Berufsabschluss für Erwachsene «Ich hatte ein Ziel vor Augen, das ich unbedingt erreichen wollte» Von der Skirennfahrerin zur Privatkundenberaterin bei der Berner Kantonalbank BEKB: Marlies Rohrer-Oester hat den Wechsel vom Spitzensport ins normale Berufsleben mit einem Berufsabschluss für Erwachsene gemeistert. So um die dreissig wurde mir bewusst, dass meine Karriere als Skirennfahrerin nicht ewig dauern würde. Der Körper reagierte anfälliger auf die grosse Belastung. Aufhören und nicht wissen, wie es weitergeht – das wäre das Schlimmste gewesen für mich. Ich wäre in ein Loch gefallen. Das wollte ich unbedingt ver meiden. Und in der Zeit davor? Dachten Sie da nie an Ihre berufliche Zukunft? Nie. Um an der Spitze mitzuhalten, muss man zu hundert Prozent auf den Sport fokussieren. Selbst während der Verletzungspausen überlegte ich mir nie, was ich ausser Ski fahren noch machen könnte. Ich hatte nur den einen Ge danken im Kopf: Ich will zurück an die Spitze. Werden Sportler/-innen bei ihrer Laufbahnplanung durch die Sportverbände unterstützt? Swiss Olympic hat eine Fachstelle, an die sich Sportler/-innen wenden können. Allerdings muss man schon selber aktiv werden – aber das sind sich Sportler/-innen gewohnt … (lacht). Ich habe das Gespräch auf der Fachstelle als sehr hilfreich erlebt. Mir wurde ein kompeten ter Berater bei der kantonalen Berufsberatung empfohlen, mit dem ich die weiteren Schritte planen konnte. «So um die dreissig wurde mir bewusst, dass meine Karriere als Skirennfahrerin nicht ewig dauern würde»: Marlies Rohrer-Oester. Rolf Marti Sie absolvierten vor Ihrer Profikarriere als Skirennfahrerin die zweijährige Ausbildung zur Büroassistentin. War das Ihr Wunsch beruf oder eine pragmatische Lösung, um Ausbildung und Leistungssport unter einen Hut zu bringen? Sowohl als auch. Mich hat das Kaufmännische schon damals interessiert. Als Realschülerin wäre es aber schwierig gewesen, ohne berufs vorbereitendes Schuljahr in eine dreijährige kaufmännische Grundbildung einzusteigen. Und eine insgesamt vierjährige Lehrzeit wäre in jener Phase, als es darum ging, den Sprung an die Weltspitze zu schaffen, zu lang ge wesen. Die Bürolehre war also ein idealer Kompromiss – auch, weil mir mein Lehrbe trieb viel Zeit für Trainings und Wettkämpfe zugestand. Sie waren über zehn Jahre als Spitzensportlerin unterwegs. Wann begannen Sie, über Ihre berufliche Zukunft nachzudenken? Nach Abschluss Ihrer Sportkarriere 2005 ermöglichte Ihnen die Berner Kantonalbank BEKB das eidgenössische Fähigkeitszeugnis als Kauffrau nachzuholen. Wie kam es dazu? Ich bewarb mich bei der BEKB für eine ganz normale kaufmännische Lehrstelle. Die Bank signalisierte umgehend ihr Interesse und ana lysierte mit mir die Situation. Dabei wurde klar, dass für mich aufgrund meiner Vorbildung ein Berufsabschluss für Erwachsene der geeig netere Weg wäre. Ich erhielt vom Mittelschul- und Berufsbildungsamt die Zulassung zur Ab schlussprüfung und bereitete mich in der Berufsfachschule und am Arbeitsplatz darauf vor. Ihr Name war bekannt. War das hilfreich, um einen Arbeitgeber zu finden, der Sie bei der Ausbildung unterstützte? Ich denke schon. Allerdings dürften eher die Eigenschaften geholfen haben, die man einer Spitzensportlerin zuschreibt: Willensstär ke, Eigenverantwortung, Zielstrebigkeit. Solche Qualitäten zählen auch im Berufsleben. Wie erlebten Sie die Ausbildungszeit? Ich hatte sie mir lockerer vorgestellt – lockerer als die Zeit im Spitzensport. Aber Irrtum: Es war eine überaus intensive Phase. Ich war pro Woche vier Tage im Betrieb und eineinhalb Tage an der Berufsfachschule. Konnten Sie während der Ausbildung von Ihrer Erfahrung als Spitzensportlerin profitieren? Ja. Ich hatte ein Ziel vor Augen, das ich un bedingt erreichen wollte. Psychologisch gese hen war die Situation also vergleichbar. Daher wusste ich mich immer zu motivieren. Die Ausbildungszeit war aber besser planbar als die Sportkarriere. Ich musste nicht ständig mit unvorhergesehenen Ereignissen klarkommen. Dank dem Berufsabschluss sind Sie heute Privatkundenberaterin bei der BEKB in Adelboden. Was bedeutet Ihnen das berufliche Engagement? Viel. Der Abschluss gibt mir persönliche Befrie digung und wirtschaftliche Sicherheit. Schliesslich habe ich als Sportlerin nicht so viel ver dient, dass es bis zur Pensionierung reichen würde … (lacht). Seit der Geburt meiner Toch ter arbeite ich allerdings nur noch zu vierzig Prozent. Im Spitzensport gilt schneller, weiter, höher, besser … Denken Sie auch im Beruf in diesen Kategorien? Ich stelle auch im Beruf hohe Ansprüche an mich und bleibe nicht gerne stehen. Deshalb habe ich mich nach dem Lehrabschluss bank intern weitergebildet. Aber zurzeit steht die Familie im [email protected] Berufsabschluss für Erwachsene Erwachsene Berufsleute, die in jungen Jahren keine berufliche Grundbildung absolviert haben oder die heute in einem anderen als dem erlernten Beruf arbeiten, können nachträglich eine be rufliche Grundbildung abschliessen – also ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder ein eidgenössisches Berufsat test (EBA) erlangen. Dabei stehen ihnen vier etablierte Wege offen, zwei setzen keinen Lehrvertrag voraus, zwei bedin gen einen Lehrvertrag mit einem Betrieb. Detaillierte Informationen finden Inter essierte unter www.erz.be.ch/bae. Marlies Oester Die Berner Oberländerin Marlies RohrerOester beendete ihre Karriere als Ski rennfahrerin im Jahr 2006. Die Slalomund Riesenslalomspezialistin stand im Weltcup mehrfach auf dem Podest und gewann 2002 den Slalom von Berchtes gaden. In der Kombination errang sie an den Olympischen Spielen von Salt Lake City 2002 den vierten Platz, 2003 ge wann sie in derselben Disziplin die Bron zemedaille an den Skiweltmeisterschaf ten von St. Moritz. «espace einsteiger» ist eine Dienstleistung der Espace Media AG und des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes des Kantons Bern und wird in Zusammenarbeit mit folgenden Partnern realisiert: BEKB | BCBE (www.bekb.ch) • Die Schweizerische Post, Berufsbildung (www.post.ch/lehrstellen oder 0848 85 8000) • Berufsbildung Bundesverwaltung (www.epa.admin.ch/dienstleistungen/lehrstellenangebote) • Meyer Burger AG (www.meyerburger.com)
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