für ein gutes morgen - Bundesverband von Bündnis 90/Die Grünen

Mitgliederzeitschrift von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ausgabe 01/15 [März 2015]
FÜR EIN GUTES
MORGEN
GRÜNE WIRTSCHAFTSPOLITIK
MIKROBRAUEN GROSS IM TREND Entdeckt die Bierbranche die Nachhaltigkeit?
ANDERS WIRTSCHAFTEN, ABER WIE? Dieter Janecek und Gerhard Schick im Streitgespräch
35-JÄHRIGES BESTEHEN GRÜNE würdigen Ehemalige
GR
R
NG
O
K
T S AINZ
F
HA M
SC I IN
T
N
IR
W . J U
R
E ./ 1
ÜN 1
ES
S
Entdecken Sie mehr Unterschiede auf sparkasse.de
Liebe Freundinnen und Freunde,
dieses Jahr haben wir viel zu feiern: Im Januar sind wir GRÜNE
35 Jahre alt geworden. Im Februar vor 25 Jahren wurde Bündnis 90 aus
der Taufe gehoben. Seitdem streiten wir für eine bunte, moderne und
offene Gesellschaft. Es war nicht immer einfach und häufig turbulent,
aber erfolgreich. Heute sind wir in allen Landtagen vertreten. In Regierung oder Opposition – wir haben immer für unsere Ziele und Überzeugungen und gegen eine verkrustete Politik gekämpft und haben neue
Ideen vorangebracht. Mit Freude blicken wir auf diese Jubiläen und
gehen selbstbewusst voran. Lasst uns die Welt noch grüner machen!
Ein Thema, das uns seit 35 Jahren beschäftigt und für Kontroversen sorgt, ist die Abwägung zwischen Ökologie und Ökonomie und
TITELTHEMA: WIRTSCHAFT
dem Umbau unserer Wirtschaft. In spannenden Debatten, auf dem
Länderrat im April und auf einem Kongress im Juni werden wir das
Thema dieses Jahr voranbringen. Deshalb ist es auch das Hauptthema in diesem Heft.
Viel Spaß beim Lesen.
Euer Michael
PS: Dieses Jahr wollen wir auch den Klimaschutz nach vorne rücken. Nehmt
zum Beispiel teil an der KlimaschutzDemo in München am 4. Juni 2015
anlässlich des G7-Gipfels! Mehr Infos
findet Ihr rechtzeitig auf gruene.de
PARTEILEBEN
EUROPAGRÜN
16
Versagen der Sicherheitspolitik
Von Jan Philipp Albrecht
17
Geld raus aus fossiler Energie
Von Reinhard Bütikofer
18
Untersuchungsausschuss zu
Steuerdumping durchgesetzt
Von Sven Giegold
19
Freizügigkeit und EU-Förderpolitik: Antworten statt Populismus
Von Terry Reintke
JÄ H R I G E S B E S T E H E N
Seit knapp einem Jahr läuft die Programmdebatte der GRÜNEN – im schrägstrich
geht es diesmal um Wirtschaftspolitik. Wie
sieht grünes Wirtschaften praktisch aus?
35 Jahre DIE GRÜNEN, 25 Jahre Bündnis 90
und 12,3 Prozent bei der Hamburger Bürgerschaftswahl: Die GRÜNEN sind gut
ins Jahr gestartet.
4
Wir brauchen eine
grüne Marktwirtschaft
Gastbeitrag von Cem Özdemir
20 35 Jahre DIE GRÜNEN
Ehemaligentreffen zum Jubiläum
6
Biernation im Umbruch?
Die Bierindustrie experimentiert
mit nachhaltigen Konzepten
8
Gefährlicher Geiz
Gastbeitrag von Frank Bsirske
9
Das Teilen und das Geld
Bedrohen profitorientierte Start-ups
das Modell der Share Economy?
Titel: thinkstock.com/Sarellita
10
Grüne Wirtschaftspraxis
Erfolg auf Länderebene
12
„Wir müssen Monopole knacken“
Gerhard Schick und Dieter
Janecek im Streitgespräch
14
Wachsen, schrumpfen, entkoppeln?
Ein Überblick über die grüne
Wachstumsdebatte
15
TTIP – so nicht!
Über Proteste gegen „Schattengerichte“
21
Aller guten Dinge sind drei
Bürgerschaftswahlen in Bremen
und Hamburg
22
„Mama Maria“ aus Scharnebeck
Maria Lazer über Flüchtlingsarbeit
23 Ein Thema, das bewegt
BAG Mobilität und Verkehr
23 Was macht eigentlich …?
Regine Barth im Porträt
MÄRZ 2015
AGRARWENDE
GRIECHENLAND
EINWANDERUNG
24 „Fift y-Fift y“ für Vielfalt und
mehr Demokratie
Kampagne für die innerparteiliche
Frauenquote bei den GRÜNEN
24 Grüne Gretchenfrage
Die Frage nach dem Verhältnis von
Staat und Religion
25 Magazin
26 Literatur und Impressum
schrägstrich | Heft 1/2015
3
Titelthema: Wirtschaft
WIR BRAUCHEN EINE GRÜNE
MARKTWIRTSCHAFT
Wir GRÜNE wollen aus der sozialen eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft machen,
indem wir Produktion und Konsum nachhaltiger gestalten. Die ökologische Modernisierung der Wirtschaft ist dafür ein wichtiger Meilenstein. von cem özdemir
Im Klimajahr 2015 wollen wir daher unsere Wirtschaftspolitik weiterentwickeln und einen Weg beschreiben, wie wir
Wohlstand schaffen können, der nicht auf dem Raubbau an
Mensch und Natur fußt. Es ist unsere Aufgabe, die ökologische
4
schrägstrich | Heft 1/2015
Modernisierung unserer Wirtschaft zu einer Erfolgsgeschichte
zu machen. Die öffentliche Hand kann diesen Umbau sehr gut
gestalten, wenn sie den richtigen Rahmen setzt und an den richtigen Stellschrauben dreht.
Zum Beispiel kann sie durch gezielte Förderung mehr grüne Innovationen ermöglichen. Von der Elektrifizierung bis zum Internet – es
gibt in der Vergangenheit viele Beispiele für Innovationen, die ohne
die öffentliche Hand so nicht passiert wären. Warum sollte es nun
anders sein? Sie kann auch dazu beitragen, dass die Digitalisierung
als Katalysator für den ökologischen Umbau genutzt wird. Die digitale Revolution bietet mit Blick auf die Einsparung von Ressourcen
unglaubliche Chancen – wir müssen sie nur nutzen!
Foto: 2009 Michael Cavén
Laut WWF werden wir im Jahr 2030 eine zweite Erde brauchen, um
unseren Ressourcenhunger auf jetzigem Niveau zu stillen. Da wir
diese in den nächsten 15 Jahren nicht mehr finden werden, müssen
wir möglichst bald auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise umsteuern. Das heißt vor allem, die Produktion und den Konsum vom ungebremsten Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Wirtschaftspolitik
muss heute etwas anderes leisten, als einfach nur die Rahmenbedingungen für immer mehr Wachstum zu schaffen.
Titelthema: Wirtschaft
Damit neue Ideen und Akteure auf dem Markt eine Chance haben,
muss die Politik aber besser für fairen Wettbewerb sorgen – auch
indem wir Unternehmerinnen und Unternehmern sowie Selbstständigen, die vor Ort Steuern zahlen, den Rücken stärken und Freiräume schaffen. Monopole und die überproportionale Marktmacht
einzelner, global agierender Konzerne sind nicht nur ein soziales
und ökonomisches Problem, sie können auch wichtige ökologische
Veränderungen aufhalten. Auch unser Top-Runner-Ansatz (siehe
Glossar S.¯7) zum Beispiel bei umweltverträglichen und energiesparenden Haushaltsgeräten funktioniert nur in einem Markt mit
fairem Wettbewerb und mehreren unabhängigen Herstellern.
Außerdem müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher, die
nachhaltig konsumieren wollen, besser unterstützt werden, indem
wir dafür sorgen, dass Preise deutlicher die ökologische Wahrheit
sagen. Wichtige Alternativen wie zum Beispiel Teilen, Tauschen, Fair
Trade, Kreislaufwirtschaft oder gemeinnützige Genossenschaften
brauchen mehr Raum, um sich zu entfalten.
Dies sind wichtige Grundlagen für den ökologischen Umbau der
Wirtschaft. Dabei werden wir natürlich nicht aus dem Blick verlieren, dass nicht alle aus eigener Kraft diesen Weg beschreiten können, sodass dieses Projekt natürlich eingebettet wird in eine Politik,
die die soziale Frage ebenso in den Blick nimmt wie die ökologische.
Grüne Marktwirtschaft ist immer beides: nachhaltig und gerecht,
im nationalen wie im internationalen Rahmen – sie hat immer das
Ganze im Blick.
Partner gewinnen
Foto: Sedat Mehder
Die ökologische Modernisierung ist nicht nur eine Notwendigkeit, sie ist auch eine riesige Chance für unsere Gesellschaft. Eine
andere Art von Wohlstand ist möglich – mit sauberer Luft, klarem
Wasser und weniger Lärm. Etwas, was immer mehr Menschen
zu schätzen wissen. Für den europäischen Wirtschaftsstandort,
gerade angesichts von Rekordjugendarbeitslosigkeit in Spanien
und Griechenland, hat sie das Potenzial zum Jobmotor – zumindest
wenn wir damit bald loslegen und nicht weiter in einer Schockstarre verharren.
Um diesen Kraftakt zu stemmen, brauchen wir nicht nur gute
Gesetze, sondern auch Unternehmen, die die Modernisierung
umsetzen. Dafür müssen wir auch verstehen, wie sie ticken. Im
Sommer 2014 habe ich deshalb ein Betriebspraktikum absolviert
und war mehrere Tage bei ebm-papst, einem Hersteller von Elektromotoren und Ventilatoren aus dem Ländle. Am Ende waren
beide Seiten davon überrascht, wie viel Gemeinsamkeiten es mit
Blick auf politische Forderungen gibt – sei es bei der Ökodesignrichtlinie, Energieeffizienz oder gar bei der Frage nach einer
gerechten Besteuerung der Vermögenden zur Finanzierung der
öffentlichen Infrastruktur. Mir hat das noch einmal deutlich vor
Augen geführt: Es gibt genügend Unternehmen, die die StatusQuo Politik der Regierung ebenso ablehnen wie wir, weil sie unter
der Verlängerung des fossilen Zeitalters leiden. Sie wollen wir als
Partner für unsere Strategie, anders zu wirtschaften, gewinnen –
schließlich tun sie es längst.
2015 wird spannend
Am Ende des Jahres werden wir auf der BDK in Halle einen Beschluss
fassen, der auch zeigen soll, warum es sich lohnt, aus der sozialen
eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft zu machen. Ich freue mich
sehr auf die Debatten innerhalb unserer Partei und mit den unterschiedlichen Akteuren in der Wirtschaft. Diskutieren wollen wir
auch am 12./13. Juni auf unserem Wirtschaftskongress in Mainz, zu
dem Ihr alle herzlich eingeladen seid. Klar, wer gegen die Energieeffizienzrichtlinie aus Brüssel Lobby gemacht hat, Atomkraftwerken
nachtrauert, mehr Kohlekraft fordert und tierquälerische Massentierhaltung für ethisch verantwortbar hält, wird auch in Zukunft die
GRÜNEN nicht als seinen Ansprechpartner
betrachten. Aber die vielen anderen sind
herzlich eingeladen, mit uns gemeinsam
die ökologische und soziale Transformation der Gesellschaft in Angriff zu nehmen.
Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren – wir
haben nur diese eine Erde.
Cem Özdemir, 49, ist Bundesvorsitzender
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
GRÜNER WIRTSCHAFTSKONGRESS
12./13. JUNI, MAINZ, RHEINGOLDHALLE
Der Bundesvorstand lädt Euch alle ein, unsere Vorstellungen guter Wirtschaftspolitik zu diskutieren. Die
Akzeptanz und Durchsetzung unserer wirtschaftspolitischen Konzepte wird nicht nur davon abhängen, die
Bedeutung für Klima und Natur aufzuzeigen, sondern
auch die Chancen für den europäischen Wirtschaftsstandort zu beschreiben. Freitagabend soll es losgehen und am Samstag werden wir bis in den Nachmittag
hinein diskutieren. Mehr Informationen zu Anmeldung
und Programm gibt es im März auf www.gruene.de und
im Newsletter.
schrägstrich | Heft 1/2015
5
Titelthema: Wirtschaft
BIERNATION IM UMBRUCH?
In der Werbung wird Bier zwar gerne mit Naturverbundenheit in Verbindung gebracht, als Musterbeispiel für nachhaltiges Wirtschaften und umweltfreundliche Produktion ist die Branche bislang aber
nicht aufgefallen. Das scheint sich zu ändern.
auch für andere Länder. Der Verbrauch von Wasser und Energie pro
produziertem Liter Bier sei innerhalb von zwei Jahren EU-weit um
4,5 beziehungsweise 3,8 Prozent gesunken, der CO2-Ausstoß um 7,1
Prozent.
Ein Grund dafür ist, dass Brauereien großes Interesse daran haben,
Energie zu sparen. Der Deutsche Brauer-Bund, der die „gesamte
deutsche Brauwirtschaft“ vertritt, gibt ein Beispiel: „Brauereien
benötigen zur Bierproduktion im Sudhaus Wärme, aber für die
Lager- und Reifetanks gleichzeitig auch Kälte. Hier konnten intelligente Kreislaufsysteme entwickelt werden, die sicherstellen,
dass Energie optimal genutzt und gespeichert wird.“ Die Branche
sei offen für ökologisches Energiemanagement: „Ein brauereieigenes Windrad produziert Energie für den Eigenbedarf und zur Einspeisung in das öffentliche Netz, wenn es gerade nicht gebraucht
wird.“ Oder eine Brauerei klärt ihr Abwasser und gewinnt mithilfe
des gewonnenen Biogases Strom und Wärme. Der europäische
Dachverband Brewers of Europe ist neuerdings sogar Mitglied im
„Product Environmental Footprinting Project“ der Europäischen
Kommission. Er vertritt mehr als 5.000 Brauereien aus 29 Ländern und bestätigt die Beobachtung des deutschen Dachverbands
Weitere positive Impulse kommen von einem Trend, den die Begriffe
Craft Beer, Mikrobrauerei und alternative Brauszene zu fassen versuchen: Es kommen immer mehr Biere auf den Markt, die sich abheben vom bestehenden Angebot. Zum Spektrum gehören zwar auch
unpolitische Hobbybrauer und clevere Produktstrategen, die aus
rein kommerziellem Interesse handeln. Aber viele Selbst- und Kleinbrauer wollen durchaus etwas verändern. Den Markt aufmischen.
