INSTITUTIONENGESCHICHTE (RÖMISCHES P RIVATRECHT) SOMMERSEMESTER 2015 PROF. DR . JOHANNES PLATSC HEK XVI. 1. Schulderneuerung – novatio und Anweisung – delegatio Kaser, RPR § 54 D. 12,4,7 (Iul. 16 dig.) „Jemand meinte, er schulde einer Frau Geld. Auf ihre Anweisung hin (iussu eius) leistete er dem Verlobten ein Stipulationsversprechen zum Zwecke der Mitgift und zahlte. Hierauf erfolgte keine Verheiratung. Es wurde gefragt, ob er selbst das Geld zurückfordern könne, das er gegeben hatte, oder die Frau. Nerva und Atilicinus erteilten das Gutachten: Weil er zwar gemeint hatte das Geld zu schulden, aber sich mit der exceptio doli mali hatte schützen können, werde er es selbst zurückfordern. Aber wenn er im Wissen darum, dass er der Frau nichts schulde, das versprechen geleistet hätte, dann stehe die Klage der Frau zu, weil das Geld ihr gebühre. Wenn er aber tatsächlich Schuldner gewesen wäre und vor der Eheschließung gezahlt hätte, die Eheschließung dann nicht erfolgt wäre, so könnte (!) er selbst kondizieren, wobei der Frau die Forderung gegen ihn nur insoweit erhalten bleibe, dass der Schuldner zu nichts anderem gezwungen werde, als dass er ihr die Kondiktionsklage abtrete.“ 2. Erfüllungszusage – pecunia constituta / constitutum debiti Kaser, RPR § 46.2-3 * Verheißungsedikt de pecunia constituta (Rekonstruktion) [Prätor:] ‚Von wem es heißt, er habe geschuldetes Geld festgesetzt/zugesagt und nicht gezahlt, gegen den werde ich eine Klage erteilen und gestatten, dass Schuldversprechen und Gegenversprechen über die Hälfte abgeschlossen werden." ** Musterformel der actio de pecunia constituta (Rekonstruktion) ‚Wenn es sich erweist, dass der Beklagte zugunsten des Klägers Geld (bzw. x Sesterze) festgesetzt hat und weder (der Beklagte) getan hat (was er festgesetzt hat?) noch es am Beklagten gelegen ist, dass nicht geschah (was festgesetzt worden ist?) und dieses Geld, als (es?) festgesetzt wurde, geschuldet war, dann, Richter, verurteile den Beklagten zugunsten des Klägers zu so viel Geld, wie diese Angelegenheit wert ist! Wenn es sich nicht erweist, dann sprich ihn frei!‘ *** D. 13,5,14,3 (27 ed.) „Festsetzen können aber wir als An- und Abwesen-de, gerade so wie bei den Abreden (sicut pacisci), sowohl durch Boten als auch höchstpersönlich und mit jedem beliebigen Wortlaut.“ 3. Förmlicher Erlass – acceptilatio und formloser Klageverzicht – pactum de non petendo Kaser, RPR § 53.17-21 * Gai. 3,169 f. „Ferner wird eine Verbindlichkeit durch acceptilatio aufgehoben. Die acceptilatio ist etwas wie eine Scheinzahlung (imaginaria solutio). Denn wenn du mir das, was ich dir aus Verbalverbindlichkeit schulde, erlassen willst, wird das so geschehen können, dass du mich folgende Worte sprechen lässt: ‚WAS ICH DIR VERSPROCHEN HABE, HAST DU DAS ERHALTEN?‘ und du antwortest: ‚ICH HABE.‘ 170 Auf diese Art werden, wie wir gesagt haben, nur jene Verbindlichkeiten aufgehoben, die durch Worte zustandekommen, nicht auch die übrigen. Denn man hielt es für anerkennenswert, dass eine durch Worte zustandegebrachte Verbindlichkeit durch andere Worte aufgehoben werden kann. Aber das, was aus einem anderen Geschäft geschuldet wird, kann in eine Stipulation überführt und durch acceptilatio aufgehoben werden.“ LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 2 VON 2 ** D. 2,14,27,9 (Paul. 3 ed.) „Wenn der förmliche Erlass (acceptilatio) unwirksam war, so scheint mittels einer stillschweigenden Vereinbarung (pactum) verabredet worden zu sein, dass nicht geklagt werde.“ *** D. 46,4,8 pr. (Ulp. 48 Sab.) „Es wird gefragt, ob der unwirksame förmliche Erlass (acceptilatio) eine wirksame Abrede (pactum de non petendo) enthält. F: et nisi in hoc quoque contra sensum est, habet pactum. Und wenn man nicht auch darin gegenteiliger Ansicht war, enthält er eine Abrede. Vulg.: et nisi in hoc quoque consensum/-s est, non habet pactum. Und wenn man nicht auch darin übereinkam, enthält er keine Abrede. eigene Lesung: et si in hoc quoque consensum est, habet pactum. Und wenn man auch darin übereinkam, enthält er eine Abrede. Es mag einer sagen: Kann die Übereinkunft also fehlen? Warum nicht? Nehmen wir den, der den förmlichen Erlass erklärt, wohlwissend, dass der Erlass keinerlei Wirkung hat. Wer könnte daran zweifeln, dass es keine Abrede darstellt, derart den förmlichen Erlass vorgenommen zu haben, weil er kein Einverständnis zu einer Abrede hatte?“ ****D. 46,4,19 pr. (Ulp. 2 reg.) „Wenn demjenigen, der nicht durch Worte (stipulatio), sondern durch Sachhingabe verpflichtet wurde, ein förmlicher Erlass (acceptilatio) erklärt wurde, wird er zwar nicht frei, er kann sich aber mit der Einrede der Arglist (exceptio doli) oder derjenigen der Abrede (exceptio pacti) schützen.“ D. 13,5,1,4 (Ulp. 27 ed.) „Man muss sagen, dass derjenige, der sich unwirksam etwas förmlich versprechen ließ, als er wollte, dass ihm förmlich versprochen, nicht dass ihm die Erfüllung zugesagt werde, nicht mit der Klage wegen Erfüllungszusage vorgehen kann, weil es nicht mit der Absicht eines Zusagenden, sondern der eines Versprechenden geschehen ist.“ * * * * *
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