Setzen Sie mal ein Zeichen oder ein Malzeichen?

66
MikrotypografieDesign & Praxis
Publisher 3 · 2013
Sonderzeichen
Setzen Sie mal ein Zeichen
oder ein Malzeichen?
Wer kennt sich heute schon aus in den Weiten der Tastatur! Apostroph, Anführungs­
zeichen, Satzzeichen, Schrägstrich, Et-Zeichen, Bis-Strich, Streckenstrich, Geviertstrich,
Festwert, Spatium: Schnell bewegt man sich auf dünnem Eis, wenn es um mikro­
typografische Anwendungen geht.
� RALF TURTSCHI Die einen behaup-
ten, die Satzqualität war noch nie so
schlecht wie heute, die andern meinen,
früher sei auch nicht alles zum Besten
bestellt gewesen.
Sicher ist, dass mit OpenType und
den heutigen Satzprogrammen InDesign/XPress eine nie da gewesene
Qualität möglich ist. Es gibt aber
zunehmend Anwender/-innen, die
diese potenzielle Qualität nicht ausschöpfen können oder wollen. Vor
allem dort, wo keine gelernten Korrektoren für die richtige Schreibweise
sorgen, ist einer gewissen Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet. Bei Beschriftungen, Beschilderungen oder auch
im Inhouse-Publishing werden die
Zeichen und ihre Abstände oft etwas
«frei» verwendet. Zum einen ists eine
ökonomische Frage – man hat keine
Zeit und will sich nicht um Details
kümmern, das Anstreben von Fehlerfreiheit hat schliesslich Grenzen. Zum
andern werden Zweifel am Nutzen der
mikro­typografischen Details moniert:
es komme nicht darauf an, das merke
niemand, heisst es dann. Mit diesem
Argument können wir gleich auf die
radikale Kleinschreibung wechseln und
alle Satzzeichen weglassen.
Eigene Fehler lässt man (sich)
eher durchgehen als fremde. Dabei
besteht in Unternehmen durchaus der
Anspruch, etwas Schriftliches fehlerfrei
zu kommunizieren, nicht nur in Sachen
Rechtschreibung, auch Sonderzeichen
und Abstände sind Teil unserer Ausdrucksfähigkeit. Über Satz-, Begriffs-,
Hilfszeichen und deren Abstände gibt
es nur spärliche Informationen im
Internet, im «Duden» oder in «Heuer»,
die zudem teilweise widersprüchlich
sind. In der Schweiz werden manche
Zeichen anders gesetzt als in den
Nachbarländern. Dann gibt es diverse
Normen, welche wieder andere Vorschläge unterbreiten. Das alles macht
es nicht eben einfacher.
Wer es gar noch bei den Abständen
typografisch optimal machen möchte,
hat es besonders schwer. Google
schafft für einmal nicht Abhilfe. Kaum
ein Grafikatelier, eine Agentur, ein Werbetechniker weiss über den Einsatz der
Sonderzeichen Bescheid, aber alle produzieren teure Kommunikationsmittel.
Dabei wäre Fehlerfreiheit in Anzeigenkampagnen oder im Fernsehen kein
Kostenfaktor. �
Der Autor
Ralf Turtschi ist gelernter
Schriftsetzer, Buchautor
und Publizist. Er schreibt im
Publisher seit Jahren Beiträge zu Themen rund um
Desktop Publishing, Grafik
und Gestaltung. Zudem ist er als Referent
und Schulungsleiter unterwegs. Ralf Turtschi beschäftigt sich im Moment mit einem
neuen Werk zum Thema Zeichensetzung
und Mikrotypografie, welches Anfang 2014
mit einem Umfang von etwa 200 Seiten
erscheinen wird. Darin wird der Einsatz
aller Satz-, Hilfs- und Sonderzeichen und
deren Schreibweisen ausführlich behandelt.
Auch die Abstände vom Spatium bis zum
geschützten Leerschlag kommen nicht zu
kurz. Fotos von richtigen und richtig falschen Dokumenten aller Art können als
Ideengeber an den Autor gesandt werden.
Er nimmt auch gerne Interessenten auf eine
Bestellliste auf: [email protected]
Apostroph
Malzeichen
Der Apostroph ist ein Auslassungszeichen, welches auf einen oder mehrere
Buchstaben deutet, die ausgelassen wurden. Falsch eingesetzt wird er bei
Genitivformen, Abkürzungen oder zur Gliederung von Zahlen. Wird häufig
verwechselt mit Zeichen für Minuten, das kerzengerade ausgerichtet ist.
