Zu einer Kuh gehören Hörner

BZ Berner Zeitung vom 10. Juli 2015
Sommerserie Berner Jura
«Zu einer Kuh gehören Hörner»
Kuhhalter sollen finanziell unterstützt werden, wenn ihre Tiere Hörner tragen. Für dieses Ziel sammelt
Bergbauer Armin Capaul Unterschriften. Sein abgelegener Betrieb im Berner Jura ist zum Mittelpunkt
der Hornkuhinitiative geworden.
Von Perrefitte im Berner Jura aus fährt man auf teils steilen und holprigen Waldwegen bergan. Der
Hof von Armin Capaul liegt abgelegen auf einer Lichtung. Politisch aber hat er sich zu einem Zentrum
entwickelt. Hier liefert der Pöstler Unterschriftenbögen ab, die der Bergbauer abends und nachts
sortiert und zählt. Sie gehören zur Initiative, die verlangt, dass Kuh- und Ziegenhalter finanziell
unterstützt werden, solange ihre Tiere Hörner tragen.
Vor 35 Jahren fiel es Armin Capaul als Älpler bei einem Alpaufzug zum ersten Mal auf. «Die einen
Rinder gingen ganz normal bergauf, die andern wichen immer wieder zur Seite.» Die einen hatten
Hörner, die andern nicht. Heute ist Capaul überzeugt, den Grund für das unterschiedliche Verhalten
zu kennen: «Die Hornlosen waren aufgrund des fehlenden Wärmeaustauschs durch die Hörner
weniger fit.» War er früher einfach der Meinung, zu einer Kuh gehören Hörner, so ist sein
Argumentarium gegen die Enthornung heute deutlich länger: «Die Hörner, die ein Leben lang
wachsen, dienen der Kommunikation», sagt er. Ausserdem gehe es um Würde und Stolz der Tiere.
Capaul ist zudem überzeugt, dass das Horn eine Funktion bei der Verdauung hat und dass sich die
Milchqualität aufgrund der Enthornung verändert. Beim Bundesamt für Veterinärwesen ist derzeit
eine Studie in Arbeit, welche die Bedeutung des Hornstatus bei Milchkühen untersucht. Erste
Resultate werden nächstes Jahr erwartet.
Acht Kühe mit Hörnern
Kühe mit Hörnern benötigen mehr Platz, was ausgerechnet mit dem Aufkommen der als
tierfreundlich geltenden Laufställe zum Problem wurde. Vielerorts werden Kälber deshalb in den
ersten Wochen nach der Geburt enthornt. Dies senkt die Verletzungsgefahr unter den Tieren sowie
für Menschen. So argumentiert auch der Bauernverband, der die Initiative nicht unterstützt. Er
müsse sich immer wieder Erzählungen über Bauern mit verletzten Augen anhören, sagt Capaul und
ergänzt verschmitzt: «Man muss aufgrund all der Geschichten annehmen, dass jeder Bauer nur noch
ein Auge hat.» Die Initiative verlange kein Enthornungsverbot, stellt er klar, sondern eine
Entschädigung für Halter behornter Tiere für deren zusätzlichen Aufwand.
Seit 20 Jahren bewirtschaftet Armin Capaul mit seiner Frau den 17-Hektaren-Hof im Berner Jura. Die
drei erwachsenen Kinder helfen mit. Capaul selbst ist in Zürich aufgewachsen. Sein Berufswunsch
entstand während Ferien auf dem Bauernhof. Die Ausbildung zum Bauern fiel mitten in die Zeit der
68er-Bewegung, die ihn mitgezogen hat. Er schloss die Ausbildung jedoch ab und ist heute froh
darum. «Das erhöht die Glaubwürdigkeit», sagt er. Seine acht Kühe mit Hörnern sind in einem
Anbindestall untergebracht. «Hier ist der Kontakt zur Kuh näher», sagt er. Das mache die Tiere zahm,
was er als positiv empfindet.
Capaul geniesst die Abgeschiedenheit seines Hofs. «Hier lässt man mich in Ruhe.» Mit seinem
Engagement hat er sich nicht nur Freunde gemacht. Doch Capaul, der sein Gegenüber im Gespräch
mit klarem, ruhigem Blick fixiert, lässt nicht schnell locker, und so sei es auch schon vorgekommen,
dass entschiedene Gegner nach einer Diskussion mit ihm die Initiative unterschrieben hätten.
Werbung mit Hörnern
Armin Capaul hat mit Mitstreitern die IG Hornkuh gegründet. Für die Initiative kamen bisher 25000
Unterschriften zusammen, bis Weihnachten sollen es die nötigen 100000 sein. Seit viereinhalb
Jahren kämpft der Bergbauer schon in irgendeiner Form für Beiträge für behornte Kühe und Ziegen.
Im eidgenössischen Parlament wurden entsprechende Forderungen bisher bachab geschickt. 2013
reichten die Hornbefürworter dann die Petition Hörnerfranken ein. «Diese verstaubt jetzt im Keller
des Bundeshauses», sagt Capaul. Politische Abläufe kennt er inzwischen im Detail, das sei aber
höchstens ein Nebeneffekt. «Ich will nicht ins Parlament, sondern nur, dass Kühe wieder Hörner
haben.» Dafür engagiert er sich – so wie er in früheren Jahren im Bündnerland eine neue
Zoneneinteilung der Höfe anstrebte und kürzlich dafür kämpfte, dass die Post weiterhin zum Hof
gebracht wird. Mit beidem habe er Erfolg gehabt. «Sollte es auch mit der Hornkuhinitiative klappen,
würde ich als Nächstes die Landwirtschaftspolitik auf die Hörner nehmen», sagt er, und neben
Humor hört man durchaus etwas Ernsthaftigkeit heraus.
In seinem Büro stehen viele Ordner im Gestell und hängen unzählige Zettel an der Wand.
Kommunikation ist eine Stärke des 64-Jährigen. Er weiss mit Medien umzugehen und steht jederzeit
Red und Antwort. Das Thema Hornkuh sticht ihm selbst in der Stadt ins Auge. Als er die Besucherin in
Moutier abholt, bleibt er bei den Postkarten am Kiosk stehen. Er kauft eine Karte und überreicht sie
ihr wortlos. Neben dem Schriftzug «Switzerland» sind zwei Kühe abgebildet. Sie tragen Hörner.
Brigitte Walser
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