Document

An das
Bundesministerium der Finanzen
Herrn MDg Martin Kreienbaum
Unterabteilung IV B
11016 Berlin
Düsseldorf, 21.03.2016
642/515
Eingabe zur Umsetzung der Ergebnisse der Aktion 13
des BEPS-Projekts der OECD
Country-by-Country-Reporting Verrechnungspreisdokumentation
Sehr geehrter Herr Kreienbaum,
wir kommen zurück auf unser Gespräch in Berlin mit unserem Arbeitskreis „Außensteuerrecht“ am 11.02.2016 und unterbreiten Ihnen gerne Vorschläge zur
Umsetzung der Ergebnisse des Projekts „Base Erosion and Profit Shifting“
(„BEPS“) der OECD, hier Aktion 13: Verrechnungspreisdokumentation und
Country-by-Country-Reporting zwischen Finanzverwaltungen (CbCR). Da CbCR
und die Verrechnungspreisdokumentation zwei unterschiedliche Zwecke verfolgen, nehmen wir im Folgenden getrennt Stellung.
1. Schaffung einer Rechtsgrundlage für ein Country-by-Country-Reporting
1.1. Systematische Einordnung des Country-by-Country-Reporting
Dokumentationsvorschriften für Verrechnungspreise für Steuerpflichtige mit
Auslandsbeziehungen stellen als erweiterte Mitwirkungspflichten systematisch
eine Ausnahme von Amtsermittlungsgrundsatz bei der Steuerfestsetzung durch
deutsche Finanzbehörden dar. Demgegenüber handelt es sich beim CbCR um
rein statistische Erhebungen und gerade nicht um Angaben des Steuerpflichtigen zur Durchführung des deutschen Besteuerungsverfahrens. Es werden im
Rahmen des CbCR Daten erhoben, die unter weiteren Voraussetzungen an Finanzverwaltungen anderer Staaten übermittelt werden sollen. Sie dienen dazu,
dem empfangenden Staat eine Datengrundlage für dessen steuerliches Risikomanagement zu verschaffen. Sie dürfen daher von den empfangenden Staaten
Seite 2/5 zum Schreiben vom 21.03.2016 an Hrn. MDg M. Kreienbaum
auch nicht unmittelbar als Grundlage für die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen oder die Änderung von Steuerfestsetzungen verwendet werden.
CbCR-Daten enthalten zudem eine vergangenheitsorientierte Abbildung bereits
festgesetzter Steuern und anderer aggregierter Unternehmenskennzahlen.
Rückschlüsse auf einzelne verwirklichte Sachverhalte bzw. deren zutreffende
steuerliche Behandlung lassen die Daten nicht zu. Letzteres ist der Verrechnungspreisdokumentation vorbehalten.
Es sollte daher überlegt werden, die deutschen Rechtgrundlagen für ein CbCR
getrennt von den Vorschriften zu den abgabenrechtlichen Mitwirkungspflichten
zu verorten, da es sich lediglich um eine Verpflichtung zu sonstigen Aufzeichnungen handelt. Zumindest sollte klargestellt werden, dass selbst bei Nichtvorlage der CbCR-Daten keine Schätzung inländischer Besteuerungsgrundlagen
erfolgen kann. Dies sollte in § 162 AO verortet, oder zumindest in die Gesetzesbegründung klarstellend aufgenommen werden. Eine Nicht- oder Schlechterfüllung der statischen Pflichten des CbCR kann keine Schätzungsbefugnis der
Finanzbehörden gemäß § 162 AO nach sich ziehen.
1.2. Voraussetzungen für den Datenaustausch
Wir begrüßen die Umsetzung eines CbCR zwischen Finanzverwaltungen als eine Maßnahme zur Herstellung steuerlicher Transparenz und als Mittel zur Sicherstellung einer internationalen Einmalbesteuerung von Einkünften aus
grenzüberschreitender Tätigkeit. Vor dem Eintritt in einen Austausch von CbCRDaten ist allerdings zu gewährleisten, dass sich zumindest die großen Flächenstaaten der OECD-Staaten, insbesondere die USA, an dem Austausch beteiligen, um Wettbewerbsnachteile für den europäischen Binnenmarkt zu vermeiden. Des Weiteren sollte vor dem Datenaustausch gewährleistet sein, dass der
empfangende Staat die Geheimhaltung der Daten entsprechend dem deutschen
Steuergeheimnis gewährleistet und Gegenseitigkeit betreffend der Zuverlässigkeit des Datenaustauschs und der Datenqualität sichergestellt ist.
