Lügen, Gags und Pannen

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Lügen, Gags und Pannen
Karten gelten als Sinnbild der Präzision und Ernsthaftigkeit. Nicht so in den
sechs Beispielen auf ­d ieser Doppelseite.
60°
60°
45°
45°
Die Sackgasse als Falle
Auf diesem Ausschnitt des Stadtplans von Ox ford ist eine Strasse
eingezeichnet, die es nicht gibt, nie
gegeben hat: GOY CL. von BE AUMONT BLDGS. abgehend. Goy Close
ist eine «trap street», eine erfundene
Strasse, die Plagiatoren eine Falle
stellt. Erscheint sie auf der Karte eines Konkurrenten, hat man ihn überführt. Aus begreiflichen Gründen äus­
30°
15°
sern sich die Hersteller nur ungern
dazu. Ein Sprecher der Geographer’s
A–Z Street Atlas Company hat aber
2005 in einer BBC-Sendung erklärt,
auf ihren Londonkarten fänden sich
fast 100 falsche Strassen. Damit sie
den Nutzen der Kar te nicht beeinträchtigen, sind es, wie im Falle der
Goy Close, häufig Sackgassen am
Ende von Sackgassen.
Phantom in der Südsee
Am 22. November 2012 steuerte das australische Forschungsschiff «R/ V Southern Surveyor» die Sandy Island in der Südsee an, doch
die Insel zwischen Australien und Neukaledonien war nicht da. Ihre Existenz war schon
lange angezweifelt worden. Französische Kartographen hatten sie bereits 1979 aus ihren
Aufzeichnungen entfernt. Doch andernor ts
schaf f te sie es in digitale Datenbanken. Die
Besatzung des Walschiffs «Ve­locity», die sie
1876 gesichtet haben will, hatte wohl bloss
ein sogenanntes Bimssteinfloss gesehen, eine
Ansammlung von Bimssteinen, die ein Vulkan
ausgeworfen hatte.
Insel wider besseres Wissen
Dass Kalifornien auf Kar ten 200 Jahre
lang als Insel auf taucht, gehör t zu den
grossen Irr ­tümern der Kar tographie. Es
gibt ver­s chiedene Vermutungen, wie es
dazu kam. Eine davon besagt, dass der
Ka­r melitermönch Antonio de la Ascensión
Kalifornien 1622 als Insel zeichnete, obwohl es frühere Karten bereits korrekt als
0°
eine Halbinsel darstellten. Das Schiff mit
seiner Karte sei von den Holländern abgefangen worden, die Zeichnung schliesslich nach London gelangt. Dort habe ein
einflussreicher Kartenmacher den Fehler
auf seine Karte übernommen, worauf die
Insel Kalifornien ihren Siegeszug durch die
Welt antrat.
15°
Fiktiver Ort wird Wirklichkeit
30°
Die Or tschaf t Agloe 150 Kilometer nordwestlich von New York
erschien 1925 auf einer Gratiskarte der Standard Oil Company.
Ihr Name war aus den Anfangsbuchstaben der Kar tenzeichner
Otto G. Lindberg und Ernest Alpers zusammengesetzt. Sie hatten die Ortschaft erfunden, um mögliche Copyrightverletzungen
zu ahnden. Als Agloe später auf einer Kar te von Rand McNally
auftauchte, klagte die Standard Oil Company. Doch Rand McNally
verteidigte sich erfolgreich mit dem Argument, dass es in der Nähe
des fiktiven Dorfs die Fischerhütte «Agloe Lodge Farm» gebe, die
Ortschaft also existieren müsse. Der Besitzer hatte sie nach dem
Namen getauft, den er auf der Karte gefunden hatte. Obwohl die
Hütte längst verlassen wurde, schaffte es Agloe sogar auf digitale
Karten. Google hat den Namen erst im letzten Jahr aus Google
Maps entfernt.
45°
Schweizer Witz
30°
Hin und wieder schmuggelten auch die Kartographen
der Schweizer Landestopographie Swisstopo Gags an
den Kontrollen vorbei. Am Eiger (Blatt 254, 1:50 000) findet sich eine Spinne, eine Reminiszenz an das «weisse
Spinne» genannte Eisfeld; am Terminal A des Zürcher
Flughafens steht auf der Karte 1:25 000 ein Flugzeug.
Den Bergsteiger auf dem Bild oben hat der Kartograph
Friedrich Siegfried in die Auflage 2006 von Blatt 39,
Flüelapass (1:100 000), gezeichnet.
15°
0°
Erfundene Berge
James Rennell war in England ein gefeier ter Kar tograph. Als er 1798 auf seiner
Kar te von Westafrika einen Gebirgszug
«gewaltiger Höhe» zwischen Sierra Leone
und Nigeria einzeichnete, gab es keinen
Grund, an dessen Existenz zu zweifeln.
Rennells Karte basierte auf den Berichten
des schottischen Afrikareisenden Mungo
Park. Was damals niemand wusste: Park
berichtete von zwei oder drei Gipfeln, die
er gesehen hatte, Rennell verband diese
zu einer stattlichen Bergkette, die er Kong
nannte. Andere Zeichner kopier ten das
Gebirge, das mit jeder Version höher und
bedrohlicher wurde – hundert Jahre lang,
bis der französische Offizier Louis-Gustave
Binger 1889 vor Or t reiste und «am Horizont nicht einmal eine Hügelkette» sah.
Darauf verschwanden die Kong-Berge
von den Karten. Im Index des «Oxford Ad­
vanced Atlas» konnte man aber noch 1928
lesen: «Kong-Berge», Französisch-West­
afrika, 8˚40' N 5˚0' W.»
15°
30°
45°
Quellen: Simon Gar field: «Karten!», Theiss, 2014; Wikipedia; NY T; Swisstopo.
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NZZ FOLIO 7 / 2015
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NZZ FOLIO 7 / 2015
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