Erbfehlern auf der Spur! Es war immer das Bestreben der Züchter, durch Selektionsmaßnahmen die erwünschten Erbanlagen in einer Population zu vermehren und die Frequenz von unerwünschten Erbanlagen zu reduzieren. Durch die genomische Selektion stehen den Züchtern wesentlich mehr Möglichkeiten als bisher zur Verfügung. In den letzten Monaten gelang es den Wissenschaftlern der TU München und der ZuchtData in Wien durch Vernetzung des Wissens Tests für eine Reihe von bisher zum Teil noch unerkannten Erbfehlern beim Fleckvieh zu entwickeln. Zu dieser Entwicklung trug die systematische Probensammlung und die Meldung der Züchter ganz wesentlich bei. Die beschriebenen Erbfehler kommen selten vor, da sie vom Vater und von der Mutter gleichzeitig vererbt werden müssen. Nichts desto trotz ist es unser Ziel, die neuen Erkenntnisse in der Zucht systematisch zu berücksichtigen. Das Auftreten von Erbfehlern und das damit verbundene Tierleid bzw. der wirtschaftliche Schaden muss durch Anpaarungsstrategien verhindert werden. Ziel soll es sein, die Frequenz dieser „Schadgene“ in der Population durch Selektion zu reduzieren. Dies wird aber nicht von heute auf morgen möglich sein. Genauso wie es nicht möglich ist, dass alle Tiere von heute auf morgen genetisch hornlos sind. Da zu erwarten ist, dass alle Tiere Anlageträger für zum Teil auch noch unbekannte Erbfehler oder genetische Besonderheiten sind, ist eine differenzierte Betrachtung bei der weiteren Vorgangsweise notwendig. Arachnomelie, Spinnengliedrigkeit (A) Arachnomelie verursacht bei reinerbig betroffenen Kälbern Totgeburten oder ein verenden kurz nach der Geburt. Typische Merkmale sind die dünnen Röhrenknochen, der verkrümmte Rücken sowie der verkürzte Unterkiefer. Neben dem Verlust des Kalbes besteht auch die Gefahr, dass es bei der Kuh während der Geburt zu Verletzungen durch die versteiften und brüchigen Gliedmaßen kommt. Diese Erbkrankheit geht auf den Stier Semper zurück und hat in der Fleckviehpopulation eine Genfrequenz von nur mehr 0,5 %. Beispiele für Anlagenträger sind z. B. Egel, Naab, Noriker, Rexon und Romel. Braunvieh-Haplotyp 2 („BH2“) Dieser Erbfehler wurde ursprünglich bei der Rasse Braunvieh entdeckt, daher auch die Bezeichnung Braunvieh-Haplotyp 2. Bei der Analyse von Sequenzdaten am Lehrstuhl für Tierzucht der TU München wurde festgestellt, dass diese Mutation auch bei der Rasse Fleckvieh auftritt. Bei betroffenen reinerbigen Tieren führt BH2 zu einer erhöhten Totgeburtenrate und zu Abgängen in den ersten 50 Lebenstagen. Typisch für diese Tiere ist die spitze Kopfform sowie ständig wiederkehrende Bronchopneumonien (Form der Lungenentzündung). Es ist davon auszugehen, dass die meisten Tiere in den ersten Lebensmonaten verenden. Bekannte Anlagenträger für diese Erbkrankheit sind z. B. Egol, Endo, Engadin, Enrico, Ettal, Hodscha, Mungo Pp, Passion, Raufbold und Vorum. Die Frequenz in der Fleckviehpopulation ist mit ca. 1 % sehr gering. Quelle: www.zar.at │www.fleckvieh.at Bovine männliche Subfertilität (BMS) Stiere, die reinerbig für BMS sind, sind fast völlig unfruchtbar. Bei weiblichen Tieren gibt es aber keine Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit. Stiere, bei denen die Erbanlagen für BMS in mischerbiger Form vorliegen, haben keine eingeschränkte Befruchtungsfähigkeit und können deshalb bedenkenlos eingesetzt werden. Die Genfrequenz für diese genetische Besonderheit liegt bei ca. 7 %. Mit dem Gentest können nun schon Kälber untersucht werden, sodass es möglich ist, den wirtschaftlichen Schaden durch den Einsatz von reinerbigen BMSTrägern in der künstlichen Besamung oder im Natursprung zur Gänze zu vermeiden. Fleckvieh-Haplotyp 4 („FH4“) Die Genetische Besonderheit FH4 führt bei Tieren, die die Erbanlage in reinerbiger Form tragen zum Embryonalen Frühtod in den ersten Wochen der Trächtigkeit. Die Kühe rindern meinst nach 21 Tagen um, wodurch die Non-Return-Rate erhöht wird. Die Frequenz in der Fleckviehpopulation liegt bei ca. 3,5 %. Der rein ökonomische Schaden ist jedoch sehr gering, da nur ca. 12 Embryonen pro 10.000 Trächtigkeiten aufgrund von FH4 abgehen. Anlageträger für FH4 sind z. B. die Stiere Didimus, Egol, Engadin, Hutera, Hutmann, Idiom, Serano, Symposium, Vanadin, Vanstein und