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INTERMEZZI - COMMEDIA PER MUSICA
Giovanni Maria Orlandini Serpilla e Bacocco
Benedetto Marcello Filetta e Spago
Im Oktober zeigt die Wiener Taschenoper zwei Intermezzi im Schloss Schönbrunn:
Benedetto Marcello Filetta e Spago und Giuseppe Maria Orlandini Serpilla e Bacocco ovvero
Il Marito Giocatore e la Moglie Bacchettona.
Die Partien singen Luciana Mancini und Thomas Zisterer in deutscher Sprache
(Übersetzung: Karin Fleischanderl). Inszenierung: Jevgenij Sitochin. Kostüme: Charles
Koroly. Licht: Felix Dreyer.
Intermezzi sind die vielleicht größte Erfindung der Operngeschichte des 18. Jahrhunderts. In
Venedig, um 1720, füllte man die Pausen von Aufführungen großer tragischer Oper mit
komischen Szenen. Die Bühne betraten typische Figuren der Commedia dell’Arte: Der
eifersüchtige Ehemann und seine junge Frau, der Trunkenbold... Das mag uns heute bizarr
und exzentrisch anmuten. Und natürlich gab es auch damals Zeitgenossen, wie etwa
Rousseau, die die Platzierung solch dümmlicher Komik inmitten der größten und schönsten
Tragik verdammten. Und dennoch: Diese Intermezzi sind die Urform und Vorläufer aller
komischen Opern von Mozart über Offenbach bis hin zur Wiener Operette.
INTERMEZZI
Das intermezzo per musica ist als Kunstform ist heute weitgehend in Vergessen geraten und
wird – mit Ausnahme von Pergolesis La Serva Padrona – so gut wie nicht mehr aufgeführt.
Trotz der Kürze seines Erscheinens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat es jedoch
eine ganz besondere Bedeutung in der Operngeschichte erlangt, - als Ursprung und
Vorläufer aller komischen Opern von Mozart über Offenbach bis hin zur Wiener Operette.
Die Frage, welche Funktion diese Intermezzi in der Oper hatten, ist schwer zu beantworten.
Manche meinen, die komischen Szenen wurden eingeschoben, um Zeit für Umzüge zu
gewinnen. Es könnte aber auch sein, dass sie dazu dienten, die Illusion eines Zeitsprunges
zu erzeugen, bevor die Haupthandlung begann. Jedenfalls aber waren die Intermezzi dazu
angetan, der Oper ihren Humor zurückzugeben, den die Libretti dieser Zeit schmerzlich
vermissen lassen.
Die Pausen der großen tragischen Opern oder Tragödien mit komischen Szenen zu füllen,
ist eine Erfindung des frühen 18. Jahrhunderts. Das mag uns heute bizarr und ekzentrisch
anmuten. Und tatsächlich gab es auch damals Zeitgenossen, wie etwa Jean Jacques
Rousseau, die die Plazierung solch dümmlicher Komik inmitten der schönsten Tragik
verdammten. Und selbst Benedetto Marcello, der Komponist des eleganten Intermezzos
Filetta e Spago, sparte nicht mit verbalen Spitzen gegen die Unsitte des Intermezzos. In
seiner Satire Il teatro ala moda (Venedig, 1720) stellt Benedetto Marcello diese in eine Reihe
mit Primadonnen, Erdbeben, Donner und den allgegenwärtigen Bären, die allein das
Überleben des Theaters sicherten und für viele Besucher die einzig wahren Gründe für den
Theaterbesuch darstellten.
Marcello sollten mit seiner Prophetie recht behalten: Keine zwanzig Jahre später war der
Erfolg der Intermezzi mitverantwortlich für den Niedergang der opera seria. Die ungeheure
Popularität führte schließlich dazu, dass die Impresarii praktisch nur noch neue Intermezzi in
Auftrag gaben und die opera seria aus dem Vorjahr wieder auf den Spielplan setzten.
Der Ursprung der Intermezzi liegt im Venedig und Neapel des frühen 18. Jahrhunderts.
Venedig beherbergte damals die besten Musiker dieser Zeit, - Vivaldi, Albinoni, u.v.a.
Welche Intermezzi gespielt wurden, stand auf keinem Spielplan und war auch nicht
angekündigt. Die Verbreitung erfolgt über Mundpropaganda. Es gab keinen Vorhang.
Gespielt wurde an der Rampe oder im Bühnenbild der opera seria. Es gab eigene,
“fahrende” Sänger, die sich auf die Interpretation von Intermezzi spezialisiert hatten und von
Stadt zu Stadt reisten, um ihr Repertoire zum Besten zu geben. Ihre Ankunft in der Stadt war
ein bunter Auftritt mit falschen Bärten, Pfeifen, Trommeln und allerlei Requisiten, - und ganz
im Sinne des Rates von Benedetto Marcello, den Impresario nicht mit unnötigen Spesen zu
belasten, sondern einfach ein generöses Honorar zu verlangen.
