Gibt es eine Pflicht, absolut Armen zu helfen? Und wenn ja, wie weit reicht sie? ein Workshop erarbeitet von Schülerinnen und Schülern des Ravensberger- und des Königin-Mathilde-Gymnasiums Herford vorgetragen von Birthe Bauer, Lina Bonke, Peter Borsch, Michelle Cramer, Manuela Kleemeier, Lukas Quack, Anna Lee Wenske und Hanna Zabel sowie Sonja Nerad und Matthias Althoff Ablauf und Inhalte: 1. Ziele des Workshops ………..…1 2. Reihenübersicht………………...2 a. b. c. d. e. f. g. 3. Zentrale Ergebnisse und Materialien aus dem Unterricht Definitionsversuche „Wer ist arm?“………………………3 Die „Manu-Strategie“: Einfache Geschehen übertragen….3 Projektvorstellung (RGH und KMG)………………….….4 Zwischenresultate (RGH und KMG)………………….…..5 Endprotokoll: Die vier Autoren im Zusammenhang….…..7 Textgrundlagen (Singer, Hardin, Rachels, Pogge)……......9 Zusatztexte: Rolf Dobelli, Tragik der Allmende; Barbara Bleisch, Schluss – oder: die Sorge, die bleibt …15 4. Literatur (und Leseproben) a. Barbara Bleisch: Pflichten auf Distanz. Berlin/New York: Walter de Gruyter, 2010 b. Barbara Bleisch/Peter Schaber (Hrsg.): Weltarmut und Ethik. Paderborn: Mentis, 2007 c. Thomas Pogge: Armut, Menschenrechte und globale institutionelle Reformen (2014, auf Anfrage als pdf verfügbar) d. Matthias Althoff/Henning Franzen (Hrsg.): DenkArt – Arbeitsbuch Ethik. Paderborn: Schöningh, 2015, Kapitel 5.6 1. Ziele des Workshops Wir (eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern zusammen mit ihrer Lehrerin bzw. ihrem Lehrer) möchten den Teilnehmenden vorstellen, wie im Fach Praktische Philosophie das drängende Thema der Weltarmut behandelt werden kann. Insbesondere stellen wir vor, welche Autoren und welche inhaltlichen wie methodischen Anliegen uns wichtig sind. Der Workshop folgt einem Dreischritt: i) Im gespielten Anfang einer Podiumsdiskussion werden vier einflussreiche Positionen vorgestellt, die in der Debatte vertreten werden. Hier besteht auch die Möglichkeit Nachfragen zu stellen, wie die Positionen gemeint sind und was für jede dieser Position die Folgerungen wären, wenn sie zuträfe. ii) Zu jedem Autor gibt es dann einen Diskussionstisch. Dort können die Zuhörer selbst aktiv werden und kritische Nachfragen stellen und zusammen mit uns über die Sache diskutieren und Antworten versuchen. iii) Im abschließenden Teil können Fragen zum Unterricht gestellt werden. Wie haben wir gearbeitet, welche Probleme gab es, welche besonderen Erfolge? Nicht alles klappte reibungslos und einiges würden wir im Wiederholungsfall auch anders machen. Dennoch: Was bringt es uns, im Philosophieunterricht so zu arbeiten? Dahinter steht zum einen die Frage, wie die einzelne Person mit den erreichten Ergebnissen umgeht. Ändert sich die Einstellung zur Weltarmut? Wenn ja, wie? Die Ergebnisse in beiden Kursen waren in dieser Hinsicht eher pessimistisch: Die Weltarmut könnte sogar relativ leicht beseitigt werden, aber die erforderlichen Schritte sind politisch nicht durchsetzbar. Wir wären nun neugierig, wie Sie das sehen. Zum anderen ist am Ende auch die Frage wichtig, ob die Art der Untersuchung uns dabei hilft, uns bereits in Klasse 9 auf das methodisch geleitete Arbeiten und Philosophieren in der Oberstufe vorzubereiten. Im Reader werden einige Originalmaterialien aus den beiden Kursen zur Veranschaulichung angeboten. In welchen Etappen sind wir