Schlafstörungen und psychische Erkrankungen Als Leiter einer psychosomatischen Klinik behandle ich schwerpunktmäßig Schlafstörungen. Sie sind häufig das Achsensymptom bei der Entstehung von Depressionen – man findet fast keine Depression ohne Schlafstörung und auf die Dauer auch kaum eine Schlafstörung ohne Depression. von Dr. Christian Peter Dogs Anzeige V Dr. Christian Peter Dogs, Ärztlicher Direktor der Panorama-Kliniken Scheidegg Kurstr. 16–22 88175 Scheidegg im Allgäu Tel.: 0 83 81/80 20 Fax: 08381/802484 E-Mail: [email protected] www.panoramafachklinik.de 34 iele Schlafprobleme existieren freilich nur in unserer Vorstellung. 50% aller Patienten, die wegen Schlafstörungen im Schlaflabor untersucht werden, haben in Wirklichkeit gar kein Schlafproblem, sondern nur falsche Vorstellungen vom Schlaf. Beispielsweise denken sie, ein „richtiger“ Nachtschlaf müsse mindestens acht Stunden dauern. Dabei gibt es auch Kurzschläfer, die nach vier Stunden Schlaf schon völlig erholt sind. Wichtig ist nicht die Länge, sondern die Qualität des Schlafs. Andere Menschen meinen, man müsse sein Schlafpensum unbedingt „an einem Stück“ absolvieren; zwischendurch aufzuwachen, sei krankhaft. Dabei ist es völlig normal, nachts öfter wach zu werden und wieder einzuschlafen. Unnormal ist es nur, zu lange wach zu liegen – und womöglich verzweifelt aufs Einschlafen zu warten. Wie unser Schlaf strukturiert ist Wie sieht ein normales, gesundes Schlafprofil aus? Wenn man gegen elf Uhr abends ins Bett geht, kommt man schon vor Mitternacht in die erste Tiefschlafphase (auch als Schlafphase 4 bezeichnet). Tiefschlaf und REM-Schlaf sind die wichtigsten Schlafphasen. Den Tiefschlaf brauchen wir, um uns körperlich zu regenerieren. Der REM-Schlaf (Rapid-Eye-Movement-Schlaf, so genannt, weil sich die Augen dabei unter den Lidern ganz schnell hin und her bewegen) hingegen dient unserer psychischen Regeneration. Die Schlafphasen 1 bis 3 sind eigentlich nur Durchgangsphasen, die wir brauchen, um in die Tiefschlafphasen zu kommen. Doch auch während dieser Phasen werden bereits wichtige Vorbereitungen für die körperliche Regeneration getrof- Schlaflos in der Großstadt Inzwischen weiß man, dass der Schlaf vor allem bei Großstädtern häufig gestört ist. Man geht davon aus, dass rund 30% einer Großstadtbevölkerung Schlafstörungen haben; und bei über der Hälfte dieser Patienten sind die Schlafstörungen chronisch, das heißt, sie dauern länger als ein halbes Jahr. das schlafmagazin 3/2006 fen: Kreislauf und Blutdruck werden heruntergefahren, Puls und Atmung verlangsamen sich. Das Einzige, was steigt, ist der Hautwiderstand – ein Zeichen dafür, dass wir uns gut entspannen. Wenn man dann in die Schlafphase 4, den Tiefschlaf, kommt, ist man ganz entspannt, und der gesamte Stoffwechsel läuft auf Sparflamme. Das Einzige, was jetzt noch erhalten bleibt, ist die Muskelspannung (Muskeltonus); das heißt, während dieser Schlafphase kann man sich bewegen, und auch die Sinneswahrnehmung ist erhalten. Wir können hören und fühlen, werden bei äußeren Störungen wach und können sofort reagieren. Aus dem Tiefschlaf kommt man in die Phase 2, eine relativ oberflächliche Schlafphase, und anschließend in die REM-Phase. Und jetzt „geht die Post ab“: Im REMSchlaf bekommen wir teilweise einen Blutdruck bis 200 und einen Puls bis 120. Denn jetzt träumen wir sehr intensiv und erleben die aufregendsten Dinge. Das Interessante an der REM-Schlafphase ist, dass der Körper dabei vollständig