Ein Beispiel für eine kleine Brauerei mit politischem Anspruch ist
Quartiermeister. Der Gewinn aus dem Bierverkauf fließt in soziale
Projekte. Im Schlussquartal 2014 wurden so aus rund 26.000 Litern
etwas mehr als 3.000 Euro Projektmittel. „Wir wollen eine Alternative bieten zu Rendite und Profit und den alltäglichen Konsum damit
verbinden, etwas Gutes zu tun“, sagt Daniel Griedelbach aus der
Geschäftsführung. Zur Craft-Beer-Bewegung zählt er Quartiermeister nicht. „Da geht es eher um Brauhandwerk, Geschmack und Qualität. Uns geht es tatsächlich um eine neue Art des Wirtschaftens.“
6
schrägstrich | Heft 1/2015
Foto: thinkstock.com/melissaf84
Die Bierbranche ist nachhaltiger geworden und öffnet sich für neue Energie- und
Wirtschaftskonzepte. Sie steht aber erst am Anfang eines Wandels. Das zeigt sich
beispielsweise im Segment Biobier. von schrägstrich-redakteur dirk nordhoff
Titelthema: Wirtschaft
Der Deutsche Brauer-Bund empfindet den Trend eher als Bereicherung denn als Bedrohung: „Das lenkt den Blick auf die Ursprünge
der deutschen Braukultur. Die Craft-Welle wird dazu beitragen,
neue Konsumentenkreise zu erschließen und die Wertschöpfung
sowie das Image des Bieres zu steigern.“
Nischenprodukt Biobier
Der Wandel steht aber erst am Anfang, das betont zum Beispiel
Susanne Horn, eine von Deutschlands Biobier-Vorkämpferin. Sie ist seit
2008 die Generalbevollmächtigte bei Neumarkter Lammsbräu. Eine
Unternehmerin mit Idealen, aufgewachsen auf dem Biohof der Eltern,
verantwortlich für das operative Geschäft eines Getränkeherstellers,
der neben Deutschlands ältestem und erfolgreichstem Biobier auch
Biolimonade und Biomineralwasser im Angebot hat. Horn sagt: „Wenn
man sich nicht mit Kleinstschritten zufriedengibt, kann ich in der Bierbranche noch keinen grundlegenden Wandel erkennen – nicht in den
Gesprächen mit den Menschen und nicht im Handeln der Unternehmen.“
Die Nachhaltigkeitsberichte der Marktgrößen seien oft Papiertiger:
„Wenn ich weniger Wasser verbrauche, kostet mich das weniger und
das ist gleichzeitig ein tolles Aushängeschild für meine Umweltbilanz.“
Das sei zwar besser als nichts, aber letztlich beuge sich die konventionelle Brauwirtschaft nur dem Druck, entwickle aber selten langfristige Strategien für mehr ökologische und soziale Nachhaltigkeit.
Horn wünscht sich mehr Wertschätzung für die Rohstoffe, die im Bier
stecken – Verbraucherin und Verbraucher, die bewusst genießen, und
Brauereichefinnen und -chefs, die auch mal ein Gerstenfeld betreten.
Ihre eigene Firma wachse zwar konstant, auf dem Gesamtmarkt habe
Biobier aber nur einen Anteil von 0,4 Prozent. In der konventionellen
Bierproduktion kommen zum Beispiel irgendwo auf dem Weltmarkt
eingekaufte, stark verarbeitete Hopfenextrakte zum Einsatz. Denn
Kreislaufwirtschaft und Quartiermeister zum Trotz: Die Bierindustrie ist immer noch ein Massenmarkt mit hartem Wettbewerb und
Großkonzernen, die kleinere Firmen schlucken und verdrängen. Die
weltgrößte Gruppe Anheuser-Busch InBev (unter anderem Becks,
Franziskaner) verkaufte 2013 jedes fünfte Bier auf der Welt und hatte
in Deutschland den größten Marktanteil nach der Radeberger Gruppe
(unter anderem Jever, Radeberger, Sternburg).
WIRD DIE MÄNNERBRANCHE BIER WEIBLICHER?
Auf der Ebene der Geschäftsführung ist die traditionelle
Männersphäre Bierindustrie ein Stück weiblicher geworden:
Anna Hellers führt in Köln die Geschäfte der gleichnamigen
Familienbrauerei, Susanne Horn leitet als Generalbevollmächtigte bei Lammsbräu das operative Geschäft. Und
unter dem Label www.holladiebierfee.de vermarkten vier
Bierliebhaberinnen Biere speziell für Frauen. „An der Basis
muss sich aber noch viel bewegen“, sagt Susanne Horn. Die
Auszubildende in ihrem Unternehmen sei in ihrer bayerischen Berufsschule die einzige angehende Brauerin und
Mälzerin. Der Deutsche Brauer-Bund hält dagegen: An der
Berliner Berufsschule sei der Anteil der angehenden Brauerinnen und Mälzerinnen deutlich höher als in den Vorjahren.
Hoffnung und Skepsis
Bio-Vorkämpferin Susanne Horn hofft, dass der Selbstbrau-Trend diesen Markt tatsächlich etwas aufmischen kann. „Was ich an dem Trend
toll finde ist, dass die Menschen wieder lernen, dass handwerklich
gebraute Biere einen Wert haben, der auch etwas kostet.“ Marktaufmischer Daniel Griedelbach glaubt an den gesamtgesellschaftlichen
Wandel: „Die unkritischen Konsumentinnen und Konsumenten
werden in Zukunft eine Minderheit sein, da haben wir bereits eine
Schwelle überschritten.“ Und auch der Deutsche Brauer-Bund hat ein
Signal gesetzt, indem er 2014 mit Cem Özdemir erstmalig einen grünen Politiker zum „Bierbotschafter“ ernannt hat. Der offiziell überparteiliche Branchenverband sieht eine Schnittmenge mit BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN, „etwa in der strikten Ablehnung grüner Gentechnik und in der Forderung nach einer umfassenden Regulierung
von Fracking.“
Für eine Idealistin wie Susanne Horn ist trotz allem noch viel
Luft nach oben: Wenn man den Status quo der Biernation mit den
Wähleranteilen der politischen Parteien vergleiche, „dann würden
die GRÜNEN aktuell noch mit der Fünfprozenthürde kämpfen.“
Anders gesagt: Das Glas ist noch nicht mal halb voll.
WIRTSCHAFTSPOLITIK ERKLÄRT: 10 WICHTIGE BEGRIFFE
TOP-RUNNER-ANSATZ
Mit dem Top-Runner-Modell kann die Politik mit marktwirtschaftlichen Mechanismen die Standards zur Energieeffizienz von
Endgeräten wie Computern regulieren. Die Idee: Am Stichtag X
werden die Kennzahlen des umweltfreundlichsten Gerätes zum
Standard für die gesamte Produktgruppe erklärt. Den Herstellern wird eine Frist von zum Beispiel fünf Jahren gesetzt. Danach
dürfen nur noch Geräte angeboten werden, die den gesetzten
Standard erfüllen. Als Musterland dieser Politik gilt Japan.
GL
OS
SA
R
ÖKOLOGISCHE FINANZREFORM
Preise stellen selten dar, ob Produkte zu Lasten der ökologischen
Lebensgrundlage erstellt wurden oder sauber sind. Damit es sich
nicht weiter lohnt, auf Kosten der Umwelt Geschäfte zu machen,
soll Verschmutzung einen Preis bekommen. Das lässt sich über
den Abbau umweltschädlicher Subventionen (52 Mrd. € in der
BRD), Emissionshandelssysteme oder Ökosteuern erreichen. Der
europäische Emissionshandel, einst internationaler Vorreiter,
wurde aber von den Staats- und Regierungschefs kaputtgemacht.
schrägstrich | Heft 1/2015
7
Kongress
Auf der Suche nach der
grünen Erzählung
Die ökosoziale Frage
GEFÄHRLICHER GEIZ
Unser Wohlstand ist bedroht. In den Schulen bröckelt der
Putz. Der Wind- und Solarstrom kommt nicht von Nord nach
Süd. Und auf dem Land lahmt das Internet. von frank bsirske
Fr, 20. März 2015 (17.30 Uhr – 22 Uhr)
Sa, 21. März 2015 (9.30 Uhr – 17 Uhr)
Heinrich-Böll-Stiftung
Schumannstr. 8, 10117 Berlin
Grüne Argumente bauen auf das Ökologische. Grüne Argumente bauen auf das Soziale. Dahinter verbergen sich unterschiedliche Erzählstränge: von unserem Umgang
mit der Natur, von unserem sozialen Zusammenleben. Doch wie passt das zusammen?
Was ist die öko-soziale Frage?
Vom Verhältnis des Sozialen zum
Ökologischen
Ein öko-sozialer Widerspruch?
Positionen zu einem grünen Spannungsverhältnis
Ökologie als soziale Frage.
Wer ist vom Klimawandel betroffen?
Ökologische Ordnungspolitik.
Wie ökologische Maßnahmen fair
gestalten?
Ökologie und Wohlstand.
Versuch aus einer globalen Perspektive
Wir versprechen einen spannenden Kongress
zu einer grünen Schlüsselfrage. Wir versprechen Generaldebatte und Konkretion zum
Verhältnis von Ökologie und Sozialem.
Mit Open Floors zur öko-sozialen Erzählung...
von der Ernährung | vom Fliegen | von der
Energiewende | vom Wohnen
Programm und Anmeldung:
calendar.boell.de
Michael Stognienko
E [email protected]
T 030 285 34 241
www.boell.de
8 schrägstrich | Heft 1/2015
LY_150204_ANZ_Schrägstrich_58x255_4c.indd
1
Unis: bis zu 45 Millarden Euro jährlich
Allein in Kitas, Schulen und Universitäten müssten künftig bis zu 45 Milliarden Euro jährlich
investiert werden. Der Investitionsstau bei öffentlichen Krankenhäusern ist auf 50 Milliarden Euro angewachsen. Die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude kostet alles in
allem 75 Milliarden Euro. Um die Verkehrsinfrastruktur zu erhalten und den öffentlichen
Verkehr zu modernisieren, bedarf es jährlicher Investitionen in Höhe von zehn Milliarden
Euro. Der kommunale Investitionsstau beläuft sich auf insgesamt rund 130 Milliarden Euro.
Darüber hinaus gibt es einen dringenden sozialpolitischen Finanzierungsbedarf (weniger
Altersarmut, Jugendarbeit, Pflege, Gesundheit, bezahlbares Wohnen etc.) von 35 Milliarden Euro. Unter dem Strich summieren sich die notwendigen Zukunftsinvestitionen und
Sozialausgaben auf einen jährlichen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag.
Die Große Koalition sieht inzwischen Handlungsbedarf. Sie will in die Zukunft investieren. Doch die Akteure stehen sich selbst im Weg. Die schwarz-rote Regierung kann
aus eigener Kraft nicht genug investieren, da sie weder neue Schulden machen noch
die Steuern erhöhen will. Und das, obwohl Wolfgang Schäuble sein Konto bis 2018
um 150 Milliarden Euro überziehen könnte, ohne die europäischen und nationalen
Schuldenregeln zu verletzen – zu historischen Tiefzinsen. Deswegen versucht Wirtschaftsminister Gabriel jetzt, die Investitionslücke mit privatem Kapital zu schließen.
Privates Kapital gibt es aber nicht zum Nulltarif. Private Investitionsfinanzierung ist
teurer als eine Finanzierung über Staatsschulden oder Steuern.
Die Regierung kann und muss jetzt in die Zukunft unseres Landes investieren. Mehr öffentliche Investitionen können große
gesellschaftliche Bedarfe decken. Finanziert werden kann dieser Kraftakt wahlweise durch höhere Schulden oder höhere
Steuern. Da beides nicht populär ist, muss um die gesellschaftlichen Mehrheiten gerungen werden.
Information:
Heinrich-Böll-Stiftung
Die grüne politische Stiftung
Investitionsbedarf für Kitas, Schulen und
Die Republik fährt auf Verschleiß. Unternehmen und Staat investieren zu wenig.
Die Investitionsquote – Anteil der Bruttoinvestitionen am Sozialprodukt – liegt bei
niedrigen 17 Prozent. Vor über 20 Jahren
wurde noch fast jeder vierte Euro investiert. Besonders dramatisch schrumpfen
die öffentlichen Investitionen. Die staatlichen Nettoinvestitionen – Bruttoinvestitionen abzüglich Abschreibungen – sind
seit 2003 im roten Bereich. Der öffentliche Kapitalstock verfällt. Die Investitionsschwäche bedroht das langfristige
Wachstum.
Schumannstr. 8
10117 Berlin
04.02.2015 17:44:33
Frank Bsirske, 63, ist Vorsitzender von ver.di und
seit langen Jahren Mitglied bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Foto: Kay Herschelmann, zabalotta/photocase.de
Anzeige
Titelthema: Wirtschaft
Titelthema: Wirtschaft
DAS TEILEN UND DAS GELD
Gemeinsam nutzen statt allein besitzen: Die Share Economy trägt zu nachhaltigerem
Wirtschaften bei, wirft aber auch kritische Fragen auf. von schrägstrich-redakteurin andrea schmitz
Das Regal soll sicher verschraubt werden, aber im Haushalt fehlt
die Bohrmaschine? Kein Problem, auch ohne freundliche Nachbarn. Immer mehr Vermittlungsplattformen machen es möglich,
via Internet oder mobiler App mit völlig Fremden Dinge zu teilen
und zu tauschen. Share oder Sharing Economy heißt der globale
Trend. KoKonsum oder kollektiver Konsum lautet das deutsche
Schlagwort für die Bewegung, die traditionellen Tauschhandel,
Verschenken und Verleihen neu erfindet.
dem unbegrenzten Wachstum des Besitzes zu verknüpfen“, sagt
die grüne Bundestagsabgeordnete Lisa Paus. „Share Economy
entspringt aus den grünen Werten von Innovation, Nachhaltigkeit, Teilhabe und Kollaboration. Sie kann ein Ausdruck praktischer
Wachstumskritik sein, weil Konsummuster hinterfragt und Alternativen aufgezeigt werden.“ Gemeinsam genutzte Autos sind
effektiver genutzte Autos. Mitwohngelegenheiten ermöglichen
dem einen günstiges Reisen oder Übernachten, der andere erhält
einen Zuschuss zu seinen Kosten. Produzierte Dinge bleiben
länger im Kreislauf. Ressourcen werden geschont. Weniger Müll
und Emissionen belasten die Welt.
Regeln für schwarze Schafe?