Die systematische Auswertung der CbCR-Daten dient der zielgenaueren Auswahl von Betriebsprüfungsfällen im Ausland. Vor diesem Hintergrund ist eine
verstärkte Beschäftigung mit Verrechnungspreisfragen und mithin mehr Fälle
internationaler Doppelbesteuerung zu erwarten. Daraus wird sich voraussichtlich ein erhöhter Bedarf an inländischen Gegenkorrekturen ergeben. Bestehen
zwischen den Finanzverwaltungen unterschiedliche Auffassung bei der Verrechnungspreisbestimmung, dürften in der Praxis vermehrt Verständigungsverfahren und Schiedsverfahren erforderlich werden, um Doppelbesteuerungen zu
beseitigen. Voraussetzung für den Eintritt in den Datenaustausch sollte daher
Seite 3/5 zum Schreiben vom 21.03.2016 an Hrn. MDg M. Kreienbaum
sein, dass mit dem betreffenden Staat ein Schiedsverfahren mit Einigungszwang vereinbart worden ist.
1.3. Ausgestaltung der Datenerhebung im Einzelnen
Die Verpflichtung zur Bereitstellung zum CbCR nach der Abgabenordnung sollte
ausschließlich die obersten Muttergesellschaften von Unternehmensgruppen
treffen, die im Inland ansässig sind. Das deutsche Abgabenrecht kann Rechtseinheiten, die außerhalb des Geltungsbereichs der Abgabenordnung ansässig
sind, keine steuerlichen Pflichten auferlegen.
Im Rahmen des CbCR können ausschließlich Informationen erhoben werden,
die dem durch die Abgabenordnung Verpflichteten auch zugänglich sind. Liegen
die Daten nur ausländischen nahe stehenden Personen der im Inland ansässigen obersten Muttergesellschaft der Unternehmensgruppe vor und hat die
oberste Muttergesellschaft keinen rechtssicher durchsetzbaren Anspruch auf
die erforderlichen Daten gegenüber der ausländischen nahe stehenden Person,
kann sie auch nicht wirksam zur Angabe dieser Daten verpflichtet werden (vgl.
BFH v. 10.05.2001, BFH/NV 2001, S. 957; BFH v. 17.10.2001, I R 103/00,
DB 2001, S. 2474).
Inländische Tochtergesellschaften unterhalb einer ausländischen obersten Muttergesellschaft, die ihrerseits nicht zum CbCR verpflichtet ist, können ebenfalls
nicht wirksam verpflichtet werden, Daten anzugeben, auf die sie keinen Zugriff
haben. Gegenüber der ausländischen Muttergesellschaft besteht regelmäßig
keine Möglichkeit, den Zugriff auf Informationen durchzusetzen. Eine Verpflichtung einer Tochtergesellschaft an Stelle einer nicht zum CbCR verpflichteten
ausländischen obersten Muttergesellschaft, sog. secondary mechanism, ist daher abzulehnen.
Es ist für eine zutreffende Auswertung im Rahmen des Risikomanagements unerlässlich, dass international die gleichen Daten erhoben werden, die Daten
nach einem in sich geschlossenen System ermittelt worden sind und mithin international vergleichbar sind. Aus diesen Gründen sollte sich der zu erhebende
Datensatz streng an den internationalen Vorgaben der OECD, die im Übrigen in
die europäischen Vorgaben übernommen worden sind, orientieren.
Dies gilt auch für das international vorgesehene Wahlrecht, nach welchem Ermittlungskonzept (Konzernabschluss nach IFRS, nationalem Handelsrecht,
steuerlichen Grundsätzen oder sonstiges unternehmensinternes Berechnungsverfahren) die Daten zusammengestellt werden. Vor diesem Hintergrund sollten
auch die nach den jeweils gewählten Ermittlungsgrundsätzen zulässigen Konzepte zur Abgrenzung des Konsolidierungskreises, der Einbeziehung abwei-
Seite 4/5 zum Schreiben vom 21.03.2016 an Hrn. MDg M. Kreienbaum
chender Bilanzierungsstichtage und zur Währungsumrechnung als zulässig erachtet werden.