gelähmt ist, damit man seine lebhaften Träume nicht ausagiert. Auch unsere Sinneswahrnehmung ist jetzt nicht mehr erhalten. Vielleicht fragen Sie sich, wie es passieren kann, dass Menschen im Schlaf verbrennen. Das liegt am REM-Schlaf: Während dieser Phasen riecht und hört man nichts. Deshalb ist morgens ab drei Uhr auch die beste Zeit zum Einbrechen, denn dann sind die Menschen im Traumschlaf total Der REM-Schlaf bringt es an den Tag In der REM-Schlafphase bekommen Männer eine Erektion, und auch Frauen sind sexuell sehr erregt. Das ist wichtig für Männer mit Potenzschwierigkeiten: Falls sie bei einer Untersuchung im Schlaflabor in der REM-Phase eine Erektion haben, deutet das darauf hin, dass ihr Problem nicht organisch, sondern eher psychisch bedingt ist. Denn wenn es eine organische Ursache hätte, würden sie auch in der REM-Schlafphase keine Erektion bekommen. mit sich selbst beschäftigt, hören nichts, fühlen nichts und sind wie gelähmt. Wenn man aus einer solchen Schlafphase erwacht, braucht man erst einmal einige Zeit, bis der Muskeltonus sich neu aufbaut und man wieder reagieren kann. Viele Menschen ängstigen sich, weil sie öfters nachts wach werden und dann schwitzen und Herzrasen haben. Auch das ist kein Grund zur Beunruhigung. Denn wenn man aus einer REMPhase erwacht, schlägt einem das Herz oft bis zum Hals, weil man während dieser Schlafphasen so viel erlebt. Nächtliche Problemlösung Wir entwickeln während des REM-Schlafs aber auch Lösungen für Probleme, mit denen wir uns schon seit längerer Zeit herumschlagen. Vielleicht ist es Ihnen auch schon einmal so gegangen – Sie wachen morgens auf und sagen sich ganz spontan: „Das ist die Lösung!“ Diese geniale Strategie haben Sie nachts in der REMSchlafphase erarbeitet, in der Sie in einer sehr intensiven Auseinandersetzung mit Ihrer gegenwärti- gen Situation stehen. Außerdem überführt man in der REM-Phase alles, was langfristig gespeichert werden muss, ins Langzeitgedächtnis. Deshalb ist es – gerade für Menschen, die an Depressionen leiden – wichtig, abends vor dem Zubettgehen noch positive Gedanken zu haben. Denn man speichert im REM-Schlaf unter anderem das, was man zuletzt gedacht hat. Das Schlimme ist aber, dass uns abends meist negative Dinge beschäftigen; und ausgerechnet diesie gelangen deshalb auch immer wieder in unseren „Langzeitspeicher“. Menschen, die zu zwanghaftem Grübeln und negativen Gedankenkreisläufen neigen, speichern diese schwarzseherischen Gedanken immer wieder neu. Deshalb ist es wichtig, abends ein positives Tagebuch zu führen oder sich auf positive Gedanken zu konzentrieren, bevor man ins Bett geht. das schlafmagazin 3/2006 35 Schlafprobleme nicht auf die leichte Schulter nehmen Ich wundere mich immer wieder, wie viele Ärzte Schlafstörungen nicht ernst nehmen. Sie beruhigen ihre Patienten mit Floskeln wie:„Regen Sie sich nicht auf; das renkt sich schon wieder ein.“ Aber das ist falsch, weil dauerhafte Schlafstörungen letztlich fast immer in eine psychische Krankheit münden. Wer jahrelang Schlafstörungen hat, der wird irgendwann psychisch oder sogar körperlich krank. Früher hat man immer gesagt, der Schlaf vor Mitternacht sei der Schönheitsschlaf. Das ist aber nicht ganz richtig: Die ersten Stunden des Schlafs sind der Schönheitsschlaf, egal, wann sie stattfinden; denn in den ersten Stunden haben wir vermehrt Tiefschlafphasen. Das heißt, der Körper regeneriert sich in den ersten drei bis vier Schlafstunden. Erst dann kommt die