Alemannengräber Schaan 19Z8 Von A. Frömmelt — 89 — Bei den Arbeiten für die Straßenverbesserung unter dem Friedhofe in Schaan im J u n i dieses Jahres wurde neuerdings das alemannische Gräberfeld angeschnitten und dabei drei Gräber gehoben. Die Gräber lagen übereinstimmend in geringer Tiefe unter der heutigen Straßenoberfläche und wurden schon durch die Unterbauarbeiten ohne besondere Grabung freigelegt, llber den Platz führen die alte Gasleitung, die Wasserleitung und ein Kabelstrang der Telephonanlage des Dorfes. Dadurch sind mehrere Gräber durchgraben, jedoch unbeachtet im Erdaushub zerstreut worden. E s finden sich im Verlauf dieser Aushubgräben zerstreute Reste von Knochen, Eisenteilen usw. Die drei gehobenen Gräber waren zur Hauptsache unversehrt. Sie stimmten in Lage und Eigenart überein, waren ohne Einfassungsspuren, die Schicht über den Leichen mit Kalk- und Kohlenresten durchsetzt, unter den Leichen der „gewachsene" Grund. Die Leichen lagen in der Richtung des Tales, Kopf südwärts, in ruhiger, gestreckter Lage, die Arme seitlich angelegt. Die Knochen waren, wie bei früheren Funden, stark durchfault und zum Teil nur mehr spurenweise vorhanden, llber möglicherweise vorhandene Brandgräber konnte nichts beobachtet werden. Die genauen Maße der Situation enthält der Archivbericht. Die Erabreste muhten bei der Durchführung der Straßenarbeit gänzlich weggeräumt werden. (Vgl. Jahrbuch 1910 und 1934.) . Grab 1. Männliche Leiche, mittlere Größe, Schädel gut erhalten, übrige Knochenteile sehr faulig. Bemerkenswert war das völlig glatt geriebene Gebiß, wie früher bei einer Grabung in Triefen schon festgestellt. Kalkspuren auch in den Skelettresten vorhanden. A l s Beigaben fanden sich 3 kleine, gelbe Elaspastaperlen in einfachster Ausführung. Diese fänden sich zwischen Brust und Kinn, s » — 90 — etwas erhöht über den Knochenresten. Etwas über Kniehöhe an der rechten Seite der Leiche lag ein kleines Eisenmesser, 12 cm lang, in gänzlich durchrosteten: Zustand (Einseitige Schneide, Sax). Grab 2. Männliche Leiche, mittlere Größe, im Erhaltungszustand wie Grab 1, ohne besondere Eigenheit des Skeletts. Die Beigaben dieses Grabes sind sehr beachtenswert und für die Zeitbestimmung von Bedeutung. Quer über das Becken lag die vierteilige bronzene Eurtzier (Abbildung), rechtseitig in Kniehöhe ein kräftiges Eisenschwert, 46 cm lang, 5 ^ cm breit, mit einseitiger Schneide (Sax!). Das Schwert ist, wenn auch arg durchrostet, verhältnismäßig befriedigend erhalten und zeigt am Eriffangel noch leichte Holzspuren der Fassung. Grab 3. Männliche Leiche wie 1 und 2 ohne besondere Bemerkung. Beigaben: 2 kleine, gelbe Elaspastaperlen und einzelne formlose Eisenreste. Grab 3 ist bei der Anlage der alten Gasleitung zum Teil gestört und daher weniger zuverlässig. I m gelockerten Schutt des Grabes fanden sich auch ein Bruchstück eines Hufeisens und 2 Hufnägel. Die Beigaben der 3 Gräber sind der Sammlung des Historischen Vereins eingeordnet. Abbildung. Die Gürtelschnalle und Eurtzier aus Grab 2 ist für alemannische Kultur socharakteristischund zudem so gut erhalten, daß sich ihre bildliche Wiedergabe rechtfertigt. A l s Ergänzung und zum Vergleich wird eine Eisenschnalle aus den Funden 1910 beigegeben. Hiezu muß bemerkt werden, daß die Zusammengehörigkeit der einzelnen Teile fundgeschichtlich nicht feststeht, sogar nicht erkannt wurde und die Beschläge als getrennte Teile unbestimmter Art erachtet wurden. B e i näherem Zusehen kann höchstens ein leichter Zweifel darüber bestehen, ob der kleinere Endbesatz ä, der im Verhältnis und in Bearbeitungsart etwas abweicht, nicht einer — 91 — anderen Schnalle zugehört. Eine andere Schnalle ist jedoch aus dem alten Bestand nicht vorhanden; bei der vorhandenen, abgebildeten Schnalle wäre dieser Teil abgängig, also ist der Zusammenhang zumindest wahrscheinlich. Die eigentliche Schnalle erscheint