Tagungsbericht: „The Pan-Orthodox Council of

Tagungsbericht: „The Pan-Orthodox Council of 2016 – a New Era for the Orthodox Church?
Interdisciplinary Perspectives“ (25.-27.02.2016, Augustinerkloster Erfurt)
Unter den Augen der großen Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchton veranstaltete die
Universität Erfurt unter Leitung von Prof. Dr. Vasilios N. Makrides (Lehrstuhl „Kulturgeschichte des
Orthodoxen Christentums“) und Dr. Sebastian Rimestad eine Tagung zum anstehenden PanOrthodoxen Konzil im Augustinerkloster Erfurt. Im Lutherfestsaal blickten tatsächlich die beiden
protestantischen Theologen von den Wänden und folgten den Ausführungen und
Diskussionsbeiträgen des internationalen Fachpublikums sicherlich mit großem Interesse.
Gemeinsam mit der DGO-Geschäftsführerin Gabriele Freitag, sprach Vasilios N. Makrides am
Donnerstagabend das Grußwort. Makrides betonte die Herausforderungen und Hürden, welche vor
der Zusammenkunft zum Panorthodoxen Konzil zu nehmen waren und verwies auch darauf, dass die
historische Zusammenkunft noch im Januar 2016 nicht gesichert schien. Umso mehr freue er sich, dass
der Tagungseinladung zahlreiche Wissenschaftler aus Europa, den USA und Russland gefolgt seien.
Paul Valliere (Indianapolis) erläuterte in seinem Plenarvortrag das besondere Verständnis der
orthodoxen Konziliarität und deren ekklesiologische Bedeutung. Valliere betonte die grundlegende
Wahrnehmung von der Kirche im Allgemeinen als einem Konzil. Demgegenüber sah er jedoch eine
weitere wirksamere Diskursebene, die er als Metropolitanismus benannte; ein institutionalisiertes
Gremium der Erzbischöfe, auf dessen Ebene richtungsweisende Entscheidungen behandelt werden.
Dimitrios Moschos (Athen) widersprach dieser Darstellung in seinem Kommentar nicht. Er ergänzte
vielmehr, dass das Modell des ekklesiologischen Konziliarismus seinen Ursprung u.a. im römischgriechischen Demokratieverständnis der Polis fände. Der Kommentar von Jennifer Wasmuth (Berlin),
die leider nicht anreisen konnte, wurde von Sebastian Rimestad vorgetragen. Darin wurden Vallieres
Ausführungen zwar gelobt, aber auch kritisch hinterfragt, unter anderem zur ambivalenten Rolle
konservativ denkender Laien und Mönchen.
Die erste Session am Freitag eröffneten die beiden Moskauer Theologen Andrej Shishkov und
Aleksandr Kyrlezhev mit Beiträgen zur ekklesiologischen Struktur der heutigen orthodoxen Welt.
Kyrlezhev gab dabei Typologien der einzelnen Strukturen wieder (Nationalkirche und Partiarchat),
verwies aber auch auf die fließenden Übergänge der einzelnen Strukturen. Deutlich machte er es am
Beispiel der Russisch-Orthodoxen Kirche, welche zwischen dem Anspruch als Nationalkirche und
Patriarchat wandert und vielmehr als transnationale Organisation wahrgenommen werden muss. Den
Statusunterschied zwischen einer Autokephalen und einer Autonomen Kirche stellte Shishkov heraus
und fragte nach den ekklesiologischen Konsequenzen, auch hinsichtlich der konziliaren Prozesse.
Daran knüpfte Daniela Kalkandjieva (Sofia) in der zweiten Session umgehend an und brachte die Frage
der kirchlichen Autonomiestatuten in Zusammenhang mit dem Ringen zwischen den beiden
Patriarchaten von Konstantinopel und von Moskau um geopolitische Einflussbereiche. Lucian Leustean
(Birmingham) spezifizierte in seinem Vortrag diese Frage, und blickte genauer auf die orthodoxen
Diasporagemeinschaften im Westen und deren möglichen Fähigkeiten, innerhalb der Gruppen eine
Rückbindung/Identitätsvorstellung an die jeweilige Nationalkirche zu erhalten bzw. wieder zu
erzeugen.
Am Freitagnachmittag fragte Sebastian Rimestad (Erfurt) nach den orthodoxen Akteuren die
wiederum nicht auf dem Konzil vertreten sein werden und unterstrich dadurch das metropolitanische
Prinzip Vallieres, da u.a. Frauen und Laien im Konzil keinen exponierten Platz eingeräumt bekämen.
Vassilis Pnevmatikakis (Paris) verdeutlichte am Beispiel von Frankreich und den USA die
Schwierigkeiten der orthodoxen Diaspora. Man begäbe sich dort auf die Suche nach einer
multilateralen emanzipatorischen Position, stecke jedoch in den jurisdiktionellen Zwängen der
nationalen Mutterkirchen fest und deren Bestrebungen die jeweilige Identität als geopolitischen
Faktor sich nicht entgleiten zu lassen. Die daraus entstehenden, sich teils überlappenden,
jurisdiktionellen Ansprüche, sah Pnevmatikakis aus geopolitischer Perspektive allerdings nicht als
Problem, sondern als Chance. Wenn ein Konflikt drohe, könne eine Partei ihn geschickt umgehen,
indem sie die Jurisdiktion wechselt.
