Milchbauern stecken in der Krise

Hiesige Bauern
wirtschaften
naturnah
Magdeburg (rwi) ●
Sachsen-Anhalts Landwirte setzen im Vergleich zu den Vorjahren stärker
auf eine naturnahe Bewirtschaftung. Das ist das Ergebnis
des Antragsverfahrens für Agrarumweltmaßnahmen 2016.
„Unsere Erwartungen wurden
insbesondere beim Ökolandbau
und bei den Grünlandmaßnahmen noch übertroffen“, freut
sich Agrarminister Hermann
Onko Aeikens.
Die Beweidung mit Schafen wird nun auf einer Fläche
von fast 11 000 Hektar gefördert, davon knapp 5000 Hektar
in Naturschutzgebieten. Auf
3600 Hektar werden Rinder in
Naturschutzgebieten weiden,
etwa 600 Hektar außerhalb von
Naturschutzgebieten sind als
Dauerstandweide ausgewiesen.
Sehr gut beantragt wurde
laut Aeikens auch die extensive
Bewirtschaftung von Dauergrünland mit Schonflächen.
Wer sich daran beteiligt, verzichtet auf die erste Mahd. Damit werden auf Wiesen Rückzugsflächen für Insekten, Vögel
und Niederwild geschaffen.
Im ökologischen Landbau
werden ab 2016 etwa 51 000
Hektar in 386 Betrieben Sachsen-Anhalts bezuschusst,
deutlich mehr als erwartet.
Angesichts der schwierigen
Rahmenbedingungen für den
ökologischen Landbau wertet
Aeikens das als eine positive
Entwicklung.
Neu beantragt werden konnte eine Maßnahme, welche die
Ausbringung von festem Wirtschaftsdünger aus der Strohhaltung fördert. Landwirte
werden bei der besonders tiergerechten Haltung unterstützt
und sorgen zudem für eine Verbesserung des Bodens. 15 000
Hektar wurden hier beantragt.
Anträge können auch für 2017
gestellt werden.
Bei der Förderung der Direktsaat- und Direktpflanzverfahren auf erosionsgefährdeten Ackerflächen gab es eine
Steigerung von mehr als 300
Prozent, wenn auch auf noch
niedrigem Niveau von 640 Hektar. Zurückhaltender waren die
Bauern bei der Beantragung
von Blühstreifen. Das Ministerium führt dies vor allem auf
die nunmehr verpflichtende
Bereitstellung von ökologischen Vorrangflächen auf fünf
Prozent der Flächen des Betriebes im Rahmen des Greenings
zurück. Zudem wurde der Anteil der Blühstreifen je Schlag
begrenzt, damit sie sich stärker
in der Landschaft verteilen.
Hopfenanbauer
ernten weniger
als im Vorjahr
Berlin (aid/rwi) ● Mit 32 500 Ton-
nen wird die Erntemenge für
Hopfen in Deutschland um
rund 16 Prozent niedriger liegen als im Vorjahr. Nach Angaben des Verbands Deutscher
Hopfenpflanzer haben dazu vor
allem die extreme Hitze und
Trockenheit im Juli beigetragen.
Die niedrigen Erwartungen
in Deutschland wirken sich
auch auf die Ernteschätzung
der Welthopfenernte aus. Sie
wird mit einer Erntemenge
von 90 600 Tonnen um sechs
Prozent geringer ausfallen als
im Vorjahr. Dies, obwohl die
Anbaufläche um 3000 Hektar
ausgeweitet wurde.
Hopfen wird in Deutschland
auf 16 850 Hektar angebaut,
davon befinden sich 14 090
Hektar in der Hallertau, dem
größten zusammenhängenden
Hopfenanbaugebiet der Welt.
Es liegt fast zentral in Bayern.
Der Rest verteilt sich auf die
Anbaugebiete Elbe-Saale, Tettnang und Spalt.
Milchbauern stecken in der Krise
Gut 100 Tage nach dem Quotenende sind die Preise im freien Fall / Milch Board fordert Verträge
Rund 100 Tage nach dem
Ende der Quote befindet
sich der Milchpreis im
freien Fall. Die Erzeugergemeinschaft Milch Board
fordert eine vertragsgebundene Vermarktung.
