Verzeihen - Paarlife

Klinische Psychologie mit Schwerpunkt Kinder/Jugendliche und
Paare/Familien (Prof. Dr. Guy Bodenmann)
Erinnern und Verzeihen in der
Partnerschaft
Prof. Dr. Guy Bodenmann
Universität Zürich
Klinische Psychologie mit Schwerpunkt Kinder/Jugendliche und
Paare/Familien (Prof. Dr. Guy Bodenmann)
Inhalt des Vortrags
 Definition von Verzeihen
 Verzeihen in der Partnerschaft
 Verzeihen von schweren Verletzungen
 Verzeihen von alltäglichen Verletzungen
 Verzeihen bei Trennung/Scheidung
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Paare/Familien (Prof. Dr. Guy Bodenmann)
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Klinische Psychologie mit Schwerpunkt Kinder/Jugendliche und
Paare/Familien (Prof. Dr. Guy Bodenmann)
Definition von Verzeihen (Dorsch Lexikon der Psychologie, Wirtz, 2015)
Verzeihen bezeichnet einen inter- und intrapersonalen Prozess,
der sich in einer prosozialen Veränderung von Affekt, Kognition
und dem Verhalten gegenüber einem Schadensverursacher
äussert.
Verzeihen ist intentional, bedingungslos, nicht notwendig und
geschieht in der subjektiven Gewissheit über die
Verantwortlichkeit des Täters (Schwennen, 2004).
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Aspekte von Verzeihen
 Prozess hin zum Abstand von Rache
 Überwindung negativer Gefühle (Enttäuschung, Ärger,
Hass, Rache, Feindseligkeit)
 Unterlassen der Vermeidung des Verursachers
 Zunahme von prosozialem Verhalten gegenüber dem
Verursacher
(Bierhoff, 2015; McCullough et al., 1998;
Toussaint et al., 2001)
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Wahrnehmung
des Verhaltens des Partners als schädlich, verletzend,
unmoralisch, ungerecht
Emotionale Reaktion
Ärger, Enttäuschung, Angst, Traurigkeit
Verzeihen
Motivationale Reaktion
Vermeidung des Partners, Verletzung auf ähnliche
Weise, Rache
Kognitive Reaktion
Feindseligkeit, Verlust von Respekt vor Partner
Verhaltensreaktion
Vermeidung oder Aggression
(McCullough, 2001)
Klinische Psychologie
Psychologie mit
mit Schwerpunkt
Schwerpunkt Kinder/Jugendliche
Kinder/Jugendliche und
und
Klinische
Paare/Familien (Prof.
(Dr. Kathrin
Widmer)
Paare/Familien
Dr. Guy
Bodenmann)
Verzeihen als Transformationsprozess
Verzeihen kann man als eine Transformation von
negativen Motivationen (z.B. Rache oder Vermeidung)
zu neutralen oder positiven Motivationen (z.B.
Konfliktminimierung, Fortführung der Beziehung)
dem Verursacher gegenüber beschreiben.
(Fincham, Beach & Davila, 2004)
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Erfahrung von Enttäuschung,
Kränkung, Verletzung
Auflösung
durch neue
Informationen,
Verständnis
Habituation,
weiteres
stilles
Erdulden
Rache
und
Destruktion
Verzeihen und
Vergeben,
Überwinden
der Krise
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Begriffliche Abgrenzung
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Verzeihen versus Akzeptieren
 Fehler des anderen entschuldigen
 Wiedergutmachung einfordern
 Veränderung seitens des Verursachers nicht
notwendig
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Verzeihen versus Versöhnung
 Verzeihen Voraussetzung für Versöhnung
 Versöhnung mit dem Ziel des Wiederherstellens von
Vertrauen und Sicherung der Beziehung
 Versöhnung ist ein dyadischer Akt (bedarf beider
Partner)
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Faktoren, welche Verzeihen erleichtern
 Attributionsprozesse (Kontrollierbarkeit)
 Empathie mit Verursacher (Mitleiden)
 Reue des Verursachers (Einsicht in Fehler,
Entschuldigung)
 Persönlichkeitsmerkmale des Verzeihenden
(Grosszügigkeit, Toleranz, Verträglichkeit, niedriger
Neurotizismus, niedriger Narzissmus, geringe Tendenz
zu Rumination)
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Verzeihen in der Partnerschaft
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Verzeihen in Partnerschaften
Verzeihen von…
 Versäumnissen/mangelnder Beachtung/mangelnder
Wertschätzung
 Enttäuschten Erwartungen
 Unzulänglichkeiten
 Macken/Fehlern
 Verfehlungen
 Kränkungen/Schädigungen
 Verletzungen
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Verzeihen von schweren Verletzungen
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Verletzungen in der Partnerschaft
 Vernachlässigung (emotional, sexuell, Karriere ohne
Rücksicht auf Partner)
 Blossstellungen, Erniedrigungen, Demütigungen
 Sexuelle Ausbeutung
 Physische oder psychische Gewalt
 Untreue
 Verlassen des Partners
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Paar S. ist seit zwanzig Jahren verheiratet. Sie haben zwei erwachsene
Kinder. Herr S. ist beruflich sehr erfolgreich, Frau S. opferte ihre
Karriere der Kindererziehung. Er hatte über Jahre wegen seiner
Karriere nur sehr wenig Zeit für die Familie, die Familie musste wegen
ihm ein dutzend Mal umziehen, verlor jedes Mal das Freundesnetz, die
vertraute Umgebung. Frau S. trug dies stets mit Fassung, setzte sich für
die Familie ein, schuf trotz der vielen Veränderungen und Wechsel ein
tragfähiges, schönes Zuhause. Sie opferte viele ihrer eigenen
Bedürfnisse für das Wohl der Familie, gab Gegengewicht zum
hektischen, unsteten Leben ihres Mannes.