Vinzenz. Fleckvieh-Haplotyp 5 („FH5“) FH5 wurde über die Suche von Genombereichen mit fehlenden reinerbigen Tieren im Zuge des Erbfehlermonitorings identifiziert. Die Frequenz in der aktuell typisierten Fleckviehpopulation liegt bei etwa 2,5%. Bei Risikopaarungen entstehen deutlich höhere Kälberverluste, wobei die Abgänge innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Geburt erfolgen. Grund dafür ist eine Herzschwäche und schwere Leberschäden. Die Totgeburtenrate ist nicht wesentlich erhöht. Die bekanntesten Anlageträger sind die Stiere Malf, Rau, Rave, Mercator, Raffzahn, Ralbit, Raldi, Ratgeber, Raufbold, Reumut, Roibos. Die Anlagenträger sind mit „FH5“ gekennzeichnet. Minderwuchs („FH2“) Im Zuge des Aufrufes der oberösterreichischen Besamungsstation zur Meldung von zwergwüchsigen Kälbern wurde eine Reihe von Kälbern gemeldet. Durch diese Daten konnte ein Verdacht der Wissenschaftler bestätigt werden. Es gibt sozusagen eine zweite genetische Ursache für verminderten Wuchs. Die Frequenz ist in der Fleckviehpopulation mit 5 % nicht so selten. Der Erbfehler verursacht ein Problem im Glukosestoffwechsel des Tieres, wodurch es zu einem Minderwuchs der, oft am Beginn ganz normal entwickelten Kälber kommt. Die bekanntesten Anlageträger sind die Stiere Winnipeg, Waldbrand, Witzbold, Rumgo und Mertin. Anlageträger werden mit „FH2“ gekennzeichnet. Quelle: www.zar.at │www.fleckvieh.at Thrombopathie („TP“) Tiere, die reinerbig für Thrombopathie sind, weisen eine Störung in der Blutgerinnung auf. Das heißt, die Blutgerinnung ist verzögert. Bei Verletzungen kann dies auch zum Tod des Tieres führen. Mischerbige Tiere haben keine verzögerte Blutgerinnung und weisen auch sonst keine unerwünschten Symptome auf. Bekannte Anlageträger für diesen Erbfehler sind z. B. die Stiere Regio, Resolut, Rumba oder Vanstein. Die Frequenz für diesen Erbfehler liegt in der Fleckviehpopulation bei ca. 6 %. Auch für diesen Erbfehler steht ein Gentest zur Verfügung. Zinkmangel-ähnliche Hauterkrankung („ZDL“) Dieser Erbfehler geht auf den Stier Streitl zurück. Liegt die Erbanlage für diesen Erbfehler bei einem Kalb in reinerbiger Form vor, kommt es sehr früh zu Veränderungen und einer Verhornung der Haut. Die Kälber leiden, eine Behandlung ist derzeit nicht möglich. Die Frequenz in der aktuellen Fleckvieh Population ist äußerst gering und liegt bei unter 0,5 %. Zwergwuchs („DW“) Der Erbfehler Zwergwuchs ist den Züchtern schon von früher her bekannt, da dieser Erbfehler auch durch den Bullen Polzer weitergegeben wurde. Der Erbfehler ist in der Fleckviehpopulation mit einer Frequenz von ca. 2 % eher selten. Zwergwüchsige Kälber werden aber vor allem bei der Kombination von Anlageträgern beobachtet. Leider ist auch Wille Anlageträger für Zwergwuchs. Durch die konsequente Vorgangsweise konnte ein Gentest entwickelt werden. Anlageträger werden in Zukunft mit „DW“ gekennzeichnet. DW steht für dwarfism (englisch für Zwergwuchs). Weitere Vorgangsweise: Anlageträger für die oben angeführten Erbfehler werden in der Zuchtwertdatenbank der ZAR/ZuchtData mit den Abkürzungen gekennzeichnet und laufend aktualisiert. Siehe www.zar.at Bei der genomischen Untersuchung von Kälbern werden die Ergebnisse ausgewiesen und dem Züchter mitgeteilt, ohne dass zusätzliche Kosten verrechnet werden. Alle Besamungsstiere werden mit den besten Tests auf offizielle Erbfehler untersucht und auch in den Werbemitteln der Organisationen gekennzeichnet. Unser Ziel ist es, dass die Genfrequenz für die Erbfehler weiter reduziert wird. Durch die Vermeidung von Inzucht kann das unerwünschte Auftreten von Erbfehlern bei Kälbern verhindert werden. Wir haben vor, Anlageträger in Zukunft nur im Rahmen der gezielten Paarung einzusetzen und dies vor allem deshalb, weil die Erhaltung der Linienvielfalt dies unbedingt erfordert. Wir sind davon überzeugt, dass es mit den neuen Möglichkeiten gelingen wird, den Erbfehlern in der Zucht den Schrecken zu nehmen, sofern sie diesen überhaupt noch haben. Anpaarungsprogramme wie Optibull sind dabei eine wertvolle Hilfe. Weitere Informationen erhalten Sie bei ihrem Zuchtberater. Oö. Besamungsstation GmbH, 1. Dezember 2015 Quelle: www.zar.at │www.fleckvieh.at
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