als kaum erkennbarer Rostknäuel am einen Vesatzteil b. Der Dorn 3 ist in Bronze, von gleicher Grundform wie bei der neuen Vronzeschnalle, aber ohne Verzierung. Nach den Abnützungsspuren am Dorn zu schließen, war die Schnalle lange im Gebrauch. Aus Formspuren und teilweiser Patinierung des Mittelstückes c darf mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß die Schnalle ein tauschiertes Ornament trug, das aber durch den Rost zerstört wurde. Das noch erhaltene Ziermoment, wie aus der Abbildung ersichtlich, besteht aus flachen Nietkappen in Bronze. Vesatzteil b ist nur mehr Bruchstück; die Fortsetzung in der Länge ist weggebrochen. Eine zeitliche Festlegung bei Eisenschnallen ist nach Veeck^ sehr schwer oder unmöglich,' doch dürfte, wenn die Voraussetzung richtig, daß die Schnalle tauschiertes Ornament trug, und wenn die andere Voraussetzung- richtig, daß solche tauschierte Ornamentik eher später anzusetzen, das 1910 abgedeckte Grab in die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts angesetzt werden. Diese Zeitsetzung wird besonders auch durch die damaligen Glaspastaperlen bestätigt. E s ist dies deswegen wichtig, weil dadurch, obwohl örtlich fast 100 m auseinanderstehend, doch die bis jetzt freigelegten Gräber des alemannischen Friedhofes in Schaan alle zeitlich gleichlaufend waren. Die Vronzeschnalle aus dem diesjährigen Grabfund ist bestimmt und eindeutig; Lage und Zusammengehörigkeit stehen außer Zweifel; der Erhaltungszustand ist, dem Metall entsprechend, sehr gut. E s handelt sich um eine Schwertgurtschnalle mit Veschläg und EegenbeschlLg, in allen Teilen entsprechend ornamentiert. Sie besteht aus 4 Teilen: aus der einfachen, ovalen Schnalle, dem tierornamentierten Schilddorn, den zwei gemischt ornamentierten Beschlägen. Diese lagen, wie erwähnt, über den Beckenknochen des Skelettes, und zwar so, daß der größere Beschlägteil von rechts nach links, der kleinere gegengestellt von links nach rechts gelagert ' Walther Veeck, Die Alemannen in Württemberg, Verlag Gruyter H Co, W. de — 92 — waren. Diese Erwähnung ist von Bedeutung für die Erklärung der Öse im größeren Beschlägeteil, die auf keinen F a l l als zufälliger Ausbruch bezeichnet werden darf, sondern ihre bewußte Bestimmung hat, nämlich den Schulterriemen durchzuziehen, der den Schwertgurt hochzuhalten hatte. Das Ornament blieb auf diese Weise frei und das Leder erlitt durch die metallne Versteifung keine Zerrung. Es scheint dies eine nicht oft wiederkehrende Form zu sein. Veeck erwähnt kein solches Beispiel. Das Ornament besteht zum Teil, wie bei der Eisenschnalle, aus Nietkappen, die die innere Flächenteilung markieren. Anderwärts findet man diesen Nietkappen teilweise verzierte Auflageplättchen unterlegt. Bei unserem Stück fehlen sie! hingegen sind sie mittels Schlageisen Und Feile gleichsam nachgeahmt. Auf der Innenseite ist noch zu beobachten, wie die Nietstifte breitgehämmert wurden. Die Nietköpfe sitzen so eng auf der Zierplatte, als wären sie aufgegossen, doch ist ersichtlich, daß sie erst nach der Zierkerbe aufgesetzt wurden. D i e S c h n a l l e (1) hat ovale Form, besteht aus der gegossenen Schnalle und einem beweglichen Anfaßstift (65 mm äußere Breite). I h r Ornament besteht aus eingestanzten Linien in Kreuzrichtung und einem ährenförmigen Doppelschlag in den Linienzwickeln. Diese Zeichnung wirkt etwas fremdartig zum Ganzen, um so mehr als anderwärts strenge Gleichartigkeit aller Teile gefunden wurde. M a n ist versucht anzunehmen, dieser Teil rühre von einer älteren Schnalle her und sei hier mit Zuzug neuer Teile ein zweites M a l in Gebrauch genommen worden. Auch die verschiedene Art der Patina dieses Teiles würde eine solche Vermutung unterstützen. Dem entgegen muß allerdings betont werden, daß diese Art des Ornamentes für die Schnalle gebräuchlich und stabil erscheint, also traditionell auch hier Verwendung