Anlage B 173 zu ZDv 14/3

23.8.2015
Umgang mit Sexualität in der Bundeswehr
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Zentrale Dienstvorschrift 14/3 B 173
alte Fassung
ZDv14/3 B 173
Sexuelles Verhalten von und zwischen Soldaten
I. Allgemeines
Die Intimsphäre als Teil des Persönlichkeitsrechts des Soldaten ist einer
Einflussnahme des Dienstherrn grundsätzlich entzogen. Daher ist der Umgang eines
Soldaten mit seiner Sexualität dienstrechtlich nur von Bedeutung, wenn er die
dienstliche Zusammenarbeit erschwert, den kameradschaftlichen Zusammenhalt
beeinträchtigt und damit zu nachhaltigen Störungen der dienstlichen Ordnung
führt. Die sexuelle Orientierung als solche, ob hetero­ oder homosexuell, ist
unbeachtlich.
Das Gesetz zum Schutz der Beschäftigten am Arbeitsplatz
(Beschäftigtenschutzgesetz) stuft als sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ­ und
damit dienstrechtlich relevantes Verhalten ­ jedes vorsätzliche, sexuell bestimmte
Verhalten ein, das die Würde von Beschäftigten verletzt. Neben den unter Strafe
gestellten Verhaltensweisen gehören dazu auch sonstige sexuelle Handlungen und
Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen
sexuellen Inhalts sowie das Zeigen und das sichtbare Anbringen pornographischer
Darstellungen, die von dem Betroffenen erkennbar abgelehnt werden. Geschützte
Beschäftigte nach diesem Gesetz sind ausdrücklich auch die weiblichen und
männlichen Soldaten. Pflichtwidrig ist danach auch jede Form von Obszönität im
dienstlichen Umgang. Dies gilt selbst dann, wenn Ausdrucksweisen oder Gesten mit
sexuellem Bezug nur scherzhaft gemeint sind. Das Ausleben von Sexualität auf
Kosten anderer ist kein Kavaliersdelikt.
Innerhalb dienstlicher Anlagen und erst recht im Dienst hat das nach außen
wahrnehmbare Wirken von Sexualität indiziell einen dienstrechtlichen Bezug, mit der
Folge, dass sexuell bestimmtes Verhalten nur dort unverfänglich ist, wo der
Dienstherr ausdrücklich Freiräume lässt. Dies betrifft im Wesentlichen Regelungen
von Übernachtungsmöglichkeiten für Ehepartner und das Besuchsrecht für zum
Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtete Soldaten nach Maßgabe der ZDv
10/5 Nr. 309.
Sexuell motivierte Verhaltensweisen oder Gewohnheiten außerhalb des Dienstes
und dienstlicher Anlagen stellen die dienstliche Reputation eines Soldaten dann in
Frage, wenn sie nach dem Urteil eines unvoreingenommenen Betrachters die dem
Soldaten gesetzten Grenzen persönlicher Freiheit überschreiten.
Eine erhebliche Verletzung der Dienstpflichten ist stets dann anzunehmen, wenn ein
Soldat seine Dienststellung oder seinen Vorgesetztenstatus ausnutzt oder die
gebotene dienstliche Objektivität und Neutralität aufgibt, um sexuelle Beziehungen
anzubahnen oder zu fördern. Ebenso verstößt ein Vorgesetzter der nicht gegen
sexuelle Übergriffe und Entgleisungen von Soldaten einschreitet und nicht die
gebotenen Maßnahmen veranlasst, gegen seine Dienstpflichten.
II. Dienstrecht
1. Eindringen in die Ehe oder in die eheähnliche Lebensgemeinschaft eines
Kameraden
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Das Eindringen in die Ehe oder in eine eheähnliche Lebensgemeinschaft eines
Kameraden ist keine Privatangelegenheit, sondern gibt Anlass zu dienstrechtlichen
Ermittlungen. Ein derartiges Verhalten ist geeignet, das gegenseitige Vertrauen und
die Bereitschaft der Soldaten, füreinander einzustehen, nachhaltig in Frage zu stellen.