Die Intermezzi von Benedetto Marcello und Giuseppe Maria Orlandini erlebten beide
1718/1719 auf Venezianischen Bühnen ihre Uraufführung. Der Name Orlandini (1688-1760)
ist uns heute so gut wie unbekannt. Demgegenüber steht jedoch die große Reputation und
der unglaubliche Erfolg als Komponist nicht zuletzt des Intermezzos Il marito giocatore
(Serpilla e Bacocco), eines der populärsten seiner Gattung und meistgespielten Opernwerke
des 18. Jahrhunderts. Wie weite Kreise es zog belegt nicht zuletzt eine russische
Übersetzung des Librettos aus der Zeit seiner Entstehung. Die beiden Sänger von Serpilla e
Bacocco tourten mit diesen Partien jahrelang durch ganz Europa.
Ganz anders die bemerkenswerte Partitur von Filetta e Spago, einem Werk, das auch von
seinen Zeitgenossen ignoriert und weitgehend unbekannt geblieben ist. Unsere Neuedition
basiert auf einem Manuskript der Biblioteca Marciana in Venedig. Die musikalische Sprache
verwendet Polyphonien, die in Intermezzi dieser Zeit nicht gebräuchlich waren. Es herrscht
auch eine melancholische Grundstimmung vor, die eher der Musik des Aristokraten
Benedetto Marcello (1686-1739) eigen war, der die Musik als “nobile dilettante” kultivierte
und durch seine soziale Position mit den Härten des Musikgeschäfts der damaligen Zeit
kaum Bezug hatte.
Beide Libretti zeichnen sich durch eine realistische Handlung aus. Sie verwenden die
konventionelle, dramatische Struktur des sich streitenden Ehepaars und bieten somit
zahlreiche Möglichkeiten, die karikaturistischen Aspekte des Lebens zu unterstreichen. Die
Figruen stehen damit in der langen Tradition des komischen Theaters und der Commedia
dell’arte.
Das Intermezzo folgt in der Anlage komischen Szenen des ausgehenden 17. Jahrhunderts
als Abfolge von Arien, getrennt durch Rezitative und endend mit einem Duett. Die
Orchesterbesetzung beschränkt sich üblicherweise auf Streicher und Continuo,
Blasinstrumente waren kaum gebräuchlich. Unabhängige Orchestermusik wie z.B. die
einleitende sinfonia im Falle Filetta e Spagos bildet die ganz große Ausnahme und war
gedacht für die Aufführung außerhalb des Opernkontextes.
BENEDETTO MARCELLO Filetta e Spago
Rezitativ: Ach, wie teuer kommt Ehe dem Mann zu stehen. Spago beklagt sich, dass er ein
Vermögen ausgegeben hat, um Filetta zu heiraten.
Arie: Es sagte Filetta, ich wünsch‘ mir ein Kleid. Aufzählung der Geschenke, die er ihr
gekauft hat. Außerdem verlange sie ständig neue teure, modische Kleider und Schmuck.
Rezitativ: Schau, da kommt meine Gattin. Filetta erklärt, die moderne Frau hätte das Recht,
sich zu vergnügen, ins Theater und auf Bälle zu gehen, abends auszugehen, Besuche zu
empfangen und den Vormittag im Bett zu verbringen. Spago antwortet, er sei altmodisch und
erwarte von seiner Frau, Respekt und Gehorsam, daß sie sparsam sein, die Mutter achte
und sich um den Haushalt kümmere.
Arie: Und mit aufgeklebtem Barte geht die Alte durch das Haus. Filetta empört sich, dass die
alten Frauen sich in das Leben ihrer Söhne und Schwiegertöchter einmischten und ihnen
das Leben schwer machten.
Rezitativ: Will ich Ärger vermeiden, muss ich sehr klug und versöhnlich mich jetzt zeigen.
Filetta fragt, was er von ihr verlange, und er verbietet ihr, auf Feste und Bälle zu gehen, und
wünscht, dass sie sich beim Kauf neuer Kleider zurückzuhält.
Duett: Alle Frauen heutzutag‘ wollen Freiheiten sich nehmen. Filetta pocht auf das Recht der
modernen Frau, von ihrem Mann respektiert zu werden, während Spago zugibt, dass sich
die Zeiten geändert haben, und dass man sich irgendwie einigen müsse. Zwischen den
beiden entsteht ein Streit, bei dem ja ja und nein nein mehrfach wiederholt werden.