Psyche dran: Das heißt, in der zweiten Schlafhälfte finden vermehrt REM-Phasen statt. Im Laufe der Nacht verändert sich unser Schlafprofil: Die Tiefschlafphasen werden immer weniger, flacher und kürzer. Gerade morgens sind die REMPhasen ausgeprägt und lang. Das ist auch die Erklärung dafür, dass beim Aufwachen aus diesem morgendlichen REM-Schlaf Männer eine Erektion haben und auch Frauen sexuell erregt sind. (Schön wäre es, wenn beide – Mann und Frau – morgens zum gleichen Zeitpunkt aus dem REM-Schlaf erwachten; aber das kommt leider nur selten vor.) Die meisten Durchschlafstörungen beginnen morgens gegen zwei bis drei Uhr. Dann kann man nicht mehr schlafen, weil der Körper jetzt sagt: „Ich bin fertig – ich habe genug Schlaf bekommen! Wir können aufhören.“ Nun wäre aber eigentlich die Psyche dran, die auf diese Weise ins Hintertreffen gerät. Wenn man in der zweiten Nachthälfte Durchschlafstörungen hat, wird man langfristig gesehen mit Sicherheit psychisch krank, weil die Psyche sich dann gar nicht mehr regenerieren kann 36 das schlafmagazin 3/2006 – weil die REM-Schlafphasen fehlen. Menschen, die bereits an einer psychischen Erkrankung leiden, brauchen diese REM-Phasen natürlich besonders dringend. Wie der Tag, so die Nacht Grundsätzlich gilt: Der Schlaf korrespondiert immer mit dem Tag. Wenn ich mich tagsüber körperlich angestrengt habe, habe ich nachts mehr Tiefschlaf, weil der Körper sich von seiner physischen Aktivität erholen muss. Und wenn ich sehr viel erlebt habe, was ich verarbeiten muss – zum Beispiel in Zeiten psychischer Belastung, aber durchaus auch bei positiven Erlebnissen –, durchlebe ich viele REM-Schlafphasen. Wenn wir uns das normale Leben eines Deutschen anschauen, stellen wir aber leider fest:Viele Deutsche erleben nichts und bewegen sich auch nicht – daher bekommen sie kaum REMund Tiefschlaf. Deshalb sollte man jeden Tag wenigstens eine Stunde wandern oder einer anderen körperlichen Aktivität nachgehen, um genügend Tiefschlaf zu bekommen. Und ab und zu einmal etwas zu erleben, wäre sicherlich auch nicht schlecht … Von „angenehmen“ und „unangenehmen“ Schnarchern Eine echte Schlafstörung – zumindest für den Bettpartner, oft aber auch für den Schlafenden selber – ist das Schnarchen. Dabei gibt es zwei unterschiedliche Typen: Die einen sind die netten Schnarcher, die regelmäßig sägen und dabei keinen Atemstillstand haben, der länger als 30 Sekunden dauert. (Atempausen bis zu 30 Sekunden gelten als normal.) Ein solches Schnarchen stört den Bettpartner nicht so sehr; es kann – sobald man sich erst einmal daran gewöhnt hat – sogar beruhigend wirken. Die unangenehmen Bettgenossen dagegen schnarchen sehr laut und unregelmäßig und haben zwischendurch immer wieder längere Atempausen. Und nach einiger Zeit fragt die Ehefrau sich besorgt: „Lebt er überhaupt noch?“ Nach einer Weile setzt die Atmung dann aber zum Glück wieder ein, und das Schnarchen geht weiter. Diese Art zu schnarchen ist ein Alarmsignal: Wenn Atemstillstände über 30 Sekunden dauern, sollte man sich schlafmedizinisch untersuchen und gegebenenfalls behandeln lassen. Es könnte sich nämlich um eine Schlafapnoe (krankhaftes Schnarchen mit Atemaussetzern) handeln. Schlafapnoe und Depressionen Solche Menschen haben kaum noch Tiefschlaf- und REM-Phasen, weil sie durch ihre Atemstillstände immer wieder vorher geweckt werden. Sie sind tagsüber häufig müde und unausgeschlafen und leiden unter Depressionen. Daher ist es für den Arzt sehr wichtig, bei Depressionen, für die man keine Ursache findet, auch das Schlafmuster zu betrachten und die Partnerin zu fragen: „Wie schnarcht er denn?