Vor allem bei dienstlich bedingter Abwesenheit müssen die Soldaten darauf vertrauen
können, dass ihre private Lebenssphäre von den Kameraden respektiert wird.
In der gesellschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre haben sich eheähnliche
Verhältnisse als sozialadäquate Formen des Zusammenlebens etabliert. Soweit eine
solche nichteheliche Beziehung oder Lebenspartnerschaft im Sinne einer
Verantwortungsgemeinschaft darauf angelegt ist, dass sich die Partner nicht nur
vorübergehend aneinander binden, oder auch möglicherweise die Sorge für in der
Gemeinschaft lebende Kinder gemeinsam wahrnehmen, erhält die Störung einer
solchen Beziehung durch einen Kameraden eine dienstrechtliche Relevanz.
2. Geschlechtsbezogene Zurschaustellung
Die private geschlechtsbezogene Zurschaustellung führt zu einer dienstrechtlich
nicht mehr hinnehmbaren ernsthaften Einbuße an dienstlicher Reputation, wenn sich
die Abbildung nach dem verständigen Urteil eines unbefangenen Betrachters als
Störfaktor eines geordneten Zusammenlebens erweist. Kein Beurteilungskriterium ist
hierbei etwa die Geschmacksvorstellung höherer Vorgesetzter vom Maß des
Schicklichen. Das Nacktfoto eines Soldaten ist daher dienstrechtlich immer dann von
Belang, sobald die Grenze zur Obszönität, Pornographie, Menschen­ oder
Geschlechterverachtung überschritten wird, die Darstellung durch die Einbeziehung
von Streitkräfteattributen (Ausrüstung, Uniform) geeignet ist, die Bundeswehr zu
diskreditieren oder ein Vorgesetzter in Ausbildungs­ und Führungsfunktion sich bildlich
prostituiert, ungeachtet eines absehbaren Autoritätsverlustes bei seinen
Untergebenen.
3. Nicht einvernehmliche Aufnahme einer sexuellen Beziehung
Eine gegen die freie Willensentschließung eines Anderen ­ insbesondere unter
Ausnutzung der Dienststellung/des Dienstgrades ­ zustande gekommene sexuelle
Beziehung stellt sich ­ unbeschadet der möglichen strafrechtlichen Einstufung ­
regelmäßig als ein Dienstvergehen dar.
4. Einvernehmliche Aufnahme einer sexuellen Beziehung
a. außerdienstlich
Angesichts der allgemeinen Akzeptanz nichtehelicher
Lebensgemeinschaften ist eine auf Dauer angelegte heterosexuelle
Partnerschaft auch dienstgradverschiedener Soldaten/innen disziplinar
grundsätzlich ohne Belang. Dies gilt allerdings nur insoweit, als hiervon
keine die Achtungs­ und Vertrauenswürdigkeit des Vorgesetzten
tangierenden negativen Auswirkungen auf den Dienstbetrieb ausgehen
oder sonstige Umstände hinzutreten, die geeignet sind, eine ernsthafte
Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr in der Öffentlichkeit
herbeizuführen.
Gleiches gilt ­ trotz noch niedriger Toleranzschwelle in der Gesellschaft
und im dienstlichen Umfeld ­ auch für die homosexuelle
Lebensgemeinschaft auch dienstgradverschiedener Soldaten/innen.
Ebenso ist die ­ einvernehmliche ­ hetero­ oder homosexuelle Betätigung
auch dienstgradverschiedener Soldaten/innen außerhalb einer auf Dauer
angelegten Lebensgemeinschaft regelmäßig disziplinarrechtlich ohne
Belang. Von einem Dienstvergehen muss jedoch dann ausgegangen
werden, wenn sich das Verhalten gleichzeitig als Eindringen in die Ehe
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oder in die eheähnliche Lebensgemeinschaft eines Kameraden darstellt.
