Moby Dick in der HALLO MÜNCHEN

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MÜNCHEN
Nr. 50 Mittwoch, 9. Dezember 2015
Tel. (089) 14 98 15 - 820
Erste Jugendgruppe für Übergewichtige in München – so wird Kindern wie Ferdinand geholfen
Wenn die Pfunde
zur Last werden
LUDWIGSVORSTADT „Ich will eine Milch- Moby Dick soll das jetzt ändern. Das
schnitte“, sagt Ferdinand. „Dann gibt es Netzwerk leitet Gruppen für übergewichdazu aber ein Wasser und keinen Kakao“, tige Kinder und Jugendliche. Zweimal
sagt seine Mama – man merkt Andrea E. die Woche treffen sich die Kinder im
(46) an, dass sie schon viele solche Wort- Sportverein MTV 1879 München.
wechsel mit ihrem Sohn hatte. Der Sie- Einmal um Sport zu treiben, einbenjährige ist kräftig gebaut, soll mehr mal zur Essens- und Verhaltensauf seine Ernährung achten. Deswegen therapie. „Es ist wichtig, dass
besucht Ferdinand jetzt auch
die Kinder mehr
die Moby Dick-Gruppe in Münübers Essen lerchen. Hier sollen übergewichnen“, meint Moby
tige Kinder und Jugendliche
Dick-Leiterin Nina
an Sport und gesunde Kost
Holtz. Aber auch,
herangeführt werden.
dass sie SelbstverÜbergewicht ist keine Seltentrauen aufbauen.
heit. Laut Techniker Kranken„Wir zeigen ihnen
kasse hat jedes zwölfte Kind
in der Verhaltenslehin Bayern bei der Einschulung
re, wie sie sich gegen
ein paar Pfunde zuviel auf den
Sprüche von Mitschülern
Rippen. An Adipositas, also
wehren“, erklärt Holtz.
krankhafter Fettleibigkeit, lei- Leiterin des Moby Auch Ferdinand muss
det jedes 30. Kind. Kein Sport Dick-Netzwerks: Nina sich mit bösen Spitzund eine kalorienreiche Er- Holtz.
Fotos: mwe, fkn namen auseinandersetnährung – das sind die Hauptzen. „Sie nennen mich
gründe, warum Kinder an Körpergewicht manchmal Müllschlucker oder Fetti“,
zulegen.
gibt er zu. „Das nächste Mal“, wirft
Wenn man den siebenjährigen Ferdinand Nina Holtz ein, „sagst du einfach: Ich
ansieht, dann denkt man nicht sofort an bin dick, das kann ich ändern. Du bist
ein übergewichtiges Kind. Er ist nicht doof, das bleibt für immer.“
dünn, aber lebhaft, er zappelt beim Ge- Mehr Selbstsicherheit ist das Ziel –
spräch eine Stunde lang auf der Sitzbank vielleicht auch deswegen ändert sich ab
herum, windet sich immer wieder unter Januar der Name des Programms. „Mit
dem Tisch hindurch, der Bewegungs- der Doppeldeutigkeit von ‚Moby Dick’
drang ist da. Doch Ferdinands Kinderarzt fühlte ich mich nicht wohl. Bald heißen
hat Alarm geschlagen: Der Bub leide be- wir Moby Kids“, erklärt Nina Holtz. Bei
reits jetzt an einem erhöhten Blutdruck, Ferdinand scheint das Selbstbewussteben wegen seines Gewichts. Der Arzt hat sein schon gestärkt zu sein, obwohl er
Andrea E. geraten, etwas dagegen zu tun. noch ganz am Anfang steht – das ProDas Problem bei Ferdinand ist nicht die gramm dauert ein Jahr, seit drei Wochen
Bewegung. „Er isst für sein Leben gern“, ist er dabei. „Mama, wann gibt’s Schnitmeint seine Mutter, „und kennt da leider zel?“, meint er kurz bevor sie nach Haukeine Grenzen.“
se gehen.
Marita Wehlus
Hallo-Interview
Ernährungspsychologe: „Das
soziale Umfeld muss mitspielen“
MÜNCHEN Dr. Johannes Sieben (kl. Foto) behandelt als Therapeut unter anderem Essstörungen bei Kindern.
Herr Sieben, ab wann kann man von
Übergewicht bei Kindern sprechen?
„Medizinisch gesehen natürlich wenn
das Kind einen Body-Mass-Index über
dem Normalwert hat. Das muss aber
relativ betrachtet werden. Es gibt bei
Kindern und Jugendlichen ja auch
Wachstumsphasen, in denen sie
eben ein wenig Babyspeck haben.
Das muss man vom pathologischen
Übergewicht unterschieden. Man
merkt es aber auch an dem Essverhalten. Zum Beispiel, wenn das Kind heimlich oder
sehr viel auf einmal isst.“
Woran liegt es denn,
wenn ein Kind sehr viel
isst?
„Es ist oft Ausdruck von
fehlender Zuwendung,
körperlicher Nähe oder
Anerkennung. Die Kinder
versuchen, das mit Essen
zu kompensieren. Man
darf dann als Eltern nicht mit Bestrafung oder
Liebesentzug reagieren, sondern sollte ein Gespräch suchen und sich fragen, welche Bedürfnisse das Kind mit Essen befriedigt.“
Was sind denn die psychologischen Folgen von
Übergewicht?
„Entscheidend ist, ob ein Kind in der Familie akzeptiert wird. Es muss nicht unbedingt zu einem
psychischen Trauma führen. Ein vermindertes
Selbstwertgefühl ist aber eine häufige Folge. In
der Therapie ist ein wichtiger Punkt die Selbstbestimmung.“
Kann denn ein Abnehm-Programm helfen?
„Zunächst sollte es über einen längeren Zeitraum sein. Wenige Wochen sind nur ein Anfang. Es sollte auch ein Arzt involviert sein,
bei einem so körperlichen Problem. Aber
vor allem muss das soziale Umfeld mitspielen und das Kind bei der Umstellung unterstützen.“
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mwe
Ferdinand (7) treibt gerne Sport. Im Abnehm-Programm
soll er jetzt lernen, wie man sich gesund ernährt.
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