Mein Freund das Fett Freundschaft ist Liebe mit Verstand und gute

Mein Freund das Fett
Freundschaft ist Liebe mit Verstand und gute Freunde sind wie die selbstgekochten
Suppenfonds im Tiefkühler. Man braucht sie nicht immer zu sehen, aber sie sind da, wenn
man sie braucht. Wenige sind nötig, treu müssen sie sein und gut tun sollen sie mir. Ein
solcher Freund ist das Fett. Der wöchentliche Liter Olivenöl, für meinen Salat. Butter dick
aufs Brot, pfundweise in den Kartoffelstock und in den Pistazienkuchen. Und auf diesen
einen anständigen Schlag Doppelrahm. Mein Lieblingsfett jedoch ist dasjenige im und am
Fleisch. Das Mark im Knochen, mit seiner gallertigen Schwabbeligkeit, auf eine vulgäre Art
deliziös. Eine dicke Fettchicht um das Steak, oder gar das schlüpfrig-schmelzende Fettauge
im Innern des Cote de Boeuf, wer will, kann da widerstehen! Ungesund? Ach was. Mein Herz
schlägt langsamer als der Puls eines Bären im Winterschlaf und mein Hausarzt eicht sogar
seine neuen Messgeräte mit Hilfe meiner perfekten Blutdruckwerte. Ich weiss, ich werde alt
wie ein Stein. Auch ohne Umwege zu suchen, um meinen Schwächen treu zu bleiben. Ein
guter Freund ist auch mein Metzger. Ich finde, jeder sollte einen Metzger zum Freund haben.
Nein, nicht bloss auf Facebook. Einen aus Fleisch und Blut, einen, der uns nichts als die
Wahrheit sagt darüber, was er uns anbietet. Und uns gerne die besten Stücke besorgt. Aber
bitte kein Filet. Gibt es ein langweiligeres Teil vom Tier als dieser saft- und kraftlose
Klumpen, ohne richtiges Fett daran? Die Sauce dazu bleibt einem vielleicht in Erinnerung,
öfters in schlechter. Nein, ich meine Tomahawk-Steaks, aus dem Hohrücken geschnitten, mit
langem Knochen daran. Mein Lieblingsteil. Medium-Rare gegrillt. Dann meiner besten
Freundin beim gierigen Vertilgen zuschauen, das ist mein ganz persönlicher, voyeuristischer
Höhepunkt. Oder der Nierenzapfen, auch Steak Onglet oder Hangersteak, genannt. Kalbsund Rinderbrust, eine Sieben-Stunden-Lammschulter am Knochen, wunderbare Stücke zum
Schmoren. Darfs gar ein Pluma, Presa oder Segreto sein, Preziosen aus dem Nacken der Pata
Negra Schweine? Ihr Freund in der blutigen Schürze wird es Ihnen richten. Das Fett, das
diese Stücke bereichert, macht sie nicht zur Augenweide in der Vitrine, darum sieht man sie
fast nirgends mehr. Die Metzger essen sie auch gerne selber, oder sie enden durch den Wolf
gedreht in einer Wurstpelle. Beides trifft mich mitten ins Herz.
Unser Freund, der Metzger, soll uns mehr sagen, als nur Preis und Gewicht. Denn der
Schlüssel zum allerbesten Steak ist nicht bloss der gelungene Dreiklang aus animalischem
Geschmack, gewünschter Konsistenz und triefender Saftigkeit. Diese drei
Hauptcharakteristika werden ihrerseits beeinflusst von Rasse, Tierhaltung, Schlachtung,
Reifeprozess und den handwerklichen Fähigkeiten des Metzgers. Mit nur vier Fragen an ihn und seinen hoffentlich richtigen Antworten - schaffen sie Klarheit. Endgültig.
Welcher Rasse entstammt das Stück?
Das kann ein traditioneller, britischer Breed sein, wie Aberdeen Angus, Scottish
Longhorn, Hereford oder Galloway, aber auch Chianina aus der Toskana, hiesige
Simmenthaler, Charolais oder Limousin. Oder ein Wagyu aus Australien. Entgegen
landläufiger Meinungen sind sämtliche Rinder in Nord- und Südamerika Kreuzungen
aus verschiedenen europäischen Rassen. Schliesslich brachte Kolumbus die ersten
Tiere dorthin mit.
Wovon ernährte sich das Tier?
Von Gras! Nichts anderem. Für das Tier– und das Fleisch – die natürlichste und beste
Nahrung. Sobald es heisst «korngefüttert», fragen Sie unbedingt nach. Waren
Hormone, Antibiotika und Vitamine im Spiel? Wie lange fütterte man das Tier mit
Getreide in den sogenannten Feed-Lots? Das sind enge Verliese, welche die
Bewegungsfreiheit einschränken und das Rind schneller Fett ansetzen lassen,
üblicherweise in den letzten vier bis fünf Monaten seines Lebens. Krankheiten, die
beim Tier durch die abrupte Umstellung von frischem Gras auf Getreide ausbrechen,
werden mit Antibiotika bekämpft. Hormone wiederum verleihen der Mästung Schub.