“ Ich sage bewusst „er“, denn bis zum 60. Lebensjahr schnarchen 50% der Männer. Ab dem 60. Lebensjahr holen die Frauen gewaltig auf; zwischen 60 und 70 schnarcht dann auch die Hälfte der Frauen und ab 80 fast nur noch die Frauen, weil ihre Männer in der Regel schon tot sind. Eule oder Lerche? Es gibt zwei unterschiedliche Schlaftypen: Lerchen und Eulen. Lerchen sind diejenigen, die abends zeitig ins Bett gehen und morgens früh aufstehen. Das sind die angenehmen Menschen, die morgens schon so schrecklich gut gelaunt sind. Sie haben es im Leben viel leichter als Eulen, weil sie morgens ohne Probleme aus den Federn kommen und gleich hellwach und leistungsfähig sind. Eulen dagegen gehen abends spät ins Bett und fangen morgens auch erst spät an zu leben. Das sind die Morgenmuffel. Rein statistisch gesehen sind Frauen eher Lerchen und Männer eher Eulen. Ganz schlecht ist es, wenn eine Eule mit einer Lerche verheiratet ist. Die beiden können eigentlich gar nicht miteinander auskommen, denn eine Eule gehört nicht vor Mitternacht ins Bett. Viele Eulen machen den Fehler, zu früh ins Bett zu gehen, weil sie wissen, dass sie morgens früh aufstehen müssen. Damit züchten sie sich eine Schlafstörung heran. Eulen haben in diesem Leben leider Pech gehabt, vor allem, wenn sie zur Mehrheit der Menschen gehören, die morgens früh zur Arbeit gehen müssen. Wenn Sie als Führungskraft tätig sind, sollten Sie als Eule vor elf Uhr morgens keine Verhandlungen führen, weil Sie vorher noch gar nicht richtig denken können. Eine Lerche dagegen sollte derartige Konferenzen am besten schon morgens um sieben Uhr beginnen. Es ist also wichtig zu wissen: Was bin ich für ein Schlaftyp? Das können Sie am besten im Urlaub herausfinden. Eine Lerche wird gegen zehn Uhr abends müde und fängt an zu gähnen. Eine Eule dagegen ist bei guter Unterhaltung nachts einfach nicht totzukriegen. Kann man seinen Schlaftyp auch wechseln? Nein, normalerweise geht das leider nicht; aber es gibt Menschen, die das Glück haben, Mischtypen zu sein. Das sind die von Gott begnadeten Leute, die am Wochenende lange schlafen und in der Woche früh aufstehen können. Doch so etwas ist selten.Wenn Sie eine Eule sind, bleiben Sie das normalerweise auch; und für Lerchen gilt das Gleiche. Durchschlafstörungen – Stress für die Psyche nicht reguliert werden. Deshalb behandeln wir bei Patienten mit Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen immer als Erstes die Schlafstörung. Viele Menschen tun allerdings auch schon tagsüber sehr viel dafür, abends Schlafstörungen zu haben; sie bereiten diese geradezu systematisch vor. Deshalb schauen wir uns bei einem Patienten auch immer zuallererst sein Schlafverhalten an. Physische Aktivität – psychische Stabilität Ehe man bei Schlafstörungen an den Einsatz von Medikamenten denkt, sollte man erst einmal fragen: Wie sieht es mit der physischen Aktivität und psychischen Stabilität des Patienten aus? Wenn er psychische Belastungen oder Konflikte hat, wird garantiert auch sein Schlaf dadurch beeinträchtigt sein. Körperliche Inaktivität wirkt sich ebenfalls negativ auf den Schlaf aus. Deshalb wenden wir uns bei Schlafstörungen immer zuerst der Frage zu, wie der betreffende Patient lebt. Als nächster Schritt ist es wichtig, dass er versucht, sein Leben ins Gleichgewicht zu bringen – sowohl was den Körper