Winterprognose des IfW: Aufschwung in Deutschland setzt sich fort

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Winterprognose des IfW: Aufschwung in
Deutschland setzt sich fort
Medieninformation vom 14. Dezember 2015
◾ Zuwachsraten des BIP in Deutschland: +1,8 Prozent in 2015, +2,2 Prozent in 2016, + 2,3
Prozent in 2017
◾ Beschäftigung, Löhne und privater Konsum steigen weiter stark, Investitionen ziehen an
◾ Ausgaben für Flüchtlinge stimulieren nur kurzfristig das BIP
◾ Fast eine halbe Millionen Flüchtlinge bis 2017 auf dem Arbeitsmarkt erwartet
◾ Haushaltsüberschuss schwindet
◾ Keine rasche Erholung der Schwellenländer, China vor dauerhaft niedrigeren
Wachstumsraten
Die Konjunkturforscher des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) sehen durch die Ausgaben für
Flüchtlinge nur kurzfristig einen stimulierenden Effekt auf die Zuwachsrate des BIPs und heben
ihre Prognose für 2016 daher von +2,1 Prozent auf +2,2 Prozent an. Für 2015 und 2017
erwarten die Forscher unverändert Expansionsraten von +1,8 bzw. +2,3 Prozent. „Treibende
Kraft hinter dem Aufschwung ist nach wie vor der starke private Konsum und eine anziehende
Investitionstätigkeit“, so Stefan Kooths, Leiter des IfW-Prognosezentrums. „Hohe Einkommenszuwächse aufgrund der günstigen Arbeitsmarktentwicklung sorgen hier für die stärkste
Zunahme seit 15 Jahren, dazu kommen temporäre Faktoren, die die Kaufkraft erhöhen, wie
niedrige Ölpreise, Rentenerhöhungen und Steuersenkungen.“
Der günstige konjunkturelle Ausblick für Deutschland steht im Widerspruch zur aktuell recht
schwachen Entwicklung der Industrieproduktion. Ein Grund hierfür ist, dass der derzeitige
Aufschwung stärker als frühere Aufschwünge von binnenwirtschaftlichen Antriebskräften
getragen wird und sich dadurch stärker im Dienstleistungssektor bemerkbar macht. Der
deutsche Außenhandel bleibt laut Prognose trotz eines enttäuschenden dritten Quartals auf
Expansionskurs. „Die schwache Entwicklung im dritten Quartal dürfte nur vorübergehender
Natur gewesen sein, nicht zuletzt durch die erneute Abwertung des Euro rechnen wir damit,
dass die Ausfuhren zum Jahresende erneut anziehen“, so Kooths. Gleiches gilt für die
Investitionen, die laut Prognose nach einer Flaute im Sommerhalbjahr durch die nach wie vor
günstigen Rahmenbedingungen (niedrige Zinsen, hohe Einkommenszuwächse, günstige
Haushaltlage, sich bessernde Absatz- und Ertragsaussichten im In- und Ausland) wieder Fahrt
aufnehmen. Der private Wohnungsbau wird bedarfs- wie finanzierungsbedingt weiter kräftig
zulegen.
Inflation nimmt zu, Arbeitslosigkeit nicht weiter ab, Flüchtlinge erhöhen nur nach und
nach das Arbeitskräftepotenzial
Für das Verbraucherpreisniveau gehen die Forscher im laufenden Jahr aufgrund der
gesunkenen Ölpreise kaum von Veränderungen aus. Mit Auslaufen des preisdämpfenden
Ölpreiseffekts erwarten sie in den kommenden Jahren aber einen deutlichen Anstieg mit Raten
von 1,2 Prozent (2016) und 1,8 Prozent (2017). Der Rückgang der Arbeitslosigkeit setzt sich
kaum noch fort. Zwar nimmt die Erwerbstätigkeit in den kommenden beiden Jahren weiter kräftig
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zu. Gleichzeitig steigt jedoch das Arbeitskräftepotenzial wegen der Zuwanderung aus der EU
und der hohen Flüchtlingsmigration nach und nach. Weil die Flüchtlinge durch zahlreiche
anhängige Asylverfahren nur langsam am Arbeitsmarkt ankommen und zudem während
arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, wie z.B. Integrationskursen, nicht als arbeitslos gezählt
werden, gehen von ihnen erst mit einiger Verzögerung Effekte auf die Arbeitslosenquote aus.
Nach Berechnungen des IfW steigt das Erwerbspersonenpotenzial durch die Flüchtlinge aber
spürbar, bis 2017 um insgesamt 470.000 Personen.
Schwarze Null auf der Kippe
Nach dem Rekordüberschuss im Jahr 2015 von über 28 Mrd. Euro wird der staatliche
Budgetsaldo nach volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung im Jahr 2016 wohl nur noch
ausgeglichen sein, so die Forscher. Als Hauptgründe sehen sie neben den Mehrausgaben
aufgrund des Flüchtlingszustroms Rentenerhöhungen und Steuersenkungen sowie das
Bestreben der öffentlichen Haushalte, die Investitionen hochzufahren. „Der Bundeshaushalt wird
nach anderen Bilanzierungsregeln erstellt und ist nicht explizit von unserer Prognose erfasst, es
ist aber davon auszugehen, dass die schwarze Null im Jahr 2016 nur noch wegen hoher
Rückstellungen aus dem laufenden Haushaltsjahr erreicht werden kann“, so Kooths.
