Alemannengräber, Schaan 1938

Alemannengräber
Schaan 19Z8
Von A. Frömmelt
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Bei den Arbeiten für die Straßenverbesserung unter dem
Friedhofe in Schaan im J u n i dieses Jahres wurde neuerdings
das alemannische Gräberfeld angeschnitten und dabei drei Gräber
gehoben. Die Gräber lagen übereinstimmend in geringer Tiefe
unter der heutigen Straßenoberfläche und wurden schon durch die
Unterbauarbeiten ohne besondere Grabung freigelegt, llber den
Platz führen die alte Gasleitung, die Wasserleitung und ein
Kabelstrang der Telephonanlage des Dorfes. Dadurch sind mehrere
Gräber durchgraben, jedoch unbeachtet im Erdaushub zerstreut
worden. E s finden sich im Verlauf dieser Aushubgräben zerstreute
Reste von Knochen, Eisenteilen usw. Die drei gehobenen Gräber
waren zur Hauptsache unversehrt. Sie stimmten in Lage und
Eigenart überein, waren ohne Einfassungsspuren, die Schicht über
den Leichen mit Kalk- und Kohlenresten durchsetzt, unter den
Leichen der „gewachsene" Grund. Die Leichen lagen in der
Richtung des Tales, Kopf südwärts, in ruhiger, gestreckter Lage,
die Arme seitlich angelegt. Die Knochen waren, wie bei früheren
Funden, stark durchfault und zum Teil nur mehr spurenweise
vorhanden, llber möglicherweise vorhandene Brandgräber konnte
nichts beobachtet werden. Die genauen Maße der Situation enthält der Archivbericht. Die Erabreste muhten bei der Durchführung
der Straßenarbeit gänzlich weggeräumt werden. (Vgl. Jahrbuch
1910 und 1934.)
.
Grab 1.
Männliche Leiche, mittlere Größe, Schädel gut erhalten,
übrige Knochenteile sehr faulig. Bemerkenswert war das völlig
glatt geriebene Gebiß, wie früher bei einer Grabung in Triefen
schon festgestellt. Kalkspuren auch in den Skelettresten vorhanden.
A l s Beigaben fanden sich 3 kleine, gelbe Elaspastaperlen in
einfachster Ausführung. Diese fänden sich zwischen Brust und Kinn,
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etwas erhöht über den Knochenresten. Etwas über Kniehöhe an
der rechten Seite der Leiche lag ein kleines Eisenmesser, 12 cm
lang, in gänzlich durchrosteten: Zustand (Einseitige Schneide, Sax).
Grab 2.
Männliche Leiche, mittlere Größe, im Erhaltungszustand wie
Grab 1, ohne besondere Eigenheit des Skeletts.
Die Beigaben dieses Grabes sind sehr beachtenswert und für
die Zeitbestimmung von Bedeutung. Quer über das Becken lag
die vierteilige bronzene Eurtzier (Abbildung), rechtseitig in Kniehöhe ein kräftiges Eisenschwert, 46 cm lang, 5 ^ cm breit, mit
einseitiger Schneide (Sax!). Das Schwert ist, wenn auch arg
durchrostet, verhältnismäßig befriedigend erhalten und zeigt am
Eriffangel noch leichte Holzspuren der Fassung.
Grab 3.
Männliche Leiche wie 1 und 2 ohne besondere Bemerkung.
Beigaben: 2 kleine, gelbe Elaspastaperlen und einzelne formlose
Eisenreste.
Grab 3 ist bei der Anlage der alten Gasleitung zum Teil
gestört und daher weniger zuverlässig. I m gelockerten Schutt des
Grabes fanden sich auch ein Bruchstück eines Hufeisens und 2 Hufnägel.
Die Beigaben der 3 Gräber sind der Sammlung des Historischen Vereins eingeordnet.
Abbildung.
Die Gürtelschnalle und Eurtzier aus Grab 2 ist für alemannische Kultur socharakteristischund zudem so gut erhalten, daß sich
ihre bildliche Wiedergabe rechtfertigt. A l s Ergänzung und zum
Vergleich wird eine Eisenschnalle aus den Funden 1910 beigegeben.