von der Projektvorstellung bis zuletzt in diesen Workshop gelangt? Die Materialien aus diesem Reader können wir Ihnen auch als pdf-Datei zur Verfügung stellen. Über Anfragen, aber auch Rückmeldungen zum Projekt oder zu den Materialien freuen wir uns: [email protected] Im Namen aller am Projekt Beteiligten Sonja Nerad und Matthias Althoff 1 2. Reihenübersicht: Die Unterrichtsreihe wurde in zwei Kursen Praktische Philosophie erprobt. Die grobe Struktur war in beiden Kursen identisch. Im Detail ergaben sich Unterschiede im Vorgehen und in der Setzung von inhaltlichen Schwerpunkten. Das ist nicht zu vermeiden, wenn die besonderen Bedürfnisse konkreter Lerngruppen in den Planungsprozess einfließen. Hier wird deshalb nur die Abfolge der Inhalte und das methodische Ziel vorgestellt. Im Wiederholungsfall würden wir einiges anders machen, die grobe Struktur jedoch beibehalten. In beiden Kursen wurden die beiden wöchentlichen Stunden als Doppelstunde erteilt. Das Projekt wurde von beiden unterrichtenden Lehrkräften als Versuch aufgefasst und durchgeführt: Inwieweit können Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 9 schon an die Methoden und das inhaltliche Anspruchsniveau des Oberstufenunterrichts herangeführt werden? Das Weltarmutsproblem sollte streng argumentativ behandelt werden. Betroffenheit war zu Beginn der Reihe schnell durch geeignete Bildbetrachtungen erzeugbar: Die wie ein Vogelfuß aussehende Hand eines unterernährten Kindes, die auf der Hand eines wohlgenährten Europäers liegt. Ohne jeden Zweifel war das Gefühl eindeutig: Helfen. Lässt sich das starke Gefühl auch durch gute Gründe stützen? Welche Formen zu helfen stehen zur Verfügung? Welche Antworten sind auf skeptische Einwände möglich, Hilfe sei aussichtslos oder gar falsch? Die Schülerinnen und Schüler sollten sich darin üben, schriftlich vorliegende komplexere Argumentationen zu verstehen, indem sie Inhalt und Form der Argumentationen freilegen, prüfen und kritisch bewerten sowie ihre Überlegungen dann dem Kurs zur Diskussion anbieten. Die Herausforderung bestand immer wieder darin, dazu zu ermuntern, die Güte von Gründen als Maßstab für das eigene Urteilen zuzulassen und die eigenen Urteile nicht allein auf starke Emotionen zu gründen. Schwerpunkt der Analysen war, ob die Analogiebildungen der Autoren gelingen oder nicht. Viele Argumente nutzen Analogien und Vergleiche, die auf das Welthungerproblem übertragen werden. Manuela fasste das bezogen auf Singers Zierteich griffig zusammen (vgl. S. 3). Ein möglicher Verlauf der ganzen Reihe kann so aussehen: Einstieg DS 1: Vorstellung des Weltarmutsproblems Definitionsversuche: Wer ist arm, wer reich? (vgl. S. 3) DS 2: Erste Fragen, erste Antworten. In Gruppen wählen die SuS sich drei Fragen aus der 1. DS (vgl. Seite 3 links) aus, und probieren Antworten. Die Ergebnisse werden auf Plakaten gesichert und in einem Museumsgang vorgestellt. Gemeinsamkeiten und Unterschiede können im Plenum diskutiert werden. Erarbeitung DS 3: Projektvorstellung Die Position Peter Singers wird gemeinsam an Hand der fünf Schritte kritischer Textarbeit bearbeitet (vgl. S. 3 und S. 9) DS 4: Fortsetzung der Analyse von Singers Position (Für die Sicherung der Zwischenergebnisse vgl. S. 6 [KMG]. Oder S. 5 [RGH] bezogen auf die Position von Rachels. Dort findet sich im Protokoll auch die