Predigt am 9. August 2015 über Jesaja 43,1 in Billensbach Liebe

Predigtreihe „Worte für die Lebensreise“
Predigt am 9. August 2015 über Jesaja 43,1 in Billensbach
Liebe Gemeinde!
Für unsere Lebensreise brauchen wir Worte. Worte, die uns stärken, die uns ermutigen, die
uns herausfordern. Ein Wort, das mir in meinem Lebenslauf wichtig geworden ist, ist der Vers
aus Jesaja 43,1. Dort spricht Gott: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe
dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.“
Dieses Wort ist mir wichtig, weil es mein Taufspruch ist. Bei meiner Taufe am 13. Juli 1969
wurde mir dieses Wort als Begleiter mit auf den Lebensweg gegeben. So wie heute Lia das
Wort aus Psalm 91,11. Dieses Wort ist mir aber auch wichtig, weil es auf dem Grabstein
meines Vaters stand. Mir wurde der Vers am Lebensanfang zugesagt, meinem Vater am
Lebensende. Mich geleitete dieser Vers in mein Leben hinein, meinen Vater aus dem Leben
hinaus, hinein in ein anderes, ein ewiges Leben. Ich glaube, das Wort des Propheten Jesaja ist
ein Wort zum Leben und zum Sterben. Ein Wort, das mir hilft zu leben, und ein Wort, das
mich getrost in den Tod gehen lässt.
„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du
bist mein.“ Was ist das für ein Wort, dass es vermag, den großen Bogen von der Geburt bis
zum Tod zu spannen? Ich glaube, es spricht Grundfragen des Menschseins an.
„Fürchte dich nicht!“ Darin steckt die Aufforderung zum Vertrauen gegen die Angst. Grund
zum Fürchten gibt es genug. Besonders wenn wir an unsere Kinder und Enkel denken. Da
sind die großen Themen, die über die Zeitungen und Nachrichten über uns hereinbrechen und
uns beunruhigen: der Klimawandel, der islamistische Terror, die Krisenherde im Nahen Osten
und in Afrika, das Ungleichgewicht in der Welt. Dazu kommen die kleinen persönlichen
Themen und Fragen: Welchen Weg werden unsere Kinder und Enkel einmal gehen? Wo
werden sie ihren Platz finden? Wo werden sie Wurzeln schlagen? Gott kennt unsere großen
und kleinen Fragen. Und er spricht: „Fürchte dich nicht!“ In diesen drei Worten steckt Gottes
Einladung zum Leben: „Gib dich dem Leben voller Vertrauen hin. Setze vertrauensvoll einen
Schritt nach dem anderen. Ich bin stärker als alles, was dir Angst einjagt. Und ich bin bei dir.
Also, wage es.“
„Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“ Darin steckt die Zusage von Einzigartigkeit
gegen die Vermassung. Wenn mein Name gerufen wird, dann weiß ich: Ich bin gemeint. Ich
und kein anderer. Wo mein Name gerufen wird, da geht es um mich. Es tut mir gut, meinen
Namen zu hören. Er macht mich unverwechselbar. Für viele habe ich gar keinen Namen
mehr. Für viele bin ich nur eine Nummer. Nummern sind austauschbar, Namen nicht. Hinter
jedem Namen steht die Sehnsucht, einzigartig und unverwechselbar zu sein, etwas Besonderes
und Einmaliges. Wenn Gott mich beim Namen ruft, dann greift er diese Sehnsucht auf und
sagt mir zu: „Du bist du! Unverwechselbar und einzigartig bist du. Einen solchen Menschen
wie dich gibt es nicht noch einmal. Ich weiß es, denn ich habe dich mir ausgedacht und dich
ins Leben gerufen.“ In dieser Zusage steckt auch eine Aufforderung Gottes an mich: „Sei du
auch du. Versuche nicht, ein anderer zu sein. Lass dich nicht verbiegen. Finde heraus, was ich
in dich hineingelegt habe, und lebe es aus.“
„Du bist mein.“ Darin steckt das Versprechen einer unauflöslichen Beziehung. Im Leben geht
es immer wieder um Beziehung und Zugehörigkeit. Wohin gehöre ich? Zu wem gehöre ich?
Alle greifen nach mir: Die Familie will mein Glück, die Schule will meine Leistung, die
Wirtschaft will meine Arbeitskraft. Alle greifen nach mir, aber kaum einer fragt danach, was
ich will, was ich brauche, wofür ich leben möchte. Gott steht auf meiner Seite. Gott sagt all
denen, die an uns ziehen und zerren: „Nein! Bis hierher und nicht weiter. Dieser Mensch
gehört mir. Er ist nicht dazu da, um die Familie glücklich zu machen, die Rente zu sichern,
das Wirtschaftswachstum zu steigern. Er ist mein Geschöpf, geschaffen zur Freiheit und
Liebe.“
„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du
bist mein.“ In diesem Satz steckt alles, was ich im Leben und im Sterben wissen muss: dass
ich keine Angst haben muss, weil Gott stärker ist; dass ich einzigartig und unverwechselbar
bin, weil Gott mich als etwas Besonderes geschaffen hat; dass ich Gott allein gehöre und
keiner einen Anspruch auf mich hat. Darum: Hab keine Angst, weder vor dem Tod noch vor
dem Leben. Du bist geborgen. Denn du gehörst zu Gott.
Amen.
Pfarrer Dr. Hans Joachim Stein, Kaisersbacher Str. 11, 71717 Beilstein