als auch was die Psyche angeht. Erst wenn jemand, der wirklich auf eine gute Schlafhygiene achtet und auch keine psychische Störung hat, trotzdem unter Schlafproblemen leidet, kann über eine medikamentöse Behandlung nachgedacht werden. Dabei ist es durchaus sinnvoll, es bei leichten Schlafstörungen erst einmal mit pflanzlichen Mitteln zu probieren. Aber der Patient sollte nicht irgendeinen Schlaftee in irgendeinem Geschäft kaufen, sondern sich von seinem Arzt oder Apotheker beraten lassen; denn nur dieser weiß über Dosierung, Wirkungsweise und mögliche Nebenwirkungen Bescheid. Drei wichtige Regeln werden im Umgang mit pflanzlichen Heilmitteln immer wieder missachtet: 1. Sie wirken nur in hoch konzentrierter Form. 2. Sie brauchen über drei Wochen, bis sie wirken. Man muss solche Mittel also regelmäßig über einen längeren Zeitraum einnehmen. 3. Diese Medikamente sind, obwohl pflanzlich, trotzdem nicht immer nebenwirkungsfrei. Auch pflanzliche Mittel können z. B. starke Allergien auslösen. Rezeptpflichtige Hypnotika Es gibt eine Gruppe rezeptpflichtiger Medikamente, die man früher bei Schlafstörungen gern einsetzte Als Entspannungsübung empfehlen wir autogenes Training; dieses muss allerdings regelmäßig über einen längeren Zeitraum praktiziert werden, sonst wirkt es nicht entspannend. Es gibt drei Hauptschlafstörungen: Einschlafstörung, Durchschlafstörung und frühmorgendliches Erwachen. Für die Psyche besonders belastend sind, wie schon erwähnt, die Durchschlafstörungen, bei denen man meistens in der zweiten Nachthälfte wach wird und daher der REMSchlaf zu kurz kommt. Aus einer psychischen Erkrankung kommt man als Patient niemals heraus, wenn diese REM-Schlafphasen das schlafmagazin 3/2006 37 Das „grüne Rezept“ Hier einige wichtige Empfehlungen, die wir Patienten mit Schlafstörungen mit auf den Weg geben, das so genannte „grüne Rezept“: • Es ist gut, eine konstante Zubettgehzeit einzuhalten, damit der Körper sich auf diese Uhrzeit einstellen kann. Bei Lerchen liegt dieser Zeitpunkt zwischen halb zehn und zehn Uhr abends, bei Eulen nicht vor Mitternacht. Auch konstante Aufstehzeiten am Morgen, unabhängig vom Zeitpunkt des Einschlafens, sind wichtig – und man sollte sich auch am Wochenende und im Urlaub daran halten. • Halten Sie möglichst keinen Tagesschlaf – aber wenn, dann regelmäßig! Das Mittagsschläfchen sollte nicht länger als eine halbe Stunde dauern. • Verkürzen Sie insgesamt Ihre Bettzeit. Die meisten Menschen gehen viel zu früh ins Bett, obwohl sie noch gar nicht müde sind. Wer nicht schlafen kann, gehört auch nicht ins Bett! • Im Bett darf nur Sex und Schlafen erlaubt sein, sonst nichts. Der Körper muss auf Entspannung getriggert werden, sobald er ins Schlafzimmer kommt. Fernsehen im Bett ist Gift, weil man sich nach dem Abschalten immer noch mit dem Gesehenen beschäftigt – und das sind meistens negative oder aufregende Dinge, nämlich der Krimi oder die Spätnachrichten. Rein schlafmedizinisch gesehen sollte man sich abends keine Spätnachrichten anschauen, sondern lieber Sendungen mit positiver Botschaft. • Wichtig ist auch die Einführung von Schlafritualen wie beispielsweise die entspannende Zubereitung und Einnahme eines Schlaftees. Denn man muss abends den Tag abschließen und sich auf die Nacht einstimmen. Einfach nur den Fernseher ausschalten und dann ins Bad und ins Bett – das funktioniert nicht. Deshalb ist der Schlaftee ein gutes Einschlafritual; denn man braucht Zeit, um ihn in aller Ruhe