Da es sich bei den CbCR-Daten um rein statistische Daten handelt, die zur
Durchführung des Veranlagungsverfahrens nicht erforderlich sind, sollten sie
weder Bestandteil der jeweiligen Steuererklärung, noch beizufügende Unterlage
im Sinne des § 150 Abs. 4 AO sein. Die Daten sollten in zeitlichem Zusammenhang mit der Steuererklärung abzugeben sein. Eine Sanktionierung eines möglichen Verstoßes gegen Pflichten des CbCR kann wegen des statistischen Charakters nicht gerechtfertigt sein.
Die Vorschrift sollte erstmals auf Geschäftsjahre anzuwenden sein, die nach
dem 31.12.2016 beginnen.
2. Umsetzung der Empfehlungen aus BEPS Aktion 13 zur Verrechnungspreisdokumentation
2.1. Grundsatz der Anknüpfung an die bestehende Regelung
Derzeit enthält § 90 Abs. 3 AO Vorschriften zur Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation von Verrechnungspreisen, auf die sich die Unternehmenspraxis weitestgehend eingestellt hat. Diese Vorschriften haben sich bewährt und sollten im Wesentlichen erhalten bleiben und nur punktuell aktualisiert werden.
Inländische Steuerpflichtige sollten mithin weiterhin verpflichtet sein, sechzig
Tage nach Anforderung durch die Betriebsprüfung eine schriftliche Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation vorzulegen, wenn sie grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen bzw. Betriebsstätten unterhalten. Die Anknüpfung von § 162 Abs. 3 AO an § 90 Abs. 3
AO sollte unverändert beibehalten werden. Der Zuschlag des § 162 Abs. 4 AO
sollte allerdings nur auf inländische Steuerpflichtige anzuwenden sein, die
grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen in
erheblichem Umfang unterhalten.
2.2. Neuregelung entsprechend der Empfehlungen der BEPS Aktion 13
Inländische Steuerpflichtige, die grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen
zu nahe stehenden Personen bzw. Betriebsstätten unterhalten und deren Gesamtumsatz im vorangegangenen Wirtschaftsjahr 50.000.000 € übersteigt, sollen nach den Empfehlungen der BEPS Aktion 13 ihre Verrechnungspreisdokumentation in Form einer Stammdokumentation („Master File“) und einer landesspezifischen Dokumentation („Local File“) führen.
Seite 5/5 zum Schreiben vom 21.03.2016 an Hrn. MDg M. Kreienbaum
Die Verpflichtung zur Erstellung und Einreichung einer solchen Stammdokumentation sollte unseres Erachtens die oberste Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe treffen. Inländische Steuerpflichtige, die nicht oberste Muttergesellschaft sind und mithin keine Stammdokumentation erstellen, sollten die
Stammdokumentation der Muttergesellschaft – wahlweise in englischer oder
deutscher Sprache – einreichen dürfen.
Wenn die Stammdokumentation und die spezifische Dokumentation sämtliche
Angaben enthalten, die im Rahmen der schriftlichen Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation gemäß § 90 Abs. 3 AO erforderlich sind, sollte auf
die danach erforderliche Dokumentation verzichtet werden. Wird bei einer Betriebsprüfung festgestellt, dass Inhalte in den Dokumentationen fehlen, sollte eine Nachreichung der ergänzenden Angaben innerhalb von sechzig Tagen nach
Anforderung durch die Betriebsprüfung gemäß § 90 Abs. 3 AO ausreichend
sein, ohne dass der inländische Steuerpflichtige eine neue schriftliche Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation erstellen muss.
Stammdokumentation und spezifische Dokumentation sollten weder Bestandteil
der jeweiligen Steuererklärung noch beizufügende Unterlage gemäß § 150
Abs. 4 AO sein. Die Dokumentationen könnten in einem gewissen zeitlichen
Zusammenhang mit der Abgabe der Steuererklärungen eingereicht werden.
Wir wären sehr dankbar, wenn unsere Vorschläge bei der Umsetzung der internationalen Vorgaben und Empfehlungen in deutsches Recht berücksichtigt werden und stehen jederzeit gern für vertiefende Gespräche zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kelm
Dr. Sonja Halverscheid, StB
Stellv. Fachleiterin Steuern