Neue Konsummuster
Foto: Francesca Schellhaas/photocase.de
Aus grüner Sicht trägt die Teil- und Tausch-Ökonomie zum ökologischen Umbau der Wirtschaft bei. Es sei wichtig, „die Lust am
Teilen neu zu wecken und das individuelle Glück nicht mehr mit
INVESTITION
Bei einer Investition werden Mittel gezielt für materielle oder
immaterielle Vermögenswerte eingesetzt, um langfristig Vorteile zu erhalten. Das kann die Anschaffung einer Maschine sein,
aber auch der Einkauf von Software-Patenten, um ein Unternehmen zu stärken. Im Zusammenhang mit staatlichen Mitteln fällt
oft der Begriff Zukunftsinvestition. Aus grüner Sicht sind das
Investitionen in Klima- und Umweltschutz sowie in öffentliche
Institutionen wie Kitas, Büchereien oder Schulen.
Doch soziale und ökologische Motive bewegen nicht jeden, der im
Sharing-Bereich unterwegs ist. Neben dem Teilen – kostenlos oder
gegen eine geringe Gebühr – gibt es das rein kommerzielle Vermieten. Dass mit innovativen Geschäftsideen im Internet Geld verdient
wird, ist nicht verwerflich. Problematisch wird es, wenn Firmen
ihren Erfolg darauf gründen, dass Gesetze umgangen, Mindestlöhne
unterlaufen und Steuern nicht gezahlt werden. Besonders in der Kritik stehen immer wieder der Mitfahrdienst Uber und der Wohnungsvermittler Airbnb. „Sie unterscheiden sich nicht von anderen in ihrem
Streben nach Gewinnmaximierung und müssen deshalb ebenfalls auf
soziale oder wohnungspolitische Standards verpflichtet werden“,
fordert Lisa Paus. Trotz solcher Marktmechanismen bleiben der
kollektive Konsum und seine Spielarten Repair Economy, Transition
Town oder Do it yourself eine wirkungsvolle Graswurzelbewegung,
betont der Nachhaltigkeitsexperte Reinhard Loske (vgl. Beitrag im
schrägstrich 2/2014). Neben der Politik seien auch die Netzgemeinde,
die Ökologiebewegung und die Gewerkschaften gefragt, damit die
Bewegung nicht zum Spielball der Internetriesen werde.
GL
O
SS
CREATIVE-COMMONS-LIZENZEN
AR
Creative Commons ist eine gemeinnützige amerikanische Organisation, deren Lizenzverträge es ermöglichen, geistiges Eigentum so zu veröffentlichen, dass es frei genutzt werden kann.
Darunter fallen etwa Bilder, Texte und Musik. Das Internetlexikon
Wikipedia verwendet den Lizenztyp CC-BY-SA. Die Nutzer können die Inhalte frei verwenden und verbreiten, ohne Geld dafür zu
zahlen oder Rechte zu verletzen, sofern sie den Lizenztyp angeben und die Urheberin oder den Urheber namentlich erwähnen.
schrägstrich | Heft 1/2015
9
Titelthema: Wirtschaft
GRÜNE WIRTSCHAFTSPRAXIS
In Rheinland-Pfalz und Hessen führen GRÜNE das Wirtschaftsministerium, in BadenWürttemberg das Staatsministerium. Die GRÜNEN in den Ländern sind treibende Kraft
für die ökologische Modernisierung der Wirtschaft. von schrägstrich-redakteurin katharina wagner
2011 übernahm Winfried Kretschmann das Amt des Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg, Eveline Lemke wurde eine Woche
später in Rheinland-Pfalz zur Wirtschaftsministerin ernannt. Seit
gut einem Jahr stellt Tarek Al-Wazir außerdem die Weichen des
hessischen Wirtschaftsministeriums neu. Alle drei haben seitdem
viel angestoßen und verändert – manchmal gegen Vorbehalte aus
der Wirtschaft, meist aber im Schulterschluss mit ihr zusammen.
Winfried Kretschmann, 66, hat die Digitalisierung in Baden-Württemberg
Baden-Württemberg: Vorreiter
mit Digitalstrategie
Vernetzte Umwelttechnik
in Rheinland-Pfalz
In Baden-Württemberg wird derzeit nichts weniger als die vierte
industrielle Revolution vorangetrieben. Industrie 4.0 (siehe Glossar
S.11) meint das Verschmelzen von Hard- und Soft ware: Maschinen
kommunizieren zum Beispiel über Chips und Sensoren miteinander.
„Wenn unsere mittelständischen Unternehmen die Digitalisierung
verschlafen, werden sie in wenigen Jahren das Nachsehen haben“,
warnt Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Ein wichtiges Element sei dabei die Sicherheit der Daten, denn solange die Unternehmen fürchteten, dass ihre Daten aus einer Cloud abgegriffen
werden, stiegen sie nicht ein. Außerdem, so Kretschmann, „leistet
Industrie 4.0 einen wichtigen Beitrag zur Senkung des Energieund Rohstoff verbrauchs – die Produktionslinien werden effizienter
gestaltet.“ Der Ministerpräsident hat die Digitalisierung in BadenWürttemberg zur Chefsache erklärt. Die Modernisierung der Wirtschaft ist aber nur ein Baustein einer landesweiten Digitalstrategie, die neben den Unternehmen etwa auch die Internetversorgung
der Privathaushalte, Medienbildung in Schulen und Investitionen in
Hochleistungsrechner für die Wissenschaft umfasst. Allein um den
digitalen Wandel in die Breite der Unternehmen zu bringen, investiert die Landesregierung mindestens 8,5 Millionen Euro. Alles für
die Wirtschaft, aber immer mit Blick aufs Gemeinwohl.
In Rheinland-Pfalz trägt die Energiepolitik eine klare grüne Handschrift . Ende 2014 verteilten sich auf dem Landesgebiet fast
1.500 Windkraftanlagen. Nur in den Küstenländern SchleswigHolstein und Niedersachsen sowie dem Windland Brandenburg
kamen 2014 mehr neue Anlagen dazu. Dass mehr als 70 Prozent
der Bevölkerung die Erneuerbaren akzeptieren, geht auch auf die
2012 neu gegründete Energieagentur zurück, die landesweit die
Bürgerinnen und Bürger informiert. Ein „Leuchtt urmprojekt“, das
Unternehmerkultur und ökologischen Wandel zusammenführt, ist
die Gründung des Umwelttechniknetzwerkes „Ecoliance“ unter
grüner Regierungsbeteiligung. Ein Schritt in die richtige Richtung, meint Eveline Lemke: „Diese Branche wächst, indem sie die
Umwelt nicht mehr, sondern weniger belastet.“ Hier werde deutlich, dass sich wirtschaftlicher Erfolg und Umweltschutz nicht ausschließen, sondern zwei Seiten der gleichen Medaille seien. Dass
wirtschaftliche Aktivität die Interessen der Menschen in den Blick
nehmen muss, signalisiert auch der 2014 veröffentlichte „Regionale Wohlfahrtsindex Rheinland-Pfalz“. Er koppelt die wirtschaftliche Entwicklung im Land an soziale Bedürfnisse und den Zustand
der natürlichen Lebensgrundlagen – ein grünes Kernprojekt, nicht
nur für Ministerin Lemke.
10
schrägstrich | Heft 1/2015
Foto: picture alliance / dpa
zur Chefsache erklärt, damit auch die Förderung der Industrie 4.0
Titelthema: Wirtschaft
Eveline Lemke, 50, hat einen Industriedialog angestoßen, um
Perspektiven für den Standort Rheinland-Pfalz zu entwickeln
Tarek Al-Wazir, 44, fördert die Energiebranche in
Hessen und setzt auf mehr Bürgerbeteiligung
Neue Innovationskultur in Hessen Partner auf Augenhöhe
Fotos: HMWEVL, Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz
Schon nach seinem ersten Amtsjahr wird deutlich, welche neuen
Impulse Tarek Al-Wazir in Hessen setzt. Mit 1,5 Millionen Euro fördert das hessische Wirtschaftsministerium beispielsweise einen
Frankfurter Energieversorger, der erneuerbaren Strom in Wasserstoff umsetzt, der dann wiederum ins Erdgasnetz eingespeist
wird. „Damit kann unstetiger Wind- und Sonnenstrom speicherfähig gemacht werden“, erläutert Al-Wazir. „Ein wichtiger Baustein
für die Energiewende.“ Auch nach klassischen Maßstäben zeigt
die Wirtschaftspolitik des grünen Ministers Erfolg. Im letzten Jahr
zogen 144 Unternehmen aus aller Welt nach Hessen oder stockten ihre bisherigen Investitionen dort auf – auch ein Verdienst der
landeseigenen Standortwerbung. Der Wirtschaftsminister setzt
außerdem auf die für die GRÜNEN charakteristische Dialogkultur: „Flughafen Frankfurt, Energieleitungsausbau, Errichtung von
Windkraftanlagen – das sind alles Themen, die schon vor SchwarzGrün in Hessen streitig diskutiert wurden“, so Al-Wazir. „Neu ist,
dass die Landesregierung den Dialog mit allen Beteiligten und
betroffenen Bürgerinnen und Bürgern sucht.“
INDUSTRIE 4.0
Das Schlagwort soll einerseits verdeutlichen, dass wir aufgrund
der Digitalisierung mit Blick auf unsere Produktion vor einer
fundamentalen Veränderung stehen, die unsere Wirtschaftsweise substanziell verändern wird. Andererseits ist damit auch
die Hoffnung verbunden, dass Wirtschaftsstandorte, die stärker von der Produktion als von Dienstleistungen abhängig sind,
eine Zukunft haben. Der Begriff vermittelt die Idee einer intelligenten Fabrik (Smart Factory), die extrem wandelbar, effi zient
und ‒ wenn die Politik entsprechende Rahmenbedingungen vorgibt ‒ auch nachhaltig ist.
Auch Kretschmann hat mehrfach klargestellt, dass er in BadenWürttemberg Unternehmen als Partner und Wegbegleiter für die
Wirtschaftspolitik betrachtet und mit vielen eng zusammenarbeitet. Für viele Unternehmen ist es eine willkommene Neuerung, dass
sie im politischen Betrieb nun Gesprächspartnerinnen und -partner
mit klarer Agenda haben, die nicht nur zuhören, sondern auch ehrlich kritisieren, wenn sie Geschäftsmodelle für reformbedürftig
halten. „Fast drei Jahre lang haben wir mit rund 500 Akteuren einen
kritischen Dialog zu Zukunftsperspektiven der Industrie geführt.
Es war ein in der Bundesrepublik einmaliger Prozess“, berichtet
Ministerin Lemke aus Rheinland-Pfalz. Viele Innovationen werden mit GRÜNEN in der Landesregierung erst richtig angestoßen,
auch in Zweigen, die keine traditionelle Nähe zum Parteiprogramm
haben. „Als Wirtschaftsminister bin ich für die gesamte Wirtschaft
in Hessen Ansprechpartner, nicht nur für ‚grüne‘ Branchen“, ergänzt
Al-Wazir. Wahrscheinlich liegt darin der Erfolg der GRÜNEN in den
Ländern – die ökologische Modernisierung der Wirtschaft mit und
nicht gegen die Unternehmen voranzutreiben.
GL
O
SS
WIRTSCHAFTSPOLITIK
AR
Unter Wirtschaftspolitik werden alle Maßnahmen verstanden, die von der öffentlichen Hand durchgeführt werden, um
eine Volkswirtschaft hinsichtlich bestimmter Zielvorgaben zu
beeinflussen. Unterschieden werden Ordnungspolitik (etwa
Wettbewerbspolitik), Strukturpolitik (etwa Infrastrukturpolitik) und Prozesspolitik (etwa Arbeitsmarkt- und Konjunkturpolitik). Grüne Wirtschaftspolitik orientiert sich an sozialen
und ökologischen Zielen innerhalb des marktwirtschaftlichen
Rahmens, sodass erfolgreiches Wirtschaften zu einer nachhaltigen und gerechten Gesellschaft beitragen kann.
schrägstrich | Heft 1/2015
11
Titelthema: Wirtschaft
„WIR MÜSSEN MONOPOLE
KNACKEN“
Dieter Janecek und Gerhard Schick eint die Vision einer Wirtschaft, die auf fairem Wettbewerb basiert und die weniger Ressourcen verbraucht. Doch es gibt auch Differenzen.
Der schrägstrich hat den wirtschaftspolitischen und den finanzpolitischen Sprecher der
grünen Bundestagsfraktion zu einem Streitgespräch eingeladen.
schrägstrich: Was muss grüne Wirtschaftspolitik am dringendsten
anpacken?
Gerhard Schick: Es geht darum, erst einmal die Gestaltungsmacht wiederzugewinnen, und dazu müssen wir gegen entfesselte
Finanzmärkte und die Konzentration von Vermögen vorgehen. Wir
GRÜNE müssen aufpassen, dass wir bei aller Öffnung für die Wirtschaft nicht die Auseinandersetzung mit den großen Unternehmen
scheuen, die ganze Märkte kontrollieren und die Politik stärker
beeinflussen, als es für eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft gut sein kann.
Dieter Janecek: Ich gebe dir recht, dass wir Monopole knacken
müssen. Dafür haben wir das Kartellrecht. Aber: Ich bin dagegen, die Wirtschaft in Gut und Böse aufzuteilen. Großes Unternehmen ist nicht gleich schlechtes Unternehmen. Es gibt auch
kleine Start-ups mit katastrophalen Arbeitsbedingungen. Andererseits gibt es große Unternehmen wie Infineon, die ein starkes
Interesse an der Energiewende haben, weil sie in diesem Bereich
Produkte verkaufen. Wir müssen denen ja nicht nach dem Mund
reden, aber wir müssen ohne Scheuklappen in der gesamten
Wirtschaft nach Partnern suchen. Bei den Kleinen und Großen,
im Mittelstand und bei den Kreativen. Es gibt überall potenzielle
Partner für eine grünere Wirtschaftspolitik.
FAIRER WETTBEWERB
Fairer Wettbewerb ist eine wichtige Voraussetzung für eine
solidarische und prosperierende Wirtschaft. „Konkurrenz
belebt das Geschäft“ ist ein geflügeltes Wort – aber Wettbewerb kann nicht nur Innovation und technologischen Fortschritt fördern, sondern sorgt auch für sinkende Preise. Damit
Wettbewerb funktioniert, braucht es jedoch klare Regeln und
auch staatliche Eingriffe, etwa damit Preise die ökologische
Wahrheit sagen. Wettbewerb muss aber auch international
fair sein. So dürfen wir unseren Wohlstand nicht auf Kosten
anderer Länder sichern.
12
schrägstrich | Heft 1/2015
Gerhard: Das führt uns aber unweigerlich in ein Dilemma. Denn
um für die kleinen und mittleren Unternehmen faire Marktbedingungen herzustellen, musst du dich mit den großen, dominanten
Playern auseinandersetzen. Wenn wir an die Energiewende so
zögerlich drangegangen wären wie an die Wirtschaftspolitik,
wäre bis heute kein einziges Atomkraftwerk vom Netz gegangen. Ich habe den Eindruck, dass Teile von uns GRÜNEN sagen:
Wir machen den freundlichen Teil der Wirtschaftspolitik und
vermeiden die Auseinandersetzung mit Unternehmen, die nur
nach der Maximierung der Rendite streben und damit Natur und
Menschen zerstören.
schrägstrich: Liegt in der Digitalisierung eher eine Chance für nachhaltigeres Wirtschaften oder birgt sie mehr Risiken als Vorteile?
