Ganz normal - STEINHAUS GmbH

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[ b g n a k z e n t e 5.2015 ]
I N K L U S I O N
Ganz normal
Gehörlose Menschen gehören bei der Steinhaus GmbH in RemscheidLennep seit über 20 Jahren zur Belegschaft
Kommuniziert wird mit Gebärden und Mimik, mal laienhaft, mal in korrekter Gebärdensprache, und mal reicht einfach Lippenlesen. Bei Steinhaus
verstehen sich hörende und gehörlose Mitarbeiter, sowohl was die Verständigung als auch das Miteinander betrifft. Und damit die gehörlosen
Mitarbeiter in keinem Bereich benachteiligt sind, sind in der betrieblichen
Organisation alle hierfür notwendigen Voraussetzungen verankert.
von Elfi Br aun
[ Bild 1 re. und
Bild 2: Anna Nieslony im Gespräch mit
Kolleginnen
Bild 3: Jürgen
Burkard (li.) im
Gespräch mit Maschinenführer
Sali Meta (re.)
Bild 4: Sali Meta ]
nna Nieslony, Jürgen Burkard und Sali Meta
sind gehörlos. In ihrem Arbeitsalltag beim Braten-, Wurst- und Pasta-Spezialitäten-Hersteller
Steinhaus spielt ihre Behinderung keine Rolle. Sie
machen die gleiche Arbeit wie ihre hörenden Kollegen – Anna in der Verpackung, Jürgen und Sali in
der Konfektionierung.
Sie haben den gleichen Informationsstand wie
alle, und die Verständigung mit ihren Kollegen
klappt gut. Gestik und Mimik sind auf beiden Seiten eingespielt. Einige ihrer Kollegen, Vorgesetzten
und Schichtleiter haben sogar zwei Tage an einem
Gebärdensprachen-Seminar teilgenommen.
Betriebsratsvorsitzender und Sicherheitsfachkraft Stefan Mallwitz erzählt: „Unsere gehörlosen
Kollegen haben keine Berührungsängste und sind
komplett in ihren Teams integriert. Sie sind sehr loyal und hoch motiviert. Bei der Arbeit leisten sie
120 Prozent.“
A
Keine Informations- und
Kommunikationsdefizite
Bei allen wichtigen Gesprächen wie Schulungen,
Unterweisungen, und Personalgesprächen greift
das Unternehmen auf professionelle Unterstützung
von Gebärdensprachendolmetschern zurück. Stefan Mallwitz: „Die Dolmetscher werden vom Integrationsamt gestellt. Sie sind immer dann dabei,
wenn es um ganz detaillierte Sachverhalte geht, die
exakt kommuniziert werden sollen.“
So übersetzen sie auch bei den Arbeitsplatzbefragungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sowie beim monatlichen Gespräch, das die
Abteilungsleiter mit ihren gehörlosen Mitarbeitern
und der Schwerbehindertenbeaufragten Nathalie
Ruggeri führen. Nathalie Ruggeri erläutert: „Unsere
gehörlosen Kollegen schätzen diese Gespräche
sehr. Hier können sie Dinge in aller Ruhe besprechen, auch wo vielleicht der Schuh drückt.“
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Auch das betriebliche Notfallsystem ist auf die
gehörlosen Mitarbeiter eingestellt. Beim Betreten
des Arbeitsbereichs geht ihr erster Griff automatisch zum Vibrationsmelder. Dieses Gerät in der
Größe einer Zigarettenschachtel tragen sie während der Arbeit am Körper. Wird die Brandmeldeanlage ausgelöst, erhalten sie ein Signal und wissen, dass sie den Arbeitsplatz sofort verlassen müssen. Auch diese Ausstattung übernimmt das Integrationsamt genauso wie behindertengerechte Umbauten von Maschinen.
Barrieren bei Berufsausbildung
Zurzeit arbeiten fünf gehörlose Menschen bei Steinhaus. Stefan Mallwitz: „Wir sind daran interessiert,
weitere zu beschäftigen.“ Er kann nicht verstehen,
dass Betriebe immer noch Ausgleichsabgaben zahlen, weil sie keine Menschen mit Behinderungen
beschäftigen.
Mallwitz: „Es gibt viele Menschen mit Behinderungen, die sehr engagiert und motiviert arbeiten.
Und die finanziellen Mittel für eventuelle Arbeitsplatzanpassungen sind ja vorhanden, sie müssen
beim Integrationsamt beantragt werden. Das erfordert natürlich etwas Arbeit. Und auch eine Schwerbehindertenvertretung ist unverzichtbar. Unsere
Erfahrung ist: Was man als Betrieb an Engagement
reinsteckt, bekommt man an Leistung und auch
menschlich doppelt und dreifach zurück.“
Verbesserungswürdig sind für Stefan Mallwitz
die Möglichkeiten der Berufsausbildung für gehörlose Jugendliche: „Das müsste viel mehr gefördert
werden. Oft scheitert es an den Mitteln und daran,
dass es für die Schule keinen Gebärdensprachendolmetscher gibt.“ Nur ein gehörloser Auszubildender hat bislang bei Steinhaus erfolgreich eine Lehre
durchlaufen. Auch hier dürften es gerne mehr
werden, wenn man auf der schulischen Seite mitzieht. []
[ Bild 5 v. li. n. re.:
Stefan Mallwitz,
Jürgen Burkard, Sali
Meta und Nathalie
Ruggeri
Bild 6: Vorname Name unterweist seine
Kollegen mit Unterstützung von einer
Gebärdensprachendolmetscherin. ]