Das Malzeichen ist ein mathematisches Zeichen für die Multiplikation. Das
korrekte Malzeichen liegt nicht direkt auf der Tastatur, es muss über die
Glyphentabelle bzw. über Sonderzeichen eingegeben werden. Häufig wird
es durch den Buchstaben x ersetzt, was nicht korrekt ist. Bei festen Wendungen steht kein Raum, sonst wird in der Typografie ein Achtelgeviert
Abstand gesetzt, in der Office-Umgebung ein geschütztes Leerzeichen.
Mit Apostroph
Mit richtigem Malzeichen
Mit dem falschen Buchstaben x als Malzeichen
Ohne Apostroph
Das Malzeichen steht höher als die Schriftlinie, ist rechtwinklig und eingemittet. Das x unterscheidet sich vor allem in Kursiven und Serifenschriften
stark vom Malzeichen.
Zeichen für
Minuten
Einfaches Schlusszeichen
Akzent
Design & Praxis
Publisher 3 · 2013
Die Zeichensetzung v­ on Satz-,
Hilfs- und Sonderzeichen ist schlecht
dokumentiert und bleibt weitgehend
ein Spekulationsfeld.
Et-Zeichen
Bruchziffern
Das Et-Zeichen bleibt reserviert für firmen- und markenähnliche Verbindungen. Es darf wie das Pluszeichen nicht in Daten oder Nomen anstelle
des Wortes «und» verwendet werden. Normalerweise steht vor und hinter
dem Et-Zeichen ein geschützter Leerschlag; wenn es sich um eine feste
Bindung handelt, wird kein Abstand gesetzt.
Bruchziffern sind in allen modernen Schriften enthalten, entweder direkt
als Ligatur oder dann werden sie über die OpenType-Features aktiviert.
Das mühsame Zusammensetzen von Zähler, Bruchstrich und Nenner ist
falsch. Der Bruchstrich ist meist dünner und steht schräger als ein normaler
Schrägstrich.
Richtige Anwendung des Et-Zeichens
Bruchziffern als Ligaturen
Bruchziffern mit OpenType-Features
Falsche Anwendung des Et-Zeichens
Schrägstrich und Bruchstrich
Schrägstrich
Bruchstrich
Notlösung mit
Schrägstrich
Richtiger Bruch
67
Design & Praxis
Mikrotypografie
Publisher 3 · 2013
Anführungszeichen
Gedankenstrich
Doppelte und einfache Anführungs- und Schlusszeichen werden länderspezifisch eingesetzt. In der Schweiz und Frankreich werden die Guillemets
mit den Spitzen gegen aussen (« ‹ › ») in Deutschland und Österreich gegen
innen (» › ‹ «) eingesetzt. In der Schweiz wird zwischen diesen Zeichen und
dem Wort kein Abstand gesetzt. In schlechten Schriften sitzen die Anführungszeichen zu nah am Wort, dort soll man mit einem kleinen Festwert
etwas Platz schaffen. Als alternative Formen können auch die Gänsefüsschen
eingesetzt werden, die öffnenden in der Form der Zahl 99 auf der Schriftlinie, die schliessenden in der Form der 66 auf Versalhöhe.
Der Gedankenstrich wird in verschiedenen Funktionen eingesetzt. Er wird
auch als Halbgeviertstrich, als Bis-Strich oder als Streckenstrich bezeichnet
und ist etwas länger als der normale Bindestrich. Im allgemeinen Text
weist er einen Wortzwischenraum auf.
Als Bis-Strich steht der Gedankenstrich ohne Abstand nur zwischen Zahlen,
nicht zwischen Worten. Man schreibe das Wort «bis» doch einfach aus.
Celeste: Abstand richtig
Gill: Abstand zu klein
Die Anführungszeichen bei ausgezeichneten Textstellen nehmen die Auszeichnung an, der sie zugehörig sind.
Folgt nach dem Anführungszeichen ein einzelnes Satzzeichen wie Komma,
Punkt, Frage- oder Ausrufezeichen, dann wird dieses auch ausgezeichnet.
Beim Zusammentreffen von Bis-Strich und Kupplungsstrich entfällt der Kupplungsstrich.
Verwechselt werden die Anführungszeichen mit den Zeichen für Minuten
und Sekunden, was falsch ist.