Dieter: Ich sehe darin ganz klar die Chance, dass wir eine ökologischere Wirtschaftsform ermöglichen können. 100 Jahre lang
war das Automobil das Sinnbild der deutschen Industrie. Wenn
dieses Bild nun vom Smartphone abgelöst wird, mit dem ich mit
selbstfahrenden Autos kommunizieren kann, und die Leute das
Auto nicht mehr besitzen, sondern nutzen, ist das gut. Über digitale Plattformen können wir unser wirtschaftliches Leben ganz
anders organisieren. Wir können zum Beispiel die Energienachfrage über moderne Sensorik intelligent mit dem Energieangebot
GL
O
SS
ORDNUNGSPOLITIK
AR
Ordnungspolitik gestaltet den Rahmen, in dem Wirtschaftsprozesse stattfinden. Sie zielt darauf ab, Preisabsprachen und den
Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu verhindern
und für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Ordnungspolitik heißt nicht, dass der Staat sich raushält und jeder macht,
was er will. Es geht darum, den gesetzlichen Rahmen – ökologische und soziale Standards ebenso wie die Finanzmarktregulierung – in einem demokratischen Prozess festzulegen. Dabei
soll Lobbyeinfluss durch Unternehmen ebenso verhindert werden wie politische Einmischung in einzelne Betriebe.
Titelthema: Wirtschaft
Gerhard Schick (links), 42 , finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, sagt: „Wer faire Bedingungen für kleine und mittlere Unternehmen will, muss in die Auseinandersetzung mit Großkonzernen gehen.” Dieter Janecek, 38, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, will mit
Foto: Marion Hunger
der ganzen Wirtschaft im Dialog sein, um besser entscheiden zu können, welchen Rahmen die Politik setzen muss.
zusammenführen, um Ressourcen zu sparen. Und das Teilen, Tauschen und genossenschaftliche Wirtschaften, das wird über das
Internet auch einfacher.
Gerhard: Das ist mir zu optimistisch. Bisher wurden die technologischen Verbesserungen immer kompensiert oder sogar überkompensiert. Eingesparte Zeit wird in umweltschädliche Reisen investiert, trotz effizienterer Haushaltsgeräte wird insgesamt mehr
Strom verbraucht. Mit dem 3D-Drucker kann ich auch unsinnige
Dinge herstellen, die ich dann wegwerfe. Und dann sind da noch
das Ersetzen menschlicher Arbeitskraft durch digitale Prozesse
und neue ausbeuterische Arbeitsverhältnisse. Ich nenne nur das
Stichwort „Uber“. Die Gesamtbilanz hängt deshalb davon ab, ob
wir die richtige Regulierung für die digitalisierte Wirtschaft durchsetzen können.
schrägstrich: Hat die Politik bei Unternehmen wie Google denn
überhaupt noch Einflussmöglichkeiten?
Gerhard: Durchaus. Das Unternehmen hat ungerechtfertigte
steuerliche Vorteile. Deswegen brauchen wir in Europa endlich
ein Steuerrecht, das sicherstellt, dass solche Unternehmen
genauso behandelt werden wie ein Bäcker oder ein Start-up.
Zweitens geht Google so mit unseren Daten um, dass wir riskieren, unsere Freiheit zu verlieren. Und drittens hat Google eine
zu große Marktmacht, weil es die zentrale Suchplattform anbietet und gleichzeitig mit Unternehmen kooperiert, die über diese
Plattform gefunden werden. Die Politik muss solche Machtkonzentrationen auflösen.
Dieter: Gerhard, hier gehe ich voll mit. Auch wenn das ein ambivalenter Fall ist, muss die Politik hier eingreifen, um den Wettbewerb
fairer zu machen. Google ist zwar ein Unternehmen, das sich sehr
grün gibt. Es investiert sehr viel Geld in erneuerbare Energien,
bringt in den USA das selbstfahrende Auto auf den Weg und setzt
damit auch die deutsche Automobilindustrie unter Druck. Aber der
Marktmacht und dem Datenhunger müssen wir mit Datenschutz,
Kartellrecht und Transparenzpflichten begegnen.
schrägstrich: Muss auch stärker umverteilt werden, um Veränderungen zu erreichen?
Dieter: Priorität Nummer eins ist eine ökologisch gerechte Steuerreform, die schnellstmöglich umweltschädliche Subventionen
abbaut. Und ja, wir müssen für gerechtere Umverteilung sorgen,
aber so, dass wir Selbstständige und Mittelstand nicht wieder
überfordern wie im Bundestagswahlkampf 2013. Gerechtigkeit
hat nicht nur etwas mit Steuern zu tun: Wie verteilen wir in Zukunft
die Arbeit und sichern Wohlstand für alle? Wie ermöglichen wir
Erziehenden und Familien mehr Zeit füreinander, ohne dass sie
finanziell um ihre Existenz bangen müssen? Das sind für mich die
zentralen Gerechtigkeitsfragen.
Gerhard: Wer sich als Wirtschaftspartei bezeichnen will, der
muss die Verteilungsfrage angehen. Da können wir uns nicht
drum herummogeln. Die Stabilität unserer Wirtschaft und unseres
Finanzsystems ist heute durch die Vermögenskonzentration bei
einigen wenigen bedroht. Das führt zu sozialen Verwerfungen. Und
ohne Korrektur der Verteilungsverhältnisse ist eine ökologisch
nachhaltige Wirtschaft mit niedrigen Wachstumsraten weder ökonomisch denkbar noch politisch durchsetzbar.
Das Gespräch führten Andrea Schmitz und Dirk Nordhoff.
schrägstrich | Heft 1/2015
13
Titelthema: Wirtschaft
WACHSEN, SCHRUMPFEN,
ENTKOPPELN?
Seit ihren Gründungstagen streiten die GRÜNEN für nachhaltige Wirtschaftspolitik, die
den Planeten nicht rücksichtslos ausbeutet – auch miteinander. Die Wachstumsdebatte
ist vorangekommen, aber 2015 noch längst nicht am Ende. von schrägstrich-redakteur dirk nordhoff
„Es ist eine elementare, aber anstrengende
Debatte“, sagt Stefka Wiese aus der BAG
Wirtschaft und Finanzen, die die Diskussion
seit 20 Jahren verfolgt. „Urgrüne Wachstumskritiker, linke und neoliberale Ökonomen
haben sich lange im Kreis gedreht.“ Seit einigen Jahren sei die Diskussion konstruktiver,
„auch wenn es noch keine knackige Synthese
gibt und das Thema weiter polarisiert.“
Wirtschaftspause mit Symbolwirkung: der autofreie Sonntag im November 1973
die grüne Partei bemühen, erste Ansprechpartnerin dieser Bewegung zu bleiben“,
mahnt Stefka Wiese.
Zwischen diesen zwei Polen hat die Bundestagsfraktion Modelle entwickelt, um Wohlstand breiter zu definieren als nur über wachsendes oder schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt (BIP). „Wachstum oder Schrumpfung,
das ist ein ideologischer Grabenkampf, aber
gar nicht die Frage!“, sagt Hermann Ott. Er
gehörte 2011 bis 2013 der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ im Bundestag an, die versucht hat, die
erwähnte Synthese zu finden. Ob die Wirt-
DAS MAGISCHE VIERECK BESCHREIBT DAS‡...
...‡Zusammenspiel von vier wichtigsten wirtschaftspolitiischen
Zielen in der klassischen sozialen Marktwirtschaft: hoher
Beschäftigungsgrad, Preisstabilität, stetiges Wirtschaftswachstum und außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Der Zusatz
„magisch“ weist darauf hin, dass die Ziele kaum gleichzeitig zu
erreichen sind und es immer zu einer Abwägung bei der Wahl der
Instrumente kommen muss. Da die Kritik daran wächst, haben die
GRÜNEN Alternativen entwickelt, etwa ein neues Wohlstandsund Nachhaltigkeitsgesetz. Die tragenden Säulen darin sind:
14
schrägstrich | Heft 1/2015
schaft wachse oder schrumpfe, dürfe nur ein
Nebeneffekt der Politik sein, kein Ziel, sagt
Ott. „Das Ziel muss sein, den weltweiten Ressourcenverbrauch absolut zu senken, und
zwar auf eine gerechte Art, die einen globalen Wohlstand ermöglicht.“ Ansätze, Zufriedenheit und Wirtschaftsleistung zu entkoppeln, sollen der grüne Wohlstandskompass
oder ein neues magisches Viereck sein, die
Kaufkraft, Lebenszufriedenheit und Nachhaltigkeit zusammendenken. „Wie wir unseren
Stoffwechsel mit der Natur organisieren,
bleibt die zentrale Frage des 21. Jahrhunderts“, glaubt Hermann Ott. Die Suche nach
der Antwort dauert an.
GL
O
SS
materieller Wohlstand, soziale, ökologische und ökonomiAR
sche Nachhaltigkeit sowie Zukunftsfähigkeit der Staatsfinanzen.
RESSOURCENEFFIZIENZ
Produktion und Konsum sollten möglichst ressourceneffizient
sein, indem so wenig Rohstoffe wie möglich dafür verbraucht
werden. In der weiten Definition zählt dazu auch der technischwirtschaftliche Aufwand für Personal, Kapital und erforderliches
Wissen, in der engen nur der Verbrauch von erneuerbaren und
nicht erneuerbaren Energieträgern sowie Wasser, Luft und Boden.
Foto: picturealliance.com/
Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, hat mit seinem Buch „Intelligent wachsen“ einen Essay pro Wachstum geschrieben. „Mich treibt die Frage um, wie wir den
historischen Wachstumsschub, der sich
gerade in Asien und Lateinamerika abspielt,
in ökologische Bahnen lenken können“, sagt
er. Sein Lösungsvorschlag in der TwitterVariante: „Eine grüne industrielle Revolution.“ Die Aktiven aus der Degrowth-Bewegung (siehe Magazin, S.Â5) widersprechen:
Nach all dem Raubbau am Planeten überfordere auch „grüneres“ Wirtschaftswachstum die Ökosysteme. Lösungsvorschlag:
weniger Flugverkehr, weniger Fabriken –
schrumpfen. Darin stecke auch verordneter Konsumverzicht, der derzeit kaum
mehrheitsfähig ist. „Umso mehr muss sich
Titelthema: Wirtschaft
TTIP – SO NICHT!
Erst haben Bilder von „Chlorhühnchen“ die Bürgerinnen und Bürger aufgeschreckt, jetzt formiert sich breiter Widerstand gegen die „Schattengerichte“. Die Proteste gegen TTIP zeigen, dass internationaler Handel nicht auf Kosten von
sozialen Standards oder der Umwelt gehen darf. von schrägstrich-redakteurin katharina wagner
Die Debatte um die geplanten EU-Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP)
beziehungsweise mit Kanada (CETA)
ist um vier Buchstaben reicher: ISDS.
Sie stehen für das „Investor-State Dispute Settlement“, das Investor-StaatSchiedsgerichtsverfahren. Es sind vier
Buchstaben, die zum neuen Symbol im
Streit um fairen Wettbewerb geworden
sind. Denn die Freihandelsabkommen
scheinen vor allem Unternehmen zu
dienen – und nicht den Menschen oder
der Umwelt.
Am Beispiel des ISDS wird dies besonders deutlich: Beide Abkommen TTIP
und CETA sollen Sonderklagerechte
für Konzerne festschreiben. Ändert
ein Land seine Gesetze, beispielsweise
zum Schutz der Umwelt, und entgehen dem Investor dadurch Gewinne,
kann er ein privates Schiedsgericht
einschalten und Schadenersatz vom
betreffenden Staat fordern. Ganze
Kanzleien in den USA haben diese
„Schattengerichte“ als Geschäftsmodell für sich entdeckt. Bereits die
Androhung einer Klage könnte politische Entscheidungsprozesse in Europa beeinflussen. Die ökologische
Modernisierung der Wirtschaft würde
damit blockiert und verkrustete Wirtschaftsstrukturen zementiert.
Auch die Bürgerinnen und Bürger in den
EU-Mitgliedsstaaten misstrauen diesen
„Schattengerichten“. In einem Konsultationsverfahren der EU-Kommission
äußerten sich knapp 150.000 Personen
zum ISDS – mit eindeutigem Ergebnis:
97 Prozent lehnen es ab. „Unklar definierte Klagegründe, intransparente
Verfahren, fehlende Berufungsmöglichkeiten, keine Trennung von Anwälten
und Richtern, fallabhängige Bezahlung
der Anwälte: Die Liste der Mängel ist
lang“, fasst die Sprecherin für Wettbewerbspolitik der grünen Bundestagsfraktion Katharina Dröge die Kritikpunkte zusammen. „Ein solches Instrument jetzt in TTIP einzubauen, wäre
falsch und verantwortungslos.“
Das Fazit der GRÜNEN: TTIP – so nicht!
Anzeige
‘s mit
Na, wie wär
uns beiden?
Leere Getränkekartons gehören in die Gelbe Tonne!
Nur so können daraus neue Produkte wie z. B. Schuhoder Pizzakartons entstehen. Denn in Getränkekartons
stecken hochwertige Papierfasern. Viel zu schade, um
in der Müllverbrennung zu landen. Rund 2,7 Millionen
Nee, lass mal.
Ich steh’ auf gelb!
Tonnen gebrauchter Getränkekartons wurden seit 1991
recycelt. Das ersparte dem Klima bislang rund eine
Million Tonnen CO2. Trotz Recycling verursachen
Einweg-Plastikflaschen deutlich mehr CO2 als ökologisch
vorteilhafte Getränkeverpackungen.
Das Umweltbundesamt empfiehlt den Kauf von Mehrwegflaschen und
ökologisch vorteilhaften Getränkekartons. Natürlich Klima schützen!
Mehr auf: www.karton-natürlich.de
Eine Initiative des Fachverbandes Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel e. V.
EUROPAGRUPPE GRÜNE
EU-Datenschutz retten
Timmermans = Öko ade?
Ein Gespenst geht um in Europa, das
Gespenst ökologisch-bürokratischer Überregulierung, und EU-Kommissionsvizepräsident Timmermans, ein Sozi, hat sich vorgenommen, es zu verjagen. Er redet von „besserer Regulierung“. Aber praktisch stoppt
er dann die Gesetzgebung zur Kreislaufwirtschaft. BusinessEurope ist happy. Ergo:
Um Grundsätze und Praxis einer ökologischsozialen Marktwirtschaft muss verstärkt
gekämpft werden in der EU. Aber wir haben
Verbündete. Auch in der Wirtschaft.
