Bereit zu lernen und anzupacken: Handwerksfirmen bieten Flüchtlingen die Möglichkeiten, sich eine neue berufliche Existenz aufzubauen. Foto: Sven Hoppe/dpa Berufschancen für neun junge Flüchtlinge Modellprojekt: Landkreis, Wirtschaft und Schule starten gemeinsame Ausbildungsinitiative – Vom Pflegehelfer bis zum Mechatroniker Ihm und allen Beteiligten liege es sehr am Herzen, dieses Modellkonzept weiter zu entwickeln und in der Fläche umzusetzen. »Gefragt ist eine neue Systematik, wie Flüchtlinge beruflich zu integrieren sind.« So sei beispielsweise geplant, eine Art Jugendberufsagentur zu entwickeln. Von unserem Mitarbeiter WINFRIED ZANG MILTENBERG. Staatliche Strukturen für die Ausbildung junger Flüchtlinge gibt es bislang nicht, also haben der Landkreis Miltenberg und alle mit Jugend und Ausbildung befassten Stellen in der Region das Heft in die Hand genommen und selbst gehandelt. Sie haben eine »Haben gute Partner« Flucht & Asyl Ausbildungsinitiative gestartet, die mit der Übergabe der Ausbildungsverträge am Montag im Landratsamt symbolisch begann. Seit Mai, als der Unternehmer Johannes Oswald eine solche Initiative mit einem Anruf bei Landrat Jens Marco Scherf anstieß, haben Schulamt, Jugendamt, Caritas, Arbeitgeber, Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer, Arbeitsagentur und Jobcenter sowie die Gesellschaft zur beruflichen Förderung (GBF) hinter den Kulissen viele Koordinationsgespräche geführt. »Wir mussten in kürzester Zeit ein neues Modell schaffen«, lenkte Scherf den Fokus auf die Anstrengungen aller Beteiligten. Lohn der Bemühungen: Neun junge Menschen, denen eine Ausbildung den Start in das Berufsleben eröffnen soll. Chancen nicht ungenutzt lassen Mit Blick auf die demografische Entwicklung, die vom Rückgang der Jugend geprägt sei, stellte Scherf fest: »Wir unternehmen im Landkreis große Anstrengungen, Dank gemeinschaftlicher Anstrengungen von Landkreis, Schule und Wirtschaft haben neun junge Flüchtlinge im September eine Ausbildung im Landkreis Miltenberg beginnen können. Das Bild zeigt die Lehrlinge mit Firmenvertretern sowie Landrat Jens Marco Scherf (links) und Günther Oettinger, Vorsitzender des Kreisverbands des Städte- und Gemeindetags (rechts). Foto: Winfried Zang Hintergrund: Die neun Auszubildenden und ihre Berufe Barry Wurry (Guinea) als Bäcker bei Hench in Miltenberg; Daouda Zoromé (Elfenbeinküste) als Hochbaufacharbeiter in der Firma Trautmann in Sulzbach; Soufiane Rami (Marokko) als KfzMechatroniker in der Franken-Garage Bürgstadt; Hamed Saidi (Afghanistan) als Maler und Lackierer bei Maler Betzwieser in Miltenberg; Ahmad Siar Shahsawar (Afghanistan) als Bankkaufmann bei der Sparkasse Miltenberg-Obernburg und Hasan Jafari (Iran) als Technischer Produktdesigner bei der Firma Oswald in Miltenberg. (wiz) um jedem jungen Menschen, egal ob Flüchtling oder hier Geborener, eine Chance zu geben.« Man wolle sich später nicht vorwerfen lassen, Chancen nicht genutzt zu haben, nannte Scherf einen weiteren Grund für die Initiative. Er wies darauf hin, dass es in der Region immer noch 700 unbesetzte Lehrstellen gibt. Die nun eingestellten Lehrlinge nähmen deshalb niemandem eine Lehr- stelle weg, so der Landrat, für den die Zuwanderung zwar eine große Herausforderung, aber in erster Linie eine Chance ist. schaft der Betriebe in Ausbildung gebracht werden können. Doch dürfe man die neuen Auszubildenden nun nicht alleine lassen, stellte Scherf klar. Er wies darauf hin, dass diese während ihrer Ausbildung einen höheren Bedarf an Begleitung hätten – unter anderem was Sprache und fachspezifische Fragen betrifft. Aber auch das werde man schaffen, zeigte sich Scherf überzeugt. Jens Marco Scherf zählte die Schritte des Auswahlverfahrens auf, dem sich anfänglich 20 ausgewählte Flüchtlinge unterzogen haben. Am Ende hätten neun junge Menschen dank der Bereit- » Hier kommen junge Menschen, die motiviert sind und anpacken wollen. « Jens Marco Scherf, Landrat Diese jungen Flüchtlinge haben ihre Lehre begonnen: Arzu Dadasova (Afghanistan) und Jibrill Abdi Ismaail (Somalia) als Pflegehelfer in der BRK-Berufsfachschule Erlenbach; Armenak Manukyan (Ukraine/Krim) als Metzger in der Metzgerei Sämann in Faulbach; Auswahlverfahren »Ich bin sehr optimistisch, dass wir das schaffen, denn wir haben gute Partner«, zeigte sich der Landrat überzeugt von den guten Ansätzen, die es weiter zu entwickeln gelte. Dass der Bedarf für berufliche Integration vorhanden ist, belegte er mit Zahlen zur Asylsituation im Landkreis: rund 800 Asylbewerber im Verfahren, 280 Flüchtlinge in der Erstaufnahme und 65 unbegleitete Jugendliche. Die Freude über neun motivierte junge Menschen teilte auch Günther Oettinger, Kreisvorsitzender des Bayerischen Städteund Gemeindetags. Er äußerte Bewunderung für die Leistung. »Ich habe mir nicht vorstellen können, dass es gelingt«, sagte er. Sein Eindruck, die jungen Auszubildenden freuten sich sehr über ihre Lehrstellen, täuschte Oettinger nicht, denn mehrere Lehrlinge bedankten sich bei ihren Arbeitgebern für die Chance. Scherf hofft auf einen Erfolg des Modellprojekts: »Hier kommen junge Menschen, die motiviert sind und anpacken wollen.«
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