Von Rudi-Michael Wienecke
Schinne ● 45,64 Cent kostet die
Erzeugung von einem Kilogramm Milch aktuell in
Deutschland. „Zu diesem Ergebnis kommt ein wissenschaftliche Gutachten, von
Milch Board in Auftrag gegeben“, so der Schinner Landwirt
Frank Lenz, Regionalleiter
dieser Milcherzeugergemeinschaft in Sachsen-Anhalt. Er
fügt hinzu: „Es kann sich also
jeder ausrechnen, dass wir bei
Milchauszahlungspreisen von
derzeit unter 30 Cent drauflegen.“ Ein Ende der Talfahrt sei
noch nicht in Sicht.
Bereits vor längerer Zeit
bezweifelten Marktexperten,
dass sich die Situation für die
Milchbauern vor dem dritten
Quartal grundlegend verbessert. Die sinkenden Preise
aber zwingen jeden einzelnen
Milcherzeuger dazu, seinen
Einkommensverluste durch
Mehrproduktion zu kompensieren. Bei gleich bleibender
Nachfrage wird der Markt mit
noch mehr Rohstoffen überschwemmt. Die Folge: Die Preise fallen in das Bodenlose.
Auch die Quote regelte
den Markt nicht
Aus der Milchviehhaltung
aussteigen – das ist für ihn
und vielen seiner Kollegen oft
nicht möglich. Man habe in
der Vergangenheit investiert,
ist durch die Finanzierung 20
bis 30 Jahre an die Banken gebunden. Lenz weiß, wovon er
spricht. Pünktlich zum Ausstieg aus der Quote, am 31.
März, bezogen seine Rinder
einen neuen Stall. Der Bauer
investierte, stockte seinen Bestand von 150 Kühen auf 350
auf, machte den Strukturwandel mit. Gerade diese Betriebe,
die sich nach Denkart der Agrarexperten aus der Politik mit
Investitionen in eine moderne
und arbeitsteilig durchorganisierte Produktion gut auf die
Zeit nach der Quote vorbereitet
hatten, trifft es nun hart.
Dabei sind diese sogenannten Wachstumsbetriebe eigentlich gut aufgestellt. Sie
befinden sich in den sogenann-
Frank Lenz ist Regionalleiter vom Milch Board in Sachsen-Anhalt.
ten Gunstregionen und sind in
der Regel durch ein entsprechendes Betriebsmanagement
in der Lage, normale Marktschwankungen abzufedern.
„Preisschwankungen von über
einem Drittel sind aber keine
normalen Marktschwankungen mehr, das sind absolute
Marktverwerfungen“, stellt
Lenz fest. Wünscht er sich die
Quote, die seit gut 100 Tagen
Geschichte ist, zurück?
Nein. Denn die Milchquote
hat weder dafür gesorgt, das
Angebot der Nachfrage anzupassen, noch konnte sie Marktverwerfungen etwas entgegensetzen. „Die Milchquote war
1984 eingeführt worden, um
Milchseen und Butterberge
abzubauen“, erinnert er. Doch
trotz nach oben gedeckelter
Menge sei die Quote nicht zum
Wohle der Erzeuger eingesetzt
worden. Sie sei jährlich erhöht
worden, weshalb bereits vor
dem Quotenende zu viel Milch
auf dem Markt war. Nur die
Angst vor der Superabgabe,
dem Strafgeld für Überlieferer,
habe kurzfristig die Produktion gedrosselt, der Markt wurde entlastet, infolgedessen die
Preise für Milchprodukte nicht
an Wert verloren. Derzeit gibt
es keine regulierende Instanz,
welche das Angebot auf die
Nachfrage abstimmt.
Es fehlt der Wettbewerb
um die Milch
Es treffen auf dem Milchmarkt
zwei Probleme zusammen:
„Als Erstes ist die Marktposition der Milchviehhalter innerhalb der Wertschöpfungskette
Foto: Rudi-Michael Wienecke
so schwach, dass das Marktrisiko einseitig auf die Milchviehhalter abgewälzt werden
kann. Und zweitens können
zwei Drittel der deutschen
Milchmenge durch die Andienungspflicht noch immer
nicht verkauft, sondern nur
abliefert werden“, so der Milch
Board-Regionalleiter. Die Masse der deutschen Milchbauern,
rund 70 Prozent, sei nämlich
an genossenschaftliche Molkereien gebunden. Sie sind verpflichtet, an diese Molkereien
zu liefern. „Es gibt also keinen
Wettbewerb um die Milch“,
nennt Lenz die Folge.