fand. Zudem vermag dieser Umstand weder den künstlerischen Eesamteindruck, noch die Zeitansetzung wesentlich zu beeinflussen. D e r S ch n a l l e n d o r n (2) ist ein sogenannter Schilddorn mit ausgeprägter Tierornamentik (55 mm lang). Ist diese auf dem Schildchen auch weniger klar, so zeigt sie sich am Dorn um so eindringlicher als Schlangenkops, wobei auffallen muß, mit welcher stilmäßigen Sicherheit das große Auge in die Abbiegung des Dorns — 93 — eingesetzt ist. Das zum Teil gegossene Ornament ist in Kerbschnittart nachgearbeitet. D a s B e s c h l ä g e (3) (90 mm lang) zeigt ein doppeltes Ornamentmotiv in Kerbschnitt und prosilierter Randlinie. Das innere, selbständige Bandornament ist von kräftiger Linie eingerahmt und von den Niettappen besonders im Dreieck betont. Im unabhängigen Randornament spielen Kerbschnitt und Randprofil zu einheitlichem Tierornament zusammen: es sind zwei kauernde Drachen. Im vorderen Teile ist das Veschläg mit drei Löchern versehen, die zur Verbindung der Schnalle dienten, llber die größere Öse am oberen Rand ist bereits die Meinung dargelegt. Auf der Unterseite der Platte sind 3 vorstehende Zapfen, im Stück gegossen, mit Ösen zur Befestigung am Ledergurt. Das Veschläg ist, der Leibrundung entsprechend, leicht gebogen. D a s E e g e n b e s c h l ä g (4) (50 mm lang) ist in gleicher Ausführung, jedoch einheitlich tierornamentiert mit dem Randmotiv des Beschläges. Das Bandornament ist wohl angesetzt, jedoch zur Einheit mit dem Tierornament zusammengezogen, indem die innere Abschlußlinie bewußt in die Tierform überläuft. Auf der Unterseite sind 2 vorstehende Zapfen mit Ösen. Der Rand beider Beschlägteile ist 5 mm hoch, der Guß ungefähr 2 mm stark. Für die Zeitbestimmung mögen folgende Bemerkungen aus den Ausführungen Veecks angebracht sein. Schnallen am Gewand, Gürtel, Schuh bei Mann und Frau, am Riemenzeug fürs Pferd usw. waren dem Alemannen sehr gebräuchlich, und zwar als Gebrauchs- und Schmucksache. Er verlegte auf deren Herstellung zum Teil große Sorgfalt und bildete neben althergebrachten auch eigene, charakteristische Formen aus, an Hand deren eine Zeitbestimmung möglich ist, wie etwa mit den Fibeln des römischen Kulturgutes. Neben unverändert dauernden Zweckformen bilden sich zeitliche Sonderformen heraus, an denen besondere Zierelemente Anwendung finden. Außer der verzierten einfachen Schnalle schafft der Schmucksinn Schnallen mit Veschläg und Gegenbeschläg oft in mehreren Teilen. Das häufigste Material ist Eisen, auch tauschiert oder plattiert, weniger häufig Bronze und selten auch Silber oder gar Gold. Grundsätzlich kann angenommen werden, daß bei Schnallen mit Veschläg die unverzierten älter, und die einfache — 84 — Zierart älter als die zusammengesetzte, die jüngste Art aber die ganz tierornamentierende sei. Unsere Schnalle gehört nun zu jenen, deren Ornamentik zwar noch klar ausgeschieden, immerhin schon einen gewissen Zug zur reinen Tierornamentik in sich trägt und daher zu den späteren Erzeugnissen gehört. Sie ist etwa der Wende des 6. zum 7. Jahrhundert nahezustellen und ist damit zeitlich einheitlich mit allen bis jetzt geborgenen Funden der alemannischen Grabstätte in Schaan. Unsere heurige Schwertgurtzier fügt sich würdig zum prachtvollen Frauenschmuck aus dem Grab 1934 und ergänzt das B i l d vom Kunstsinn einer Zeit in unserem T a l , die wir so oft als halbwild schildern hören. Freilich liegt schier in jedem Grab, auch im Frauengrab, die Waffe, die man zu führen wußte; um so staunenswerter aber ist, daß auch im wehrhaften Volk der S i n n für Schönheit so treu gepflegt worden, und rührend ist zu sehen, daß auch das Schönste gut und recht, dem lieben Verstorbenen seine Ruhestatt damit zu schmücken. Ich weiß nicht, ob man einst mit unseren Knochen etwas der Anerkennung Würdigeres wird an den Tag bringen.
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