständlichkeit der Parkinson-Patienten
gefunden werden.
Die soziale und vor allem auch kommunikative Teilhabe wird mit Hilfe des Voice Handicap
Index erfasst. Parallel wird durch die Angehörigen ein Bewertungsbogen erstellt, der eine
Fremdeinschätzung der Kommunikationsfähigkeit im Alltag ermöglicht.
Diskussion
Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung mit einer weiter steigenden Inzidenz für Parkinson sowie der enormen Auswirkungen auf die Lebensqualität und Folgekosten wird gesundheitspolitisch einer möglichst flächendeckenden Versorgung von Patienten eine hohe Priorität zugemessen. Den Verordnungen von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wird künftig das Konzept der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) zugrunde liegen. Damit wird der Fähigkeit zur Teilhabe stetig
mehr Bedeutung zugeordnet.
Durch ausgereifte Technik und ermutigende Projektergebnisse rücken telemedizinische
Therapieangebote zunehmend als Option für Leistungserbringer und Kostenträger in das
Zentrum der Interessen. Die Teletherapie ist als poststationärer Baustein der sektorenübergreifenden Versorgungskette (supply chain) sprachbehinderter Menschen zu sehen.
Literatur
Hoffmann, B., Steidl, S., Scibor, M., Nöth, E., Keidel, M. (2014): Telehealth im Smarthome.
Teletherapie von Sprachstörungen bei Parkinson-Patienten im häuslichen Kontext. In:
Spektrum Telemedizin Bayern, S. 35 – 41.
Nebel, A., Deuschel, G. (2008): Dysarthrie und Dysphagie bei Morbus Parkinson. ThiemeVerlag.
Scibor M., Vauth F., Müller P., Keidel M., Wacker A., Handschu R. (2012): Teletherapie bei
Patienten mit chronischen Aphasien – eine neue Methode zur telelogopädischen Versorgung. In: Telemedizinische Methoden in der Versorgungsforschung. Bd. 4 der Reihe „Report Versorgungsforschung“ , Deutscher Ärzte Verlag, S. 63-70.
Theodoros, D. G., Constantinescu, G, Russell, T., Ward, E. C., Wilson, St. J., Wootton, R.
(2006): Treating the speech disorder in Parkinson´s disease online. In: Journal of Telemedicine and Telecare, 12 Suppl 3), S3: 88-91.
23