Auch das Bundeskartellamt
nimmt klar Stellung und formulierte: Die Art und Weise
der Preisbildung bei genossenschaftlichen Molkereien führt
dazu, dass die Molkereien kein
Von Rudi-Michael Wienecke
Magdeburg ● Vier Wochen nach
Beginn der Ernte geben erste
verlässliche Zahlen ein differenziertes Bild zu den zu erwartenden Ergebnissen. Die
Erträge und Qualitäten bei
Gerste, Raps, Roggen und Weizen unterliegen starken regionalen und sortenabhängigen
Schwankungen. Besonders
starke Einbußen verzeichnen
die östlich der Elbe und in
der Altmark wirtschaftenden
Bauern, so Christian Apprecht,
Sprecher des Bauernverbandes
Sachsen-Anhalt.
Die Gerste in Sachsen-Anhalt ist überall vom Feld. Die
überwiegend guten Erträge haben die Landwirte überrascht.,
sie liegen über den Prognosen.
Offensichtlich hatte die Gerste
die geringen Bodenfeuchten
noch am besten ausnutzen
können.
Von den Roggenflächen sind
bisher etwa 20 Prozent geerntet. Die ersten Zahlen weisen Auf Sachsen-Anhalts Feldern wird geerntet. Der Erträge schwanken
auf Erträge weit unter denen sehr stark.
Foto: Rudi-Michael Wienecke
der Vorjahre hin. Auf einer Reihe von Schlägen wurden nur
2,5 bis drei Tonnen je Hektar
geerntet. Sorge bereitet weiterhin, dass durch einen hohen
Schmachtkornanteil teilweise
keine Brotqualitäten erreicht
werden. Für die Landwirte in
den Roggenanbaugebieten in
Altmark, Jerichower Land und
Anhalt wird es erhebliche Einkommensverluste geben.
Die nahezu abgeschlossene
Ernte von Raps zeigt ein sehr
differenziertes Bild. Die Erträge
schwanken zwischen drei und
4,5 Tonnen je Hektar bei einem
Durchschnitt von 3,57 Tonnen
je Hektar, was unter dem langjährigen Mittel liegt. Ebenso
stark schwankt der Ölgehalt
in den Rapskörnern, der mit
preisentscheidend ist.
Erste Zahlen aus der begonnenen Ernte des Weizens bestätigen die Vorernteschätzung,
in denen der Bauernverband
von einem Niveau deutlich unterhalb des langjährigen Mittels von 7,7 Tonnen je Hektar
Berlin (rwi) ● Trotz des wachsen-
den Konsums von Biolebensmitteln in Deutschland stagniert der Öko-Anbau im Land.
Wie aus einer Statistik der Bundesländer hervorgeht, wuchs
die biologisch bewirtschaftete
Fläche in Deutschland im Vorjahr nur um 0,6 Prozent.
Daraus ist laut der Zeitung
taz auch ersichtlich, dass der
Bioanbau bereits 2013 nur um
0,7 Prozent und nicht wie bislang angenommen um 2,6 Prozent wuchs. Grund sei ein Statistikfehler, mehrere Behörden
hätten ihre Angaben bereits
korrigiert. Insgesamt wurden im Vorjahr sechs Prozent
(rund eine Million Hektar) des
deutschen Ackers ökologisch
bewirtschaftet.
„Auf der betriebswirtschaftlichen Seite haben sich
für manche Bio-Betriebe die
Erwartungen einfach nicht
erfüllt“, sagte der Ökolandbauexperte des bundeseigenen
Thünen-Agrarforschungsinstituts, Gerold Rahmann, gegenüber der taz. Tatsächlich stiegen in den vergangenen zwei
Wirtschaftsjahren die Preise
für Rohstoffe aus der konventionellen Produktion und die Erlöse der Bio-Bauern zogen nicht
so schnell nach. Konventionell
wirtschaftende Landwirte verdienten also mehr als ihre ÖkoKollegen.