zuzubereiten und zu trinken. • Was macht man nachts normalerweise als Erstes, wenn man aufwacht? Man schaut auf die Uhr und stellt fest: Es ist – wie immer – gegen drei Uhr. Wenn man in Urlaub fahren möchte und deshalb morgens um fünf Uhr aufstehen muss, wacht man in der Regel automatisch um diese Zeit auf. Genauso ist es, wenn man immer auf den Wecker sieht. Der Körper wird dadurch darauf konditioniert, immer gegen drei Uhr wach zu werden. Deshalb sollte man auf keinen Fall nachts auf die Uhr schauen, sondern seinen Wecker so hinstellen, dass man das Zifferblatt nicht erkennen kann. • Der zweite häufige Fehler ist, dass Menschen, wenn sie nachts wach werden, im Bett liegen bleiben und darauf warten, dass der Schlaf wieder kommt. Da kann man lange warten! Man sollte es seinem Körper, wenn man nachts erwacht, so unbequem wie möglich machen. Er muss lernen:Wenn ich nachts wach werde, wird es unangenehm für mich. Also bei nächtlichem Wachliegen aufstehen, sich ins Wohnzimmer setzen, etwas lesen und erst dann wieder ins Bett gehen, wenn man das Gefühl hat, schlafen zu können. (Man sollte aber nichts Aufregendes lesen, sondern etwas Schönes, Romantisches, und dabei auch kein zu helles Licht einschalten, denn das stoppt die Ausschüttung des „Schlafhormons“ Melatonin.) Falls der Schlaf sich anschließend immer noch nicht einstellt, sollte man wieder aufstehen. Der Körper muss darauf konditioniert werden, dass er nur im Bett liegen darf, wenn er schläft. Es gibt keinen größeren Fehler, als auf den Schlaf zu warten. Die Franzosen sagen: „Der Schlaf ist wie eine Taube, die man fangen will. Immer wenn man zugreift, fliegt sie weg.“ und die viele Ärzte auch heute noch verschreiben; und das, obwohl man inzwischen weiß, dass diese Hypnotika – Benzodiazepine wie beispielsweise Valium®, Dalmadorm® oder Rohypnol® – zwar betäuben, aber keine Erholung bringen. Denn sie verändern die Schlafarchitektur: Die REM- und Tiefschlafphasen werden dadurch seltener und kürzer. Man schläft zwar in der Nacht „wie ein Stein“, ist morgens beim Aufwachen aber trotzdem nicht richtig regeneriert und erholt. Diese Medikamente sollte man also nicht mehr nehmen – obwohl sie bei Schlafstörungen immer noch am dritthäufigsten verordnet werden. (Besonders ärgerlich ist, dass sie zu 11% an Kinder unter 14 Jahre verschrieben werden. Dadurch werden frühzeitig Abhängigkeiten gezüchtet, weil solche Mittel auch gegen Angststörungen, z.B. vor Klassenarbeiten, eingesetzt werden.) In Krankenhäusern werden diese Medikamente ebenfalls gerne bei körperlichen Beschwerden verwendet, weil sie so problemlos und so „gut“ wirken. Aber sie bewirken eben, wie gesagt, kein gutes Schlafmuster, sondern stellen nur ruhig und haben außerdem ein hohes Abhängigkeitspotenzial. Diese Medikamente werden am häufigsten von Hausärzten und Internisten verschrieben – je weniger Zeit der Arzt hat, umso häufiger greift er zu ihnen. Die durchschnittliche Einnahmedauer bei solchen Medikamenten beträgt elf Jahre! Dabei dürften sie wegen ihrer abhängig machenden Wir- kung – wenn überhaupt – nur kurzzeitig eingenommen werden. Zum Glück gibt es eine gute Möglichkeit, Patienten aus dieser Sucht zu befreien: nämlich, indem man (falls sich die Schlafstörung anders nicht in den Griff bekommen lässt) auf eine andere, neuere Medikamentengruppe umsteigt – die benzodiazepinähnlichen Medikamente wie beispielsweise Zopiclon oder Zolpidem. Diese wirken schlaffördernd, aber sie machen nicht abhängig bzw. haben