Strukturierungshilfe.) DS 5: Gruppeneinteilung und Übergabe der Texte an die Gruppen (Vgl. S.4.) DS 6 und DS 7 GA (mit kleinen orientierenden Plenarphasen). Präsentation (Die zu präsentierenden Texte erhielten alle SuS. Die Texte finden sich im Reader ab S.11. Sie stammen aus dem Lehrbuch „DenkArt“, Schöningh Verlag, 2015) DS 8: Präsentation der Position von Garrett Hardin DS 9: Präsentation der Position von James Rachels DS 10: Präsentation der Position von Thomas Pogge (Begleitend zu den Präsentationen entstand ein Ergebnisprotokoll, das jeweils wesentliche Inhalte einer Präsentation zusammenfasst. Am Ende enthielt dieses Protokoll alle vier Positionen. Vgl. S. 7.) Ausstieg und Schlussbilanz DS 11: Was tun mit den Resultaten? Als Anregung kann das Fazit von Barbara Bleisch „Schluss – oder: die Sorge, die bleibt“ (vgl. S. 16) ganz oder in Auszügen kritisch gelesen werden. 2 (Quelle: DenkArt (2015), S. 31 f.) Philosophische Texte sind problemorientiert: In ihnen argumentiert eine Autorin oder ein Autor für eine These als Antwort auf eine philosophische Fragestellung. Argumentierende Text sollten Sie fair, aber kritisch lesen, mit dem Ziel, am Ende selbst zur Argumentation Stellung zu nehmen. Beachten Sie bitte immer die natürliche Schrittfolge, wenn es gilt, einen argumentierenden Text in seinem Begründungsgefüge zu verstehen und einzuschätzen: Schritt 1: lesen. Verstehen Sie, rein sprachlich, was da geschrieben steht? Worum geht es überhaupt? Was soll eigentlich begründet werden, für welche Auffassung wird argumentiert? Sachklärung Schritt 2: rekonstruieren. Zerlegen Sie die Überlegung in übersichtliche einzelne Schritte, sodass Schlussweisen erkennbar werden: Wie ergibt sich aus den Annahmen (Prämissen) die Zielbehauptung (Konklusion) der Überlegung? (ggf. müssen Sie implizite Prämissen ergänzen, die die Überlegung stärker machen.) Schritt 3: angreifen. Wo könnte inhaltliche (Das ist nicht wahr!) oder formale (Das folgt nicht daraus!) Kritik ansetzen? Wie könnte diese Kritik begründet oder präzisiert werden? Schritt 4: verteidigen. Kann ich den Autor gegen die erste Kritik verteidigen? Dieser Schritt ist unerlässlich. Sorgfältig durchgeführt schützt er Sie vor Fehlinterpretationen und führt oft dazu, dass Sie den Text genauer lesen und die Argumentation präziser rekonstruieren. Schritt 4 führt oft zurück zu Schritt 2. Schritt 5: werten. Was ist dran an der Sicht des Autors? Welche berechtigten Zweifel bleiben? Wie lässt sich die Position in Beziehung setzen zu anderen wichtigen Positionen? Wie urteile ich selbst in der Sachfrage? 3 {Nun folgen wie links die fünf Schritte der kritischen Textlektüre und die Basisbegrifflichkeit.} 4 5 6 7 8 Matthias Althoff/Henning Franzen (Hrsg.): DenkArt – Arbeitsbuch Ethik , Schöningh Verlag, 2015, S. 252 ff. (inhaltsgleich auch in DenkArt 11 – Ausgabe Bayern, Schöningh Verlag, 2012, S. 130 ff.) 9 10 11 12 13 14 Quelle: Rolf Dobelli: Die Kunst des klaren Denkens. München: Hanser Verlag, 2011, S. 76-79 15 Quelle: Barbara Bleisch: Pflichten auf Distanz. Berlin/New York: Walter de Gruyter, 2010, S. 209 ff. (Der Text eignet sich gut, um eine abschließende Gesprächsrunde einzuleiten. Birthe und Ruben z.B. waren in ihrer frühen Einschätzungen teilweise schon nah an dem, was Barbara Bleisch hier fordert.) 16
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