Aria: Die Weiber wird‘ ich lehren, Hosen im Haus zu tragen und dem Gatten zu befehl’n.
Filetta greift zu einem Trick und verkleidet sich als Zigeunerin, um ihren Mann zu
manipulieren.
Rezitativ: Und weil er ja so leidet.. Filetta, verkleidet und von Spago nicht erkannt, liest ihm
aus der Hand, dass seine Frau ihn sehr liebe, er müsse nur mehr auf sie eingehen. Er habe
große Wirkung auf Frauen ausübe und solle selbst das Tanzbein schwingen.
Duetto: Mach ein Schrittchen. Spago wagt ein Tänzchen.
Rezitativ: Ein wenig geht Euch ab. Filetta (noch immer verkleidet) fordert von Spago mehr
Ehrfurcht und Respekt seiner Gattin gegenüber. Spago hat jedoch Zweifel, dass er alle
Wünsche Filettas erfüllen und diese zugleich mit den Vorstellungen seiner Mutter unter einen
Hut bringen können wird. (Zigeunerin ab)
Aria: Spüre schon, wie die Herzen laut schlagen. Spago sehnt sich nach Filetta.
Rezitativ: Aus fernen Gefilden werd‘ ich gerufen. Filetta erscheint. Spago ist neu entflammt.
Duetto: Macht dich glücklich. Spago, ganz im Zauber der Wahrsagerin, glaubt fest an seine
männliche Ausstrahlung und Wirkung auf Frauen. Filetta (spöttelnd, beiseite) - wenn der
Gatte ist ein Trottel - will keinesfalls die Ehe auf’s Spiel setzen und geht darauf ein.
GIUSEPPE MARIA ORLANDINI Serpilla und Bacocco
Arie: Nie mehr wird‘ ich spielen. Bacocco verflucht das Kartenspiel, bei dem er sein ganzes
Geld verloren hat.
Rezitativ: Ach, ich armer Bacocco. Er klagt über seinen Verlust seines Ringes, der Uhr und
seiner ganzen Kleidung. Am meisten aber ärgert ihn, dass er eine lästige Frau hat, die ihm
ständig Vorwürfe macht. Bacocco beschließt, sie anzulügen.
Aria: Ein Gefährte ohne Werte. Serpilla beklagt sich über ihren Mann und beschließt, ihn zu
verlassen.
Rezitativ: O Bacocco. Serpilla stellt ihren Mann zur Rede. Er erzählt ihr, er sei bei einer
Wohltätigkeitsveranstaltung gewesen und habe all seine Habe für karitative Zwecke
gespendet. Serpilla ist jedoch argwöhnisch, kramt in seinen Taschen und findet den
Pfandschein.
Duett: Serpilla, Geliebte. Bacocco gelobt, nie wieder zu spielen. Sie glaubt ihm nicht und will
die Scheidung.
Rezitativ: Serpilla ist entrüstet. Bacocco verkleidet sich als Richter und will die Scheidung
verhindern. Arie: Mein Herr Richter. Serpilla bittet um Verständnis für ihr Verhalten, denn ihr
Mann würde sie schlecht behandeln.
Rezitativ: Erhebt Euch, Verehrte. Bacocco heuchelt Verständnis und bittet Serpilla, sie
möge ihm die Missetaten ihres Mannes beschreiben. Serpilla bittet um die Scheidung, aber
Bacocco erinnert sie daran, dass sie danach allein sein wird, und bietet sich gleichzeitig als
ihr Liebhaber an. Serpilla geht auf das gewagte Angebot des Richters an. Da nimmt Bacocco
die Maske vom Gesicht, offenbart sich als gekränkter, betrogener Ehemann und schickt sie
zum Teufel.
Duett: Wo ist der Gatte. Serpilla will ihn umstimmen, aber Bacocco bleibt hart.
Arie: Ich, eine Vagabundin. Serpilla, von ihrem Mann aus dem Haus gejagt, irrt bettelnd
durch die Straßen und bereut ihren Fehler.
Rezitativ: Ach, da kommt die Verfluchte. Bacocco droht seiner Frau, sie umzubringen. Sie
aber bittet um Gnade und erinnert ihn an seine Laster, aber auch an die Zeit, als sie frisch
verliebt waren. Die Beschreibung dieser aufrichtigen Liebe, die sie früher einmal füreinander
hegten, rührt Bacocco. Er verzieht ihr ebenso, wie sie ihm verzeiht.
Duett: Wie von ferne. Serpilla und Bacocco freuen sich über ihre wiedergefundene Liebe
und lauschen ihren Herzen, die im Gleichklang schlagen.