nur ein geringes Suchtpotenzial. Außerdem haben sie eine kurze Halbwertszeit von nur ungefähr vier Stunden. Ein weiterer Vorteil dieser Medikamente ist, dass sie die Tiefschlafund REM-Phasen vertiefen. Der Schlaf wird dadurch erholsamer; man schläft deutlich besser. Antidepressiva gegen Schlafstörungen Außerdem gibt es noch eine weitere Gruppe von Medikamenten gegen Schlafstörungen, die gleichzeitig auch gegen Depressionen wirken: so genannte Antidepressiva. Diese Mittel haben den Vorteil, dass sie nicht abhängig machen, zusätzlich zu ihrer schlaffördernden Wirkung die Stimmung aufhellen und außerdem ebenfalls die Schlafphasen vertiefen. Dies gilt allerdings nicht für alle Antidepressiva, sondern nur für ganz bestimmte antidepressiv wirkende Medikamente. Ebenso wie die benzodiazepinähnlichen Medikamente müssen auch alle Antidepressiva unter ärztlicher Aufsicht und über einen längeren Zeitraum (vier Wochen) allmählich abgesetzt werden. Daraufhin verschlechtert sich der Schlaf natürlich erst einmal. Aber das gibt sich in der Regel nach zehn Tagen wieder. Antidepressiva haben nachweislich kein Abhängigkeitspotenzial – weder physisch noch psychisch. Das Problem ist, dass man solche rezeptpflichtigen Schlafmittel aus schlafmedizinischer Sicht eigentlich nicht länger als zwei oder drei Monate nehmen sollte. Aber was macht man mit Patienten, die schon seit Jahren unter chronischen Schlafstörungen leiden? Bei vielen dieser Patienten verschwinden die Schlafstörungen, sobald man ihnen ein Schlafmittel gibt; doch nach Absetzen des Mittels kehren sie wieder. Das sind dann diejenigen Patienten, die stolz darauf sind, dass sie keine Medikamente einnehmen, aber dafür wegen ihres Schlafproblems alle drei Jahre in der Psychiatrie landen. Ich stelle einen solchen Patienten lieber ein Leben lang auf ein Schlafmittel ein, wenn sich dadurch die Entwicklung einer psychischen Störung vermeiden lässt. Das ist besser, als wenn er sein schlafförderndes Medikament immer wieder absetzt, dann monatelang in der Psychiatrie verschwindet und dort auf hochdosierte Antidepressiva eingestellt wird, deren Nebenwirkungen zum Teil viel gravierender sind als die der Schlafmittel. In solchen Fällen muss man Risiko und Nutzen bei der Medikation stets genau gegeneinander abwägen. • Keine anstrengenden geistigen und körperlichen Aktivitäten vor dem Schlafengehen! • Zu vermeiden sind koffeinhaltige Getränke nach 16 Uhr abends. Zwei Stunden vor dem Schlafengehen sollte man auch nicht mehr rauchen, weil Nikotin ein Nervengift ist, das aufputschend wirkt. • Manche Ärzte empfehlen ihren Patienten, vor dem Schlafengehen als „Schlummertrunk“ ein oder zwei Gläser Wein zu trinken. Das ist die sicherste Methode, um zusätzlich zur Einschlafstörung auch noch eine Durchschlafstörung zu bekommen. Man baut im Schlaf pro Stunde etwa 0,2 Promille ab. Wenn man vor dem Schlafengehen ein paar Gläschen Wein getrunken hat, ist der Alkoholpegel nach ca. fünf Stunden auf Null angelangt, und der Körper möchte dann wieder ein Glas Wein haben. Dann wacht man auf, wird unruhig, muss seine Beine bewegen. Manche Menschen bekommen auch Schweißausbrüche; das heißt, sie haben einen richtigen kleinen Alkoholentzug, auch wenn sie gar nicht alkoholabhängig sind. Scherzhaft könnte man also sagen: Man sollte entweder sturzbetrunken ins Bett gehen oder gar nichts trinken. 38 das schlafmagazin 3/2006 Anzeige das schlafmagazin 3/2006 39
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