Wie sich das Rheinstädtchen verändert hat

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Region
Zürcher Unterländer
Donnerstag, 29. Oktober 2015
Bis zum Beginn der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts existierte in Eglisau die markante Holzbrücke über den Rhein. Diese wurde abgerissen, weil der Wasserstand nach dem Bau des Kraftwerks zu hoch war.
Bilder pd
Wie sich das Rheinstädtchen verändert hat
eglisau Eine Fotoausstellung im Ortsmuseum dokumentiert
eindrücklich die Veränderung von Eglisau über Jahrzehnte.
Besonders einschneidend für das Ortsbild war der Abbruch von
zahlreichen Häusern am Rheinufer wegen des Kraftwerks. Aber
auch an anderer Stelle veränderte sich das Städtli markant.
Eglisau hat sich nicht nur mit dem
Bauboom in den letzten zehn Jah­
ren verändert, wie eine am Sonn­
tag beginnende Fotoausstellung
im Ortsmuseum Weierbachhus
zeigt. Auch das Städtli ist an man­
cher Stelle kaum wiederzuerken­
nen. Die Unterschiede stechen
dem Betrachter der Bilder sofort
ins Auge, denn diese sind meist
pärchenweise angeordnet: Ein
historisches Bild sowie ein aktu­
elles Foto aus diesem Jahr. Die
Idee für eine solche Gegenüber­
stellung hatte Esther Meier von
der Ortsmuseumskommission.
Die vielen historischen Bilder, die
die Kommission lagert, sollten
der Bevölkerung zugänglich ge­
macht werden.
Gefährliches Fotografieren
Die meisten neuen Fotos hat der
Eglisauer Matthias Heller ge­
macht. Dabei haben die Fotogra­
fen versucht, die Bilder genau aus
jener Position aufzunehmen, wo
das historische Bild geschossen
wurde. «Manchmal war das fast
schon lebensgefährlich», sagt Es­
ther Meier schmunzelnd. So ha­
ben Heller und sie sich für ein
Foto auf die rege befahrene Zür­
cherstrasse stellen müssen, damit
der Blickwinkel stimmte. Wäh­
rend Meier Glück hatte und über
Mittag einige autofreie Sekunden
nutzen konnte, wartete Heller 20
Minuten lang auf eine leere Stras­
se. Die historischen Bilder stam­
men von der kantonalen Baudi­
rektion oder von Privaten, führt
Jürg Girsberger, Präsident der
Ortsmuseumskommission, aus.
Manche Veränderungen im
Rheinstädtchen sind markant,
zum Beispiel der Abbruch der
Holzbrücke in den Jahren 1919
und 1920, die über den Rhein
führte. «Sie musste abgebrochen
werden, weil der Rhein wegen des
Kraftwerks gestaut wurde und
man mit den Weidlingen nicht
mehr unter der Brücke hätte
durchfahren können», erklärt
Girsberger.
Der Wasserstand stieg um
sechs bis acht Meter. «Dem höhe­
ren Wasserstand fielen 32 Häuser
am Ufer zum Opfer», ergänzt
Heller, «dies war ein erheblicher
Einschnitt ins Ortsbild von Eglis­
au». In der heutigen Zeit wäre ein
Abbruch in diesem Masse mit Wi­
derstand aus der Bevölkerung
verbunden, ist sich Heller sicher.
Zu den betroffenen Gebäuden ge­
hörte auch das Salzhaus, in dem
Die ehemalige Schreinerei und Wagnerei an der Obergass (oben) existiert
nicht mehr. Hier ragt nun ein modernes Gebäude der Schule in die Höhe.
bis zu 3000 Fässern Salz gelagert
werden konnten.
Aus Kurhaus wurde Quelle
Im Städtli war früher ein Kurhaus
zu finden, das 1880 erstellt wurde.
Durch die neue Bahnverbindung
versprachen sich die Betreiber
Kurgäste. Das Projekt scheiterte
jedoch, der Betrieb wurde 1891
eingestellt. Die betroffenen Fami­
lien – manche hatten investiert
oder gebürgt – mussten noch Jah­
re danach Schulden abzahlen.
Schliesslich wurde das Kurhaus
1916 abgebrochen und 1924 durch
die Mineralquelle ersetzt. Hier
wurde das an Mineralien reiche
Tafelwasser «Eglisana» produ­
ziert. Aufgrund der limitierten
Kapazität bohrte man später auf
der gegenüberliegenden Seite des
Rheins nach einer Quelle – mit
Erfolg. Wo früher Kurhaus und
Mineralquelle standen, sind nun
Wohnhäuser zu finden.
Deutlich wird die Veränderung
auch an der Obergass, wenn man
vom Städtlischulhaus her in Rich­
tung Gemeindeverwaltung blickt.
Dort ragte einst das Schneebeli­
haus, auch Pulverturm genannt,
einige Meter in die Strasse. 1956
wurde das Gebäude abgebrochen.
In einer äusserst knapp ausgegan­
genen Abstimmung hatten sich
die Eglisauer für den Abriss ent­
schieden. «Der damalige Gemein­
depräsident konnte den Abbruch
mit dem Versprechen durchbrin­
gen, dass die Gemeinde ein Mu­
seum einrichten wird», führt
Girsberger aus.
Nicht wiederzuerkennen ist
heute der Standort einer ehema­
ligen Schreinerei und Wagnerei,
ebenfalls an der Obergass. «Wir
rannten zu meiner Schulzeit wäh­
rend der Pause im Holzlager her­
um und machten den Schreiner
wütend», erinnert sich Heller
schmunzelnd. Heute ist an dersel­
ben Stelle ein modernes Gebäude
aus dem Jahr 2002, das zum
Schulhaus gehört, zu sehen. Ver­
ändert haben sich aber nicht nur
Gebäude, sondern auch auch die
Landschaft: So wurden Mitte des
20. Jahrhunderts stark zerstü­
ckelte und teilweise schwer zu be­
wirtschaftende Rebparzellen zu­
sammengelegt und neu verteilt.
Das Museumsteam hofft, dass
die Ausstellung ausser den regel­
mässigen Besuchern auch andere
ins Weierbachhus lockt. Ange­
sprochen sind besonders auch
Neuzuzüger, sehr willkommen
sind aber auch Interessierte aus
umliegenden Gemeinden.
Ilda Özalp
Die Sonderausstellung «Eglisau
in Fotografien» wird am Sonntag,
1. November, um 15 Uhr im Ortsmuseum Weierbachhus an der
Weierbachstrasse 6 eröffnet.
Dauer bis 3. Juli 2016. Das Museum
ist jeden ersten Sonntag im Monat
von 14.30 bis 17 Uhr offen.
Das Museumsteam Matthias Heller, Esther Meier und Jürg Girsberger
Sibylle Meier
(von links) blättert in einem Fotobuch über Eglisau.
Das in die Obergass hineinragende Schneebelihaus (Bild links), auch Pulverturm genannt, wurde 1956 nach einer knapp ausgegangenen Abstimmung
abgebrochen. Heute ist an dieser Stelle die Gemeindeverwaltung (orange) zu sehen.