In der Session IV wurden die Ausführungen Eva Syneks (Wien) zum kanonischen Recht von Isabella
Schwaderer verlesen, da sie nicht persönlich vor Ort sein konnte. Synek betonte den immerwährenden
Gegensatz zwischen dem universellen und dem lokalen Prinzip im Kirchenrecht, welches sich im
Grunde seit dem ersten Jahrtausend nicht verändert habe. Die vielen ungelösten Fragen des
kanonischen Rechts werden allerdings selten thematisiert und werden auch im kommenden
Panorthodoxen Konzil nicht behandelt werden. Im zweiten Vortrag dieser Session kritisierte die Pariser
Soziologin Kathy Rousselet den Ansatz von Victor Roudometof, über dessen Vorstellungen einer
Globalisierung der Orthodoxen Kirche. Für sie sei Globalisierung mehr als nur eine weltweite
Verbreitung/Mission und die Orthodoxe Kirche sei in ihren Strukturen nicht im Sinne Roudometofs
globalisiert.
Am Abend fand eine Diskussionsrunde zum Thema der orthodoxen Erwartungen an das Konzil unter
Leitung von Thomas Bremer (Münster) statt. Eingangs machten die Diskutanten in kurzen Statements
ihre Erwartungen deutlich. Christophe d’Aloisio (Brüssel) hofft auf ein transparentes und offenes
Konzil und auf ausgeglichene Machtverhältnisse um Beschlüsse letztendlich gemeinsam umzusetzen.
Vladimir Khoulap (St. Petersburg) sieht in dem Konzil einen langen Annäherungsprozess der nun zum
Abschluss kommt und in erster Linie den Eintritt in eine neue Phase interorthodoxer
Gemeinschaft/Zusammenarbeit. Er hofft auf Impulse, die einer gemeinsamen orthodoxen Identität
zum Durchbruch verhelfen können und auch auf neue föderative Organisationsformen. Als
problematisch empfindet Georgios Vlantis (München) die Vorbereitung des Konzils, da sie
weitestgehend ohne die Einbeziehung von Theologen und Laien stattfand. Laut Vlantis werden aber
auch herausfordernde Themen der Moderne von den Konzilsvätern bewusst ausgeklammert und eine
notwendige Auseinandersetzung gescheut. Alle drei waren sich jedoch einig, nun zunächst die
Rezeptionsphase des Konzils abzuwarten.
Am Samstagmorgen startete die Tagung mit einem Vortrag von Aristotle Papanikolaou (New York). Er
fragte nach der Kompatibilität zwischen der Orthodoxie und den westlichen Werten
(Menschenrechten). Häufig wird Begriff der Säkularität als ein Kampfbegriff missverstanden und die
Trennung von öffentlicher und privater Sphäre nicht nachvollzogen. Stattdessen versucht man den
Menschenrechten nun in den mehrheitlich orthodox geprägten Ländern einen öffentlichen kirchlichen
Wertekanon entgegenzustellen. Da Alexander Agadjanian (Moskau) leider nicht anwesend sein
konnte, wurde sein Skript durch Vasilios N. Makrides verlesen. Konkret ging es um das zuletzt
verabschiedete Dokument „Die Mission der Orthodoxen Kirche in der modernen Welt“, das beim
Konzil als Diskussionsgrundlage dienen wird. Dieses Dokument, das eine Vorgeschichte in den
interorthodoxen vorkonziliaren Beratungen hat, weist nach Agadjanian in seiner letzten Form eine
konservativere Richtung auf, die in aller Wahrscheinlichkeit auf den Druck der russisch-orthodoxen
Seite zurückzuführen ist. All dies zeige deutlich das noch spannungsvolle Verhältnis des Orthodoxen
Christentums zur modernen Welt.
In der letzten Session gingen die Referenten der Frage nach, welche Impulse und Folgerungen das
Panorthodoxe Konzil für die innerchristlichen Beziehungen haben könnte. Pantelis Kalaitzidis
(Leuven/Volos) sieht diese Prozesse kritisch und derzeit kein Miteinander mit anderen christlichen
Konfessionen auf Augenhöhe, da der eigene Führungsanspruch innerhalb der orthodoxen Welt
ungebrochen ist. Peter De Mey (Leuven) blickte zunächst auf parallele Abläufe zwischen dem
Vaticanum II und dem Panorthodoxen Konzil und fragte anschließend die Texte des vorkonziliaren
Prozesses auf Hinweise auf eine gesamtchristliche Vereinigungsanstrengung ab. Er verneinte, da er das
Konzil in erster Linie auch als interorthodoxes Ereignis betrachte.
Abgeschlossen wurde die Tagung mit einer weiteren Diskussionsrunde unter Anna Briskina-Müller
(Halle/S.). Nun sprachen Vertreter anderer christlicher Konfessionen über das Konzil: Ivana Noble
(Prag) und Karl Pinggera (Marburg) haben aus protestantischer Sicht keine konkreten Erwartungen an
das Konzil. Es gehe dort um interorthodoxe Prozesse um nach langer Zeit wieder Diskursebenen
(Konziliarität) aus der eigenen Tradition zu entwickeln. Konkrete Gefahren eines orthodoxen Schismas
machte Johannes Oeldemann (Paderborn) aus. Die vorkonziliaren Verlautbarungen sind deutlich als
Kompromisspapiere zu lesen, in denen die Spannungen zwischen Liberalen und Traditionalisten
spürbar werden. Er sehe das Konzil deshalb auch in erster Linie als interorthodoxen
Verständigungsprozess.
In seinem Schlusswort dankte Vasilios N. Makrides den Referenten und Teilnehmern für die
anregenden Vorträge und die engagierten Diskussionen. Zugleich sprach er den Sponsoren der
Konferenz seinen Dank aus. Ohne die Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG),
des Osteuropa-Hilfswerks der Katholischen Kirche Renovabis und der Deutschen Gesellschaft für
Osteuropakunde (DGO) wäre diese internationale Tagungskomposition nicht möglich gewesen.
Martin Tulaszewski