Europa und Welt allmählich mit mehr Schwung, Strukturprobleme belasten
Schwellenländer
Die Wirtschaft im Euroraum gewinnt laut IfW-Prognose weiter allmählich an Fahrt und
expandiert in den kommenden beiden Jahren um 1,7 bzw. 2,0 Prozent. Die jüngsten
Terroranschläge werden Produktion und Nachfrage nicht deutlich dämpfen. „Nach den
Erfahrungen der Vergangenheit sind die konjunkturellen Wirkungen solcher Ereignisse in den
fortgeschrittenen Volkswirtschaften gering“, so Kooths. Der Anstieg der Weltproduktion
gerechnet auf Basis von Kaufkraftparitäten wird sich laut IfW-Prognose von sehr mäßigen 3,1
Prozent in diesem Jahr moderat auf 3,4 Prozent bzw. 3,8 Prozent in den Jahren 2016 und 2017
erhöhen. Für die Vereinigten Staaten rechnen die Forscher mit einem Produktionsanstieg um
2,8 Prozent im nächsten Jahr und 3,0 Prozent im Jahr 2017, nach einer Zunahme um 2,5
Prozent im Jahr 2015.
Die Schwellenländer werden demnach nur langsam wieder an Dynamik gewinnen. Die
gesunkenen Rohstoffpreise und tiefgreifende strukturelle Probleme verhindern eine rasche
Erholung. Die chinesische Wirtschaft dürfte zwar auch dank wirtschaftspolitischer Impulse
zunächst etwas an Fahrt aufnehmen, auf längere Sicht wird sich die Tendenz zu niedrigeren
Wachstumsraten aber wohl fortsetzen. Die Weltwirtschaft bleibt nach Ansicht der Experten
anfällig für Störungen. Risiken gehen dabei insbesondere von den Finanzmärkten aus, auf
denen es im Zuge des Auseinanderdriftens der Geldpolitik in den großen Währungsräumen zu
Turbulenzen kommen könnte. „Nach wie vor erscheint auch die wirtschaftliche Entwicklung in
China wenig robust“, so Kooths.
Kommentar Stefan Kooths zur aktuellen Prognose: „Kein Konjunkturprogramm unter
dem Deckmantel der Flüchtlingshilfe“
„Angesichts eines für Deutschland weiterhin zu expansiven monetären Umfeldes ist umso mehr
stabilisierungspolitische Disziplin im Inland geboten. Die EZB hat mit der neuerlichen
Ausweitung ihres Programms zur „Quantitativen Lockerung“ bekräftigt, dass sie das Zinsniveau
im Euroraum auf absehbare Zeit auf historisch niedrigem Niveau halten will. Somit bleibt
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Deutschland im Prognosezeitraum einem für die hiesigen konjunkturellen Verhältnisse deutlich
zu expansiven monetären Umfeld ausgesetzt. Die damit verbundenen binnenwirtschaftlichen
wie außenwirtschaftlichen Expansionswirkungen sind für die deutsche Wirtschaft problematisch,
weil sie die gesamtwirtschaftliche Aktivität von der derzeit erreichten Normalauslastung
wegführen, was später zu schmerzhaften Anpassungsprozessen führen kann. Diese monetären
Rahmenbedingungen kann die deutsche Wirtschaftspolitik nicht beeinflussen. Umso mehr ist sie
aufgefordert, die Finanzpolitik insgesamt so auszurichten, dass die Konjunktur nicht zusätzlich
angeregt wird. Dazu zählen auch die mit der Aufnahme und Integration einer ungewöhnlich
hohen Zahl an Flüchtlingen verbundenen öffentlichen Ausgaben, die im Prognosezeitraum wie
ein Konjunkturprogramm wirken. Der aus humanitären Gründen getroffenen Entscheidung zur
Flüchtlingsaufnahme sollte nun auch eine ernsthafte Diskussion um die finanzpolitischen
Konsequenzen folgen, sei es durch Umschichtungen im Staatshaushalt, sei es durch eine
Erhöhung der Steuern. Da die Bewältigung des Flüchtlingszustroms offenkundig eine hohe
Priorität einnimmt, müssen andere öffentliche Vorhaben nunmehr in der politischen Rangskala
an relativer Bedeutung verloren haben. Daher stellt sich nicht die Frage zwischen
Konsolidierung oder Flüchtlingshilfe zu wählen, sondern ob die nunmehr minder prioritär
erscheinenden Projekte eine Defizitfinanzierung in konjunkturellen Normalzeiten rechtfertigen.“
Vollständige Prognosen
Fachliche Ansprechpartner:
Deutschland:
Prof. Dr. Stefan Kooths
Tel. 030-2067 9664 (Büro Berlin)
Tel. 0431-8814-579 (Büro Kiel)
[email protected]
Welt:
Dr. Klaus-Jürgen Gern
Tel. 0431-8814-262
[email protected]
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