Die prozentual größten
Verluste gab es laut der neuen
Statistik im Bundesland Thüringen, wo die Biofläche um
9,4 Prozent zurückgegangen
ist. Das Agrarministerium in
Erfurt macht dafür vor allem
einen Betrieb verantwortlich,
der von Bio auf konventionell
umgestellt hatte. Zweitgrößtes
Verliererland ist MecklenburgVorpommern, wo die Fläche
um 4,7 Prozent schrumpfte.
Einbußen musste auch Niedersachsen hinnehmen. Die
rot-grüne Landesregierung
dort will allerdings nicht über
das Minus von 1,8 Prozent
sprechen und verweist auf Anfrage der Zeitung auf die Erhöhung der Umstellungsprämie.
Schuld am Dilemma seien die
hohen Pachtpreise der konventionellen Landwirte.
originäres Eigeninteresse an
der Erzielung hoher Preise für
ihre Produkte haben, weil sie
nur ein begrenztes wirtschaftliches Risiko tragen.
„Um das zu verhindern,
müssen Milchlieferverträge
in Zukunft gewisse Mindeststandards erfüllen“, fordert
Lenz. Diese sollten gesetzlich
festgeschrieben werden und
für alle gleichermaßen gelten.
Vertragliche Einigung über die
Vertragslaufzeit, Liefermenge,
Qualitätsklauseln und den vorher festgelegten Preis für das
gelieferte Gut seien schließlich
überall in der freien Wirtschaft
Standard. „Damit wäre sowohl
den Molkereien als auch den
Milcherzeugern gedient, weil
sie dann mit einer Menge und
einem Preis besser planen kön- Brüssel (rwi) ● Der europäische
nen.“, so Lenz.
Bauernverband Copa und der
europäische Genossenschaftsverband Cogeca schilderten der
EU-Milchmarktbeobachtungsstelle in Brüssel, dass sich die
Milchmarktlage innerhalb der
Europäischen Union in den
vergangenen vier Wochen rapide verschlechtert hat. „Der
ausging. Bisher wurden auf Markt ist in einem sehr viel
überwiegend leichteren Stand- gefährlicheren Zustand als
orten im Landesschnitt rund noch vor vier Wochen, da die
6,5 Tonnen je Hektar geerntet, Erzeugerpreise jetzt weit undabei lag die Spanne zwischen terhalb der Produktionskosten
fünf und 8,5 Tonnen je Hektar. liegen. Für viele Milchbauern
Ebenfalls sehr stark schwan- in ganz Europa ist die Lage kriken die Rohproteingehalte des tisch, und es kommt landauf,
Weizens, die für die Backfähig- landab zu Demonstrationen“,
betonte der Vorsitzende der Arkeit maßgeblich sind.
Auf den abgeernteten Flä- beitsgruppe „Milch“ von Copachen werden nun die Schä- Cogeca, der Mansel Raymond
den durch die Feldmaus-Plage aus Großbritannien.
sichtbar. „Hier kommt viel ArDie EU-Kommission müsse
beit auf die Landwirte zu, um schnell tätig werden, um die
die in wenigen Wochen auflau- Lage der Landwirte kurzfristig
fenden jungen Saaten zu schüt- zu verbessern, damit die Erzeuger die Nachfrage befriedigen
zen“, so Apprecht.
Die Niederschläge der zu- können, die mittelfristig steirückliegenden Wochen ha- gen dürfte.
Da 88 Prozent der in der EU
ben zwar die Ernte gebremst,
waren jedoch gut für die im erzeugten Milch für den euroWachstum befindlichen Kul- päischen Verbrauch bestimmt
turen, wie etwa Kartoffeln, sind, müsse die Lage von alMais und Zuckerrüben. Auch len Akteuren in der europäidas Grünland profitiert von den schen Versorgungskette ernst
Regengüssen, so dass sich die genommen werden. Neben der
Futterversorgung der Rinder- Politik stehe vor allem der Leund Schafbestände leicht ent- bensmitteleinzelhandel in der
Verantwortung.
spannen dürfte.
Mit dem Roggen haben die Bauern dieses Jahr Pech
Bauernverband zieht in der Ernte eine Zwischenbilanz / Die Erträge schwanken stark
Bio-Anbau
verliert an
Attraktivität
Milchmarkt ist
in gefährlichem
Zustand