Hiezu muß bemerkt werden, daß die Zusammengehörigkeit der
einzelnen Teile fundgeschichtlich nicht feststeht, sogar nicht erkannt
wurde und die Beschläge als getrennte Teile unbestimmter Art
erachtet wurden. B e i näherem Zusehen kann höchstens ein leichter
Zweifel darüber bestehen, ob der kleinere Endbesatz ä, der im
Verhältnis und in Bearbeitungsart etwas abweicht, nicht einer
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anderen Schnalle zugehört. Eine andere Schnalle ist jedoch aus
dem alten Bestand nicht vorhanden; bei der vorhandenen, abgebildeten Schnalle wäre dieser Teil abgängig, also ist der Zusammenhang zumindest wahrscheinlich. Die eigentliche Schnalle erscheint
als kaum erkennbarer Rostknäuel am einen Vesatzteil b. Der
Dorn 3 ist in Bronze, von gleicher Grundform wie bei der neuen
Vronzeschnalle, aber ohne Verzierung. Nach den Abnützungsspuren
am Dorn zu schließen, war die Schnalle lange im Gebrauch. Aus
Formspuren und teilweiser Patinierung des Mittelstückes c darf
mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß die Schnalle ein
tauschiertes Ornament trug, das aber durch den Rost zerstört
wurde. Das noch erhaltene Ziermoment, wie aus der Abbildung
ersichtlich, besteht aus flachen Nietkappen in Bronze. Vesatzteil b
ist nur mehr Bruchstück; die Fortsetzung in der Länge ist weggebrochen. Eine zeitliche Festlegung bei Eisenschnallen ist nach
Veeck^ sehr schwer oder unmöglich,' doch dürfte, wenn die Voraussetzung richtig, daß die Schnalle tauschiertes Ornament trug, und
wenn die andere Voraussetzung- richtig, daß solche tauschierte
Ornamentik eher später anzusetzen, das 1910 abgedeckte Grab in
die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts angesetzt werden. Diese
Zeitsetzung wird besonders auch durch die damaligen Glaspastaperlen bestätigt. E s ist dies deswegen wichtig, weil dadurch, obwohl
örtlich fast 100 m auseinanderstehend, doch die bis jetzt freigelegten
Gräber des alemannischen Friedhofes in Schaan alle zeitlich gleichlaufend waren.
Die Vronzeschnalle aus dem diesjährigen Grabfund ist bestimmt
und eindeutig; Lage und Zusammengehörigkeit stehen außer Zweifel; der Erhaltungszustand ist, dem Metall entsprechend, sehr gut.
E s handelt sich um eine Schwertgurtschnalle mit Veschläg und
EegenbeschlLg, in allen Teilen entsprechend ornamentiert. Sie
besteht aus 4 Teilen: aus der einfachen, ovalen Schnalle, dem
tierornamentierten Schilddorn, den zwei gemischt ornamentierten
Beschlägen. Diese lagen, wie erwähnt, über den Beckenknochen
des Skelettes, und zwar so, daß der größere Beschlägteil von rechts
nach links, der kleinere gegengestellt von links nach rechts gelagert
' Walther Veeck, Die Alemannen in Württemberg, Verlag
Gruyter H Co,
W. de
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waren. Diese Erwähnung ist von Bedeutung für die Erklärung der
Öse im größeren Beschlägeteil, die auf keinen F a l l als zufälliger
Ausbruch bezeichnet werden darf, sondern ihre bewußte Bestimmung hat, nämlich den Schulterriemen durchzuziehen, der den
Schwertgurt hochzuhalten hatte. Das Ornament blieb auf diese
Weise frei und das Leder erlitt durch die metallne Versteifung
keine Zerrung. Es scheint dies eine nicht oft wiederkehrende Form
zu sein. Veeck erwähnt kein solches Beispiel.
Das Ornament besteht zum Teil, wie bei der Eisenschnalle,
aus Nietkappen, die die innere Flächenteilung markieren. Anderwärts findet man diesen Nietkappen teilweise verzierte Auflageplättchen unterlegt. Bei unserem Stück fehlen sie! hingegen sind
sie mittels Schlageisen Und Feile gleichsam nachgeahmt. Auf der
Innenseite ist noch zu beobachten, wie die Nietstifte breitgehämmert
wurden. Die Nietköpfe sitzen so eng auf der Zierplatte, als wären
sie aufgegossen, doch ist ersichtlich, daß sie erst nach der Zierkerbe
aufgesetzt wurden.
D i e S c h n a l l e (1) hat ovale Form, besteht aus der gegossenen Schnalle und einem beweglichen Anfaßstift (65 mm äußere
Breite). I h r Ornament besteht aus eingestanzten Linien in Kreuzrichtung und einem ährenförmigen Doppelschlag in den Linienzwickeln. Diese Zeichnung wirkt etwas fremdartig zum Ganzen,
um so mehr als anderwärts strenge Gleichartigkeit aller Teile
gefunden wurde. M a n ist versucht anzunehmen, dieser Teil rühre
von einer älteren Schnalle her und sei hier mit Zuzug neuer Teile
ein zweites M a l in Gebrauch genommen worden. Auch die verschiedene Art der Patina dieses Teiles würde eine solche Vermutung unterstützen. Dem entgegen muß allerdings betont werden,
daß diese Art des Ornamentes für die Schnalle gebräuchlich und
stabil erscheint, also traditionell auch hier Verwendung fand.