Reinhard Bütikofer
www.reinhardbuetikofer.eu
Subventionsirrsinn
bei Regionalflughäfen
Der Europäische Rechnungshof bestätigt:
Die meisten Regionalflughäfen sind Steuergräber. Von 20 untersuchten Fällen in
Europa schreibt die Hälfte rote Zahlen. In
Deutschland verbuchen 17 der 23 Flughäfen Defizite. Der eklatanteste Fall: Kassel.
Obwohl der Flughafen Frankfurt schnell mit
dem Zug zu erreichen ist, wurden dort 270
Millionen Euro versenkt. Die Kommission
schreibt vor, dass Flughäfen 2024 auf eigenen Beinen stehen müssen. Ein überfälliger
Einschnitt beim Subventionsirrsinn!
Michael Cramer
www.michael-cramer.eu
Europagruppe GRÜNE
EUROPAGRUPPE GRÜNE
Versagen der Sicherheitspolitik
von Jan Philipp Albrecht
Die
schrecklichen
Anschläge in Paris
haben die Welt schockiert. Die Anteilnahme war gewaltig.
Nach den Ereignissen in Kopenhagen
zeigt sich erneut, wie
wichtig diese Reaktion ist. Sie signalisiert: Auch in der größten Bedrohungslage glauben wir an die
Kraft unserer freiheitlichen Gesellschaft.
Glaube allein wird aber nicht reichen, um
Sicherheit zu garantieren.
Es braucht eine kluge und effektive Innenpolitik, die im Rahmen des Rechtsstaats
ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleistet. Leider machen die Anschläge
deutlich: Die Anti-Terror-Politik seit dem
11. September 2001 ist in einer gefährlichen Sackgasse. Die in Frankreich geltende anlasslose Vorratsdatenspeicherung konnte die Anschläge nicht verhindern. In Kopenhagen war es offenbar
genauso. Doch lagen den Behörden
bereits vor den Anschlägen konkrete
Informationen über alle Täter vor, die auf
eine Gefährdung hindeuteten.
Das Problem liegt nicht in fehlenden
Daten, sondern in der zügigen Auswertung
und Nachverfolgung vorhandener Anhaltspunkte. Das zeigen zahlreiche Fälle verübter oder verhinderter Terroranschläge:
Auch in Ottawa, Boston, Toulouse, Brüssel und im Flugzeug nach Detroit hatte
es Verdachtsmomente gegeben, die eine
zielgerichtete Überwachung erlaubt hätten. Doch sie gingen in der Masse der
Informationen unter oder es fehlte an Personal und Ausstattung zur zügigen Datenauswertung. Die Ursache ist ein Fehler
der Sicherheitspolitik: Während man die
anlasslose Datensammlung als vermeintlich günstiges (in Wahrheit aber sehr kostspieliges) Mittel gegen Terroristen und Kriminelle fördert, wird bei den Sicherheitsund Ermittlungsbehörden – vor allem vor
Ort – massiv gespart. Der gefühlte Sicherheitsgewinn führt damit zu einem realen
Verlust an effektiver Sicherheit auf den
Straßen. Selbst Ermittler bezweifeln zunehmend, dass die anlasslose Datenspeicherung einen Mehrwert für die Sicherheit
bietet. Statt 500 Millionen Euro in die
Überwachung von Fluggästen zu stecken,
sollte das Geld in die Polizei vor Ort und
bessere Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden fließen. Außerdem brauchen
wir mehr Personal, um gegen die Radikalisierung in Gefängnissen vorzugehen. Das
zeigen die Fälle des kurz vor den Kopenhagener Anschlägen aus der Haft entlassenen dänischen Attentäters sowie der beiden Franzosen Kouachi und Coulibaly, die
auch im Gefängnis radikalisiert wurden.
»Der gefühlte Sicherheitsgewinn führt damit zu
einem Verlust an effektiver Sicherheit auf den
Straßen.«
Die Forderung nach immer mehr Daten
hat Innenpolitiker und Sicherheitsbehörden blind gemacht für die eigentlichen
Notwendigkeiten effektiver Terrorismusbekämpfung. Ein diffuses Unsicherheitsgefühl führt zu symbolischen Maßnahmen auf Kosten effektiver Arbeit für
mehr Sicherheit – und damit auf Kosten
der Freiheit und Sicherheit von uns
allen. Um dagegen anzugehen, braucht
es mehr denn je eine offensive grüne
Sicherheitspolitik.
Jan Philipp Albrecht ist innen- und justizpolitischer Sprecher der GRÜNEN Europafraktion und stellvertretender Vorsitzender im Innen- und Justizausschuss des
Europäischen Parlaments.
Foto: Fritz Schumann
Die fast einstimmige Annahme des von mir
verhandelten Textes der EU-Datenschutzverordnung jährt sich zum ersten Mal. Doch weil
es im Ministerrat noch immer keine Position
gibt, verzögert sich die endgültige Verabschiedung. Leider werden die Datenschutzregeln in den dortigen Verhandlungen teilweise
stark abgeschwächt, auch auf Initiative der
Bundesregierung. Damit machen sie eine baldige Einigung mit dem Parlament schwer, auf
Kosten von Verbraucherinnen, Verbrauchern
und Unternehmen in Europa.
Jan Philipp Albrecht
www.gruenlink.de/egu
EUROPAGRUPPE GRÜNE
Geld raus aus fossiler Energie
von Reinhard Bütikofer
Eines wissen wir heute
schon über die Klimakonferenz, die Ende
des Jahres in Paris
stattfinden wird: Die
internationale Klimadiplomatie wird nur
dann über mehr oder
weniger unverbindliche Absichtserklärungen hinauskommen,
wenn es aus der Gesellschaft heraus massiven Druck dafür gibt.
Noch einmal wird die Bewegung der klimapolitisch Aktiven nicht die ganze Hoffnung
im Kampf gegen den Klimawandel nur auf
die Verhandlungen eines UNO-Gipfels setzen.
Doch lässt sich dieser Druck aufbauen?
Die noch junge Carbon-Divestment-Bewegung ist eine große Hoffnung dafür, dass es
diesmal vielleicht doch anders ist. Begonnen in den USA, setzt sie auf die Erfahrung
mit früheren Divestment-Bewegungen,
etwa gegen die Apartheid in Südafrika.
Aber sie stützt sich auch auf eine zusätzliche Ressource, nämlich – große Überraschung! – die Finanzmärkte.
Man muss kein Mathematiker sein, um
die politische Ökonomie und die Dramatik fossiler Investitionen zu verstehen.
Wollen wir die Erderwärmung auf +2°C
begrenzen, dürfen bis 2050 nur noch
565 Milliarden Tonnen CO² ausgestoßen
werden. Das bedeutet zugleich, dass zwischen zwei Dritteln und 80 Prozent aller
weltweit bekannten fossilen Energiereserven unter dem Boden bleiben müssen!
Anders ausgedrückt: Wer sein Geld in solchen Investitionen festgeritten hat, droht
große finanzielle Verluste zu erleiden, wenn
sich vermeintlich produktive Investitionen
in wertlose, gestrandete Anlagen verwandeln. Deswegen sprechen inzwischen mehr
und mehr Akteure an den Finanzmärkten
von der Sorge, dass die „Carbon Bubble“,
die CO²-Blase, platzt.
Da Rentenkassen, Sozialsysteme, städtische
Haushalte, Spareinlagen und vieles mehr –
direkt oder indirekt – eng mit dem fossilen
Sektor verwoben sind, könnte der unweigerliche Niedergang der fossilen Branche,
wenn man nicht rechtzeitig Investitionen
umschichtet, weitreichende gesellschaftliche
Folgen haben.
Finanzielle Risiken abzuwehren und die
Zukunft unserer Kinder gegen dramatische
Klimaveränderungen zu schützen, das
erweist sich nicht als Gegensatz, sondern
als zwei eng verknüpfte Ziele.
Saubere EU-Politik
Ich bin Berichterstatter für einen Initiativbericht zu Transparenz, Integrität und Verantwortlichkeit in den EU-Institutionen. Immer mehr
Bürgerinnen und Bürger kritisieren den starken
Lobby-Einfluss in Brüssel und den Mitgliedsländern. Jährlich verliert die Europäische Wirtschaft 120 Milliarden Euro durch Korruption.
Mit dem Bericht können wir Druck für strengere Regeln machen. Macht mit und schickt
mir Eure Vorschläge für saubere EU-Politik.
Sven Giegold
www.sven-giegold.de/transparenz
Hinkley Point C
Was an der Divestment-Bewegung auch
schön ist: dass sie sich an so viele verschiedene Adressaten richten kann; nicht nur
Regierungen, auch Banken, Versicherungen,
Kommunen, Hochschulen, Kirchen.
Jeder einzelne Erfolg, jeder kleine Schritt nach
vorne schafft zusätzliches Momentum für die
ganze Bewegung. Deswegen eignet sich der
Carbon-Divestment-Ansatz auch dazu, der
Klimabewegung, die erheblich Schwung verloren hatte, neue Dynamik zu geben.
Reinhard Bütikofer ist Mitglied im Ausschuss
für Industrie, Forschung und Energie sowie
stellvertretender Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zur VR China im
Europäischen Parlament.
Gegen den ersten AKW-Neubau in Europa
seit Fukushima regt sich Widerstand: Österreich und Luxemburg reichen Klage vor
dem EuGH ein, auch Greenpeace Energy
prüft rechtliche Schritte gegen die von der
alten EU-Kommission durchgewunkenen britischen Beihilfen in Milliardenhöhe. Sollte
Labour im Mai die Parlamentswahlen gewinnen, steht der Neubau auf der Kippe. Wir
leisten Schützenhilfe im Kampf gegen das
teure und riskante Projekt mit einer großen
Konferenz am 5. März 2015 in London.
Rebecca Harms
www.rebecca-harms.de/index.php/
presse/termine
CO₂-Blase und Divestment:
Die vollständige Infografik gibt es unter
www.gruenlink.de/w5u
ZWEI DRITTEL ALLER FOSSILEN
ENERGIEVORRÄTE DÜRFEN NICHT VERBRANNT WERDEN
Um das 2°C-Ziel zu erreichen, darf der globale C02 -Ausstoß bis 2050 nicht mehr
als 900 Gigatonnen betragen. Umgerechnet bedeutet das, dass rund 68% der
globalen Öl-, Gas- und Kohlereserven unter der Erde bleiben müssen.
Europagruppe GRÜNE | Europäisches Parlament | www.gruene-europa.de | [email protected] | twitter: @gruene_europa | facebook.com/europagruene
EUROPAGRUPPE GRÜNE
Tierarznei- und Arzneifuttermittel
Eine Haltung, die krank macht: Auch das
Europaparlament befasst sich in diesem Jahr
intensiv mit dem Einsatz von Arznei- und Arzneifuttermitteln in der Tierhaltung. Als Schattenberichterstatter der drei Verordnungsvorschläge setze ich mich dafür ein, die richtigen
Prioritäten zu setzen: Nicht das Verkaufsinteresse der Pharmaindustrie darf im Mittelpunkt stehen, sondern die Begrenzung missbräuchlicher Anwendungen. Diese gelingt
mit der – richtigen! – Haltung von Tieren.
Martin Häusling, www.martin-haeusling.eu
Milchpolitik: Jetzt handeln!
Das Ende der Milchquoten ab April 2015
soll die EU-Milchwirtschaft fit für den Weltmarkt machen. Dabei drohen umwelt-, tierschutz- und entwicklungspolitische Ziele
ins Hintertreffen zu geraten. Die Risiken
der Liberalisierung, wie volatile und nicht
kostendeckende Preise, werden auf die
Milchbäuerinnen und -bauern ausgelagert.
Im Landwirtschaftsausschuss setze ich
mich dafür ein, vorausschauende Kriseninstrumente zu schaffen und das Angebot an
die Nachfrage in der EU anzupassen.
Maria Heubuch, www.gruenlink.de/wfc
Konfliktmineralien stoppen!
Unsere Elektrogeräte funktionieren oft
durch Metalle aus Krisenregionen, deren
Verkauf die Konfliktparteien unterstützen.
Im Handelsausschuss besprechen wir zurzeit ein Gesetz, das den Import von solchen
sogenannten „Konfliktmineralien“ regelt.
Leider ist der Gesetzesvorschlag schwach:
Es soll nur eine unwirksame freiwillige
Selbstverpflichtung für Importeure von
Mineralien geben. Wir fordern eine verpflichtende Regulierung für alle Produkte,
die Konfliktmineralien beinhalten.
Ska Keller, www.skakeller.de
Raif Badawi
Im Februar verabschiedete das Europaparlament eine von uns mitinitiierte Resolution
zur Menschenrechtslage in Saudi-Arabien
und zum Fall des Bloggers Raif Badawi. Die
konservative EVP-Fraktion, der auch CDU
und CSU angehören, stimmte mehrheitlich
gegen den Text. Die Forderung, den Netzaktivisten unverzüglich freizulassen, ging ihr
offensichtlich zu weit. Für uns GRÜNE ist das
nur ein Anfang: Wer foltert, darf nicht als Stabilitätsanker in der Region gelten. Der Export
von Waffen nach Saudi-Arabien gehört
umgehend gestoppt.
Barbara Lochbihler, www.barbara-lochbihler.de
EUROPAGRUPPE GRÜNE
Untersuchungsausschuss zu
Steuerdumping durchgesetzt
von Sven Giegold
Transnationale Unternehmen missbrauchen
seit Jahrzehnten den
europäischen Binnenmarkt, um Steuern
zu vermeiden. Das ist
ein Ärgernis für ehrliche Steuerzahler und
die lokal verwurzelte
Wirtschaft, die zu solchen Steuerschiebereien
keine Möglichkeiten hat. In den letzten Jahren hat dieser aggressive Steuerwettbewerb
in Europa Ausmaße angenommen, die ernsthaft an der Glaubwürdigkeit der europäischen
Werte, wie fairer Wettbewerb und sozialem
Zusammenhalt, rütteln. Seit Mitte 2014 prüft
nun endlich die EU-Kommission, ob Mitgliedsstaaten durch ihre Steuerpraktiken gegen EUBeihilfevorschriften verstoßen. Konkret geht es
darum, dass die Finanzämter bestimmter EUMitgliedsstaaten transnationalen Konzernen
maßgeschneiderte Steuerbescheide („rulings“)
schicken, die ihre individuelle Steuerlast erheblich reduzieren.
»Wir werden die unlauteren Praktiken in allen
EU-Staaten untersuchen
und Gesetze gegen Steuerdumping vorbereiten.«
Die Kommission hat seit Beginn der Untersuchungen in vier Fällen förmliche Prüfverfahren eingeleitet: gegen Irland (Apple),
Niederlande (Starbucks), Luxemburg (Fiat
Finance & Trade und Amazon) sowie Belgien. Auf Initiative der GRÜNEN werden
diese unlauteren Praktiken zu Steuerdumping und -vermeidung nun auch im Rahmen eines Sonderausschusses des Europäischen Parlaments umfassend aufgeklärt.
