Lynne Sherriff, "Master of Wine", stellt sich vor

Lynne Sherriff, „Master of Wine“, stellt sich vor
Frau Sherriff, wie sind Sie ein Master of Wine geworden? Die Prüfungen gelten als sehr schwierig…
Ich habe fast fünf Jahre Weinbau und Kellertechnik studiert. Das hat mir den theoretischen Teil der Prüfung erleichtert. Der
praktische Teil war für mich viel schwieriger, weil ich in Südafrika aufgewachsen bin und man dort viele Weine, die man
kennen muss, für die Prüfung nicht kaufen konnte. Deshalb bin ich nach Hong Kong gereist und anschließend nach
London: Hier war es viel einfacher, weil es dort in den Supermärkten oder Fachläden 700 oder 800 verschiedene Weine zu
kaufen gibt.
Welche Aufgaben bekommt man für die Prüfung zum Master of Wine gestellt?
Eine Frage im Bereich „Weinbau“ könnte zum Beispiel lauten: „Beschreiben Sie die Unterschiede der Rebenerziehung in der
Toskana und im Napa Valley.“ Das können Sie natürlich nicht alles auswendig lernen - das heißt, man muss vorher ein
bisschen in diese Weinanbaugebiete reisen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. „Aha, so sieht die Toskana aus, so sieht
Napa Valley aus.“ Es werden auch Fragen zum biologischen Säureabbau gestellt – das ist alles reichlich kompliziert. Eine
weitere Frage war bei mir: „Was ist der Unterschied in der Kellertechnik zwischen einem Beaujolais und einem Pinotage
aus Südafrika?“ Da muss man dann wissen, dass man Beaujolais auf eine bestimmte Art produziert und den Pinotage in
Südafrika auf eine ganz andere Weise.
Hat man als Master of Wine jemals ausgelernt. Oder entwickeln sich der Wein und die Weinszene laufend weiter?
Man muss ständig dazu lernen. Ich mache deswegen immer wieder Weinreisen in verschiedene Länder und nehme an
Weiterbildungskursen teil. Außerdem stehen Weinproben in London, in Wien oder anderen Städten weltweit regelmäßig
auf dem Plan. Das ist sehr wichtig. Man lernt beim Wein nie aus.
Was verändert sich? Die Produktion?
Die Jahrgänge. Jeder Jahrgang ist ja anders. Und da ändert sich ja fast jedes Jahr etwas, weil ein Wein ja durchschnittlich
ein bis zwei Jahre auf dem Markt erhältlich ist. Und dann kommen schon neue Jahrgänge und der eine Jahrgang ist besser
als der andere. So ist immer etwas Neues da, das man lernen muss. (lacht)
Mag man als Master of Wine automatisch jeden Wein…?
(lacht) Man hat natürlich Favoriten, aber ich hab so viele Favoriten, dass ich wirklich nicht zu einem speziellen Wein sagen
würde: „Den würde ich nicht trinken.“ So etwas gibt es bei mir nicht, weil es in jeder Kategorie Weine gibt, die für mich
persönlich besser schmecken als andere. Grundsätzlich bin ich also offen für jeden Wein. (lacht)
Ist die Qualität eines Weins immer auch eine Frage des Preises?
Auf keinen Fall! Es gibt hervorragende Weine in jeder Preisklasse. Es gibt herrliche Weine, die nicht viel kosten, die man
täglich trinken könnte - und natürlich gibt es auch die teureren Weine, die man sich zu besonderen Anlässen gönnt. Das
ist das Tolle bei Wein: Es ist für jeden Geschmack und jeden Anlass etwas dabei.
Als Kunde steht man ja schnell mal vor dem riesigen Weinregal und weiß nicht, was man nehmen soll. Welchen
Tipp können Sie da mitgeben?