Prozentzeichen
In der zweiteiligen Formel «von … bis (zum)»
darf «bis (zum) nicht durch den Bis-Strich ersetzt werden.
Der Halbgeviertstrich wird auch als Streckenstrich gebraucht:
Prozent- und Promillezeichen sind mit dem Grad- und dem Zollzeichen die
einzigen Zeichen, die ohne Zwischenraum an die Zahl gesetzt werden, da
das Zeichen zu fein wirkt, um selbstständig stehen zu können. Im unteren
Teil dieser drei Zeichen sitzt genügend Weissraum, der einen Abstand
überflüssig macht. In allgemeinen Texten soll man Prozent oder Promille
ausschreiben. Als Dezimaltrenner setzt man ein Komma, nicht einen Punkt.
Als Vorderglied einer Zusammensetzung wird jedoch der Kupplungsstrich
verwendet:
Der Gedankenstrich wird als Minuswert ohne Zwischenraum vor Zahlen
eingesetzt:
Es gibt im OpenType-Format bei einigen Schriften unterschiedliche Pro­
zentzeichen, die mit den entsprechenden Ziffern besser oder weniger gut
zusammenpassen (Kapitälchen). Solche Zeichendifferenzierungen machen
einen der Unterschiede von modernen zu traditionellen Schriften aus, die
als Klassiker gelten.
Der Gedankenstrich wird auch als Minuszeichen (mit Wortabstand) verwendet:
Als Ersatzzeichen für Rappen oder Cent wird der Halbgeviertstrich eingesetzt. In der Schweiz mit Dezimalpunkt, in Deutschland mit Komma
getrennt.
69
Design & Praxis
Mikrotypografie
Jahre, Monate, Wochentage,
Uhrzeiten
Die Darstellung von irgendwelchen Zeitangaben
bereitet immer wieder Mühe. Jahreszahlen werden als
alleinstehende Zahl nicht abgekürzt.
Publisher 3 · 2013
Wohnungsmarkt
Im Wohnungsmarkt wird oft mit Abkürzungen gearbeitet.
Die Viereinhalbzimmerwohnung besteht aus zwei Teilen:
«viereinhalb Zimmer» und «Wohnung», nicht etwa aus
«viereinhalb» und «Zimmerwohnung». Demnach sind folgende
Schreibweisen richtig:
Das Datum in Zahlen wird wie folgt abgekürzt:
Folgende Möglichkeiten sind falsch:
Die überflüssigen Nullen bei einstelligen Ziffern erschweren die rasche
Erfassung des Datums, sie sind falsch.
Zu viele Schrägstriche und Abkürzungspunkte können die Leserlichkeit
stark erschweren. Auch bei Uhrzeiten sind überflüssige Nullen erschwerend.
Wenn keine Bruchziffern zu Verfügung stehen, wird 1/2 mit einem
geschützten Leerschlag abgesetzt:
Verkaufspreise werden mit einem Achtelgeviert bzw. einem geschützten
Leerschlag gegliedert, nicht mit einem Apostroph.
Stellenmarkt
Masseinheiten und Währungen
Ausgeschriebene Stellen werden oft falsch
geschrieben. Richtig sind folgende Formen:
In der Schweiz gliedert man Zahlen mit einem Komma in Dezimalstellen.
Zwischen Zahl und Masseinheit steht ein geschützter Leerschlag, ausser
bei Grad-, Zoll-, Prozent- und Promillezeichen.
Wenn die weibliche Form als eine Erweiterung der männlichen in einem
Laut gleich gesprochen wird (Assistent oder Assistent…in), dann steht kein
Abstand. Bei zwei eigenständigen Begriffen steht ein Abstand.
Beim Schweizer Franken und beim japanischen Yen wird ein Punkt als
Dezimaltrenner eingesetzt, alle anderen Währungen werden mit Komma
unterteilt. Die Bezeichnungen sFr. ist veraltet. Ab fünf­stelligen Zahlen wird
ein kleiner Abstand zur Gliederung eingesetzt.
Falsch sind folgende Schreibweisen:
In der Kombination mit den Stellenprozenten sind mehrere Klammern zu
vermeiden.
Anstelle der Nullen bei Währungsangaben wird heute der Halbgevier­
tstrich gesetzt. Er macht die Beträge generell schneller erfassbar, auch in
(Excel-)Tabellen. Der längere Geviertstrich ist veraltet.
71