Denn die Mitgliedsstaaten haben durch
ihre Steuerpraktiken eventuell nicht nur
Wettbewerbsrecht gebrochen. Nach unseren
Erkenntnissen verstoßen diese Staaten wohl
auch gegen die seit 1977 bestehende Pflicht
zum Spontanaustausch von Steuerinformationen. Die EU-Kommission selbst steht ebenfalls in der Kritik, die Mitgliedsstaaten nicht
eher zur Achtung des Unionsrechts angehalten zu haben. Unter Beobachtung stehen außerdem einzelne Konzerne, die durch
das künstliche Verschieben von Gewinnen
in Niedrigsteuerländer eventuell nationale
Steuergesetze gebrochen haben. Zu untersuchen ist auch, warum die Regierungen
Deutschlands, Frankreichs und vieler anderer Länder dem Treiben der Großunternehmen widerstandslos zugesehen haben.
Unter Hinweis auf fragwürdige rechtliche
Bedenken verhinderten EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sowie die Fraktionsvorsitzenden von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen einen von uns
geforderten echten Untersuchungsausschuss
mit weiter reichenden Kompetenzen. Dass
sich 191 Abgeordnete, das sind mehr als
25 Prozent des EU-Parlaments, mit ihrer Unterschrift fraktionsübergreifend für einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen hatten,
ignorierte Schulz und trat damit die Minderheitsrechte des Parlaments mit Füßen. Doch
unter dem durch LuxLeaks entstandenen
großen Druck der Öffentlichkeit konnten wir
gegen den Widerstand der Großen Koalition
im Europäischen Parlament zumindest einen
Sonderausschuss durchsetzen. Wir GRÜNE
werden nun alle uns zur Verfügung stehenden
Mittel nutzen, um im Rahmen dieses Mandats
die unlauteren Praktiken in allen EU-Staaten
zu untersuchen, und darüber hinaus Gesetzesinitiativen vorbereiten, um Steuerdumping und
-vermeidung in Zukunft zu verhindern. Über
Hinweise freue ich mich.
Sven Giegold ist Sprecher der Europaabgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
EUROPAGRUPPE GRÜNE
Freizügigkeit und EU-Förderpolitik:
Antworten statt Populismus
von Terry Reintke
Jugendbeschäftigung
Wenn ich Parolen
wie „Wer betrügt, der
fliegt!“ von der CSU
lese, möchte ich Horst
Seehofer und Co. gerne
höchstpersönlich in
eine internationale Förderklasse nach Gelsenkirchen einladen: Dort
sitzen Micaela aus Rumänien und Denisa aus
Bulgarien, die gemeinsam Deutsch und Mathe
lernen und die Möglichkeit bekommen, sich in
der Ruhrmetropole zurechtzufinden. Bei einem
Besuch könnten sich die Gäste aus Bayern
ein Bild davon machen, wie gelebte Inklusion
aussehen kann.
Foto: Bülent Suat En Güzel
»Die europäische Förderpolitik muss die
Menschen, die Unterstützung am nötigsten
brauchen, in ihre Prozesse einbinden.«
Die Freizügigkeit ist ein für uns GRÜNE unumstößlicher Grundpfeiler der Europäischen
Union. Dort, wo sich daraus Herausforderungen ergeben, bedarf es politischer Antworten statt populistischer Hetze. Mit meinem
Bericht im Regionalausschuss leiste ich dazu
einen Beitrag: Die europäische Förderpolitik
muss die Menschen, die Unterstützung am
nötigsten brauchen, in ihre Prozesse einbinden.
Dabei ist es wichtig, die konkreten Herausforderungen anzugehen, denen sich Städte wie
Gelsenkirchen gegenübersehen. Armut sowie
Wohnungs- und Arbeitslosigkeit sind besonders stark unter zugewanderten Bürgerinnen
und Bürgern verbreitet, für Unterkünfte,
Schulen und soziale Leistungen muss Geld
aufgebracht werden. Viele Kommunen sind
dabei auf finanzielle Hilfe angewiesen, insbesondere auf Mittel der Europäischen Union.
Die EU will also Freizügigkeit und lässt die
Städte dann mit den Herausforderungen
alleine? Ganz im Gegenteil: In der neuen
Förderperiode 2014 bis 2020 wird die
EU ein Drittel ihres Haushalts, also circa
350 Milliarden Euro, für regionale Förderprojekte einsetzen. Dabei stehen seit 2014 nun
auch sogenannte marginalisierte Gruppen
im Fokus: Randgruppen in großer Armut,
systematischer Chancenlosigkeit und Diskriminierung, wie beispielsweise Roma, sollen
aktiv in die Mittelvergabe aus den EU-Fonds
einbezogen werden. Der Praxistest steht
noch aus – und diesen habe ich im Regionalausschuss des Europaparlaments auf die
Tagesordnung gesetzt.
Bei der Umsetzung des Partnerschaftsprinzips bestehen die umfangreichen Mitspracherechte der Zivilgesellschaft leider oft
nur auf dem Papier. Organisationen von
Sinti und Roma berichten mir sehr deutlich,
dass eine echte Teilhabe bei der Planung
der Mittelvergabe derzeit nicht stattfindet.
Die Mitgliedsstaaten der EU müssen hier
verpflichtet werden, echte Partnerschaften
aufzubauen. Aber auch die Europäische
Kommission muss ihre Aufgaben wahrnehmen und die Umsetzung regelmäßig
einfordern und überprüfen. Zu oft verlässt
sie sich dabei noch auf das Wohlwollen der
Behörden vor Ort.
Eine inklusive und transparente Mittelvergabe
entlastet die Kommunalfinanzen und macht
die Strukturpolitik der EU gerechter. So können
Micaela und Denisa gemeinsam weiterlernen
und der Horst aus Bayern hat auch in Zukunft die
Möglichkeit, sie in Gelsenkirchen zu besuchen.
Um eine rasche Umsetzung der Jugendbeschäftigungsinitiative zu ermöglichen, hat
die Kommission vorgeschlagen, die Verordnung zum Europäischen Sozialfonds zu
ändern. Die Vorfinanzierung der Kommission könnte so auf 30 Prozent erhöht werden. Damit gehen den betroffenen Staaten die Ausreden aus. Es ist nun an ihnen,
die Mittel unverzüglich den Begünstigten
zur Verfügung zu stellen. Bis zu 650.000
arbeitslose Jugendliche können davon profitieren. Jeder Tag, den die Regierungen
warten, ist ein verlorener Tag für junge
Menschen in der EU.
Terry Reintke
www.terryreintke.eu
TTIP: Kultur- und
Bildungsausnahme
Als Berichterstatterin im Kultur- und Bildungsausschuss für TTIP fordere ich gemäß
der UNESCO-Konvention zum Schutz der
kulturellen Vielfalt, dass die EU weiterhin
Filme, Fernsehsendungen und audiovisuelle Dienste fördern und regulieren kann.
Die Buchpreisbindung muss erhalten bleiben. Bildung, staatlich oder in Teilen staatlich finanziert, darf nicht zur Marktöffnung
angeboten werden und für private US-Bildungsanbieter müssen unveränderte Qualifikationsstandards gelten.
Helga Trüpel
www.helgatruepel.de/?p=4399
Verantwortlich Europaseiten: Paul Maximilian Alex
Terry Reintke ist regionalpolitische Sprecherin der Fraktion Die GRÜNEN/EFA im
Europäischen Parlament.
Europagruppe GRÜNE
Europagruppe GRÜNE | Europäisches Parlament | www.gruene-europa.de | [email protected] | twitter: @gruene_europa | facebook.com/europagruene
Parteileben: 35 Jahre DIE GRÜNEN
on
opf v
arder K r ühere P r
n
e
g
f
ä
e
r
l
e
i
p
h
d
t
n
ir
0:
Ei
nne B
nis 9
Bünd fin Maria
e
t e ic h
So viel Parteigeschichte auf einem Fleck war noch nie:
19 Parteivorsitzende, 2 Politische Bundesgeschäftsführerinnen und -geschäftsführer, 5 Schatzmeister und
28 weitere Mitglieder im Bundesvorstand feierten am
12. Januar 2015 zusammen 35 Jahre GRÜNE
Das Klassen
treffen der
besonderen
fünf Schatzm
Art :
eister auf ei
nem Bild. V.
Benedikt M
ºl.ºn.ºr.:
ayer, Alfred
Vordermaier
Gründungs
(im
vorstand 19
8
0)
Dietmar Str
, A xel Vogel
,
ehl und Hen
ry Selzer
en ,
r
ssch
i n bi it z e n d e r :
e
k
u n d t e i vo r s r d n e t e
…
Par
geo
ahre
3 5 J . Fr ü h e r s t a g s a b e l e
b
e
e
l e i s e B u n d n St r ö
ia
t
h e u - Ch r i s t
s
Han
Kaum zu glauben … eben war noch Gründungsparteitag in
Karlsruhe – und schon sind die GRÜNEN gar nicht mehr wegzudenken aus dem Parteiensystem. Zugegeben, ganz so einfach war der Weg dorthin nicht. Höhenflüge, Grabenkämpfe,
Zus amm en auf die Zuk unf
Auf- und Umbrüche schrieben grüne Geschichte. Und mit
t:
Joh ann Müller- Gaz ure k, eins
t
ihnen viele Weggefährtinnen und -gefährten. Bei sitz er im Bun des vor sta
nd
Das Jubiläum zum 35. war der Anlass, sie wieder zu versammeln und noch einmal für sich und für die Partei
sprechen zu lassen. Der amtierende Bundesvorstand
lud dazu erstmalig ehemalige Vorstandsmitglieder ein –
eine Premiere für die junge, alte Partei! Mehr als 50 Gäste
und 35 Jahre geballte grüne Geschichte fanden bei dem
Festessen in der Bundesgeschäftsstelle zusammen.
35 ist aber kein Alter, um nur zurückzublicken – sondern
ge
auch, um auf die Zukunft anzustoßen und die Erfolgsinsti
Der e ach :
s
u
geschichte gemeinsam fortzuschreiben: Jung &
rN
nha
s ein e
den
t io n e
n e r a n a b e m i t m t ie r e n
e
Alt, Ost & West, Neumitglieder & Grüne der ersten
g
r
a
h
K
e
m
m
M
e
l
r
es
he
dd
Stunde. Herzlichen Glückwunsch und weiter so,
G r ün ichef Wil Ro th un ä ft sführe
h
c
dia
s
u
ar te
e
a
l
P
g
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN!
rin C
ndes
f o lg e h e n B u
r
isc
P o l i t e l Ke l l n e
a
M ic h
N och e
in
Ost g r ü G r und z u fe
ie
n
Friedr en haben 25 rn: Die
ich He
-J
ilmann ähriges.
im Vor
w
stand
dabei. ar 1990
20
schrägstrich
schrägstrich ||Heft
Heft1/2015
1/2015
35 JAHRE GRÜNE
Geschichte kurzweilig
erzählt! Jetzt die Jubiläumsbroschüre bestellen unter
www.eshop.gruene.de
Par t
ei
vo m e r z ä h l u n
ehem
g aus
L u ka
a
e
s B ec ligen Vo r ster Ha
r si t z
k man
ende nd
n
n
Foto: BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, Ingo Kuzia
Oldie
s
Grise but Goldie
ba
s:
mit P ch, Par teiv Manon An
e t ra K
d r ea s
orsitz
e
N a ch
folge lly, im Ges ende gem
r L ud
e
p
in
r
ä
sa
c
h
ge r V
olmer mit ihrem m
JÄHRIGES BESTEHEN
S ech s
Vo
für die rsitzende mit
Par tei.
Luft un
V
Krista
d Liebe
Sager, .ºl.ºn.ºr.: Renat
J ü r gen
e Kü n a
mir, Wil
st ,
Trittin ,
helm K
Ce
na be u
nd Sim m Özdeone Pe
ter
Parteileben: Bürgerschaftswahlen in Bremen und Hamburg
Aller guten Dinge sind drei
In Bremen kann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Mai zum dritten Mal in Folge in die Regierung gewählt werden.
Rückenwind erhält das Wahlkampfteam aus Hamburg, wo die GRÜNEN bei der Bürgerschaftswahl 12,3 Prozent erreichten.
von schrägstrich-redakteurin katharina wagner
Foto: picture alliance / dpa
Am 10. Mai ist Bürgerschaftswahl in Bremen, die Messlatte liegt
hoch. Bei der letzten Wahl 2011 erzielte BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ein Rekordergebnis von 22,5 Prozent. Seit acht Jahren regieren die
GRÜNEN in einer Koalition mit der SPD. Die Wählerschaft erneut
zu mobilisieren, ist eine Herausforderung, aber auch eine historische Chance, die dritte Regierung in Folge zu sichern. Die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer arbeiten außerdem gegen einen
Trend an, der sich zuletzt bei der Hamburger Bürgerschaftswahl
fortsetzte: Rechte Parteien haben gefährlichen Zulauf, während
die Wahlbeteiligung so niedrig wie nie ist.
Mut machen die Wahlergebnisse aus Hamburg: Die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer wussten mit einem schlauen Programm
aus grünen Kernthemen von sich zu überzeugen. „Klimaschutz, Radfahren wie in Kopenhagen, eine bunte Stadt für alle und Beteiligung
statt Basta“ – 12,3 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten für das grüne Konzept. Der Hamburger Landesverband von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verbesserte nicht nur sein Wahlergebnis
um 1,1 Prozentpunkte, sondern erreichte auch sein zweites Wahlziel: die Alleinregierung der SPD zu beenden. Zum Zeitpunkt des
Redaktionsschlusses stehen alle Zeichen auf Rot-Grün.