Meiner Meinung nach ist man heutzutage manchmal etwas überfordert: Man steht dann vor dem Regal und hat 300 bis
500 Etiketten vor sich und weiß nicht, wo man anfangen soll. Mein Tipp lautet: Jeder Mensch hat irgendwo schon mal
einen Wein getrunken, der ihm geschmeckt hat – im Toskana-Urlaub oder beim Spanien- oder Frankreichaufenthalt. Und
wenn man dann grob weiß, dass der Pinot Grigio, der Rioja oder der Riesling geschmeckt haben, dann sollte man ein, zwei
Weinproduzenten aus dieser Region testen. So vermeidet man einen Fehleinkauf und kann trotzdem immer neue
Lieblingsweine entdecken. Ich persönliche suche mir aber immer auch noch einen Wein aus, den ich noch nie getrunken
habe. So bekommt man Stück für Stück einen immer besseren Überblick. Ich würde nie jedes Mal das Gleiche trinken
wollen.
Weinkenner verkosten ja regelmäßig verschiedene Weine. Worauf kommt es dabei an?
Grundsätzlich geht es darum, einen Wein zu riechen, zu schwenken und zu schlürfen. Wichtig ist es als Weinliebhaber,
dass man den Wein im Mund hat und dass der Geschmack mir dann zusagt. Natürlich ist der Geruch auch wichtig, weil
angenehme Aromen natürlich auch zum Probieren anregen.
Und wenn man jetzt z.B. privat auch lernen möchte, Aromen wie Brombeere oder Himbeere herauszuschmecken.
Wie lerne ich das?
Jeder von uns weiß sicherlich, wie eine Erdbeere oder eine Brombeere riechen. So viel anders ist es beim Herausschmecken nicht. Im Wein gibt es sehr viele einzelne Elemente und man hat manchmal verschiedene Früchte oder Aromen
gleichzeitig – zum Beispiel Vanille oder Holz. Die alle herauszuschmecken, das kriegt man erst mit der Zeit heraus. Die
Qualität eines Weines erkennt man unter anderem aber daran, dass man die Aromen zuerst mit der Nase wahrnimmt und
anschließend auch auf der Zunge hat.
Helfen beim Herausschmecken von Aromen die gängigen Einsteiger-Sets für Verkostungen?
Wissen Sie, wenn man mit einer Prüfung im Weinbereich liebäugelt, kann man das sicherlich machen. Wenn Sie als Laie
oder Weingenießer aber wirklich etwas lernen wollen, dann geht das am besten in einer Runde mit Freunden. Dann
tauscht man seine Eindrücke und Informationen aus. „Was riechst du denn da? Ich rieche Himbeere.“ Und der andere sagt:
„Ich rieche eher Erdbeere heraus.“ So in der Art. Dadurch lernt man sehr schnell.
Gibt es denn auch beim Wein aktuelle Trends und angesagte Sorten?
(Lacht) Die gibt es tatsächlich. Riesling ist sehr im Kommen – das liegt daran, dass die asiatische Küche gerade sehr
angesagt ist. Riesling hat nämlich öfters einen kleinen Hauch Restzucker und eine starke Säure und das passt sehr gut zur
asiatischen Küche. Auch die Weißweine aus Spanien sind derzeit sehr gefragt – vor allem die Albariño- und VerdejoWeine. Rosé ist ebenfalls noch sehr angesagt. Nach wie vor begehrt sind auch die Malbec-Weine aus Argentinien. Und
man darf natürlich nicht Italien vergessen: Hier sind der Pinot Grigio und der Prosecco so stark nach wie vor.
Welchen Geschmack sollte denn ein guter Wein idealerweise mitbringen? Himbeere, Schokolade, Karamell, Quitte
– es gibt über 500 verschiedene Aromen, da fällt die Auswahl schwer…
(Lacht). Der Wein muss mir schmecken, alles andere ist zweitrangig. Die Aromen herausfiltern zu können, kann man lernen
und das dauert seine Zeit. Es ist noch kein Weintester vom Himmel gefallen. Aber das Wichtigste ist kurz und knapp: Der
Wein muss meinen Geschmack treffen.