In welchem Alter wurde das Tier geschlachtet?
24 Monate plus! Fleisch gleich Muskeln, ihre geleistete Arbeit hat einen direkten
Einfluss aufs Aroma. Denken Sie an den Geschmack einer Wildente, verglichen mit
dem eines Masthuhns. Je älter ein Rind ist, desto öfters hat es den Kopf beim Grasen
gesenkt und wieder gehoben und ist auf der Suche nach Futter länger und weiter
gelaufen. Diese Philosophie steht der möglichst raschen und bewegungsarmen
Mästung in Feed-Lots diametral entgegen. Es gibt keine Altersobergrenze für gutes
Fleisch. Klar, der Markt verlangt leuchtend-rote Steaks, und je länger ein Tier lebt,
desto dunkler und unansehnlicher wird sein Fleisch. Im spanischen Baskenland ass ich
einmal ein grandioses Steak von einem fünfzehn Jahre alten Ochsen. Der Gute
arbeitete dreizehn Jahre hart auf dem Feld, vor seiner Schlachtung gönnte man ihm
noch zwei Jahre geruhsame Pension. Den Geschmack und diese wunderbare Textur
werde ich nie vergessen.
Auf welche Art und Weise und wie lange wurde das Fleisch gelagert?
Nach der Schlachtung muss Fleisch ruhen, sozusagen reifen, das Fleisch wird dadurch
mürber und geschmeidiger. Je nach Grösse und Art des Tieres dauert das von einigen
Tagen bis zu mehreren Wochen, idealerweise bei null bis drei Grad. Während bis zur
Erfindung der Vakuumisierung nur die Trockenreifung (dry aging) praktiziert wurde,
schweissten findige Metzger danach die Stücke in kräftige Plastikfolien ein und
liessen sie im eigenen Saft reifen. Das setzte dem Gewichtsverlust von bis zu 30
Prozent ein Ende. Leder auch den Erwartungen der Feinschmecker auf allerbesten
Fleischgenuss. Denn die Nassreifung unter Ausschluss von Sauerstoff verhindert eine
optimale Reifung. Dieses letzte Glied in der Reihe der geschmacksfeindlichen
Optimierungsmassnahmen in der Fleischproduktion macht Produzenten glücklich
und gibt denen recht, die möglichst günstigen und somit häufigen Fleischverzehr als
Menschenrecht betrachten. Fleisch, das trocken gelagert wurde, ist mindestens um
den Gewichtsverlust teurer. Dafür intensiver in Geschmack und Geruch und saftiger,
es verliert weniger Flüssigkeit beim Braten.
Wie beim Zubereiten gilt auch beim dry aging: Fleisch möglichst am Knochen lassen.
Es reift gleichmässiger, das Fleisch bleibt länger frisch. Die Zeiten, als Fleisch solange
gelagert wurde, bis es sich dermassen zersetzte, dass es von selbst vom Haken fiel,
wollen wir auch nicht mehr. 30 Tage genügen. Der früher so geschätzte Hautgout war
nämlich nichts anderes als Fäulnisgeruch.
Und so braten Sie das perfekte Steak (Medium Rare, für ein Stück von 1000g, bei
kleineren Stücken Zeiten nach unten anpassen)
1. Rechnen Sie pro Person zirka 500 Gramm Fleisch am Knochen, idealerweise ein Rib
Eye, ein Côte de Boeuf oder ein Entrecôte. Mindestens ein Kilo pro Stück. Denn wenn
in der Menschheitsgeschichte jemals die Grösse eine Rolle spielte, dann beim
perfekten Steak. Und so geht’s: Ofen auf 140 Grad, Eisenpfanne erhitzen, bis sie fast
glüht, Steak (es verliess den Frigo zwei Stunden vorher) grosszügig mit grobem
Meersalz bestreuen, als wäre es ein vereistes Trottoir. Kein Öl, kein anderes Fett.
Zwei Minuten braten. Nicht anrühren! Umdrehen, nochmals zwei Minuten. Auf die
Kanten stellen, ringsum kurz anbräunen, dann samt Pfanne für 6 Minuten in den
Ofen. Herausnehmen, je zwei geschälte Schalotten und Knoblauchzehen, 100 Gramm
Butter und einige Thymianzweiglein dazu. Butter auf kleiner Flamme schmelzen
lassen, Pfanne schräg halten und zwei Minuten unaufhörlich die flüssige Butter über
das Fleisch löffeln. Danach an einem warmen (nicht heissen!) Ort 15 Minuten
abstehen lassen. Nicht anrühren! Weder anschneiden noch abbeissen! Lassen Sie das
Steak in Ruhe! Es braucht diese Zeit, damit sich seine Säfte und somit die Wärme
gleichmässig in seinem Innern verteilen können. Danach schräg in dicke Scheiben
schneiden, nach Belieben mit Fleur de Sel und schwarzem Pfeffer bestreuen, mit
einer Chimichurri-Sauce servieren.