Sofern zwischen den Beteiligten einer einvernehmlichen hetero­ oder
homosexuellen Beziehung ein unmittelbares
Vorgesetzten/Untergebenenverhältnis besteht, kann die Gefahr einer
ernsthaften Beeinträchtigung der Achtungs­ und Vertrauenswürdigkeit des
Vorgesetzten gegeben sein, insbesondere dann, wenn eine solche
Beziehung erkennbar nicht auf Dauer angelegt ist.
b. im Dienst/außerdienstlich, jedoch innerhalb dienstlicher Liegenschaften
Im Dienst kann auch eine einvernehmliche sexuelle Betätigung von
Soldatinnen und Soldaten nicht geduldet werden. Es ist unerheblich, ob es
sich um eine hetero­ oder homosexuelle Beziehung handelt. Der
Dienstbetrieb ist „sexuell neutral" abzuwickeln. Sexuelle Betätigung im
Dienst ist regelmäßig als Störung des Dienstbetriebes anzusehen, die zu
unterbinden und disziplinar zu würdigen ist.
Gleiches gilt für sexuelle Betätigung, die zwar außerhalb des Dienstes,
jedoch innerhalb militärischer Liegenschaften stattfindet, ausgenommen
die Fälle, in denen der Dienstherr selbst durch Bereitstellung
entsprechender „Einrichtungen" (z.B. gemeinsame
Übernachtungsmöglichkeiten für Ehepartner) oder Regelungen (z.B.
Einräumung des Besuchsrechts für zum Wohnen in der
Gemeinschaftsunterkunft verpflichtete Soldaten/innen gemäß ZDv 10/5
Nr. 309) diese Möglichkeiten erst schafft, sofern nicht sonstige ­
verhaltensbedingte ­ Umstände hinzutreten, die zu negativen
Auswirkungen auf den Dienstbetrieb führen.
Soweit in Folge oder zum Zwecke der Anbahnung einer sexuellen
Beziehung Störungen des Dienstbetriebes ­ etwa durch ungerechtfertigte
Bevorzugung/Benachteiligung des „Partners" ­ auftreten, sind diese zu
unterbinden und disziplinar zu würdigen.
III. Strafrecht
Eine gegen die freie Willensentschließung eines anderen vorgenommene sexuelle
Handlung verstößt in der Regel gegen das Sexualstrafrecht des Strafgesetzbuches
(StGB). Kern des Dreizehnten Abschnitts des Besonderen Teils des StGB "Straftaten
gegen die sexuelle Selbstbestimmung" ist die Freiheit jeder Person über Ort, Zeit,
Form und Partner selbst zu entscheiden. Diese freie Selbstbestimmung ist Teil des
Persönlichkeitsrechts. Verletzungen der Grenzen dieses Selbstbestimmungsrechts
werden von der betroffenen Person regelmäßig als besonders schwerwiegender
Angriff auf den Kern der personalen Würde empfunden. Kinder und andere
Schutzbefohlene werden dabei besonders geschützt.
Verstöße gegen das Sexualstrafrecht, das insbesondere den Schutz von Kindern und
anderen Schutzbefohlenen vor sexuellem Missbrauch und vor anderen schweren
Verfehlungen gegen die sexuelle Selbstbestimmung bezweckt, haben auch erhebliche
Auswirkungen auf die innere Ordnung und das Ansehen der Streitkräfte in der
Öffentlichkeit. Sie gehören deswegen zu den Delikten, die als besonders schwere
Straftaten nach Anhang I des Erlasses „ Abgabe an die Staatsanwaltschaft" (ZDv 14/3
B 118) stets an die Staatsanwaltschaft abzugeben sind.
Der GVPA ist beteiligt worden. [Impressum] [Feedback] [Sitemap]
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