Ein Mutmacher für Bremen: 12,3 Prozent holte das Hamburger Spitzenteam Katharina Fegebank, 38, und Jens Kerstan, 49
Anzeige
Unser Maßstab:
UNABHÄNGIGE
FORSCHUNG
FÜR MEHR QUALITÄT
Wir vernetzen Wissenschaft und Pflegepraxis. Unsere gemeinnützige Stiftung
gilt bereits als nationales Kompetenzzentrum. Sie stellt ihr Wissen kostenlos
zur Verfügung. Damit setzen wir Maßstäbe. Und machen Pflege für alle besser.
www.pkv.de
Parteileben: Grüne Heldengeschichten
opposition gestalten
„Mama Maria“ aus Scharnebeck
Nur eigenständig gut
63 Flüchtlinge leben im niedersächsischen Scharnebeck – Maria Lazer kennt sie alle persönlich. Die Grüne hilft
ihnen auf ihre Weise – direkt, pragmatisch und mit viel Herz. von schrägstrich-redakteurin katharina wagner
undestag befinden sich die Grünen zwischen den Fronten: Von
Nein, als angreifen,
eine Art Mutt
er Teresa sieht
sich Maria
nicht. Und
-gelbe Regierung
andererseits
stehen
sie imLazer
Wettbewerb
doch
sagt
ihr
Spitzname
„Mama
Maria“
einiges
über
die Grüne
müssen sich von diesen abgrenzen.
artei in
keit. Als
re Posiinie als
Ein Kont ökolosondern
asteten
ken die
bt zwar
r Politik
are Difbereits
en wird,
Linke ist
en eine
ucht sie
n. Darüen-Wähbis zur
status zunehmend auch ihre Rechte als Staatsbürger einbüßen,
weil
sozialerAUF
Ausschluss
in vielen Fällen gleichzeitig Ausschluss
EIN BLICK
SICH SELBST
von
demokratischer
bedeutet. die ihr Glück selbst in die
Maria
Lazer gehört Teilhabe
zu den Menschen,
Hand nehmen – und wenn es die Sache erfordert, auch das anderer
Die
Oppositionsstrategie
der Grünen müsste
sichJahren,
vor diesem
HinLeute.
Es war in der Vorweihnachtszeit
vor zwei
ihr Mann
tergrund
vor allem
von einem
Prinzip leiten
lassen:
der
feierte seinen
Geburtstag.
Die Erkenntnis,
„dass
wir jaBetonung
alles haben“,
Eigenständigkeit.
Strategie
schließt ein gemeinsames
Vorgebewegte sie dazu,Diese
an die
lokale Flüchtlingshilfe
zu spenden.
Das
hen
den beiden
anderen
Oppositionsparteien
Geldmit
brachten
ihr Mann
und sie
persönlich vorbei nicht
– dasaus,
war bedeufür sie
tet
andererseits aber
auch:
Opposition
gegen
die Initialzündung.
„Von
dem keine
Moment
an habe ich
michSchwarz-Gelb
eingeklinkt.“
um jeden Preis. In beiden Fällen geht es für die Grünen darum, ausgehend
von ihrem
Kernthema
Ökologie,
eigenständige
Profil
63 Flüchtlinge,
größtenteils
junge
Männer das
aus dem
Sudan, leben
im
kenntlich
zu
machen.
Dabei
kommt
es
darauf
an,
ob
und
wie
es
den
Gemeindeverbund von Scharnebeck. Maria Lazer, die nie eine VerGrünen
Ökologie mit
der
Umsteuerung
der inWirtschaft
in
bindung gelingt,
zur Flüchtlingshilfe
hatt
e und
„auch noch nie
Afrika war“,
Richtung
grüner Wachstumsmärkte,
mit nachhaltiger
Finanzpolitik
wurde innerhalb
kürzester Zeit zu einer
engen Vertrauten.
Behörsowie
mit Armutsbekämpfung
zu verknüpfen.
Darüber
hinaus
dengänge,
Arzt- und Anwaltsbesuche
– mit ganzer
Kraft
setztbleisie
ben
Bürgerrechte
und Flüchtlinge
demokratische
Teilhabe
Anliegen,
sich für
das Wohl der
ein. Mit
ihremzentrale
Kleinwagen
flitzt
in
zukünftig
eine eigene
Handschrift
erkennbar
siedenen
durch auch
die Region
und sammelt
die grüne
Spenden
großzügiger
Bürgesein
müsste.
ø
rinnen
und Bürger ein. Sie selbst schenkt den Flüchtlingen inzwischen vor allem ihre Zeit und ein offenes Ohr: „Ich kenne alle Flüchtlinge mit Namen – und ich kenne ihre Geschichten.“ So wundert es
nicht, dass sie von ihnen den Spitznamen „Mama Maria“ erhielt.
Auch ihr Ansehen in der Gemeinde als stellvertretende BürgerLothar
Professor amGrünenmitglied hilft ihr dabei,
meisterinProbst
und alsist
stadtbekanntes
Institut
für Politikwissenschaft
pragmatische
Lösungen zu findender
– zum Beispiel, wenn es um die
Universität
Bremen der
undSachspenden
leitet den geht. Ihre einfühlsame, aber
gerechte Verteilung
Arbeitsbereich
Parteien- und
direkte Art ist Wahl-,
dann besonders
gefragt, sowohl gegenüber den
Partizipationsforschung.
gebenden wie den nehmenden Händen.
Anzeige
Maria Lazer, 64, im „Café Noir“ – ein von ihr gegründeter Treff punkt
für Flüchtlinge und Einheimische
MIT GANZEM HERZEN DABEI
Doch was ihr Engagement für die Flüchtlinge wirklich auszeichnet,
ist die große Selbstverständlichkeit, die die Grüne dabei umgibt.
Sie nimmt die Dinge in die Hand, ohne viel Aufhebens. Und wie
sie gibt es Tausende in Gemeinden und Dörfern im ganzen Land –
Menschen, die sich „einklinken“, wie die 64-Jährige sagen würde.
Die sich für andere in einer Notlage starkmachen und damit ganz
unaufgeregt allen Schreihälsen von Pegida & Co. zeigen: Wer am
lautesten brüllt, hat trotzdem nicht recht.
Maria Lazer ist somit ein Gesicht der starken Bürgerbewegung für
Flüchtlinge, der sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verpflichtet fühlt.
Rückblickend hätte sich die frühere Krankenschwester und Lehrerin für Pflegeberufe auch vorstellen können, in die internationale
Entwicklungszusammenarbeit zu gehen. Das Leben aber führte
sie in eine kleine Gemeinde nach Niedersachsen – ein guter Ort für
jemanden mit so viel Herz. Danke, „Mama Maria“!
Anzeige
GRÜNE HELDENGESCHICHTEN
Sie nehmen sich selbst nicht so wichtig. Für die
Partei sind sie es aber umso mehr: die grünen
Heldinnen und Helden an der Basis. Der schrägstrich
stellt in jeder Ausgabe ein solches Parteimitglied vor.
Wir freuen uns über Deine Vorschläge und Heldengeschichten an:
PD und
ter den
Generadarum,
ht, wäre
ie Linke
ernsten
rker als
[email protected]
22
schrägstrich | Heft 1/2015
seite
9
Foto: privat
ung für
m neuen
u besetOb Röttann, ist
etenzen
fel. Wie
ch sein
estrebt,
den Grü-
aus der niedersächsischen Gemeinde Scharnebeck im Landkreis
Lüneburg. Man kennt sie hier: als stellvertretende Bürgermeisterin der Gemeinde, als Organisatorin des beliebten „Kleidermarktes
für starke Frauen“, als Demonstrantin gegen Tiermastanlagen.
Oder eben als „Mama Maria“ – eine Rolle, die der 64-Jährigen wie
Anwalt
auftreten,
die mit ihrem sozialen Armutsauf den für
Leibdiejenigen
geschrieben
ist.
Parteileben: Porträts
Ein Thema, das bewegt
Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Mobilität und Verkehr entwickelt inhaltliche Konzepte für eine zukunftsfähige Mobilität.
von schrägstrich-redakteurin andrea schmitz
„Da ist noch viel Luft nach oben, in Sachen Klimaschutz etwas zu
bewegen“, sagt Hermino Katzenstein zu seiner Motivation, sich
mit Verkehrspolitik zu beschäftigen. Für 25 bis 30 Prozent der klimaschädlichen Emissionen ist der Verkehr verantwortlich. Daher
steht auch für Sabine Müller, die mit Katzenstein seit 2012 das
Sprecher-Duo der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Mobilität
bildet, fest: „Ohne Verkehrswende wird die Klimawende scheitern.“
Persönlich haben Sabine Müller und Hermino Katzenstein schon lange
umgesteuert. Sowohl die Kölnerin, die sich am Fraunhofer-Institut Euskirchen mit „technologischen Trends im Bereich Logistik und Mobilität“
beschäftigt, als auch der Neckargemünder, der an der Uni Heidelberg
arbeitet, setzen auf Fahrrad und Bahn als Haupttransportmittel.
Dass die Infrastruktur den Radverkehr noch immer an zu vielen
Stellen vernachlässigt, ist natürlich ein Thema in der BAG. Rund
35 Personen arbeiten in der Gruppe an zukunftsfähigen Mobilitätskonzepten. Fast immer mit dabei: Michael Cramer (MdEP), Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Tourismus. Beim nächsten
Treffen im März in Kassel wird ein Referent ein Bonus-Malus-Konzept für den Kauf von Autos darlegen, das sich selbst finanziert und
nicht auf Elektro-Antrieb beschränkt ist. Die ungeklärte zukünftige
Finanzierung des ÖPNV steht regelmäßig auf der Tagesordnung.
Es gab und gibt interne Diskussionen zur Straßenmaut. Aber: „Wir
sind uns in der Ablehnung der uneuropäischen, unökologischen,
unrentablen und unsinnigen CSU-Maut einig. Dieses Konzept ist
völlig hirnrissig!“, beschreibt Katzenstein die Position der Arbeitsgemeinschaft. Unstrittig sei auch, dass eine Lkw-Maut bereits ab
3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht kommen soll.
Sabine Müller liegt angesichts des demografischen Wandels
zudem die Frage am Herzen, wie sich ältere Menschen in Zukunft
auch ohne Auto
sicher und selbstständig bewegen
können. „Es reicht
nicht, dass sie ohne
Stufen in die S-Bahn
kommen“, sagt sie.
Sabine Müller
Hermino Katzenstein
Was macht eigentlich … Regine Barth?
Sie prägten die Partei – und die Partei prägte sie. Was machen ehemalige grüne Spitzenpolitikerinnen und -politiker heute,
wie gestalten sie ihr Leben außerhalb des Politikbetriebs? In der neuen Serie „Was macht eigentlich …?“ begibt sich der
schrägstrich auf Spurensuche. Diesmal mit: Regine Barth. von schrägstrich-redakteurin andrea schmitz
„Ich kann gut zwischen verschiedenen Welten vermitteln“, sagt
Regine Barth über sich selbst. Und genau das ist auch gefordert von der Leiterin der neuen Stabsstelle „Fluglärmschutz“
im hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium. Tarek
Al-Wazir holte die Volljuristin und ausgewiesene Fluglärmexpertin zum 1. November 2014 vom Öko-Institut in Darmstadt.
Seit 2001 hatte Regine Barth beim Öko-Institut den Bereich
Umweltrecht und Governance geleitet – eine Schnittstellenfunktion zwischen Wissenschaft und Politik. Nicht Politikbetrieb pur, keine Karriere aufgrund des Parteibuchs. Dafür hatte
sie sich nach vier Jahren im Bundesvorstand, wo sie von 1994 bis
1998 zuständig für Jugend, Bildung und Forschung und zudem
International Secretary war, bewusst entschieden.
Das hat bei der Gründergeneration für hochgezogene Augenbrauen
gesorgt, weil sie sich selbst noch als jung empfanden und keine Notwendigkeit für eine Jugendorganisation sahen. „In gewisser Weise
waren wir eine zweite Generation, die Politik bei den GRÜNEN mitgestalten wollte, aber ohne den teilweise brachialen gegenseitigen
Umgang“, sagt sie rückblickend. Mitglied ist die Wahl-Frankfurterin
bis heute. Und klar ausgerichtet ist auch ihr „innerer Kompass an
Werten und Zielen“, wie sie es nennt. Aber jenseits von Wahlperioden und -programmen denken zu können, das schätzt sie ebenfalls.
Und so arbeitet sie an ganz konkreten und
integrierten Lösungen für mehr Lärmschutz am Frankfurter Flughafen.
Fotos: privat
Regine Barth, 46, war von 1994 bis
Dass sie ihren eigenen Weg sucht und findet, bewies Regine Barth
auch, als sie Anfang der 1990er-Jahre grüne Hochschulgruppen
gründete, strömungsübergreifende U-30-Treffen organisierte,
um junge grüne Politikerinnen und Politiker zu vernetzen, und die
Gründung des Grün-Alternativen Jugendbündnisses unterstützte.
1998 Sprecherin des Bundesvorstands
für Jugend, Bildung und Forschung.
Seit 1. November 2014 leitet sie die
neue „Stabsstelle Fluglärmschutz“ im
hessischen Verkehrsministerium.
schrägstrich | Heft 1/2015
23
Parteileben: Neues aus der Partei
Pünktlich zum Internationalen Frauentag am 8. März startete
die Kampagne „Fifty-Fifty“. Das Ziel: der Frauenquote in den
eigenen Reihen zu neuem Leben verhelfen. von gesine agena
Keine andere Partei in Deutschland hat so viele weibliche Mitglieder und so viele Frauen in Spitzenpositionen wie BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN. Der Grund dafür? Die grüne Frauenquote! Aber: Auch
wir GRÜNE können noch mehr für die Gleichberechtigung in den
eigenen Reihen tun!
Das hat eine Umfrage unter 151 Kreisverbänden gezeigt, die wir
im Vorfeld unserer neuen parteiinternen Kampagne durchgeführt
haben. Mancherorts finden sich trotz großer Bemühungen nicht
genug Kandidatinnen für die Gremienarbeit. An anderen Stellen
hapert es bei der praktischen Umsetzung des Frauenstatuts, wie
bei Listenaufstellungen, Redelisten oder Frauenveto. Das liegt
zum Teil an Unwissenheit oder Unsicherheit, in einigen Fällen wird
das Frauenstatut aber auch leider bewusst nicht eingehalten.
Das will ich gemeinsam mit Euch ändern – denn von mehr Gleichberechtigung profitieren wir alle! Wenn das Frauenstatut richtig
angewendet wird, ist es weit mehr als eine trockene Satzungsfrage. Mit der Kampagne „Fifty-Fifty“ wollen wir neue Lust auf die
Quote wecken – über Facebook und Twitter sowie mit Aktionsideen
im Wurzelwerk. Eine neue Broschüre gibt Tipps für die politische
Arbeit im Kreisverband, von der richtigen Ansprache bis hin zu Mentoringprogrammen für Frauen. Auch wie die Frauenquote praktisch
funktioniert und warum sie so wichtig ist, wird in der Broschüre
erklärt. Denn obwohl wir GRÜNE mit 40 Prozent mehr weibliche
Mitglieder haben als andere Parteien – bis zu „Fifty-Fifty“ ist noch
Luft.
Kampagnenmaterialien sind erhältlich
unter www.eshop.gruene.de und im Wurzelwerk. Wenn Ihr Fragen habt oder Unterstützung bei der Umsetzung benötigt,
wendet Euch gern an mich!
Gesine Agena, 27, ist
frauenpolitische Sprecherin
im grünen Bundesvorstand
VERSTEHEN WIR UNS?
Wir wollen die Kommunikation zwischen Bundesverband und Mitgliedern verbessern. Dazu müssen wir
wissen: Wie kommen unsere Botschaften bei Dir an?