Zudem vermag dieser Umstand weder den künstlerischen Eesamteindruck, noch die Zeitansetzung wesentlich zu beeinflussen.
D e r S ch n a l l e n d o r n (2) ist ein sogenannter Schilddorn
mit ausgeprägter Tierornamentik (55 mm lang). Ist diese auf dem
Schildchen auch weniger klar, so zeigt sie sich am Dorn um so eindringlicher als Schlangenkops, wobei auffallen muß, mit welcher
stilmäßigen Sicherheit das große Auge in die Abbiegung des Dorns
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eingesetzt ist. Das zum Teil gegossene Ornament ist in Kerbschnittart nachgearbeitet.
D a s B e s c h l ä g e (3) (90 mm lang) zeigt ein doppeltes
Ornamentmotiv in Kerbschnitt und prosilierter Randlinie. Das
innere, selbständige Bandornament ist von kräftiger Linie eingerahmt und von den Niettappen besonders im Dreieck betont.
Im unabhängigen Randornament spielen Kerbschnitt und Randprofil zu einheitlichem Tierornament zusammen: es sind zwei
kauernde Drachen. Im vorderen Teile ist das Veschläg mit drei
Löchern versehen, die zur Verbindung der Schnalle dienten, llber
die größere Öse am oberen Rand ist bereits die Meinung dargelegt.
Auf der Unterseite der Platte sind 3 vorstehende Zapfen, im Stück
gegossen, mit Ösen zur Befestigung am Ledergurt. Das Veschläg
ist, der Leibrundung entsprechend, leicht gebogen.
D a s E e g e n b e s c h l ä g (4) (50 mm lang) ist in gleicher
Ausführung, jedoch einheitlich tierornamentiert mit dem Randmotiv des Beschläges. Das Bandornament ist wohl angesetzt, jedoch
zur Einheit mit dem Tierornament zusammengezogen, indem die
innere Abschlußlinie bewußt in die Tierform überläuft. Auf der
Unterseite sind 2 vorstehende Zapfen mit Ösen. Der Rand beider
Beschlägteile ist 5 mm hoch, der Guß ungefähr 2 mm stark.
Für die Zeitbestimmung mögen folgende Bemerkungen aus
den Ausführungen Veecks angebracht sein. Schnallen am Gewand,
Gürtel, Schuh bei Mann und Frau, am Riemenzeug fürs Pferd
usw. waren dem Alemannen sehr gebräuchlich, und zwar als Gebrauchs- und Schmucksache. Er verlegte auf deren Herstellung zum
Teil große Sorgfalt und bildete neben althergebrachten auch eigene,
charakteristische Formen aus, an Hand deren eine Zeitbestimmung
möglich ist, wie etwa mit den Fibeln des römischen Kulturgutes.
Neben unverändert dauernden Zweckformen bilden sich zeitliche
Sonderformen heraus, an denen besondere Zierelemente Anwendung finden. Außer der verzierten einfachen Schnalle schafft der
Schmucksinn Schnallen mit Veschläg und Gegenbeschläg oft in
mehreren Teilen. Das häufigste Material ist Eisen, auch tauschiert
oder plattiert, weniger häufig Bronze und selten auch Silber
oder gar Gold. Grundsätzlich kann angenommen werden, daß bei
Schnallen mit Veschläg die unverzierten älter, und die einfache
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Zierart älter als die zusammengesetzte, die jüngste Art aber die
ganz tierornamentierende sei.
Unsere Schnalle gehört nun zu jenen, deren Ornamentik zwar
noch klar ausgeschieden, immerhin schon einen gewissen Zug zur
reinen Tierornamentik in sich trägt und daher zu den späteren
Erzeugnissen gehört. Sie ist etwa der Wende des 6. zum 7. Jahrhundert nahezustellen und ist damit zeitlich einheitlich mit allen bis
jetzt geborgenen Funden der alemannischen Grabstätte in Schaan.
Unsere heurige Schwertgurtzier fügt sich würdig zum prachtvollen Frauenschmuck aus dem Grab 1934 und ergänzt das B i l d
vom Kunstsinn einer Zeit in unserem T a l , die wir so oft als halbwild schildern hören. Freilich liegt schier in jedem Grab, auch im
Frauengrab, die Waffe, die man zu führen wußte; um so staunenswerter aber ist, daß auch im wehrhaften Volk der S i n n für Schönheit so treu gepflegt worden, und rührend ist zu sehen, daß auch
das Schönste gut und recht, dem lieben Verstorbenen seine Ruhestatt damit zu schmücken. Ich weiß nicht, ob man einst mit unseren
Knochen etwas der Anerkennung Würdigeres wird an den Tag
bringen.