Paul Walden und seine Promotion an der Universität Leipzig Paul

Paul Walden
und seine Promotion an der Universität Leipzig
von Lothar Beyer, Universität Leipzig, Institut für Anorganische Chemie
Paul Walden gehört zu der kleinen Gruppe von Chemikern, die das Gesamtgebiet der
Chemie mit wesentlichen und nachhaltig wirkenden Leistungen bereichert haben. Mit
seinem Namen verbunden sind Gesetzmäßigkeiten auf dem Gebiet der physikalischen,
anorganischen und organischen Chemie: Walden’sche Viskositätsregel, Walden’sche
Regel, Ostwald-Walden’sche Regel, Walden’sche Umkehr, Selbstdissoziation von
Lösungsmitteln und Grunderkenntnisse zu ionischen Flüssigkeiten, zu denen auch Carl
Schall in Leipzig einen Beitrag geleistet hatte. Waldens Lebensstationen (*1863) und
akademische Entwicklung waren geprägt durch seine Herkunft als Deutscher aus dem
Baltikum und durch das leuchtende Vorbild von Wilhelm Ostwald, seinem ersten
akademischen Lehrer am Polytechnikum in Riga sowie einer außergewöhnlichen
Begabung und enormem Fleiß. Insoweit war es folgerichtig, dass Paul Walden, dessen
Biografie im Vortrag kurz skizziert wird, eine Promotion an der Universität Leipzig
anstrebte, an die Wilhelm Ostwald als 34-Jähriger im Jahre 1887 auf den Lehrstuhl für
Physikalische Chemie berufen worden war. Walden studierte 1890 ein Semester lang
bei Wilhelm Ostwald, Johannes Wislicenus und Gustav Wiedemann in Leipzig. Das
1891 durchgeführte Promotionsverfahren an der Philosophischen Fakultät der
Universität Leipzig mit der vom Erstgutachter Ostwald mit der Note IIa bewerteten
Dissertationsschrift „Über die Affinitätsgrössen einiger organischen Säuren und ihre
Beziehungen zur Konstitution derselben“ und dem Rigorosum wurde mit „summa cum
laude“ abgeschlossen. In den Folgejahren schloss Walden bei seinen regelmäßigen
Aufenthalten in Leipzig mit bedeutenden Fachkollegen, wie Svante Arrhenius, Max
Bodenstein, Georg Bredig, Robert Luther, Max Le Blanc, Wilhelm Ostwald selbst
(Walden galt als sein Wunsch-Nachfolger auf dem berühmten Leipziger Lehrstuhl für
physikalische Chemie), Julius Wagner sowie den Russen Reformatsky, Plotnikov und
Kablukov Freund- und Bekanntschaften, die für seine Tätigkeit als Professor für
anorganische Chemie (ab 1899) und Rektor in Riga (und im Interim in Moskau), als
Leiter des Chemischen Laboratoriums der St. Petersburger Akademie und nach seiner
Flucht 1919 aus dem Baltikum an der Universität Rostock, dort als Lehrstuhlinhaber für
anorganische Chemie (1919-1934), stimulierend und hilfreich waren. Dem ersten
dramatischen Umbruch in Waldens Leben, der auch seine nationale Haltung
beeinflusste, folgte im April 1942 für den 79-Jährigen ein zweiter Schicksalsschlag mit
der Totalzerstörung der Wohnung durch einen alliierten Bombenangriff und der
anschließenden Odyssee zusammen mit seiner Frau durch Deutschland. Dies traf Paul
Walden auch deshalb hart, weil er sich verstärkt nach der Emeritierung (1934) mit
großem Enthusiasmus der Geschichte der Chemie zugewandt hatte und seine
Privatbibliothek mit 10 000 Bänden und Exzerpten vernichtet worden war. Zahlreich
sind seine Bücher und weitere Publikationen über die frühe Chemie, Chemikerporträts
und die historische Entwicklung ganzer Teilgebiete der Chemie. Mittellos und ohne
Pension durch die Rostocker Universität begann sein dritter Lebensabschnitt schließlich
als Honorarprofessor für Geschichte der Chemie an der Universität Tübingen, wo er
noch 1953, inzwischen 90 Jahre alt, zum letzten Male die Vorlesung abhielt. Paul
Walden starb 1957 in Gammertingen. Im Laufe seines arbeitsreichen Lebens erhielt er
hohe akademische Ehrungen. Der Nobelpreis für Chemie blieb Paul Walden verwehrt.
1927
1953