Schenk uns zehn Minuten und sag uns, was Du über den
schrägstrich und andere Kommunikationswege denkst:
www.gruene.de/mitgliederumfrage
24
schrägstrich | Heft 1/2015
URABSTIMMUNGSINITIATIVE
Philipp Schmagold hat im Oktober zwei Urabstimmungsinitiativen eingereicht. Alle Infos zu den Inhalten
der Initiativen und der Haltung des Bundesvorstandes
dazu findest Du unter www.gruenlink.de/w8z
Grüne Gretchenfrage
Wozu braucht es eine Kommission zu Religionen,
Weltanschauungen und Staat? von bettina jarasch
In Deutschland gibt es immer mehr Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften neben den Kirchen. Gleichzeitig gehören
immer mehr Menschen keiner Konfession an. Wir GRÜNEN
sind die einzige Partei, die den rechtlichen Rahmen für das
Verhältnis von Religion und Staat – inklusive Religionsverfassungsrecht – modernisieren will. Dabei geht es uns um Gleichbehandlung, um ein Ende der Diskriminierung sowie um eine
konsequente Orientierung an der Religionsfreiheit: als individuelle und kollektive Freiheit zur Religion ebenso wie als Freiheit
von Religion.
In der Kommission arbeiten GRÜNE mit und ohne Konfession,
Christen, Musliminnen und Juden, Humanistinnen und Säkulare.
Dementsprechend intensiv sind unsere Diskussionen! Wir sind uns
einig, dass unser Ziel kein laizistischer Staat wie in Frankreich ist,
in dem Religion nur im Privaten stattfindet. Gerade angesichts der
Gefahr von Fundamentalismus kann es sich als gute Prävention
erweisen, dass Religion bei uns auch im öffentlichen Raum stattfindet, etwa an Hochschulen und Schulen.
Wir sehen allerdings massiven gesetzlichen Reformbedarf im
kirchlichen Arbeitsrecht: Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
in kirchlichen Einrichtungen wird das Streikrecht verwehrt,
ihre persönliche Lebensführung oder sexuelle Orientierung
kann zum Kündigungsgrund werden, ihre Konfession oder
Nicht-konfession kann Arbeits- und Aufstiegschancen verhindern. Das kann nicht so bleiben. Dringenden Änderungsbedarf
sehen wir auch bei der Kirchenfinanzierung. Unser Kongress
im Düsseldorfer Landtag mit rund 300 Teilnehmerinnen und
Teilnehmern hat gezeigt, wie aktuell und
überfällig diese Diskussion ist.
Mehr unter www.bettina-jarasch.de
Bettina Jarasch, 46,
Mitglied des Bundesvorstands, leitet
die Kommission „Weltanschauungen,
Religionsgemeinschaften und Staat“
Fotos: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Fifty-Fifty” für Vielfalt
und mehr Demokratie
Bodenlose Ausnutzung
1
BODENATLAS
Daten und Fakten über Acker, Land und Erde
2015
Keine gesunde Ernährung ohne gesunde Böden. Passend
zum grünen Schwerpunktt hema „Ernährung und Landwirtschaft “ liefert der „Bodenatlas 2015“, herausgegeben von
der Heinrich-Böll-Stift ung gemeinsam mit dem BUND, dem
Potsdamer Nachhaltigkeitsinstitut IASS und Le Monde
diplomatique, Daten und Fakten zum Zustand von Acker,
Land und Erde.
Anzeige
Magazin
Aktuelle Veranstaltungen
Mo, 16. / Di, 17. März, Berlin
Heinrich-Böll-Stiftung
Neue Weg zum öffentlichen Bunt?
Biodiversität und Attraktivität der Stadt
Mi, 18. März, 19 Uhr, Berlin
Heinrich-Böll-Stiftung
Berliner Disput
Gesellschaft der Angst
Mit Jutta Allmendinger und Heinz Bude
Damit zehn Zentimeter fruchtbarer Boden entstehen, braucht es 2000 Jahre. Und doch nutzen wir die
Böden der Welt, als wären sie unerschöpflich. Allein in Deutschland werden täglich 77 Hektar Land als Verkehrs- und Siedlungsflächen ausgewiesen. Damit
geht eine Fläche von mehr als 100 Fußballfeldern für die Nahrungsmittelproduktion verloren. Aber unseren Hunger stillen wir ohnehin auf Kosten anderer, vorwiegend ärmerer Länder: Der „virtuelle Land-Fußabdruck“ der EU
für den Import von Nahrungs- und Futtermitteln beträgt schätzungsweise
640 Millionen Hektar pro Jahr – eineinhalbmal so viel wie die Fläche aller 28 Mitgliedsstaaten zusammen. Landrecht ist Menschenrecht, doch weltweit ist das Land noch
ungerechter verteilt als Einkommen.
Intakte Böden brauchen wir aber auch für unser Trinkwasser, die Klimaregulation
und den Erhalt der Biodiversität. Im Internationalen Jahr der Böden, das die UN für
2015 ausgerufen hat, macht der Atlas deutlich, dass es höchste Zeit ist für globale
Lösungen zum Schutz unserer Lebensgrundlage. (as)
Download oder kostenfreie Bestellung unter www.boell.de/de/bodenatlas
Fr, 20. / Sa, 21. März, Berlin
Heinrich-Böll-Stiftung
Die ökosoziale Frage
Auf der Suche nach der grünen Erzählung?
Do, 26. März, 16.30 Uhr, Berlin
Heinrich-Böll-Stiftung
Projekt Aufarbeitung
Die Grünen und ihr Umgang
mit sexualisierter Gewalt
Mo, 27. April, 19.30 Uhr, Berlin
Heinrich-Böll-Stiftung
Auf der Höhe – Diagnosen zur Zeit
Humor
Wie die Generation heute show Politik
verändert
Mit: Benedikt Porzelt, Medienwissenschaftler
Do, 29. / Fr, 30. April, Berlin
Heinrich-Böll-Stiftung
Besondere Beziehungen –
Besondere Verantwortung?
Konferenz zu Stand und Perspektiven des
deutsch-israelischen Verhältnisses
Vorschau
Blog zur Postwachstums-Debatte
Wie kann ökologische Nachhaltigkeit mit sozialer Gerechtigkeit verbunden werden?
Und wie können Wirtschaftsmodelle aussehen, die nicht auf Wachstum ausgerichtet
sind? Mehr als 3.000 Teilnehmer haben darüber im September bei der 4. Internationalen Degrowth-Konferenz in Leipzig diskutiert. Die vielfältigen Positionen in der
Debatte um die Abkehr vom Wachstumsdogma spiegeln sich in den Beiträgen des Blogs
Degrowth. Ursprünglich zur Vorbereitung und Begleitung der Konferenz entstanden,
soll er künftig als fester Teil der Website leipzig.degrowth.org weiterbestehen.
Ziel des Teams ist es, einen Überblick über aktuelle Themen der Bewegung zu liefern.
Dazu kooperieren die Macher mit dem Blog „Postwachstum“ des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), der wiederum gemeinsam mit der Vereinigung
für ökologische Wirtschaftsforschung (VÖW) und dem Wuppertal Institut für Klima,
Umwelt, Energie getragen wird. (as)
Neben Impressionen von und Nachbetrachtungen zur Konferenz gibt es auf
leipzig.degrowth.org/de/blog Interviews, Videos und zahlreiche Debattenbeiträge.
Fr, 25. / Sa, 26. Juni, Berlin
Heinrich-Böll-Stiftung
Baustelle Grüne Ordnungspolitik
Ein Update für die sozial-ökologische
Marktwirtschaft
Publikationen
Schriften zu Wirtschaft und Soziales, Band 15
Der Wert öffentlicher Güter
Bericht der «Kommission Öffentliche Güter»
der Heinrich-Böll-Stiftung
Berlin, Januar 2015
Böll.Thema
Das Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung
Freiheit
Erscheint April 2015
Weitere Infos: www.boell.de
Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstraße 8,
10117 Berlin
Fon 030-285 34-0, Fax 030-285 34-109
E-Mail [email protected] Internet www.boell.de
schrägstrich | Heft 1/2015
25
Magazin
LITERATUR
Impressum
schrägstrich – Zeitschrift für bündnisgrüne Politik Nr. 105, ISSN 1434-3835
Postvertriebszeichen: A 02908
Selbstversuch: Malte Spitz auf Datensuche
Herausgeber:
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
Michael Kellner,
Politischer Bundesgeschäftsführer
Die Wahrheit ist: Die meisten Menschen wissen noch nicht einmal,
welche Daten wo über sie gespeichert sind. Der grüne Netzpolitiker
Malte Spitz ist aus diesem Grund auf eine „Expedition“ zu seinen
Daten gegangen – und hat gemeinsam mit Brigitte Biermann ein Buch
darüber geschrieben. Mobilanbieter, Bank, Schufa, Stadtverwaltung,
Bibliothek, Deutsche Bahn, Fluggesellschaft, Krankenkasse, Bundeskriminalamt und viele mehr – überall will Spitz wissen: „Was macht ihr
mit meinen Daten?“
V.i.S.d.P.:
Robert Heinrich,
Leiter Öffentlichkeitsarbeit
Verlag:
KOMPAKTMEDIEN –
Die Kommunikationsbereiter GmbH
Pappelallee 78/79, 10437 Berlin
Tel.: 030.30 88 11 0 | Fax: 030.30 88 11 11
E-Mail: [email protected]
In den meisten Fällen rücken Unternehmen und staatliche Stellen die
gespeicherten Daten nur widerwillig heraus. Spitz muss sie ihnen mühevoll abringen – in
Briefen, E-Mails, persönlichen Treffen und zum Teil mit anwaltlicher Unterstützung. Umso
leichtfüßiger schildern Spitz und Biermann, wie der Grüne immer mehr gespeicherte Informationen über sich selbst anhäuft. Sein „Datenschatten“ gewinnt an Kontur.
Redaktion:
Dirk Nordhoff (dno), Andrea Schmitz (as),
Franziska Teubert (fte), Katharina
Wagner (kaw)
Unaufgeregt beschreibt das Autorenteam nicht wenige Unglaublichkeiten auf diesem
Weg, etwa als Malte Spitz versehentlich das Log-in zum Datenprofil eines Namensvetters
erhält. Der rhetorische Kniff, diese Erlebnisse aus der Sicht des 30-jährigen Netzpolitikers
zu erzählen, macht das Abstrakte – die digitalen Metadaten – sehr plastisch. Dieses Buch
öffnet Augen! (kaw)
Gestaltung und Produktion:
Laura Dreßler, Fabienne Hargarten,
Dennis Michaelis
Kontakt Redaktion:
E-Mail: [email protected]
Redaktion schrägstrich,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
Pappelallee 78/79, 10437 Berlin
Tel.: 030.30 88 11 0 | Fax: 030.30 88 11 11
Den Auflagen von Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz,
Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen liegen
Zeitungen der Landesverbände oder Landtagsfraktionen bei. Werbemittel der Green City Finanzbetriebs
GmbH und Ökoworld AG liegen bei. Für Mitglieder ist
der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten.
Die nächste Ausgabe erscheint
im Juni 2015.
Spendenkonto:
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
GLS Gemeinschaftsbank
IBAN: DE73 4306 0967 8035 8159 00
BIC: GENODEM1GLS
für MiMiMis* und Bio-Deutsche**
Kleines Lexikon
Druck:
61.000 Ex., Dierichs Druck+Media GmbH &
Co. KG, Kassel, auf 100Â% Recycling-Papier.
Schmunzeln als Integrationshilfe
Omid Nouripour
Kleines Lexikon
für MiMiMis* und
Bio-Deutsche**
Omid Nouripour
Anzeigenverwaltung:
Runze & Casper Werbeagentur GmbH
Linienstraße 214, 10119 Berlin
Tel.: 030.28 01 80 | Fax: 030.28 01 84 00
E-Mail: [email protected]
Malte Spitz und Brigitte Biermann: Was macht ihr mit meinen Daten?
Hoffmann und Campe Verlag, 2014, 240 Seiten, 17,99 Euro, ISBN: 978-3-455-50328-9
* Mitbürger Mit Migrationshintergrund
** Schon-Immer-Deutsche
_
Vor acht Jahren legte der grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour mit „Mein Job, meine Sprache, mein Land – Wie Integration
gelingt“ ein ernsthaftes Buch zur Integrationsdebatte vor. Auch in
seinem zweiten Werk „Kleines Lexikon für MiMiMis und Bio-Deutsche“ widmet er sich diesem Thema – diesmal mit einem unüberhörbar ironischen Zungenschlag. MiMiMis, das sind die „Mitbürger
mit Migrationshintergrund“. Das augenzwinkernde Prädikat „BioDeutsche“ erhalten dagegen die „Schon-immer-Deutschen“.
premium
Nicht allein der Titel, auch die einzelnen Lexikoneinträge kommen
unterhaltsam daher. Ironische Anspielungen folgen auf ernsthafte Definitionsversuche,
an manchen Stellen blitzt Sarkasmus durch. Mit diesem ungewöhnlichen Wechselspiel
zwischen Ernsthaftigkeit und Humor parodiert Nouripour die Absurditäten einer Debatte,
die längst in eine Schieflage geraten ist.
Von A wie Abschiebehaft bis Z wie Zwangsheirat greift der in Teheran geborene Bundestagsabgeordnete aus Frankfurt am Main mehr als 200 Begriffe auf. Das letzte Wort
ist damit freilich noch nicht gesprochen, prägen doch täglich neue Begriffe die Debatte.
Nouripour ergänzt sein „Kleines Lexikon“ deshalb von Zeit zu Zeit online auf dem Blog
www.mimimisundbiodeutsche.com. (kaw)
Omid Nouripour: Kleines Lexikon für MiMiMis und Bio-Deutsche
dtv premium, 2014, 200 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-3-423-26032-9
26
schrägstrich | Heft 1/2015
#vwfuture
www.volkswagen.de/emobility
e-Mobilität von Volkswagen.
Der e-Golf und der XL1.
Die Mobilität von morgen ist keine Fiktion mehr, wenn wegweisende Konzepte und innovative
Technologien schon heute Realität werden. Vom automobilen Meilenstein XL1, dem ersten
1-Liter-Fahrzeug der Welt, bis zum vollelektrischen und dabei komplett alltagstauglichen e-Golf:
Volkswagen bringt die Zukunft auf die Straße.
Stromverbrauch des e-Golf in kWh/100 km: kombiniert 12,7, CO2-Emission in g/km: 0. Kraftstoffverbrauch des XL1
in l/100 km: kombiniert 0,9, Stromverbrauch in kWh/100 km: kombiniert 7,2, CO2-Emissionen in g/km: kombiniert 21.
Abb. zeigt optionale Sonderausstattungen.
Mehr unter
www.sharedichdrum.de
#sharedichdrum