Sinstorf verspricht Idylle nahe der Autobahn

26.09.2015
Das Hambuger Abendblatt schrieb am 26.09.2015 in seiner Online-Ausgabe über
unsere Häuser und Eigentumswohnungen in Hamburg.
Sinstorf verspricht Idylle nahe der Autobahn
Das Abendblatt vergleicht Stadtteile am äußersten Rand Hamburgs mit angrenzenden
Gemeinden. Heute: Sinstorf und Fleestedt.
Von Oliver Schirg
Was für ein hinreißender Humor. Sie heiße Antje Schwartau, sagt die Pastorin der Sinstorfer Kirche
bei der Begrüßung und fügt hinzu: "Schwartau wie die Marmelade und Antje wie Käse." Dazu lächelt
sie, blinzelt in die Sonne, und der Besucher merkt: Antje Schwartau fühlt sich in Sinstorf wohl.
Der kleine Ort markiert so etwas wie den südlichsten Zipfel von Hamburg, sieht man einmal von ein
paar Flecken unweit des Zollenspieker Fährhauses und einem ein paar Kilometer westlich von Sinstorf
gelegenen Waldstück ab. "Für Menschen, die in der Stadt arbeiten, aber auf dem Lande leben wollen,
ist Sinstorf ein geeigneter Ort", sagt Antje Schwartau.
In der Tat braucht man – fließenden Verkehr vorausgesetzt – keine halbe Stunde, um in Hamburgs
Innenstadt zu gelangen. Mit dem Bus und der S-Bahn sind es 40 Minuten. Die Hansestadt ist für die
Sinstorfer zudem die eigentliche Bezugsgröße. Obwohl Harburg nur einen Katzensprung entfernt liegt,
meint der Sinstorfer Hamburg, wenn er sagt, er fahre mal in die Stadt. So jedenfalls erzählt man es
sich.
Wer durch Sinstorf spaziert, kann die gepflegten Einfamilienhäuser nicht übersehen. Manche sind
reetgedeckt und verstecken sich hinter alten, knorrigen Bäumen. Andere bestehen aus verwitterten
Backsteinen, haben eine Auffahrt und atmen bürgerlichen Wohlstand. Eine Besonderheit ist die
sogenannte Käfersiedlung, die so heißt, weil die Straßen nach Käfern benannt wurden: Es gibt den
Hirschkäferweg, den Sandkäfer-, den Rüsselkäfer- und natürlich einen Marienkäferweg.
Billig ist die Gegend nicht (mehr). Der schwedische Projektentwickler NCC hat gerade eine
Reihenhaussiedlung errichtet und bietet jedes der Häuser mit 122 Quadratmetern Wohnfläche für
etwa 300.000 Euro an. Das Statistikamt hat errechnet, dass Interessenten für ein Einfamilienhaus im
Durchschnitt mit 2133 Euro pro Quadratmeter kalkulieren müssen.
Die Nähe zur Natur lobten viele Einwohner, erzählt Antje Schwartau und berichtet von dem
"magischen Moment", als sie unlängst einen Eisvogel beobachtete. Mit dem Rad sind es in südlicher
Richtung nur ein paar Minuten bis in die Felder – auch wenn die lärmende A 7 zu queren ist. Die
Trasse gilt als "Schönheitsfleck". Lediglich bei Westwind sei der Verkehr zu hören, beschwichtigt Antje
Schwartau. "Ich hört' es wohl, allein mir fehlt der Glaube", kommt einem da in den Sinn.
Doch die Errungenschaft unserer mobilen Gesellschaft schmälert nicht die kulturhistorische
Bedeutung der Sinstorfer Kirche. Knapp tausend Jahre alt sollen Teile von ihr sein. Die erste
Kirchgründung wird auf die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts datiert. Ihre Lage auf einem
aufgeschütteten Hügel legt die Vermutung nahe, dass Bischof Ansgar nach der Flucht aus Hamburg
vor den Wikingern die Kirche gegründet hat. Bestätigt ist das alles nicht.
Was letztlich auch egal ist, denn die Kirche gehört nicht nur zu den ältesten Gebäuden Hamburgs,
sondern auch zu den beeindruckendsten. Wer den Innenraum betritt, dem schlägt der muffige Geruch
entgegen, den jahrhundertealte Gemäuer absondern. Und doch fühlt der Besucher sich sogleich
heimisch. Jährlich würden zwischen 30 und 35 Trauungen hier vollzogen, erzählt Antje Schwartau.
Von weit her käme manches Brautpaar.
Auch für Pilger ist die Kirche inzwischen zum Ziel geworden. Schließlich führt der Jacobusweg von St.
Jacobi in Hamburg auch nach Sinstorf. "21 Kilometer sind es bis hierher", sagt Antje Schwartau. Sie
empfehle allerdings die umgekehrte Richtung. "An unterschiedlichen Stellen hat man einen schönen
Blick auf Hamburg."
Am Ende des Gespräches kann die junge Frau sich den Hinweis auf den Schriftsteller Mathias
Halfpape, der vielen unter dem Pseudonym Heinz Strunk bekannt und im benachbarten Langenbek
groß geworden ist, nicht verkneifen. Strunk habe in seinem Buch "Fleckenteufel" auch über die
Kirchengemeinde Sinstorf geschrieben, sagt Schwartau nicht ohne Stolz.
URL: http://www.abendblatt.de/hamburg/harburg/article205797873/Sinstorf-verspricht-Idylle-nahe-derAutobahn.html