Eines Tages findet sie Hinweise auf eine Aussenbeziehung ihres
Mannes. Eine Affäre fliegt auf. Nach mühsamem Prozess in der
Paartherapie findet das Paar wieder zusammen. Da kommen neue,
frühere Affären ans Licht.
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Verzeihen im Alltag
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Häufige Verletzungen in der Partnerschaft
 Vergessen des Geburtstags, Hochzeitstags oder anderer
wichtiger Ereignisse für den Partner
 Nicht auf Bedürfnisse des Partners eingehen
 sich zu wenig Zeit für den Partner nehmen
 mangelnde Wertschätzung
 eigene Bedürfnisse vor diejenigen des Partners stellen
 usw.
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Tim verbringt jährlich zwei Wochen Ferien mit einem Freund.
Für Sabine ist das in Ordnung. Sie mag es Tim gönnen,
auch wenn sie dessen Freund nicht sonderlich mag. Diesmal
nun trifft es sich, dass Sabine kurz nach Tims Abfahrt an
einer heftigen Grippe erkrankt und mit hohem Fieber im Bett
liegt. Sie fühlt sich elend und das Alleinsein fällt ihr schwer.
Sie sehnt sich nach Tims Anrufen, vermisst ihn. Tim ruft
jeden Abend an. Doch Sabine merkt, dass er dies immer
vom Restaurant aus tut, mit seinem Freund daneben und
Hintergrundlärm. Die Gespräche sind kurz und oberflächlich.
Sie stört dies. Sie kann sich ihm nicht anvertrauen und bittet
ihn, sie doch alleine anzurufen. Tim ruft weiterhin jeden Tag
an, doch ohne auf ihren Wunsch einzugehen.
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Grosszügigkeit bezüglich Bewertung
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Differenzierte Sicht des Partners
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Kumulatives Verzeihen im Alltag ermöglicht
erst eine längerfristige und glückliche
Partnerschaft.
Häufig sollten jedoch nicht Verzeihen im
Vordergrund stehen, sondern Grosszügigkeit
und eine differenzierte Sicht.
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Verzeihen muss wechselseitig sein
Verzeihen von
Partner A
Verzeihen von
Partner B
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Verzeihen bei Trennung/Scheidung
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Klinische Psychologie
Psychologie mit
mit Schwerpunkt
Schwerpunkt Kinder/Jugendliche
Kinder/Jugendliche und
und
Klinische
Paare/Familien (Prof.
(Dr. Kathrin
Widmer)
Paare/Familien
Dr. Guy
Bodenmann)
Zielsetzungen der Trennungsbegleitung
 Negative Gefühle zulassen und ausdrücken
(expressives Malen, Schreiben etc.)
 Verständnis aufbauen zum Beziehungsverlauf
 Akzeptanz erarbeiten durch emotionales
Verstehen der Trennungsgründe
 Verzeihen (Versöhnung mit sich, Partner und
Schicksal) durch Wiederaufbau von
Wertschätzung und Dankbarkeit gegenüber
Erhaltenem
 Abschied nehmen (Gestalt schließen und offen
werden für Neues)
Klinische Psychologie
Psychologie mit
mit Schwerpunkt
Schwerpunkt Kinder/Jugendliche
Kinder/Jugendliche und
und
Klinische
Paare/Familien (Prof.
(Dr. Kathrin
Widmer)
Paare/Familien
Dr. Guy
Bodenmann)
Zielsetzung dieser Betrachtung/Aufarbeitung der
Beziehung:
Positive und negative Aspekte können als Lernerfahrungen
gewichtet und integriert werden für die Zukunft:
- Was habe ich gelernt? Wofür bin ich trotz allem dankbar?
- Was bin ich dank dieser Beziehung geworden?
- Wo habe ich Fehler gemacht/wo war es schwierig mit mir?
- Was möchte ich für eine neue Partnerschaft als Erkenntnis
mitnehmen? Worauf möchte ich künftig bei Beziehungen
besser achten?
Durch Verstehen der Hintergründe von beiden Seiten und
Anerkennung der eigenen Anteile wird versöhnliche(re) Haltung
dem andern gegenüber möglich
(Bodenmann, 2002)
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Eigene Befreiung, Loslassen und Neubeginn werden
durch Verzeihen erleichtert.
Statt Groll/Verbitterung/Hass, der einen an den alten
Partner bindet, kann durch Verzeihen/Versöhnen
die Gestalt geschlossen werden.
Nur so nimmt man keine Hypothek mit in eine neue
Partnerschaft oder einen neuen Lebensabschnitt.
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Zusammenfassung
Umgang mit Verletzungen
Störendes
Verhalten
ansprechen
und Äussern
von Wunsch
nach
Veränderung
Verstehen der
Beweggründe
des Partners
Verstehen der
Beweggründe
des Partners
Konflikte und
Reaktanz
Akzeptanz
Verzeihen
Trennung
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Literatur
Bodenmann, G. (2015). Bevor der Stress uns scheidet. Huberverlag.
Bodenmann, G. & Fux, C. (2015). Was Paare stark macht. Beobachter Edition.
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